OGH 2Ob520/89

OGH2Ob520/8928.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Heinrich K***, geboren am 16. Juni 1945, derzeit Landesnervenkrankenhaus, 6060 Hall in Tirol, infolge Revisionsrekursen der einstweiligen Sachwalterin Dr. Marina T***-D*** sowie des Betroffenen Heinrich K*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Dezember 1988, GZ 3b R 191/88-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 15. November 1988, GZ SW 8/88-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 15. November 1988 bestellte das Erstgericht Dr. Marina T***-D*** auf Anregung von Dr. A*** vom Landesnervenkrankenhaus Hall in Tirol und nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Istvan B*** zum einstweiligen Sachwalter für den Betroffenen Heinrich K*** zur Vertretung im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird. Das Verfahren hat ergeben, daß Heinrich K*** an einer Wahnkrankheit aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, wobei er sich immer wieder multiple oberflächliche Hautläsionen zufügt, welche er aufgrund eines wahnhaften Erlebens als für seine Selbstheilung für unbedingt erforderlich hält. Indem er sich ständig neue Verletzungen zufügt, hält die Tendenz zur Selbstbeschädigung weiterhin an. Heinrich K*** benötigt aufgrund seiner psychischen Krankheit unbedingt eine länderdauernde Fachbehandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus einschließlich antipsychotischer Medikamente.

Den von der einstweiligen Sachwalterin und vom Betroffenen Heinrich K*** gegen diesen Beschluß erhobenen Rekursen gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Das Rekursgericht führte aus, wenn eine Person, die an einer psychischen Krankheit leide oder geistig behindert sei, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne, sei ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen (§ 273 Abs. 1 ABGB). Ein solcher Sachwalter könne auch mit der Besorgung nur einzelner Angelegenheiten betraut werden. Beide im Gesetz genannten Begriffe umfaßten jede geistige Störung, die die gehörige Besorgung der eigenen Angelegenheiten hindere. Die "Angelegenheiten" seien in einem sehr umfassenden Sinn zu verstehen; darunter fielen nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern unter anderem auch die Fürsorge für die eigene Person sowie alle rechtlichen Angelegenheiten einer Person. Im Sinne des § 238 AußStrG habe im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person das Gericht für einen Rechtsbeistand des Betroffenen in diesem Verfahren zu sorgen. Habe der Betroffene keinen gesetzlichen oder selbstgewählten Vertreter, so habe ihm das Gericht für das Verfahren einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen; dadurch werde der Betroffene in seinen Rechtshandlungen nicht beschränkt.

§ 238 AußStrG statuiere zum Unterschied vom sonstigen Außerstreitverfahren (§ 5 AußStrG) einen Vertretungszwang, wobei der Vertreter aber nicht unbedingt eine rechtskundige Person sein müsse. Nach den genannten Bestimmungen sei die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters seitens des Erstgerichtes gesetz- und zweckmäßig gewesen. Da der Betroffene nach der Aktenlage über keinerlei Vermögen verfüge, umfasse die Aufgabe des Sachwalters lediglich die Entscheidungsfrage, ob und in welchem Umfang die Zustimmung zur ärztlichen Behandlung des Betroffenen zu erteilen sei. Gemäß § 281 Abs. 2 ABGB sei der Richter bei der Auswahl der Person des Sachwalters durch die Einrichtung der Vereinssachwalterschaft nicht eingeschränkt. Es werde nicht der "Verein" zum Sachwalter bestellt, sondern die Person, die er vorschlage. Vom Verein für Sachwalterschaft sei Dr. Marina T***-D*** bereits wiederholte Male als Sachwalterin bzw. einstweilige Sachwalterin vorgeschlagen worden, so daß das von ihr im Rekurs angezogene Argument, sie sei ohne jegliche Rücksprache bzw. Namhaftmachung durch den Verein für Sachwalterschaft zur einstweiligen Sachwalterin bestellt worden, eine solche Bestellung könne gemäß § 281 ABGB nur vorgenommen werden, wenn der geeignete Verein eine Person namhaft gemacht habe; dies sei hier nicht der Fall gewesen, weshalb ihre Bestellung als Angestellte des Vereins für Sachwalterschaft nicht erfolgen hätte dürfen, nicht Platz greife. Da sohin die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Verfahren erforderlich war, sei beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen gewesen. Ob allerdings eine Person gegen ihren Willen zum endgültigen Sachwalter für einen Betroffenen bestellt werden könne, brauche im derzeitigen Stadium des Verfahrens keiner abschließenden Beurteilung zugeführt zu werden, diesbezüglich werde die Gewichtigkeit der Ablehnungsgründe zu beurteilen sein. Gegen den Beschluß des Rekursgericht wenden sich die Revisionsrekurse der einstweiligen Sachwalterin und des Betroffenen Heinrich K*** aus dem von der einstweiligen Sachwalterin ausdrücklich geltend gemachten und den Rechtsmittelausführungen des Betroffenen immerhin zu entnehmenden Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 Abs. 1 AußStrG mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind unzulässig.

Die einstweilige Sachwalterin erblickt die offenbare Gesetzwidrigkeit des Beschlusses des Rekursgerichtes darin, daß § 281 Abs. 2 ABGB vorsehe, daß vor der gerichtlichen Bestellung zum Sachwalter bei Sachwaltern, die Angestellte eines geeigneten Vereins seien, eine Namhaftmachung durch den Verein zu erfolgen habe. Eine solche Namhaftmachung sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die in Frage stehende Namhaftmachung sei im Gesetz so klar gelöst, daß ein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers nicht aufkommen könne. Es sei trotzdem im gegenständlichen Beschluß eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt worden. In § 281 Abs. 2 ABGB sei abschließend für die Bestellung eines Vereinssachwalters geregelt, daß diese zuvor der Namhaftmachung durch den entsprechenden Verein bedürfe. Es liege weder eine Anfrage zur Namhaftmachung durch das Bezirksgericht Kitzbühel vor, noch seien Sachwalter der Geschäfsstelle Innsbruck des Vereins für Sachwalterschaft gegenüber dem Bezirksgericht Kitzbühel zur Übernahme einer einstweiligen Sachwalterschaft für Heinrich K*** namhaft gemacht worden. Die Rechtsmittelwerberin ist zunächst darauf zu verweisen, daß laut AV vom 15. September 1988, SW 8/88-4, eine telefonische Anfrage des Erstgerichtes beim Verein für Sachwalterschaft Innsbruck ergab, daß dort wegen Überlastung derzeit ausnahmslos keine neuen Sachwalterschaften übernommen würden. Im übrigen ist den Rechtsmittelausführungen zu erwidern, daß das Erstgericht die gemäß § 238 Abs. 1 AußStrG vorgenommene Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Verfahren auf keine weiteren gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere nicht auf jene des § 281 Abs. 2 ABGB gestützt hat. Es war daher zu untersuchen, ob die Bestellung des einstweiligen Sachwalters nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen offenbar gesetzwidrig im Sinn des § 16 Abs. 1 AußStrG war.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit. Eine solche kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, es sei denn, die Entscheidung verstieße gegen Grundprinzipien des Rechts oder sie wäre ganz willkürlich oder mißbräuchlich (vgl SZ 39/103, SZ 49/76, EvBl 1979/185 ua).

§ 281 ABGB bestimmt, welche Personen zum Sachwalter zu bestellen sind. Was in dem Fall daß keine dieser Personen bestellt werden kann, zu geschehen hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich und klar geregelt. Immerhin verweist § 281 Abs. 1 ABGB darauf, daß die Bestellung einer nahestehenden Person nur in Frage komme, wenn das Wohl der behinderten Person nichts anderes erfordert, was einen gewissen Spielraum offen läßt, und § 281 Abs. 2 ABGB enthält die Einschränkung, daß eine vom Sachwalterverein namhaft gemachte Person nur bestellt werden könne, wenn eine solche verfügbar ist. Andererseits bestimmt aber § 273 ABGB, daß für eine psychisch kranke oder geistig behinderte Person ein Sachwalter zu bestellen ist, wenn dies erforderlich ist.

Daraus ergibt sich, daß es nicht offenbar gesetzwidrig ist, für den Fall, daß eine geeignete nahestehende Person nicht vorhanden ist - wie sich aus dem Akt SW 9/86 des Erstgerichtes ergibt, sind die in Gmunden wohnhaften Eltern des Betroffenen infolge ihres Alters von über 70 Jahren nicht als geeignet iS des § 281 Abs. 1 ABGB anzusehen; weitere nahestehende Personen nach der Aktenlage nicht vorhanden - und mangels Vorschlages des Sachwaltervereins auch keine von ihm namhaft gemachte Person zur Verfügung steht, eine in § 281 ABGB nicht genannte andere Person zum Sachwalter zu bestellen. Dann ist es aber auch nicht offenbar gesetzwidrig, gemäß § 282 ABGB für diesen Sonderfall, also wenn die Spezialnorm des § 281 ABGB nicht ausreicht, sinngemäß die Bestimmung des § 200 ABGB anzuwenden. Wenn auch die Verpflichtung, eine Vormundschaft zu übernehmen, verschiedentlich als Staatsbürgerpflicht und nicht als eine Pflicht des Vormundes iSd Verweisungsnorm des § 282 ABGB aufgefaßt wird, so ist eine solche Auslegung doch nicht zwingend, sondern man kann § 200 ABGB auch so auslegen, daß damit für die schon zum Vormund bestellte Person die Verpflichtung aufgestellt wird, die Vormundschaft auch zu übernehmen (vgl. Wentzel, Piegler in Klang2 I/2 312), und damit diese Verpflichtung schon zu den Pflichten des Vormundes zählen. Es widerspricht also auch nicht offenbar der Bestimmung des § 282 ABGB, diese für eine zum Vormund bestellte Person bestehende Verpflichtung des § 200 ABGB auch für eine zum Sachwalter bestellte Person anzunehmen (3 Ob 552/87).

Die einstweilige Sachwalterin vermochte somit keine offenbare Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses des Rekursgerichtes aufzuzeigen.

Den Rechtsmittelausführungen des Betroffenen kann immerhin entnommen werden, daß er die Bestellung der einstweiligen Sachwalterin für offenbar gesetzwidrig erachtet, weil er geistig und körperlich "voll aktiv" sei, bei ihm weder Eigen- noch Fremdgefährdung gegeben seien und er sich seinen Hautkrebs selbst heile; hingegen befürchte er durch eine zwangsweise medikamentöse Behandlung gesundheitliche Nachteile.

Wie schon zum Revisionsrekurs der einstweiligen Sachwalterin dargelegt, liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva). Es kann aber keine offenbare Gesetzwidrigkeit darin liegen, daß die Vorinstanzen einen Sachwalter bestellt haben, obwohl der Rechtsmittelwerber meint, einen solchen nicht zu brauchen; denn die Frage, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist im Gesetz nicht geregelt (8 Ob 502/87 ua).

Mangels Vorliegens der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe waren somit beide Revisionsrekurse als unzulässig zurückzuweisen.

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