OGH 1Ob716/88

OGH1Ob716/8818.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Kodek und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** B***-, W***- UND

S*** "N*** L***", reg. Genossenschaft mbH,

Wien 9, Währinger Gürtel 94, vertreten durch Dr.Heidelinde Blum, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Peter K***, Kaufmann, Wien 19, Sulzweg 10/4, vertreten durch Dr.Reinhold Kloiber und Dr.Rudolf Beck, Rechtsanwälte in Mödling, wegen S 94.039,80 s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28.Juni 1988, GZ 45 R 298/88-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 27.Oktober 1987, GZ 6 C 69/86-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses, mit dem ausgesprochen wurde, daß die Klage zurückgewiesen wird, wird aus Anlaß des Revisionsrekurses dahin berichtigt, daß er zu lauten hat:

"Das angerufene Gericht ist örtlich unzuständig."

Der Vollzug der Berichtigung in der Urschrift und in den Beschlußausfertigungen wird dem Erstgericht aufgetragen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird im Ausspruch über die Unzuständigkeit des Erstgerichtes sowie über die Überweisung an das Bezirksgericht Döbling dahin abgeändert, daß der Rekurs der beklagten Partei an das Gericht zweiter Instanz insoweit zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind in diesem Umfang weitere Verfahrenskosten.

3. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den erstinstanzlichen Kostenausspruch zu entscheiden.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der restlichen Baukosten für dessen Eigentumswohnung Wien 14, Felbigergasse 62/11, im Betrag von S 94.039,80 s.A.. In der ersten Tagsatzung erhob der Beklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, weil sein Wohnort Wien-Döbling sei. In der Verhandlungstagsatzung am 22.September 1986 ergänzte der Beklagte sein Einredevorbringen noch vor Einlassung in die Verhandlung dahin, daß er in der genannten Eigentumswohnung weder seinen Wohnsitz noch seinen "ordentlichen" Aufenthalt habe. In der Verhandlungstagsatzung am 23.April 1987 gab der Beklagte informativ befragt an, sein ordentlicher Wohnsitz sei in Wien 19, Sulzweg 10/4; darauf beantragte die klagende Partei die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Döbling.

Das Erstgericht faßte nach Schluß der Verhandlung den Beschluß, mit dem es - u.a. - einerseits die Klage zurückwies und andererseits die Klage gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Döbling überwies. Die Rechtssache sei kein gemäß § 49 Abs 2 Z. 5 JN in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallender Bestandstreit, sondern ein Rechtsstreit aus einem Wohnungseigentumsvertrag, der der Wertzuständigkeit unterfalle. Da es sich weder um eine Bestandstreitigkeit gemäß § 83 JN noch um eine solche um unbewegliches Gut nach § 81 JN handle, sei das Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes des Beklagten, demnach im vorliegenden Fall das Bezirksgericht Döbling, zuständig, weshalb gemäß § 261 Abs 6 ZPO vorzugehen sei.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Beklagten, soweit er sich gegen die Klagszurückweisung richtete, zurück und hob im übrigen den erstinstanzlichen Beschluß im Ausspruch über die Überweisung der Klage an das Bezirksgericht Döbling (ersatzlos) auf; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Erstgericht habe die Klagszurückweisung dahin begründet, das kein Bestandstreit vorliege. Die sachliche Unzuständigkeit habe das Erstgericht zwar mangels Einrede unzulässigerweise von Amts wegen aufgegriffen, doch sei dessen Ausspruch insoweit mangels Anfechtung durch die klagende Partei in Rechtskraft erwachsen; dem Beklagten fehle hingegen in diesem Umfang die Beschwer, sodaß sein Rekurs gegen diesen Ausspruch zurückzuweisen sei. Die Entscheidung über den Überweisungsantrag sei nur ausnahmsweise dann anfechtbar, wenn sie ohne gesetzliche Grundlage ergangen sei. Das treffe hier zu, weil das Erstgericht die Überweisung an das Bezirksgericht Döbling trotz der in der Zwischenzeit in Rechtskraft erwachsenen Klagszurückweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und nicht, wie es § 261 Abs 6 ZPO vorsehe, in Verbindung mit dem Ausspruch seiner Unzuständigkeit verfügt habe. Der ohne gesetzliche Grundlage ergangene Überweisungsbeschluß sei daher ersatzlos zu beheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig, weil - wie noch zu zeigen sein wird - keine gleichförmigen Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, und auch berechtigt. Die erstinstanzliche Entscheidung scheint mit sich selbst in Widerspruch zu stehen, weil die Klage in Punkt 1 zurückgewiesen, im Punkt 2 hingegen an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Döbling überwiesen wurde. In der Begründung, die zur Auslegung des scheinbar widersprüchlichen Spruches heranzuziehen ist, kommt jedoch der Entscheidungswille des Erstgerichtes mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. Es wollte - entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes - seine Erwägungen zu § 49 Abs 2 Z. 5 JN nicht zur Verneinung seiner sachlichen Zuständigkeit heranziehen, sondern damit, wenngleich verfehlt, begründen, daß die Gerichtstände der §§ 81 und 83 JN im vorliegenden Fall nicht in Betracht kämen und die Rechtssache daher in Stattgebung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit an das Bezirksgericht des allgemeinen Gerichtsstandes des Beklagten als das nicht offenbar unzuständige Gericht zu überweisen sei. Dementsprechend hat das Erstgericht seine Entscheidung auch ausdrücklich auf § 261 Abs 6 ZPO gestützt. Mit dem im Punkt 1 seines Beschlusses enthaltenen Ausspruch wollte das Erstgericht, ganz offenbar nur dem Gebot des § 261 Abs 6 dritter Satz ZPO folgend, seine örtliche Unzuständigkeit aussprechen, hat dabei aber eine verfehlte Fassung gewählt.

Die verfehlte Wiedergabe des Entscheidungswillens, der aus der Begründung des Beschlusses und auch aus der Zustellverfügung des Erstgerichtes (vierfach an das Bezirksgericht Döbling) eindeutig hervorgeht, ist als eine offenbare Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses aus Anlaß des Revisionsrekurses gemäß den §§ 430, 419 Abs 1 und 3 ZPO zu berichtigen (7 Ob 574/85; Fasching Komm III 809 und 815; ders., Zivilprozeßrecht Rz 1567). Es ist somit davon auszugehen, daß das Erstgericht in Wahrheit seine Unzuständigkeit ausgesprochen und die Rechtssache dem Antrag der klagenden Partei in der Verhandlungstagsatzung am 23.April 1987 entsprechend an das als nicht offenbar unzuständig erachtete Bezirksgericht Döbling überwiesen hat. Gemäß § 261 Abs 6 fünfter Satz ZPO kann der mit der Unzuständigkeitsentscheidung zu verbindende Überweisungsbeschluß nur im Kostenpunkt angefochten werden. Somit ist dem Rechtsmittelgericht auch die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines solchen Beschlusses verwehrt, auch wenn der Kläger den Überweisungsantrag erst - wie hier im Zuge der Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellt hat (5 Ob 712/80 ua); unanfechtbar ist der Überweisungsbeschluß selbst dann, wenn das Gericht, an das die Rechtssache überwiesen wurde, offenbar unzuständig ist, weil es genügt, daß das Erstgericht das andere für nicht offenbar unzuständig erachtete (§ 261 Abs 6 zweiter Satz ZPO; 7 Ob 653/83; 7 Ob 770/78 ua). Nur wenn die Überweisung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, also ohne entsprechenden Antrag des Klägers verfügt wurde (EvBl 1981/220; RZ 1981/2 ua), kann der Überweisungsbeschluß ausnahmsweise bekämpft werden. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Das Rekursgericht hätte daher wegen des im § 261 Abs 6 fünfter Satz ZPO verfügten Rechtsmittelausschlusses den Rekurs, soweit er gegen die Aussprüche über die Unzuständigkeit des Erstgerichtes und die Überweisung an das Bezirksgericht Döbling gerichtet war, als unzulässig zurückweisen müssen. In diesem Sinn ist der zweitinstanzliche Beschluß abzuändern.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Da das Rekursgericht im Hinblick auf die Abänderung des erstinstanzlichen Überweisungsbeschlusses eine selbständige Kostenentscheidung traf, wird es im fortgesetzten Verfahren - unter Bedachtnahme auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Beklagten gegen diesen Beschluß - die Entscheidung über dessen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Kostenausspruch nachzuholen haben.

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