OGH 3Ob536/89

OGH3Ob536/8924.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Substitutionskuratelssache der ungeborenen ehelichen Kinder des Vorerben Kommerzialrat Hanns F***, Generaldirektor, Leschetickystraße 37, 1180 Wien, nach der am 22. Juli 1977 verstorbenen Industriellen Elise F***, zuletzt wohnhaft gewesen Bauernfeldgasse 4, 1190 Wien, infolge Rekurses des Dipl.Kfm.Dr.Josef G***, Pensionist, Hauslabgasse 2, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Barazon und Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Feber 1989, GZ 47 R 18/89-11, womit sein Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Dezember 1977, GZ 2 P 271/77-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Am 22. Juli 1977 starb Elise F***. Sie hatte in ihrem Testament vom 20. Oktober 1972 ihre Kinder Dr. Ruth S***, Jeanette F***, Günther F*** und Hanns F*** zu je einem Viertel als Erben und ihren kinderlosen (Vor-)Erben deren Geschwister zu gleichen Teilen und dem Sohn Hanns F*** dessen "eheliche Nachkommenschaft" als Nacherben berufen. Zugleich hatte sie unter anderem angeordnet, daß die Nacherbeneinsetzung gegenstandslos wird, soweit die Erben einstimmig die Veräußerung eines der oder beider in den Nachlaß fallenden Unternehmen beschließen. Zum Testamentsvollstrecker hatte sie den Rechtsanwalt Dr. Josef B*** ernannt und zu seinen Nachfolgern gemeinsam Dr. Josef G*** und Otto K*** bestellt. In ihrer letztwilligen Anordnung vom 30.Mai 1977 ergänzte Elise F*** die Nacherbeneinsetzung durch die Anfügung: "Zum Substitutionskurator soll mein Testamentsexekutor Dr. Josef B***, Rechtsanwalt in .., bestellt werden, für den Fall, als er diese Funktion nicht ausüben wollte oder könnte, soll an dessen Stelle Herr Dipl.Ing.Josef G***, 1040 Wien, Hauslabgasse 2, treten".

Am 5. August 1977 legte Rechtsanwalt Dr. Josef B*** dem Abhandlungsgericht Urkunden vor, wonach ihm die vier Erben Vollmacht erteilten, und beantragte die schriftliche Abhandlungspflege. Das Verlassenschaftsgericht nahm mit Beschluß vom 15.September 1977, GZ 2 A 505/77-7, die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Josef B*** durch die Testaments(vor-)erben zur Kenntnis und ihre unbedingte Erbserklärung an.

Als die Vorerben beantragt hatten, von der Errichtung des Inventars Abstand zu nehmen, weil dies zur Sicherung der Nacherben nicht erforderlich sei, ordnete das Verlassenschaftsgericht am 14. Dezember 1977 an, daß ein Pflegschaftsverfahren zur Wahrung der Rechte der noch ungeborenen ehelichen Nachkommen des Vorerben Hanns F*** eröffnet werde. Die auch als Nacherben berufenen, schon geborenen Kinder des Hanns F***, Dalia K***, geboren am 5. April 1953, und Doris R***, geboren am 23. Juni 1958, waren damals schon volljährig.

Das Erstgericht bestellte am 16. Dezember 1977 den Notarsubstitut Mag. Peter M*** zum Substituionskurator zur Wahrung der Rechte der noch ungeborenen Nacherben "eheliche Nachkommenschaft" nach Hanns F***. Ausfertigungen dieses Bestellungsbeschlusses wurden dem Kurator und dem Rechtsanwalt Dr. Josef B*** am 9. Jänner 1978 zugestellt.

Das Verlassenschaftsgericht hat mit der Urkunde vom 17. März 1981, GZ 2 A 505/77-73, den Nachlaß nach Elise F*** deren vier Kindern auf Grund des Testamentes mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution eingeantwortet.

Der Testamentsvollstrecker Dr. Josef B*** ist am 14. Jänner 1986 verstorben.

Der Obrste Gerichtshof hob am 21. Mai 1987 aus Anlaß eines Revisionsrekurses des Substitutionskurators gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, mit welchem seinem Rekurs gegen die Genehmigung des Verkaufes einer Nachlaßliegenschaft um 6,200.000 S nicht Folge gegeben worden war, beide Beschlüsse der Vorinstanzen als nichtig auf (6 Ob 590/87-106). Das Verlassenschaftsgericht wies sodann mit Beschluß vom 14. Oktober 1987 den Antrag der drei Vorerben Jeanette F***, Günther F*** und Hanns F*** auf Enthebung des Substitutionskurators ab, weil sich am Sachverhalt seit seiner Bestellung nichts geändert habe, und sprach aus, daß in Ansehung des Unternehmens B***-Werk Metallwarengesellschaft mbH Nachfolger Leopold F*** wegen des beabsichtigten Verkaufes die Einsetzung von Nacherben gegenstandslos ist. Es bewilligte daher die Einverleibung der Löschung der Anmerkung der fideikommissarischen Substitution in der EZ 1945 KG Penzing. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der drei Erben gegen die Abweisung ihres Enthebungsantrages nicht Folge, hob aber über Rekurs des Substitutionskurators den Beschluß im übrigen mit dem Auftrag zu neuer Entscheidung auf, weil die Beteiligung der vierten Erbin an den Vorgängen ungeklärt geblieben sei. Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der drei Erben zurück, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtete. Dem Rechtsmittel gegen den aufhebenden Teil wurde nicht Folge gegeben (6 Ob 541/88). Am 1.Dezember 1988 zogen die drei Erben ihre Anträge auf Genehmigung der Veräußerung der Nachlaßliegenschaft zurück.

Am selben Tag beantragte Dipl.Kfm.Dr.Josef G***, ihm eine Ausfertigung des Beschlusses vom 16.Dezember 1977 zuzustellen. Er erhob gegen diesen Beschluß Rekurs. Er sei als von der Erblasserin zur Kuratel Berufener bei der Bestellung übergangen worden. Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück. Der dem Testamentsvollstrecker zugestellte Bestellungsbeschluß sei rechtskräftig. Der Rekurswerber sei nicht Partei des Verfahrens gewesen. Selbst wenn ihm nach dem Ableben des ersten Testamentsvollstreckers gemeinsam mit Otto G*** die Rechte und Pflichten des von der Erblasserin ernannten Vollziehers ihres letzten Willens zustünden, könne er gegen den rechtskräftigen Beschluß nichts mehr unternehmen. Es habe auch niemand Anspruch auf Bestellung zum Kurator.

Rechtliche Beurteilung

Der von Dipl.Kfm.Dr.Josef G*** gegen die Zurückweisung seines Rechtsmittels erhobene Rekurs ist zulässig und berechtigt. Da das Rekursgericht das Rechtsmittel ohne Prüfung der sachlichen Berechtigung zurückgewiesen hat, liegt keine bestätigende Entscheidung und keine Beschränkung auf die Anfechtungsgründe des § 16 Abs. 1 AußStrG vor. Da dem Antragsteller jedenfalls Parteistellung zukommt, wenn es darum geht, ob er Partei ist, ist er zum Rekurs gegen die Entscheidung berechtigt, mit der dies verneint wird (EFSlg. 39.596 ua). Gleiches gilt, wenn der Rekurs des Einschreiters zurückgewiesen wird. Dagegen steht, soweit nicht ein Rechtsmittelausschluß nach § 14 Abs. 2 AußStrG vorliegt, der Rekurs zu (EvBl. 1974/300; EFSlg. 39.714; EFSlg. 52.679 ua). Die im Rechtsmittel behauptete Erheblichkeit der Rechtsfrage iSd § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO iVm § 528 Abs. 2 ZPO spielt dagegen keine Rolle, weil im Verfahren außer Streitsachen keine generelle Verweisung auf die Zivilprozeßordnung besteht.

Der Substitutionskurator wurde am 16.Dezember 1977 bestellt. Nach der damals geltenden Rechtslage vor den durch das am 1.Jänner 1978 in Kraft getretene KindG BGBl 1977/403 und das am 1.Juli 1984 in Kraft getretene SachwG BGBl 1983/136 eingetretenen Änderungen fanden bei der Kuratel die nämlichen Entschuldigungsgründe und Vorzugsrechte wie bei der Vormundschaft statt (§ 281 ABGB). Dieser Anordnung lag der Gedanke an die durch die Blutsverwandtschaft gewährleistete Sorge für jeden Kuranden zugrunde. Dagegen hatte schon § 7 Abs. 1 EntmO die sonst bestehenden Vorzugsrechte beseitigt (Wentzel, Piegler in Klang2 I/2, 536). Nach § 196 ABGB idF vor dem KindG gebührte vor allen die Vormundschaft demjenigen, welchen "der Vater oder, falls dieser darüber nicht verfügt hat, die Mutter dazu berufen hat". Nach § 281 ABGB bedeutet dies, daß auch der Person, die im Testament zum Substitutionskurator der noch ungeborenen ehelichen Nachkommenschaft berufen wurde, ein Vorzugsrecht zukommt, und ihr ein Recht auf Bestellung zum Kurator zuzubilligen ist (Wentzel, Piegler in Klang2 I/2, 310; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu §§ 196-199 ABGB nF sowie Rz 2 zu § 281). Die Erblasserin hat als Substitutionskurator der ungeborenen ehelichen Kinder ihres Sohnes Hanns F*** den Rechtsanwalt Dr. Josef B*** berufen und für den Fall seiner Verhinderung subsidiär den nunmehrigen Rechtsmittelwerber. Der Testamentsvollstrecker war berechtigt und verpflichtet, die Erfüllung des letzten Willens zu überwachen (Welser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 816; SZ 43/58 ua). Er war jedenfalls, zumal er alle Vorerben vertrat, Beteiligter in diesem Verfahren.

Hat aber der letztwillig als Kurator Berufene nach dem oben Gesagten ein Recht auf seine Bestellung, so kommt auch ihm im Bestellungsverfahren Parteistellung zu. Es kann ihm nicht verwehrt sein, gegen eine sein Recht beeinträchtigende Verfügung des Außerstreitrichters Rekurs zu erheben. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob das Erstgericht bei seiner nach der damaligen Rechtslage zu treffenden Kuratorbestellung die ergänzende Anordnung zur Nacherbenberufung vom 30. Mai 1977 übersehen und deshalb nicht beachtet hatte, oder ob es meinte, der zugleich als Erbenmachthaber tätige Testamentsvollstrecker sei zur Übernahme der Kuratel ungeeignet, weil eine Interessenkollision zwischen den Vorerben und den noch ungeborenen Nacherben nicht auszuschließen sei. Nach der zu beachtenden letztwilligen Anordnung der Erblasserin war aber dann, wenn der erstgenannte Testamentsvollstrecker die Funktion als Substitutionskurator nicht ausüben wollte oder konnte, der Rekurswerber zur Kuratel berufen. Ihm wäre daher eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses zuzustellen gewesen. Solange dies nicht geschah, stand ihm die Frist zum Rekurs offen. Innerhalb der Frist nach der erst 1988 erfolgten Zustellung wurde Rekurs erhoben. Die nach der Beschlußfassung des Erstgerichtes, aber vor seiner Zustellung eingetretenen Änderungen sind für die Frage, ob dem letztwillig Berufenen ein subjektives Recht auf seine Ernennung zusteht, nicht von Bedeutung. Die durch das KindG am 1.Jänner 1978 in Kraft getretene Neufassung des § 196 ABGB iSd Gleichstellung beider Elternteile ändert nichts daran, daß auch seither in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift derjenige zu bestellen ist, der letztwillig berufen und geeignet ist. Die Vorschrift des § 258 ABGB und die nur insoweit mögliche analoge Anwendung des § 259 ABGB idF vor KindG - diese Bestimmung ist durch Art. I Z 47 KindG überhaupt beseitigt worden - kommt wegen der unterschiedlichen Berufung von verschiedener Kraft auf den letztwillig Berufenen, dem "vor allen" oder "in erster Linie" die Kuratel gebührt, nicht in Betracht (Wentzel, Piegler in Klang2 I/2, 473). Da der Substitutionskurator-Bestellungsbeschluß auch dem für den Fall der Verhinderung des an erster Stelle genannten Testamentsvollstreckers Berufenen zuzustellen gewesen wäre, kann ein Eintritt der Rechtskraft dem zulässig erhobenen Rekurs nicht entgegenstehen.

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