OGH 8Ob607/88

OGH8Ob607/8831.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elvira F***, geb. M***, Hausfrau, 6971 Hard, Margarethendamm 8, vertreten durch Dr. Reinhard Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, wider den Antragsgegner Adolf F***, Pensionist, 6971 Hard, Margarethendamm 8a, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 9. Mai 1988, GZ. 1 a R 220/88-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 14. März 1988, GZ. F 7/87-39, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrt nach der am 6. Mai 1985 aus dem überwiegenden Verschulden des Antragsgegners ausgesprochenen und inzwischen rechtskräftig gewordenen Scheidung ihrer Ehe fristgerecht die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse u.a. derart, daß ihr die Miteigentumsanteile des Antragsgegners an den bereits in ihrem Miteigentum stehenden Liegenschaften EZ 2093 und 1260 KG Hard gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von S 550.000,-- übertragen werden. Der Antragsgegner beantragte die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens derart, daß hinsichtlich der genannten Liegenschaften eine Benützungsregelung getroffen werde, nach welcher ihm der am Hause Margarethendamm Nr. 8 erfolgte "Anbau Margarethendamm 8a", zur Alleinbenützung zugewiesen werde. Eine Übertragung der Miteigentumsanteile der Antragstellerin an den Liegenschaften auf ihn gegen Leistung einer Ausgleichszahlung seinerseits an die Antragstellerin lehnte er ab.

Wie bereits im ersten Rechtsgang übertrug das Erstgericht nach Aufhebung seiner Entscheidung ON 19 durch das Rekursgericht (ON 24) auch im zweiten Rechtsgang mit dem Beschluß ON 39 die Anteile des Antragsgegners an den oben bezeichneten Liegenschaften unter den im einzelnen angeführten näheren Regelungen auf die Antragstellerin - die Aufteilung des übrigen ehelichen Vermögens erfolgte im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches - und verpflichtete sie, dem Antragsgegner insoweit eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 1,037.859,-- zu leisten. Gemäß dem Auftrag im rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhob das Erstgericht die Lebensverhältnisse der Parteien und insbesondere auch ihr gegenseitiges Verhältnis seit der Scheidung, besonders in der Richtung, ob zu erwarten sei, daß zwischen ihnen in Zukunft normale nachbarschaftliche Beziehungen bestehen könnten. Es ging davon aus, daß sich das gespannte, kein normales Gespräch zulassende Verhältnis zwischen den Parteien seit der Scheidung noch stark verschlechtert hat. Auch beim gerichtlichen Lokalaugenschein auf den Liegenschaften der Parteien und ebenso bei einer Verhandlung im Gerichtssaal ist es zwischen diesen zu einem heftigen Wortgefecht gekommen. Schon durch die Anwesenheit des Antragsgegners gerät die sonst sehr einsichtig und vernünftig wirkende Antragstellerin völlig außer Fassung. Ein geordnetes Gespräch oder ein vernünftiges Verhalten, wie es zwischen Miteigentümern erforderlich ist, erscheint nicht möglich. Zu Auseinandersetzungen kam es auch deswegen, weil der Antragsteller sich zeitweise geweigert hatte, die auf ihn entfallenden Betriebskostenanteile zu bezahlen. Die Antragstellerin beabsichtigt für den Fall, daß das Gericht eine vom Antragsgegner angestrebte Benützungsregelung trifft, unverzüglich nach Rechtskraft der Entscheidung die Teilungsklage einzubringen. Die gegenseitige Ablehnung der Parteien ist nach wie vor auf das äußerste ausgeprägt. Der Antragsgegner hat bereits damit begonnen, den Anbau Margarethendamm 8a für seine Zwecke zu adaptieren, und auch dabei ist es zu massiven Zerwürfnissen zwischen den Parteien gekommen. Im Falle der vom Antragsgegner angestrebten Benützungsregelung sind "sowohl bei Betreten der beiden Häuser, nämlich durch den Vorplatz, als auch bei Benützung des Gartens" ständige Begegnungen der Parteien nicht zu vermeiden. Eine Trennung ihrer Lebensbereiche ist auch durch die vom Antragsgegner beabsichtigten baulichen Maßnahmen nicht möglich. Die Antragstellerin hat den von ihr benützten Teil des Hauses Margarethendamm 8 im Dezember 1987 vorübergehend u.a. deswegen vermietet, weil sie mit den monatlichen Unterhaltszahlungen die laufenden Aufwendungen für die Liegenschaft nicht hätte bezahlen können. In der Folge hat sie mit den Mietern einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach diese das Bestandobjekt mit 31. Mai 1988 räumen; sie wird wieder in das Haus zurückkehren. Der Antragsgegner wohnt seit 1. Dezember 1987 im Hause Margarethendamm 8a, vorher hatte er ein Jahr lang in Fußach gewohnt. Bei diesem Sachverhalt erachtete es das Erstgericht als geradezu unmöglich, das Miteigentum der Parteien an den Liegenschaften aufrechtzuerhalten. Die unumgänglich weiterhin vorhandenen Berührungspunkte würden zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Parteien führen. Allein ihr räumliches Naheverhältnis hätte auch bei sonstiger Trennung ihrer Lebensverhältnisse offenbar maßivste Auseinandersetzungen zur Folge. Eine bloße Benützungsregelung würde daher jedenfalls untragbare Verhältnisse schaffen. Die Antragstellerin sei in diesem Falle entschlossen, unverzüglich die Teilungsklage einzubringen. Rechtlich sei im Sinne der Entscheidung EvBl. 1980/215 davon auszugehen, daß im Falle einer Benützungsbefugnis der Ehegatten an der Ehewohnung aufgrund Miteigentums vom Gericht - soferne eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielbar sei (§ 90 Abs. 1 EheG) - ungeachtet der Nichterwähnung dieser Rechtsgestaltung im § 87 Abs. 1 EheG nicht nur ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis zugunsten eines Ehegatten, sondern ebenso wie im Falle des § 86 Abs. 1 EheG auch ein dingliches Recht angeordnet werden könne. Vorliegendenfalls sei eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielbar. Der Antragsgegner lehne seinerseits die Übertragung der Liegenschaftsanteile der Antragstellerin an ihn kategorisch ab. Aus den im einzelnen angeführten Gründen sei ihm für seine somit an die Antragstellerin zu übertragenden Liegenschaftsanteile von dieser unter Anwendung des von den Parteien gebilligten Aufteilungsschlüssels von 1 : 1 eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 1,037.859,-- zu leisten. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es hielt die erstgerichtliche Feststellung für unbedenklich, daß es im Falle der vom Rechtsmittelwerber angestrebten Benützungsregelung sowohl beim Betreten der beiden Häuser über den Vorplatz als auch bei Benützung des Gartens zu ständigen, durch bauliche Maßnahmen nicht zu verhindernden Begegnungen der Streitteile kommen werde, und diese müßten bei ihrer Einstellung zueinander immer wieder zu Auseinandersetzungen führen. Die Parteien seien derart verfeindet, daß eine Aufrechterhaltung ihres gemeinsamen Eigentums an den beiden Häusern nicht zielführend erscheine. Schon ein kurzer Kontakt auf dem gemeinsamen Vorplatz oder Vorgarten habe massivste Auseinandersetzungen zur Folge. Es sei auch schon zu Tätlichkeiten gekommen. Der im § 90 Abs. 1 EheG ausgedrückte Bewahrungsgrundsatz, daß jedem Ehegatten sein Eigentum an Grund und Boden möglichst erhalten bleiben solle, habe jedenfalls hinter dem leitenden Grundgedanken der gesetzlichen Aufteilungsregelung, daß die häufig eine ständige Quelle der Auseinandersetzungen bildenden vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten nach Möglichkeit vollkommen aufgehoben werden sollten, zurückzutreten. Vorliegendenfalls komme der Bestimmung des § 84 EheG, wonach die Aufteilung so vorgenommen werden solle, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berührten, besondere Bedeutung zu. Eine Benützungsregelung, wie sie der Antragsgegner anstrebe, sei unter den gegebenen Umständen untunlich. Die einzig sinnvolle Regelung sei nur die, daß der Antragsgegner seine Miteigentumsanteile auf die Antragstellerin übertrage und dafür eine Ausgleichszahlung erhalte. Auf andere Weise sei somit eine billigere Regelung nicht erzielbar. Da die Vermietung des Hauses Margarethendamm 8 nur vorübergehend erfolgt sei und die Antragstellerin wiederum das Haus selbst bewohnen werde, sei auch das Argument, durch die Vermietung ergebe sich eine Veränderung der Lebensverhältnisse der Parteien, nicht gültig. Die erstgerichtliche Entscheidung trage unter umsichtiger Würdigung der Verhältnisse dem Gebot der klaren Trennung der geschiedenen Ehegatten in allen Lebensbereichen Rechnung. Eine Benützungsregelung unter Beibehaltung des Miteigentums der Parteien komme nach den gegebenen Umständen nicht in Betracht.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt der Antragsgegner Revisionsrekurs mit dem Antrage auf Abänderung in dem Sinne, daß hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaften eine - im einzelnen dargestellte - Benützungsregelung getroffen werde. Hiezu führt er aus, es fehlten Feststellungen darüber, daß durch bauliche Maßnahmen eine komplette Trennung der Lebensverhältnisse der Parteien erreichbar sei. Mögliche Berührungspunkte am Vorplatz und über den Garten könnten die Benützungsregelung nicht ausschließen. Jener Teil des Gartens, der Berührungen zulasse, werde vom Antragsgegner der Antragstellerin zur Alleinbenützung überlassen. Hinsichtlich des Vorplatzes könne eine komplette Trennung der Lebensbereiche zwar nicht erfolgen, doch sei dies kein Grund, den Hälfteanteil des Antragsgegners auf die Antragstellerin zu übertragen, denn bei keiner Benützungsregelung seien Berührungspunkte gänzlich auszuschließen. Eine komplette Trennung der Lebensbereiche sei auch nicht gefordert, sondern nur die möglichste Trennung. Die aneinandergebauten Häuser seien getrennt benützbar. Die Antragstellerin habe die Räumlichkeiten des Hauses Margarethendamm 8 überdies zur Erzielung benötigter Einnahmen vermietet. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei daher davon auszugehen, daß die vom Rekurswerber angestrebte Benützungsregelung als billige Regelung im Sinne des § 90 Abs. 1 EheG anzusehen sei. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 83 Abs. 1 EheG ist die Aufteilung im Sinne der Billigkeit vorzunehmen. Gemäß § 84 EheG soll sie so erfolgen, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Die in § 86 Abs. 1 EheG vorgesehene Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten darf gemäß § 90 Abs. 1 EheG nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. Der in dieser Gesetzesstelle angeordnete Bewahrungsschutz hat jedoch im Sinne der auf die ständige Rechtsprechung gestützten zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen hinter dem leitenden Grundgedanken der vorgenannten gesetzlichen Aufteilungsregelung des § 84 EheG zurückzutreten (SZ 55/45; 1 Ob 525/84; 2 Ob 513/87; 7 Ob 598/88; vgl. auch Pichler in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 84). Die Bestimmung des § 87 Abs. 1 EheG sieht hinsichtlich der Ehewohnung ebenfalls die Möglichkeit der Übertragung des Eigentums auf einen der beiden vormaligen Ehegatten vor.

Im gegenständlichen Falle haben die Tatsacheninstanzen im Gegensatz zur Rechtsmittelbehauptung des Antragsgegners festgestellt, daß unmittelbare Kontakte der verfeindeten Parteien durch bauliche Maßnahmen nicht verhindert werden können und der Antragsgegner gesteht dies in seinem Revisionsrekurs zumindest hinsichtlich der notwendig ständigen Begegnungen auf dem gemeinsamen Vorplatz beim Betreten der Hauseingänge selbst zu. Aus den im Akt befindlichen Lichtbildern geht das bei einem beiderseitigen Wohnsitz der Streitteile auf dem gemeinsamen Grundstück wegen der baulichen Gegebenheiten nicht zu umgehende Ausmaß der in ihrem täglichen Leben gegebenen Berührungspunkte auch augenscheinlich hervor. Da es nach den Feststellungen zwischen den Parteien bei jeder dieser - auch in Zukunft - zwangsläufigen Berührungen sogleich zu massiven Auseinandersetzungen bis hin zu Tätlichkeiten kommt und ein Verhältnis, wie es zwischen Nachbarn erforderlich ist, auf Grund des tiefgehenden Zerwürfnisses und der bisherigen Erfahrungen nicht erwartet werden kann, ist eine Benützungsregelung nicht geeignet, die Lebensbereiche der vormaligen Ehegatten im Sinne des § 84 EheG in wirksamer Weise weitestgehend zu trennen. Eine dem Zweck des Aufteilungsverfahrens entsprechende sinnvolle Lösung durch Zuweisung zur ungestörten Alleinbenützung ist hier nach den besonderen Umständen des Falles somit nicht erreichbar. Es verbleibt demnach nur die Möglichkeit, daß einer der beiden vormaligen Ehegatten als Miteigentümer der Liegenschaft - diese wurde seinerzeit primär aus ererbten Mitteln der Antragstellerin erworben - die Anteile des anderen vormaligen Ehegatten hieran gegen entsprechende Ausgleichszahlung übernimmt. Eine solche Übernahme hat der Antragsgegner jedoch ausdrücklich abgelehnt. Daß er an der Mitbenützung der Liegenschaft ein existentielles Bedürfnis hätte, wurde von ihm nicht behauptet und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Gegen einen Verlust seines Miteigentumsanteiles ist er schließlich keineswegs gefeit, denn die Antragstellerin hat bereits ausdrücklich die Einbringung einer Teilungsklage angedroht. In diesem Falle würde auch ein im Aufteilungsverfahren zugesprochenes Benützungsrecht wiederum erlöschen (1 Ob 645/83 = EFSlg. 43.787).

Bei der gegebenen Sachlage erscheint daher die von den Vorinstanzen im Sinne des Begehrens der Antragstellerin getroffene Entscheidung gerechtfertigt, weil eine billigere Lösung in anderer Weise nicht erzielbar ist. Die vom Rechtsmittelwerber neuerlich behauptete Vermietung der Räumlichkeiten des Hauses Innsbruck, Margarethendamm 8, ist nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen nicht mehr gegeben.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Da die Antragstellerin in ihrer Rekursbeantwortung keine neuen, ihren Standpunkt stützenden Gesichtspunkte aufgezeigt hat, entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gegeneinander aufzuheben (1 Ob 579/87).

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