Spruch:
Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden der angefochtene Beschluß und der Beschluß erster Instanz als nichtig aufgehoben. Dem Gericht erster Instanz wird eine neuerliche, gegebenenfalls nach Verfahrensergänzung zu fällende, Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
Die am 22. Juli 1977 im 88. Lebensjahr gestorbene Erblasserin war im Erbwege nach ihrem im Jahre 1960 gestorbenen Ehemann Alleineigentümerin eines von ihrem Mann als Einzelkaufmann geführten Unternehmens sowie mit einer Stammeinlage von rund 98 % Hauptgesellschafterin einer Gesellschaft mbH geworden und besaß darüber hinaus weitere Vermögenswerte. Sie hinterließ zwei Söhne und zwei Töchter. Diese hatte sie zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. In dem ausdrücklich festgehaltenen Bestreben, im Sinne ihres verstorbenen Ehegatten und Unternehmensgründers das "Erbe in der engeren Familie zu erhalten", hatte die Erblasserin im Punkt 5 ihres Testamentes folgende Anordnung getroffen:
"Als Nacherben berufe ich meinen kinderlosen Erben deren Geschwister zu gleichen Teilen, für meinen Sohn Hanns dessen eheliche Nachkommenschaft."
Mit ihrer letztwilligen Verfügung vom 30.Mai 1977 hatte die Erblasserin die erwähnte Anordnung durch folgenden Absatz ergänzt:
"Zum Substitutionskurator soll mein Testamentsexekutor .....
Rechtsanwalt .... bestellt werden, für den Fall, als er diese
Funktion nicht ausüben wollte oder könnte, soll an dessen Stelle
Herr Dipl.Ing. ..... treten."
Dem zum Testamentsvollstrecker bestellten Rechtsanwalt hatte die Erblasserin weitgehende Befugnisse eingeräumt, unter anderem die authentische Auslegung ihrer letztwilligen Verfügung und das Stimmrecht in den die Unternehmungen führenden Gesellschaften. In diesem Zusammenhang findet sich im Punkt 10 Buchstabe d des Testamentes unter anderem folgende Regelung:
"Sollten meine Erben Beschlüsse einstimmig fassen, können diese durchgeführt werden, auch wenn mein Testamentsexekutor eine gegenteilige Meinung vertreten sollte. Dies gilt auch für den Fall, als meine Erben einstimmig beschließen, eine oder beide Unternehmen zu veräußern. In diesem Fall wird die in Punkt 5 erfolgte Ernennung von Nacherben gegenstandslos."
Für den Fall der Funktionsuntüchtigkeit des zum Testamentsvollstrecker eingesetzten Rechtsanwaltes bestellte die Erblasserin zwei namentlich genannte Herren zu dessen Nachfolgern. Ihnen sollten die gleichen Rechte und Pflichten wie dem zum Testamentsvollstrecker bestellten Rechtsanwalt zukommen. Sie sollten ihre Funktion gemeinsam ausüben. Streitigkeiten, die die Erben nicht durch den Testamentsvollstrecker als Schiedsmann schlichten ließen, sollte ein näher umschriebenes Schiedsgericht entscheiden. Alle vier Kinder der Erblasserin haben auf Grund des Testamentes zu je einem Viertel des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen abgegeben. Sie waren dabei ebenso wie die beiden Töchter des Sohnes Hanns durch den zum Testamentsvollstrecker berufenen Rechtsanwalt vertreten. Zur Wahrung der Rechte der Nacherben "ungeborene eheliche Nachkommenschaft des Hanns .." bestellte das Abhandlungsgericht einen Notarsubstituten zum Substitutionskurator.
Mit der Einantwortungsurkunde vom 17. März 1981 wurde der Nachlaß auf Grund des Testamentes vom 22. Oktober 1972 den vier Kindern der Erblasserin mit der Beschränkung durch die im Punkt 5 des Testamentes angeordnete fideikommissarische Substitution zu je einem Viertel eingeantwortet.
Die Betriebsliegenschaft des als Einzelunternehmen geführten Unternehmens, das seinerzeit als Gesellschaft mbH geführt, aber noch zu Lebzeiten des Ehemannes der Erblasserin in ein Einzelunternehmen umgewandelt worden war, war mangels grundbücherlicher Durchführung der Umwandlung sowohl bei der Abhandlung des Nachlasses nach dem 1960 gestorbenen Ehegatten der Erblasserin als auch in der vorliegenden Abhandlung unberücksichtigt geblieben. Das Gericht, das den Nachlaß nach dem Ehegatten der Erblasserin abgehandelt hatte, führte in Ansehung der erwähnten Betriebsliegenschaft eine Nachtragsabhandlung durch und bestätigte, daß an dieser Liegenschaft das Eigentumsrecht der vier Kinder der Erblasserin mit der Beschränkung durch die im Punkt 5 des Testamentes vom 22.Oktober 1972 angeordnete fideikommissarische Substitution zu je einem Viertel einverleibt werden könne. Auf Grund dieses abhandlungsgerichtlichen Beschlusses, der in diesem Verfahren ergangenen Einantwortungsurkunde, einer Verzichtserklärung der in New York lebenden Erbin und einem Schiedsgerichtsurteil bewilligte das Grundbuchsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechtes der drei Wiener Erben zu je einem Drittel an der Betriebsliegenschaft des Einzelunternehmens mit der Beschränkung durch die im Punkt 5 des Testamentes vom 22.Oktober 1972 angeordnete fideikommissarische Substitution.
Die drei Wiener Erben stellten zunächst den Antrag, das Abhandlungsgericht möge in Ansehung des Einzelunternehmens aussprechen, daß wegen des beabsichtigten Verkaufes die Nacherbeneinsetzung gegenstandslos sei; demgemäß möge in der Einlage der Betriebsliegenschaft die Löschung der Anmerkung der fideikommissarischen Substitution angeordnet werden. Dazu führten die Antragsteller aus, ihre in New York ansässige Schwester habe im Zuge der Erbteilung am 6. März 1979 auf den ihr anfallenden Viertelanteil am Einzelunternehmen der Erblasserin zugunsten ihrer drei Geschwister verzichtet, das mit dem Testamentsvollstrecker und den beiden Söhnen der Erblasserin besetzte Schiedsgericht habe der Klage der Wiener Tochter der Erblasserin gegen deren New Yorker Schwester auf Feststellung der Rechtsbeständigkeit der erwähnten Verzichtserklärung vom 6. März 1979 stattgegeben und die New Yorker Erbin verpflichtet, in die Einverleibung des Eigentums ihrer Wiener Schwester und ihrer beiden Brüder (den beiden Beisitzern des Schiedsgerichtes!) an dem ihr zugefallenen Viertelanteil an der Betriebsliegenschaft des Einzelunternehmens zu je einem Drittel einzuwilligen. Die Antragsteller folgerten daraus, daß ihrer New Yorker Schwester in Ansehung des nur das Einzelunternehmen betreffenden Verfahrens keine Parteistellung zukäme. Der für die ungeborene eheliche Nachkommenschaft des jüngeren Sohnes der Erblasserin bestellte Kurator sprach sich gegen den Antrag der drei Wiener Erben aus. Er erachtete die Voraussetzungen für den Entfall der Nacherbschaft als nicht erfüllt. In der Folge änderten die drei Wiener Erben ihren Antrag derart, daß sie die substitutionsgerichtliche Genehmigung eines Vertrages anstrebten, mit dem sie die Betriebsliegenschaft des Einzelunternehmens zwecks Entschuldung und Finanzierung von Innovationsinvestitionen des auf der Betriebsliegenschaft der Gesellschaft mbH weitergeführten Einzelunternehmens an einen familienfremden Interessenten um 6,2 Mio S verkaufen. Der Kurator sprach sich auch gegen diesen Antrag aus. Das Erstgericht genehmigte den Liegenschaftsverkauf. Dabei legte es zugrunde, die drei Wiener Erben hätten einen Beschluß auf Veräußerung des gesamten Einzelunternehmens gefaßt, und folgerte daraus, die Anordnung der Nacherbschaft nach dem Punkt 5 des Testamentes vom 22.Oktober 1972 sei damit gemäß dem oben auszugsweise zitierten Punkt 10 Buchstabe d des Testamentes außer Kraft getreten; deshalb sei die substitutionsgerichtliche Genehmigung auch gegen die Stellungnahme des Kurators zu erteilen gewesen. Die New Yorker Erbin wurde dem Verfahren nicht beigezogen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kurators nicht statt. Es billigte die erstrichterliche Ansicht, daß infolge des Veräußerungsbeschlusses zumindest in Ansehung des Einzelunternehmens die Nacherbschaft gegenstandslos geworden sei und die Bindung durch die Substitution damit weggefallen wäre. Das Erstgericht habe deshalb zu Recht dem Kaufvertrag über die Veräußerung der Betriebsliegenschaft des Einzelunternehmens die substitutionsgerichtliche Genehmigung erteilt.
Der Kurator ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf Versagung der beantragten Genehmigung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Er rügt die Rechtsansicht der Vorinstanzen, nach der es im Belieben der Erben stünde, schon durch eine einvernehmliche beschlußmäßige Absichtserklärung, eines der Unternehmen veräußern zu wollen, die sie belastende Nacherbeneinsetzung außer Kraft zu setzen und solcherart freie Hand für die Veräußerung eines bloßen, wenn auch erheblichen Unternehmensteiles zu erlangen.
Rechtliche Beurteilung
Im Zusammenhang mit dem Antragsvorbringen, das Einzelunternehmen sollte mit dem Liegenschaftserlös saniert und auf einer anderen Liegenschaft weitergeführt werden, und einem zuvor gefaßten Gesellschaftsbeschluß vom 28. April 1986 auf Veräußerung des gesamten Unternehmens ist die Rüge im Revisionsrekurs insofern als Vorwurf offenbarer Gesetzwidrigkeit zu verstehen, als der Sache nach geltend gemacht wird, die Testamentsauslegung setze sich über die mehrfach ausgedrückte Absicht hinweg, beide Unternehmungen möglichst für die engere Familie der Erblasserin zu erhalten (wobei der Testamentsvollstrecker letztwillig zwar zur Auslegung, aber nicht zur Ersetzung des letzten Willens durch seine eigene Auffassung berufen worden sei). Damit ist ein nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlicher Anfechtungsgrund schlüssig ausgeführt und das Rechtsmittel zulässig. Aus Anlaß dieses zulässigen Rechtsmittels war von amtswegen folgender Widerspruch der angefochtenen Entscheidung und des erstinstanzlichen Beschlusses als eine dem Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO entsprechende Nullität aufzugreifen:
Die Anordnung der Nacherbschaft nach dem fünften Testamentspunkt ist durch die Regelung im zehnten Testamentspunkt auflösend bedingt. Bedingung ist ein Veräußerungsbeschluß im Sinne der genannten Testamentsstelle. Ein solcher Beschluß setzte voraus, daß der Testamentsvollstrecker (oder seine Nachfolger) dem Meinungsbildungsprozeß im Beschlußverfahren beigezogen worden wäre(n). Wenn dessen (deren) Veto auch durch Einstimmigkeit der Gesellschafter entkräftbar gewesen wäre, hätte ihm (ihnen) dennoch jedenfalls vor der Abstimmung Gehör verschafft werden müssen, da die Erblasserin seiner Ansicht entscheidendes Gewicht und Überzeugungskraft beimaß. Die Beiziehung des Testamentsvollstreckers zur Beschlußfassung auf Unternehmensveräußerung blieb unerörtert. Solange sich noch eines der beiden Unternehmen (wirtschaftlich) im Besitz der engeren Familie befindet, hat die mehrfach erklärte Absicht der Erblasserin, die Unternehmen möglichst für die engere Familie zu erhalten, ein sachliches Substrat. Dem mehrfach ausgedrückten Ziel dient unter anderem auch die Nacherbeneinsetzung. Von der Sache her wird diese erst gegenstandslos, wenn sie das Ziel, die Unternehmen für die engere Familie zu erhalten, mangels Substrates nicht mehr erfüllen kann. Daran gemessen müßte zur Erfüllung der auflösenden Bedingung für die Nacherbschaft zumindest ein bindendes Verpflichtungsgeschäft über die Unternehmensveräußerung gefordert werden. Der Testamentsvollstrecker hat sich schriftlich zu einer gegenteiligen Auslegung bekannt. Ob er sich dabei noch auf dem Boden des letzten Willens der Erblasserin oder bereits außerhalb dieser Grundlage bewegte, hätte durch entsprechende Befragung des Testamentsvollstreckers geklärt werden müssen. Nach einem Vermerk eines Postzustellers ist der Testamentsvollstrecker in der Zwischenzeit gestorben. Ob seinen berufenen Nachfolgern auch das Recht der authentischen Interpretation des letzten Willens zugedacht war, das die Erblasserin dem Rechtsanwalt auf Grund seiner langjährigen Beziehung zum Unternehmensgründer und vermutlich nicht zuletzt auf Grund seiner Berufserfahrung eingeräumt hatte, ist eine Auslegungsfrage, die nur auf Grund der Kenntnisse und persönlichen Beziehungen der berufenen Nachfolger zur Erblasserin beurteilt werden könnte. Selbst bei Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches wäre durch ihn noch nicht entschieden, ob die New Yorker Erbin durch einen Verzicht auf ihren ererbten Anteil am Einzelunternehmen auch auf ihre Berufung als Nacherbin ihrer beiden kinderlosen Wiener Geschwister Verzicht leistete. Dazu fehlt jede Erörterung und Feststellung, ohne die die Beteiligtenstellung nicht geklärt werden kann.
Die Vorinstanzen haben nun - zu Recht oder zu Unrecht, aber unmißverständlich - den Eintritt der Bedingung angenommen, unter der die Nacherbschaft außer Kraft gesetzt sein sollte. Sie haben aber nicht im Sinne des ursprünglichen Antrages der drei Wiener Erben entschieden, sondern ungeachtet ihres Standpunktes, das Substitutionsband sei in Ansehung des Einzelunternehmens erloschen, die Kompetenz dazu in Anspruch genommen, als Substitutionsbehörde über die Genehmigung des Liegenschaftsverkaufes zu entscheiden. Eine derartige Genehmigung hätte nur unter Wahrung der Interessen aller Nacherben erfolgen dürfen. Dazu unterblieb jede Feststellung und rechtliche Würdigung.
Die Erteilung einer Genehmigung mit der Begründung, sie sei nicht mehr erforderlich, stellt einen derartigen inneren logischen Widerspruch dar, daß sowohl die Rekursentscheidung als auch der erstrichterliche Beschluß als nichtig aufgehoben werden mußten. Das Erstgericht wird bei seiner neuerlichen Entscheidung die aufgezeigten Fragen zu lösen und gegebenenfalls mit den Beteiligten zu erörtern haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)