OGH 4Ob360/82

OGH4Ob360/8218.1.1983

SZ 56/9

Normen

NVG §1
UWG §1
NVG §1
UWG §1

 

Spruch:

Ist mit einer Werbemaßnahme eines (Groß-)Händlers zugleich eine besondere Hervorhebung bestimmter Produkte verbunden, dann kann darin eine spezifische Gegenleistung des Händlers gesehen werden, die sein Verlangen nach einer Beteiligung des Herstellers (Lieferanten) an den Kosten dieser Werbemaßnahme durchaus legitim erscheinen läßt

Ein gegen das Nahversorgungsgesetz verstoßendes Verhalten kann gleichzeitig auch dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuwiderlaufen

Als typischer Fall eines Mißbrauches von Nachfragemacht kann das "Anzapfen" eines Lieferanten durch den Händler nur im Zusammenhang mit § 1 des Nahversorgungsgesetzes BGBl. 1977/392, gesehen werden; es bezeichnet ein Verhalten des Händlers, der zur Förderung seines Absatzwettbewerbes eine Neben- oder Sonderleistung seines Lieferanten verlangt, ohne seinerseits hiefür eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen.

OGH 18. 1. 1983, 4 Ob 360/82 (OLG Wien 4 R 92/82; HG Wien 19 Cg 57/82).

Text

Die Beklagte führt den zentralen Einkauf für acht selbständige Konzerngesellschaften durch, welche an verschiedenen Standorten in Österreich je einen Abholgroßmarkt für Waren aller Art betreiben; zum Einkauf bei diesen "Metro"-Abholgroßmärkten sind nur registrierte, mit einem Einkaufsausweis versehene Wiederverkäufer und gewerbliche Verbraucher berechtigt. Die Beklage versendete an diesen Kundenkreis in regelmäßigen Abständen die sogenannte "Metro-Post". In dieser Werbeschrift wird jeweils ein bestimmter Ausschnitt aus dem Warenangebot der acht "Metro"-Abholgroßmärkte unter Angabe der Warenbezeichnungen (Marken) und der Preise, überwiegend auch mit farbigen bildlichen Darstellungen der einzelnen Artikel, zum Kauf angeboten. Die Beklagte macht die Aufnahme eines Artikels in die "Metro-Post" regelmäßig von der Zahlung eines "Werbekostenzuschusses" oder "Kostenbeitrages" von 4000 S - und zwar pro Einschaltung und Großmarkt - durch den Lieferanten (Hersteller) abhängig.

Der klagende Österreichische Verband der Marken-Industrie sieht in dieser Vorgangsweise der Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 1 des Nahversorgungsgesetzes, BGBl. 1977/392 (NVG). Nach dem sogenannten "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und den "Wettbewerbsregeln" des Klägers sei das Verlangen eines Händlers nach Werbekostenzuschüssen oder Übernahme der gesamten Kosten bestimmter Werbemaßnahmen durch den Lieferanten eine Gefährdung des leistungsgerechten Wettbewerbs, ohne daß sich der Händler darauf berufen könne, mit der Aufnahme einer bestimmten Ware in seine Werbeankündigungen eine (angemessene) "Gegenleistung" zu erbringen. Auch im vorliegenden Fall lasse sich die Beklagte die primär und unmittelbar ihr selbst zugute kommende Werbung in der "Metro-Post" funktionswidrig und unter mißbräuchlicher Ausnützung ihrer Stellung als Großabnehmerin von den Lieferanten der Waren finanzieren. Dieses dem § 1 NVG zuwiderlaufende Verhalten begrunde zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG; in ihm sei aber auch der Versuch sittenwidrigen "Anzapfens" zu sehen, weil der von der Beklagten solcherart um eine atypische Leistung "gebetene" Lieferant bei Ablehnung dieses Ansinnens wirtschaftliche Nachteile - durch Nichtaufnahme seiner Erzeugnisse in die "Metro-Post" - befürchten müsse. Der Kläger beantragte daher, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, von ihren Lieferanten Geld oder sonstige Leistungen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, wie insbesondere Kostenzuschüsse zu Werbemaßnahmen der Beklagten, zu fordern.

Die Beklagte hat sich gegen den Sicherungsantrag ausgesprochen. Die Verteilung der "Metro-Post" diene keineswegs ausschließlich oder auch nur überwiegend den Interessen der Beklagten; mit dieser Werbeschrift werde vielmehr von den Herstellern (Lieferanten) selbst eine gezielte Produktwerbung gegenüber dem Kundenkreis der "Metro"- Abholgroßmärkte betrieben. Der beanstandete Kostenbeitrag sei ein angemessenes Äquivalent für die von der Beklagten mit der Herstellung und der Verteilung der "Metro-Post" im Interesse und auf Wunsch der Hersteller (Lieferanten) erbrachten Werbeleistung.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:

Die "Metro"-Märkte führen ein Sortiment von rund 40 000 Artikeln und erzielen damit einen Umsatz von zirka 6 bis 7 Mrd. S im Jahr; die in einer Nummer der "Metro-Post" angebotenen Artikel sind daher nur ein kleiner Bruchteil dieses gesamten Sortiments. Die Beklagte verkauft auch gleichartige Artikel verschiedener Hersteller. Zur Aufnahme bestimmter Waren in die "Metro-Post" kommt es zum Teil dadurch, daß der betreffende Hersteller (Lieferant) eine solche Werbung wünscht, zum Teil aber auch auf Grund einer eigenen Initiative der Beklagten, wenn diese aus bestimmten Gründen den Verkauf eines Artikels fördern will. Grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos ist für eine Einschaltung in der "Metro-Post" ein Betrag von (4000 S x 8 =) 32 000 S zu zahlen. Als der Beklagten bekannt wurde, daß der Kläger gegen sie vorgehen wolle, wandte sie sich an etwa 50 ihrer rund 500 Lieferanten mit der Frage, ob sie mit der beanstandeten Werbung einverstanden seien; sie entwarf hiefür das Muster einer positiven Antwort. Von den 50 angesprochenen Lieferanten gaben 37 eine solche Erklärung oder eine inhaltlich gleiche Erklärung ab; 13 Lieferanten waren mit dieser Form von Werbung nicht einverstanden.

Rechtlich bejahte das Erstgericht einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 1 und 2 NVG und damit auch gegen § 1 UWG. Schon die bloße Existenz eines Werbemediums wie der "Metro-Post" bringe es angesichts der Nachfragemacht der Beklagten mit sich, daß ein Teil der Hersteller (Lieferanten) für Werbeeinschaltungen zahle, die den geschäftlichen Bedürfnissen dieser Unternehmen gar nicht entsprächen und daher von ihnen in Wahrheit auch gar nicht gewünscht würden. Jede Werbung sei grundsätzlich von demjenigen Unternehmen zu finanzieren, dem sie primär zugute komme. Für eine Übernahme von Werbekosten eines - nachfragestarken - Händlers durch die Hersteller (Lieferanten) werde vielfach nur das Bestreben maßgebend sein, möglichst gute geschäftliche Beziehungen zu diesem Großabnehmer aufrecht zu erhalten; auch in solchen Fällen könne daher von einer "angemessenen Gegenleistung" des Händlers nicht gesprochen werden. Gehe man aber iS des eigenen Vorbringens der Beklagten davon aus, daß eine Werbung in der "Metro-Post" billiger und damit wirkungsvoller sei als eine gleichartige Werbung in anderen Medien, dann bedeute die Aufnahme eines bestimmten Artikels in diese Werbeschrift eine sittenwidrige Bevorzugung seines Herstellers (Lieferanten) gegenüber den Herstellern (Lieferanten) anderer, mangels Zahlung eines "Werbekostenbeitrages" in der "Metro-Post" nicht beworbenen Produkte.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Da das Nahversorgungsgesetz keine Verbotstatbestände normiere, sondern nur die Voraussetzungen für eine Untersagung bestimmter Verhaltensweisen im Wege eines außerstreitigen Verfahrens vor dem Kartellgericht geschaffen habe, könne ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG nur auf eine solche Verletzung des Nahversorgungsgesetzes gestützt werden, die zugleich auch das - nach wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende - Kriterium der Unlauterkeit erfülle. Von einem solchen sittenwidrigen "Anzapfen" der Hersteller (Lieferanten) durch die Beklagte könne aber hier nicht gesprochen werden. Nicht jedes Aushandeln von Sonderkonditionen oder Sonderleistungen durch einen marktstarken Abnehmer sei unlauter und damit wettbewerbswidrig; gerade ein solcher Händler sei in der Lage, größere Warenmengen abzunehmen, und könne daher vielfach günstiger als seine Mitbewerber abschließen. Es sei auch noch nicht wettbewerbswidrig, wenn es einem Nachfrager gelinge, unternehmerische Aufgaben und Risken, die typischerweise von ihm selbst zu tragen wären, auf einen Lieferanten abzuwälzen; weder der Gesichtspunkt der Funktionsverlagerung im Rahmen der Marktstufen noch der einer unterschiedlichen Behandlung rechtfertige für sich allein die Anwendung des § 1 UWG. Unlauteres "Anzapfen" werde daher von der Rechtsprechung erst dann angenommen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Tatbestand einer Nötigung, also der Ausübung psychischen Drucks auf den Hersteller (Lieferanten), erfüllt sei oder zumindest ein übermäßiger Marktverdrängungseffekt "hervorgerufen werde, welcher die Mitbewerber der Gefahr eines existenzbedrohenden Vernichtungswettbewerbes aussetze. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor; auch in jenen Fällen, in denen die Initiative zur Aufnahme eines Artikels in die "Metro-Post" von der Beklagten ausgehe, biete der bescheinigte Sachverhalt keine Grundlage für die Annahme einer Ausübung psychischen Drucks auf die betreffenden Hersteller (Lieferanten). Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Beklagte für die von ihr verlangte Leistung auch eine entsprechende Gegenleistung erbringe. Durch die Aufnahme eines bestimmten Artikels in die "Metro-Post" werde nicht nur für die Abholgroßmärkte der Beklagten, sondern zugleich auch für die betreffenden Waren selbst geworben; es liege daher ein Fall der sogenannten "Gemeinschaftswerbung" vor, welche durchaus nicht marktfremd, sondern vielfach üblich und auch rechtlich unbedenklich sei. Daß aber das von der Beklagten für die Werbeleistung verlangte Entgelt übermäßig hoch wäre und insofern eine atypische Sonderleistung ohne entsprechende Gegenleistung vorläge, habe der Kläger nicht einmal behauptet. Auch ein übermäßiger Verdrängungseffekt in bezug auf die Mitbewerber der Beklagten sei nicht anzunehmen, sodaß die beanstandete Maßnahme der Beklagten weder den §§ 1 oder 2 NVG noch dem Tatbestand § 1 UWG unterstellt werden könne. Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei daher nicht bescheinigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger leitet seinen Unterlassungsanspruch aus zwei Rechtsgrunden ab: Das Verlangen der Beklagten nach Zahlung eines "Werbekostenzuschusses" sei iS des § 1 NVG geeignet, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden; als Versuch sittenwidrigen "Anzapfens" der Hersteller (Lieferanten) verstoße es überdies gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr und damit gegen § 1 UWG. Das Verhältnis dieser beiden Rechtsvorschriften zueinander regelt § 9 NVG dahin, daß durch dieses Gesetz "die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb unberührt bleiben". Das bedeutet zunächst, daß ein gegen das Nahversorgungsgesetz verstoßendes Verhalten gleichzeitig auch dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuwiderlaufen und daher nicht nur zur Einleitung eines (außerstreitigen) Verfahrens vor dem Kartellgericht, sondern auch zu einem Rechtsstreit vor dem ordentlichen Gericht führen kann (ÖBl. 1979, 152 = GRURInt. 1980, 372; Farnleitner - Straberger, Nahversorgungsgesetz 108 § 9 Anm. 5;

Barfuß, Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, ÖZW 1978, 10 ff.; Schuhmacher, "Quo vadis", österreichisches Wettbewerbsrecht?, ÖJZ 1978, 314 ff., 317 f.;

Karsch, Verletzungen des Nahversorgungsgesetzes als Wettbewerbsverstoß?, ÖBl. 1979, 91 f.). Ob darüber hinaus ein Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz als Verletzung einer wettbewerbsregelnden Norm schon für sich allein - also auch ohne Vorliegen besonderer "Unlauterkeitskriterien" - eine Zuwiderhandlung gegen § 1 UWG bedeutet, wird von Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet(s. dazu Farnleitner - Straberger aaO 103 ff.; Barfuß aaO; Schuhmacher aaO; John, Gedanken zum österreichischen Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz, GRUR-Int. 1978, 343 ff., 346 f.; Karsch aaO 92; Harrer, Normverstoß und § 1 UWG ÖBl. 1981, 89 ff., 95); diese Frage kann aber auf sich beruhen, weil in dem beanstandeten Verhalten der Beklagten nach Ansicht des erkennenden Senates auch keine Verletzung des § 1 NVG gesehen werden kann. Grundlage der gegenteiligen Rechtsauffassung des Klägers sind vor allem der sogenannte "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (abgedruckt in ÖBl. 1977, 150 f. und bei Farnleitner - Straberger aaO 121 f.) und die "Wettbewerbsregeln des Österreichischen Verbandes der Markenartikel-Industrie" (abgedruckt in ÖBl. 1976, 147 f. und bei Farnleitner - Straberger aaO 123 ff.); da dort - jeweils in Z 1 lit. k - das Fordern und Gewähren von "Kostenzuschüssen" bzw. die "vollständige Übernahme der Kosten bei Werbemaßnahmen des Handelsunternehmens" schlechthin zum Beispiel für ein "durch die österreichische Wettbewerbsgesetzgebung verbotenes" (so die "Wettbewerbsregeln") bzw. "zur Gefährdung des leistungsgerechten Wettbewerbs geeignetes" (so der "Wohlverhaltenskatalog") Verhalten angeführt werde, komme es auf eine allfällige "Gegenleistung" der Beklagten überhaupt nicht an. Dabei wird jedoch übersehen, daß der "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft - welcher die "gemeinsame Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise über Verhaltensweisen, die zu einer Gefährdung des leistungsgerechten Wettbewerbs führen können", zum Ausdruck bringt - keinerlei normative Kraft hat und deshalb nur als Auslegungshilfe herangezogen werden kann. Rechtsgrundlage der Beurteilung ist vielmehr allein das Nahversorgungsgesetz selbst, nach dessen § 1 Abs. 1 "Verhaltensweisen von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr untereinander" in einem außerstreitigen Verfahren vor dem Kartellgericht untersagt werden können, "soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden"; eine solche Verhaltensweise ist gemäß § 1 Abs. 2 NVG insbesondere das "Anbieten oder Fordern, Gewähren oder Annehmen von Geld oder sonstigen Leistungen ..... zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, vor allem, wenn zusätzlichen Leistungen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen". Dieses gesetzliche Erfordernis mangelnder "sachlicher Rechtfertigung" der Leistung, welches vor allem beim Fehlen einer "entsprechenden Gegenleistung" anzunehmen ist, darf auch bei der Heranziehung der Z 1 lit. k des "Wohlverhaltenskataloges" nicht außerachtgelassen werden. Unter Bedachtnahme auf § 1 Abs. 2 NVG kann vielmehr auch diese Bestimmung nur dahin verstanden werden, daß die hier genannten "Kostenzuschüsse bzw. vollständige Übernahme der Kosten bei Werbemaßnahmen des Handelsunternehmens" nur dann zur Gefährdung des leistungsgerechten Wettbewerbs geeignet sind, wenn und soweit sie "sachlich nicht gerechtfertigt" sind, also insbesondere wegen Fehlens einer "entsprechenden Gegenleistung".

Eine solche Gegenleistung wird jedoch, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, von der Beklagten durch die Aufnahme der betreffenden Artikel in die "Metro-Post" tatsächlich erbracht. Wenngleich diese Druckschrift in erster Linie der Werbung der Beklagten für die in den acht "Metro"-Abholgroßmärkten vertriebenen Waren dient, kann doch nicht ernstlich bezweifelt werden, daß mit der Aufnahme und der (meist auch bildlichen) Herausstellung eines Produktes in der "Metro-Post" zugleich auch für dieses Produkt selbst und dessen Hersteller geworben wird. Damit kann aber das Verlangen der Beklagten nach einem Zuschuß zu den Kosten dieser Werbemaßnahmen keineswegs als "funktionswidriger" Versuch angesehen werden, einen Aufwand, den "typischerweise" die Beklagte selbst zu tragen hätte, auf ihre Lieferanten abzuwälzen. Daß eine solche Form der "Produktwerbung" keinesfalls immer nur Sache des (Groß-) Händlers ist, zeigt schon der gerichtsbekannte Umstand, daß sie in erheblichem Ausmaß tatsächlich auch von den Herstellern selbst betrieben wird. Von einer ausschließlich dem Handel "immanenten" und deshalb auch nur von ihm zu finanzierenden "Funktion" kann hier umso weniger gesprochen werden, als erfahrungsgemäß die Funktionen zwischen Anbietern und Nachfragen keineswegs zwingend festgelegt sind und sich insbesondere auch je nach der Wettbewerbslage ändern können (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[13] 894 § 1 dUWG RN 732). Ist daher mit einer Werbemaßnahme eines (Groß-)Händlers zugleich eine besondere Hervorhebung bestimmter Produkte verbunden, dann kann darin sehr wohl eine spezifische "Gegenleistung" des Händlers gesehen werden, welche sein Verlangen nach einer Beteiligung des Herstellers (Lieferanten) an den Kosten dieser Werbemaßnahmen durchaus legitim erscheinen läßt (in diesem Sinne auch Z 3 der von 15 Wirtschaftsorganisationen der Bundesrepublik Deutschland im November 1975 abgegebenen "Gemeinsamen Erklärung zur Sicherung des Leistungswettbewerbs", abgedruckt in WRP 1976, 9 f., bei Baumbach - Hefermehl aaO 898 ff. RN 736 und bei Farnleitner - Straberger aaO 126 ff.: "(Den Leistungswettbewerb gefährdet) das Anbieten, Fördern und Gewähren von Werbekostenzuschüssen und/oder sonstigen Werbeleistungen für einzelne Abnehmer (zB Verbundwerbung), ohne daß dafür eine angemessene spezifische Gegenleistung erbracht wird; eine spezifische Gegenleistung ist die besondere Förderung der Ware eines Lieferanten zB durch Hervorhebung in Katalogen, Ordersätzen, Zeitungsanzeigen, Werbeflächen, Schaufenstern, Regalen und sonstigen Werbeträgern"). Diese Voraussetzungen liegen auch hier vor. Die Beklagte hat durch die besondere Hervorhebung bestimmter Artikel in der "Metro-Post" eine spezifische Gegenleistung für die von ihr verlangten "Werbekostenzuschüsse" oder "Kostenbeiträge" erbracht. Ob diese Gegenleistung "angemessen" war, braucht aber schon deshalb nicht näher erörtert zu werden, weil der Kläger gar nicht behauptet hat, daß die von der Beklagten verlangten Beträge unangemessen hoch gewesen wäre, vielmehr diese Frage ausdrücklich als "nicht als entscheidungswesentlich" bezeichnet hat.

Aus den gleichen Erwägungen ist aber im vorliegenden Fall auch ein Versuch sittenwidrigen "Anzapfens" iS des § 1 UWG zu verneinen; Wie der OGH in ÖBl. 1979, 152 = GRURInt. 1980, 372 dargelegt hat, verstößt das "Anzapfen" eines Lieferanten durch einen Händler unter dem Gesichtspunkt der Nötigung, also der Ausübung psychischen Drucks, immer dann gegen die guten Sitten, wenn der angesprochene Unternehmer nach den Umständen des Falles den Eindruck gewinnen kann, daß er bei Ablehnung der erbetenen Leistung wirtschaftliche Nachteile erleiden könnte. Das - in dieser Entscheidung nicht näher definierte - "Anzapfen" ist der typische Fall eines Mißbrauches von Marktmacht eines Händlers gegenüber seinen Lieferanten; es kann daher nur im Zusammenhang mit § 1 NVG gesehen werden und bezeichnet demnach regelmäßig ein Verhalten des Händlers der zur Förderung seines Absatzwettbewerbes eine Sonderleistung seines Lieferanten verlangt, ohne seinerseits hiefür eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen (Baumbach - Hefermehl aaO 891 RN 729). Die bloße Tatsache einer besonderen "Nachfragemacht" des Händlers reicht dazu ebensowenig aus wie eine "Nötigung" des Lieferanten in dem Sinn, daß bei Ablehnung der geforderten Leistung ein Geschäftsabschluß oder eine sonstige Leistung des Händlers unterbleibt (Baumbach - Hefermehl aaO 894 RN 732); für das "Anzapfen" kennzeichnend ist vielmehr immer das Fordern einer Neben- oder Sonderleistung ohne eigene Gegenleistung (Baumbach - Hefermehl aaO; vgl. auch Karsch aaO 92; ebenso Z 1 der "Wettbewerbsregeln" des deutschen Markenverbandes, abgedruckt in WRP 1976, 576 und in Baumbach - Hefermehl aaO 900 RN 737). Da diese Voraussetzung nach dem Gesagten hier nicht zutrifft, weil die Beklagte für die von ihr verlangten "Werbekostenzuschüsse" eine spezifische Gegenleistung in Form der besonderen Hervorhebung bestimmter Produkte in der "Metro-Post" erbringt, scheidet auch die Annahme sittenwidrigen "Anzapfens" im vorliegenden Fall aus. Der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 1 UWG ist deshalb gleichfalls nicht gerechtfertigt.

Soweit die Ausführungen des Revisionsrekurses nicht schon durch das bisher Gesagte widerlegt sind, können auch sie der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Daß Z 1 lit. k des "Wohlverhaltenskataloges" im Zusammenhang mit § 1 NVG nur dahin verstanden werden kann, daß das Fordern und Gewähren von "Kostenzuschüssen" sowie die "vollständige Übernahme der Kosten bei Werbemaßnahmen des Handelsunternehmens" nur dann zur Gefährdung des leistungsgerechten Wettbewerbes geeignet ist, wenn der Händler hiefür keine angemessene Gegenleistung erbringt, ist bereits oben dargelegt worden. Inwiefern das Verhalten der Beklagten auch nach der "Gemeinsamen Erklärung der (deutschen) Spitzenorganisationen der gewerblichen Wirtschaft" zu beanstanden wäre, weil in der "Metro-Post" kein Produkt "besonders hervorgehoben" werde, ist nicht recht verständlich; gerade darin, daß ein bestimmter Artikel in die "Metro-Post" aufgenommen und damit gegenüber dem gesamten, rund 40 000 Artikel umfassenden Sortiment der Beklagten in Wort und Bild besonders hervorgehoben wird, liegt ja die besondere Förderung dieses Produktes und damit die "spezifische Gegenleistung" der Beklagten. Richtig ist, daß die "Metro-Post" kein "allen Erzeugern offenstehendes Werbemedium" ist, sondern primär eine Werbeschrift der beklagten Großhändlerin; das schließt aber iS der obigen Ausführungen keinesfalls aus, daß der Werbeeffekt der hier veröffentlichten Warenangebote in sehr erheblichem Ausmaß auch den Herstellern dieser Artikel zugute kommt. Für die gegenteilige Auffassung des Klägers ist insbesondere auch aus dem Diskriminierungsverbot des § 2 Abs. 2 NVG nichts zu gewinnen, weil das Gesetz auch hier einen Unterlassungsanspruch nur im Falle des Forderns oder Annehmens "sachlich nicht gerechtfertigter Bedingungen" gewährt. Die Auffassung des Klägers, daß die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes einer Umgehung des § 2 Abs. 1 NVG Tür und Tor öffnen und diese Bestimmung ihres Sinnes berauben würde, entbehrt jeder stichhältigen Begründung. Daß sich aber das Rekursgericht bei der Bezeichnung der mit der "Metro-Post" betriebenen Werbung als "Gemeinschaftswerbung" offenbar im Ausdruck vergriffen hat, ändert nichts an der sachlichen Richtigkeit der Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte