OGH 7Ob601/89

OGH7Ob601/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nicole L***, geboren am 18. Februar 1976, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Manfred L***, Angestellter, Peuerbach, Römergasse 5, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 11. April 1989, GZ R 135/89-128, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Raab vom 7. März 1989, GZ P 68/88-123, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 18.2.1976 geborene Nicole L*** entstammt der Ehe des Manfred und der Hildegard L***. Die Ehe wurde am 14.3.1984 rechtskräftig geschieden. Die im § 177 ABGB angeführten Rechte stehen der Mutter zu, bei der sich die Minderjährige auch befindet. Bereits mit Beschluß vom 2.8.1985, P 247/83-48, hat das Erstgericht mit Billigung des Rekursgerichtes einen Antrag des Vaters, ihm ein Besuchsrecht zu gewähren, abgewiesen. Einen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 19.12.1985, 7 Ob 686/85-60, zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der vorliegende Revisionsrekurs richtet sich neuerlich gegen übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen, mit denen ein weiterer Antrag des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes abgewiesen wurde. Den Entscheidungen der Vorinstanzen liegt ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten zugrunde, demzufolge die Einräumung eines väterlichen Besuchsrechtes im Hinblick auf die Einstellung des Kindes zum Vater das seelische Wohl dieses Kindes schwer gefährden würde. Es liegt eine psychodiagnostisch feststellbare Angst vor dem Vater vor, die seitens des Kindes einen präzipitierenden Neurosefaktor bildet. Jeder zwangsweise persönliche Kontakt des Kindes mit dem Vater könnte geeignet sein, eine psychoneurotische Entwicklung einzuleiten.

Übereinstimmend haben die Vorinstanzen den Standpunkt vertreten, die Einräumung des Besuchsrechtes habe wegen der damit für das Kind verbundenen Gefahr zu unterbleiben. Das Rekursgericht hat dem Umstand, daß der Vater zu dem Gutachten nicht vernommen worden ist, keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil es der Vater unterlassen habe, im Rekurs darzulegen, in welchen Punkten das Gutachten unrichtig sei. Er hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, im Rekurs seinen Standpunkt darzutun.

Da im vorliegenden Fall übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, wäre gemäß § 16 AußStrG ein Rekurs nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig. Eine Aktenwidrigkeit wird nicht behauptet. Von einem Verfahrensverstoß im Gewicht einer Nullität nach § 16 AußStrG könnte dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - hier das Wohl des Kindes - vollkommen außer acht gelassen würden (7 Ob 669/88, 4 Ob 565/80 ua). Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liegt nur bei Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, nicht aber schon dann, wenn ein Beteiligter zu einzelnen Beweisergebnissen nicht gehört wurde (EvBl 1966/14, 5 Ob 512/89 ua). Zwar würde die Verletzung des rechtlichen Gehörs auch im Außerstreitverfahren eine Nichtigkeit begründen, doch wird ein derartiger Mangel in erster Instanz dadurch behoben, daß dem Beschwerten die Gelegenheit geboten wird, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (SZ 46/93, EFSlg. 28.250, 23.509 ua). Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert nämlich nur, daß der Partei ein Weg eröffnet werde, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt und überhaupt alles vorbringen kann, was der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruches dienlich sein kann (RZ 1983/62, EvBl 1987/34 ua).

Auch die im Rekurs genannte Entscheidung EvBl 1982/120 zeigt letzten Endes keine anderen als die oben dargelegten Grundsätze auf. Im dortigen Verfahren wurde die Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs deshalb angenommen, weil die Mutter zu schweren, gegen sie erhobenen Beschuldigungen überhaupt nicht vernommen worden ist. Dort hat der Oberste Gerichtshof den Standpunkt vertreten, wenn gegen eine Person gravierende Beschuldigungen erhoben werden, so müsse diese dazu vernommen werden.

Im vorliegenden Fall beruht die Entscheidung des Erstgerichtes auf keinerlei Beschuldigungen gegen den Antragsteller. Die Entscheidung wurde ausschließlich im Hinblick auf ein Gutachten getroffen, das sich nur mit der Person des Kindes und den Auswirkungen eines väterlichen Besuchsrechtes auf dieses Kind beschäftigt. Daß der Vater zu der negativen Einstellung des Kindes gegen ihn derzeit irgend etwas beitrage, wurde nicht einmal andeutungsweise behauptet. Es erübrigte sich daher eine Einvernahme des Vaters zu einem allfälligen eigenen Verhalten, weil ein derartiges Verhalten nicht Grundlage für die Entscheidung war. Es mag einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens begründen, daß dem Vater keine Gelegenheit geboten wurde, zu dem Sachverständigengutachten, also einem einzelnen Beweismittel, Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme hätte nicht in der Abwehr von Beschuldigungen, sondern nur in einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten und einer Darlegung der Gründe, warum dieses unter Berücksichtigung der Person des Kindes unrichtig sein soll, bestehen können. Hiezu hätte, wie das Rekursgericht richtig erkennt, der Vater auch noch im Rekurs die Möglichkeit gehabt. Das im Revisionsrekurs gebrauchte Argument, dem Vater sei das Gutachten nicht zugestellt worden, schlägt nicht durch, weil bereits der erstgerichtliche Beschluß eindeutig dieses Gutachten als Entscheidungsgrundlage erkennen läßt. Es wäre dem Vater daher ohne weiters möglich gewesen, sich etwa in Form der Akteneinsicht, Kenntnis von dem detaillierten Inhalt des Gutachtens (dessen Ergebnis sich aus der erstgerichtlichen Entscheidung ergibt) zu verschaffen. Das Rekursgericht ist auf die Frage eines diesbezüglichen Mangels des erstgerichtlichen Verfahrens auch eingegangen, jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß dieser Mangel deshalb nicht mehr wahrzunehmen sei, weil der Vater die ihm mögliche Stellungnahme im Rekurs unterlassen hat. Bei der geschilderten Sachlage begründet also die Unterlassung der Einholung einer Stellungnahme des Vaters zu dem Sachverständigengutachten durch das Erstgericht keine Nichtigkeit.

Was die behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit anlangt, kann auf die Begründung des bereits oben erwähnten Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 19.12.1985, 7 Ob 686/85, verwiesen werden. Beim festgestellten Sachverhalt gilt die damalige rechtliche Beurteilung auch jetzt.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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