OGH 3Ob22/89

OGH3Ob22/8915.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Rudolf T*** Gesellschaft m.b.H., Hintere Zollamtsstraße 9/3/19, 1030 Wien, vertreten durch Dr.Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei T***-Handelsunternehmen, Münnich Ferenc ut 13, Budapest V, Ungarn, vertreten durch Dr.Siegfried Kommar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 1,000.000,-), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 4. November 1988, GZ 46 R 897/88-13, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. Juli 1988, GZ 39 C 1076/88 f - 4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrem Gegner die mit S 18.667,80 (darin S 3.111,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei beantragte bei dem nach § 387 Abs 2 EO angerufenen Erstgericht, zur Sicherung der wider den Gegner aus Verletzung der vertraglichen Lieferverpflichtungen zustehenden und beim Schiedsgericht der Ungarischen Handelskammer in Budapest geltend gemachten Geldforderung von S 1,000.000,- mittels einstweiliger Verfügung das gerichtliche Drittverbot anzuordnen und den beiden Dritten I*** Handelsgesellschaft m.b.H. und G*** W*** Gesellschaft m.b.H. jede Verfügung über das dem Gegner Geschuldete (Darlehensrückzahlung und Provisionszahlung; Ausfolgung von Waren aus dem Lager) zu verbieten.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, machte deren Vollzug vom Erlag einer Sicherheit von S 50.000,-

abhängig und verfügte nach Erlag der Sicherheit die Zustellung an den Gegner und die Dritten. Es sah als bescheinigt an, daß die gefährdete Partei ihre Geldforderung gegen ihren Gegner bereits mit Klage bei dem für Streitigkeiten nach dem Vertrag über die Lieferung von Obst und Gemüse zuständigen Schiedsgericht der Ungarischen Handelskammer in Budapest geltend gemacht habe und daß die Entscheidung dieses Schiedsgerichtes im Ausland vollstreckt werden müßte. Zur Sicherung der Geldforderung könne nach § 379 Abs 2 Z 2 EO die einstweilige Verfügung getroffen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gegnerin Folge und wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Anders als für die Anordnung der einstweiligen Verfügung aus dem Grunde des § 379 Abs 2 Z 1 EO reiche die objektive Gefährdung aus, wenn der von der gefährdeten Partei in Anspruch genommene Anlaß nach § 379 Abs 2 Z 2 EO gegeben wäre. Nach dem Sinn dieser Regelung und ihrem Zusammenhang mit § 370 EO und § 381 Z 1 EO beziehe sich § 379 Abs 2 Z 2 EO idF nach Art V P 27 der Sechsten Gerichtsentlastungsnovelle nur auf inländische Urteile, die im Ausland vollstreckt werden müßten, nicht aber auf im Ausland erstrittene Urteile. Um zur Sicherung der in Ungarn einzuklagenden Geldforderung im Inland eine einstweilige Verfügung zu erreichen, hätte die gefährdete Partei eine subjektive Gefährdung nach § 379 Abs 2 Z 1 EO behaupten und bescheinigen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Mit ihrem Revisionsrekurs wendet sich die gefährdete Partei gegen die Rechtsansicht, durch § 379 Abs 2 Z 2 EO seien nur inländische Urteile gemeint, die im Ausland zu vollstrecken wären. Die Gegnerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 402 Abs 2 und § 78 EO; § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 2 ZPO), jedoch nicht berechtigt. Die Vorlage der Bundesregierung für die Sechste Gerichtsentlastungsnovelle 298 BlgNR 3. GP sah im Art V Z 27 vor, daß dem § 379 Abs 2 EO unter Ersatz des Schlußpunktes durch einen Beistrich die Wortfolge "oder wenn das Urteil im Auslande vollstreckt werden müßte." angefügt wird. Dazu führten die Erläuternden Bemerkungen aus, die Notwendigkeit einer Vollstreckung im Ausland bedeute, auch wenn dieser Umstand noch nicht als Bescheinigung dafür angesehen werden könne, daß damit die Einbringung der Forderung gefährdet sei, immer eine Erschwerung für den Gläubiger. Sie sei im § 381 (Z 1 Halbsatz 2) EO als ausreichend anerkannt worden, um die einstweilige Verfügung zur Sicherung anderer Ansprüche (als der Geldforderungen) zu rechtfertigen. Dieser Fall sei einem in der Praxis geäußerten Bedürfnis entsprechend auf die Sicherung von Geldforderungen auszudehnen. Ähnliche Sicherungsmöglichkeiten würden dem Inländer nach allen Rechtssystemen geboten "(vgl zum Beispiel § 917 Abs 2 dZPO)". Um den schon in den Erläuterungen angemerkten Grundsatz, daß durch die Anfügung nich vom Erfordernis der Bescheinigung der subjektiven Gefährdung bei Erwirkung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung von Geldforderungen abgegangen, sondern nur der eine Fall der Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland, wo die objektive Gefährdung genüge, angefügt werde, ganz unzweifelhaft zum Ausdruck zu bringen, gab der Justizausschuß der Einfügung die Fassung, die nun der § 379 Abs 2 EO durch das Bundesgesetz vom 2. Juli 1929 BGBl 222 über Änderungen des gerichtlichen Verfahrens (Sechste Gerichtsentlastungsnovelle) erhalten hat (AB 338 BlgNR 3. GP; Weiser, Die sechste Gerichtsentlastungsnovelle, Wien 1930). In der Entscheidung vom 28. April 1976 zu 1 Ob 586/76 hatte der Oberste Gerichtshof für die Zulässigkeit der Anordnung einer einstweiligen Verfügung im Inland nach § 379 Abs 2 Z 2 EO noch genügen lassen, daß der in Italien ergehende Schiedsspruch nach dem New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 in Österreich vollstreckt werden kann, und daß die ausländische Schiedsgerichtsentscheidung vom Gläubiger mit Hilfe der zu erlassenden, das Vermögen im Inland sicherstellenden einstweiligen Verfügung im Inland vollstreckt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof hat dann aber am 15. Feber 1978 zu 8 Ob 508/78 (SZ 51/17) unter Hinweis darauf, daß die gleichartige, in den Erläuternden Bemerkungen 298 BlgNR 3. GP zitierte Bestimmung des § 917 Abs 2 dZPO in der deutschen Lehre und Rechtsprechung ebenso verstanden wird, ausgesprochen, daß zugunsten einer in der Türkei einzuklagenden Geldforderung nicht die Bestimmung des § 379 Abs 2 Z 2 EO Grundlage einer einstweiligen Verfügung sein könne, weil sie nur für inländische Urteile gelte, die im Ausland vollstreckt werden müßten. Die gefährdete Partei habe es unterlassen, einen für eine subjektive Gefährdung sprechenden Sachverhalt nach § 379 Abs 2 Z 1 EO zu behaupten und zu bescheinigen, so daß die einstweilige Verfügung auch nicht wegen der Wahrscheinlichkeit der Vereitelung oder erheblichen Erschwerung der Hereinbringung der Geldforderung durch den Gegner angeordnet werden könne.

Die Entscheidung SZ 51/62 trägt zur Lösung der anstehenden Rechtsfrage nichts bei, denn in dem dort entschiedenen Fall wurde zwar die Zulässigkeit der Sicherung von Ansprüchen zwischen im Ausland lebenden Ausländern bejaht, die Klage war aber bei einem Gericht im Inland anhängig.

Der Rechtsansicht, daß § 379 Abs 2 Z 2 EO nur für inländische Urteile gelte, die im Ausland vollstreckt werden müßten, hat sich der Oberste Gerichtshof zuletzt am 8. Oktober 1985 zu 2 Ob 622/85 angeschlossen.

Aus dem Verständnis des § 917 Abs 2 dZPO, wonach es als ein zureichender Arrestgrund anzusehen ist, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müßte, ist nicht viel zu gewinnen. Mit der Einfügung der Z 2 im § 379 Abs 2 EO durch Art V Z 27 der Sechsten Gerichtsentlastungsnovelle sollte die schon im § 381 Z 1 EO enthalten gewesene Bestimmung auch für die Sicherung von Geldforderungen anwendbar gemacht werden, daß es als erhebliche Erschwerung der gerichtlichen Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen (anderen) Anspruchs anzusehen sei, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müßte. Die beispielhafte Anführung des § 917 Abs 2 dZPO in den Erläuterungen wollte nur belegen, daß andere Rechtsordnungen ähnlichen Schutz gewähren. Die den einstweiligen Verfügungen vergleichbaren Einrichtungen des Arrestes, Verbotes und der Sequestration kannten schon die §§ 275 bis 297 AGO (Pollak, System2 1038). Der früher zur deutschen Arrestbestimmung des § 917 Abs 2 dZPO vertretenen Ansicht, daß dadurch nicht die Vollstreckung aus einem ausländischen Titel geschützt werden soll (so noch OLG Hamburg VersR 1987, 356 mwN), steht die Auffassung gegenüber, jede Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland bilde einen strikten Arrestgrund nach § 917 Abs 2 dZPO (Grunsky in Stein-Jonas20, Rz 17 zu § 917 dZPO, der darauf hinweist, daß streitig sei, ob § 917 Abs 2 dZPO voraussetzt, daß ein deutsches Gericht für die Hauptsache international zuständig sei, wie dies in den Vorauflagen vertreten wurde und herrschende Meinung sei, oder ob nach § 917 Abs 2 dZPO auch die Vollstreckung ausländischer Urteile durch einen Arrest in Deutschland gesichert werden könne, wofür die besseren Gründe sprächen).

Bei neuer Abwägung aller für die Anwendbarkeit des § 379 Abs 2 Z 2 ZPO zur Sicherung von Geldforderungen, die nicht im Inland, sondern im Ausland durchgesetzt werden sollen, maßgebenden Überlegungen sieht der erkennende Senat keinen Anlaß, von der in SZ 51/17 vertretenen Rechtsansicht abzugehen. Die im § 379 Abs 2 Z 2 EO erwähnte Erschwernis bei der Hereinbringung der Geldforderung durch die Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland, wofür der Gesetzgeber objektive Gefährdung genügen läßt, kann wohl nur den Fall begünstigen, daß sonst die Vollstreckung im Ausland ausnahmsweise erfolgen müßte, wie eben bei den im Inland geschaffenen Exekutionstiteln; nicht aber auch jenen Gläubiger von der Bescheinigung subjektiver Gefährdung befreien, der schon deshalb mit einer Exekutionsführung im Ausland rechnen muß, weil er auch seine Forderung erst dort vor einem Gericht (oder Schiedsgericht) durchsetzen muß. Es bildet nämlich zwar eine Erschwernis, wenn auf Grund eines im im Inland geschaffenen Titels im Ausland Exekution geführt werden soll, während der im Staate der Vollstreckung entstandene Titel dort ohne besondere Schwierigkeiten vollstreckt werden kann. Daß im § 370 EO die Zulässigkeit der Exekution zur Sicherung von Geldforderungen bei Bescheinigung, daß zum Zwecke der Einbringung das Urteil im Auslande vollstreckt werden müßte, auf Exekutionstitel inländischer Zivilgerichte beschränkt ist, zwingt nicht zu dem Schluß, daß mangels dieser Einschränkung § 379 Abs 2 Z 2 EO auch auf im Ausland geschaffene Titel Anwendung findet, sondern beschränkt nur jene Titel, die eine Sicherungsexekution gestatten. § 370 EO anerkennt nur inländische Entscheidungen als Titel für die Sicherstellungsexekution, doch wird dieser Beschränkung durch Staatsverträge derogiert, die Exekution zur Sicherstellung auf Grund ausländischer Exekutionstitel für zulässig erklären (Heller-Berger-Stix 2637; vgl etwa Art 8-10 des österreichisch-deutschen Abkommens vom 6. Juni 1959, BGBl 1960/105). Die beantragte einstweilige Verfügung konnte somit mangels Behauptung und Bescheinigung der subjektiven Gefährdung nach dem § 379 Abs 2 Z 1 EO nicht erlassen werden, weil die objektive Gefährdung nach § 379 Abs 2 Z 2 EO für Geldforderungen, für die im Ausland ein Titel geschaffen werden soll, nicht genügt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 402 und § 78 EO sowie § 41 und 50 ZPO (Heller-Berger-Stix 2853).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte