OGH 7Ob574/85

OGH7Ob574/8530.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude A, Hausfrau, Graz, Daungasse 31, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Alfred A, Angestellter, Stein 70, vertreten durch Dr. Erich Portschy, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 21.Jänner 1985, GZ 5 R 183/84-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13.September 1984, GZ 18 Cg 78/84- 16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Der Ausspruch im erstgerichtlichen Urteil über das Scheidungsbegehren wird aus Anlaß der Revision dahin berichtigt, daß er zu lauten hat:

'Die zwischen der Klägerin Gertrude A geb.B, geboren am 15.1.1939, und dem Beklagten Alfred A, geboren am 28.3.1932, am 6.6.1968 vor dem Standesamt Graz geschlossene und zu Nr 774/1968 beurkundete Ehe wird mit der Wirkung geschieden, daß sie mit Rechtskraft dieses Urteils aufgelöst ist.

Das Verschulden trifft den Beklagten.' Der Vollzug der Berichtigung in der Urschrift des Urteils und in den Urteilsausfertigungen wird dem Erstgericht aufgetragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 6.6.1968 die Ehe geschlossen, die kinderlos blieb.

Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war Stein.

Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie wirft ihm vor, sie in ihrer Persönlichkeit einzuschränken und ihr insbesondere den Empfang und die Abstattung von Besuchen zu verbieten. Der Beklagte sei krankhaft eifersüchtig. Er nörgle über das gesamte Verhalten der Klägerin, er habe sie geschlagen und aus dem Haus gewiesen.

Der Beklagte bestreitet die ihm angelasteten Eheverfehlungen. Er behauptet, die Klägerin provoziere Streitigkeiten, da sie mit dem Leben, das ihr der Beklagte bieten könne, nicht zufrieden sei. Einen Mitschuldantrag stellte der Beklagte nicht.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten.

Nach seinen Feststellungen verlief die Ehe bis etwa 1980 harmonisch. Zu dieser Zeit gab die Klägerin auf Verlangen des Beklagten ihre Berufstätigkeit auf.

Die Klägerin litt deshalb durch ca. ein halbes Jahr an Depressionen. Sie hatte das Gefühl, keine richtige Aufgabe zu haben. Am Beginn der Ehe hatten die Streitteile viele Besuche. Diese wurden im Laufe er Zeit weniger, weil sich der Beklagte mit allen zerstritt. Er hatte an jedem etwas auszusetzen. Dadurch verloren die Ehegatten viele Freunde. Dem Beklagten war es nicht recht, daß die Klägerin Kontakte zu anderen Personen unterhielt. Er untersagte ihr sogar Verwandtenbesuche. Eine Zeit lang nahm die Klägerin an einer einmal monatlich stattfindenden Damenrunde teil. Der Beklagte verbot ihr dies, weil es die Klägerin unzufrieden mache. Er vermutete ehewidrige Beziehungen der Klägerin. Diese mußte ihm ständig über ihre Aufenthalte genau Rechenschaft ablegen.

Der Beklagte hatte ständig etwas an der Haushaltsführung der Klägerin auszusetzen. Er war 'pitzlig' und nörgelte, wenn etwa einmal die Fenster nicht tadellos geputzt waren.

Der Beklagte neigte zu übermäßigem Alkoholkonsum. Er war beruflich viel unterwegs und hatte hiebei viel Gelegenheit, Alkohol zu konsumieren. Häufig begann er bereits am Vormittag zu trinken, und war abends, wenn er heimkam, alkoholisiert. Aber auch an Wochenenden trank er 'über den Durst'. Dadurch kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, in deren Verlauf der Beklagte die Klägerin mit Ausdrücken wie 'Hure' und 'Satan' beschimpfte. Im Verlauf dieser Streitigkeiten äußerte sich der Beklagte auch mehrfach zur Klägerin, sie solle endlich verschwinden. Wenn der Beklagte betrunken war, war es seine Art, die Klägerin auf den Kopf zu schlagen. Im letzten Jahr vor Einbringung der Ehescheidungsklage kam es fast täglich zu Streitigkeiten.

Diese begannen meist mit Eifersuchts- oder sonstigen Vorwürfen des Beklagten.

Häufige Ursache der Streitigkeiten war es auch, daß der Beklagte mit den Erziehungsmaßnahmen der Klägerin gegenüber ihrem Sohn aus erster Ehe nicht einverstanden war. Meist gingen die Streitigkeiten vom Beklagten aus, es kam aber auch vor, daß sie von der Klägerin ausgingen, wenn sie etwa wegen des Rauchens zu schreien begann. Beide Ehegatten hatten ursprünglich geraucht, dann jedoch beschlossen, das Rauchen aufzugeben. Nachdem die Klägerin das Rauchen aufgegeben hatte, begann der Beklagte wieder zu rauchen. Im Zuge der Auseinandersetzungen äußerte die Klägerin ab und zu Schimpfworte gegenüber dem Beklagten.

Im Juli 1983 traf sich die Klägerin ohne Wissen des Beklagten mit dem gemeinsamen Freund der Streitteile Kurt C und fuhr mit diesem zu einem Buschenschank. Dort trafen beide mit dem Bruder des Kurt C, seiner Schwägerin, seiner Nichte und deren Ehemann zusammen. Nach einigen Stunden verließen die Klägerin und Kurt C die Gesellschaft und suchten ein Gasthaus auf. Die Klägerin beklagte sich bei Kurt C über den Verlauf ihrer Ehe, insbesondere über die Trunkenheit des Beklagten. Der Beklagte wartete bis 0,40 Uhr beim PKW der Klägerin. Als Kurt C mit seinem PKW vorbeifuhr, war der Beklagte im Licht des PKW und der Straßenbeleuchtung zu sehen. Aus dem Fahrverhalten konnte der Beklagte entnehmen, daß man ihn gesehen hatte. Kurt C fuhr jedoch weiter, weil die Klägerin ihn dazu mit dem Hinweis aufgefordert hatte, 'er kenne ja ihren Mann'. Nach etwa einer Stunde kam Kurt C zurück und ließ die Klägerin aussteigen. Der Beklagte nahm an, daß Kurt C mit seiner Frau 'etwas gehabt habe'. Nachdem er mit der Klägerin in das Hotel Waldhof zurückgekehrt war, in dem die Klägerin seit 1981 mehrmals in der Woche in der Rezeption arbeitete, machte er ihr den Vorwurf, mit Kurt C geschlafen zu haben. Als die Klägerin sagte, dies könne deshalb nicht sein, weil sie die Regel habe, riß er ihr die Kleider vom Leib, schlug sie und trat auf sie. Als Kurt C einige Tage später anrief und den Sachverhalt aufklären wollte, sagte ihm der Beklagte, er könne die Klägerin haben. Daraufhin brach das Ehepaar C den Kontakt mit den Streitteilen ab. Im Feber 1984 fuhr die Klägerin an einem Nachmittag nach Graz. Als sie gegen 17,30 Uhr zurückkehrte, 'kochte' der Beklagte vor Wut, weil sie ursprünglich gesagt hatte, sie fahre vormittags, und der Beklagte vermutete, daß sie etwas mit einem anderen Mann habe. Die Klägerin mußte dem Beklagten genau erzählen, was sie gemacht hatte. Bei diesem Streit wurde sie vom Beklagten geschlagen und getreten. Am nächsten Tag ging die Klägerin in das Hotel Waldhof zur Arbeit, kam jedoch nach Dienstende nicht mehr zurück, sondern begab sich zu ihrer Mutter. Diese redete ihr zu, nach Hause zurückzukehren. Die Klägerin fuhr mit ihrem Sohn zum Beklagten, mit dem sie eine längere Aussprache hatte. Der Beklagte erklärte ihr hiebei, daß er sie nicht mehr brauche und sie nicht mehr sehen wolle. Er machte ihr Vorwürfe wegen ehewidriger Beziehungen zu anderen Männern und wegen schlechter Haushaltsführung. Er warf ihr unter anderem vor, mit einem anderen Mann zu einem Buschenschank gefahren zu sein und mit diesem Mann ein Verhältnis zu haben. Die Klägerin war auch tatsächlich einmal mit diesem Mann bei einem Buschenschank. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es bestehe kein Zweifel, daß der Beklagte schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG gesetzt habe, wodurch die Ehe der Streitteile so tief zerrüttet worden sei, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Mangels eines Mitschuldantrages sei daher die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten zu scheiden.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus den nicht getrennt ausgeführten Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht berechtigt.

Ob die Beweisergebnisse die Schlußfolgerung rechtfertigten, daß die zweite Mißhandlung der Klägerin im Feber 1984 stattgefunden hat, ist eine Frage der Beweiswürdigung und daher irrevisibel. Den Revisionsausführungen über Verfahrensmängel des berufungsgerichtlichen Verfahrens ist entgegenzuhalten, daß das Berufungsgericht weder eine Beweiswiederholung noch eine Beweisergänzung vorgenommen und demgemäß auch keine Feststellungen getroffen hat. Das Berufungsgericht billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Die Schlußfolgerung, daß der Beklagte eifersüchtig war, wurde bereits vom Erstgericht gezogen (vgl.AS 99). Bei den als 'widersprüchlich' bekämpften 'Feststellungen' des Berufungsgerichtes handelt es sich um dessen Erwägungen im Rahmen der Behandlung der Beweisrüge. Die aufgezeigten Umstände bilden daher auch keine Aktenwidrigkeit (vgl. zum Begriff der Aktenwidrigkeit MGA ZPO 13 § 503 Z 2/1). Selbst wenn man dem Beklagten zubilligt, daß das Verhalten der Klägerin geeignet war, Mißtrauen auszulösen, könnte dies seine Eheverfehlungen nicht entschuldigen. Entschuldbare Reaktionshandlungen liegen nur dann vor, wenn sich ein Ehepartner als unmittelbare Folge des grob ehewidrigen Verhaltens des anderen dazu hinreißen läßt, in einer verständlichen Gemütsbewegung, die die Zurechnung seines Verhaltens als Verschulden ausschließt, eine Eheverfehlung zu setzen (EFSlg 43.603, 41.178 uva). Der übermäßige Alkoholkonsum, die groben Beschimpfungen der Klägerin und die Gewohnheit des Beklagten, die Klägerin auf den Kopf zu schlagen, wenn er betrunken war, stehen überhaupt in keinem Zusammenhang zu einem Fehlverhalten der Klägerin. Das der Mißhandlung vom Feber 1984 vorangegangene Verhalten der Klägerin stellt keine Eheverfehlung dar. Aber auch das exzessive Vorgehen des Beklagten gegen die Klägerin im Juli 1983 kann nach den oben dargelegten Grundsätzen selbst dann nicht mehr mit einer verständlichen Gemütsbewegung gerechtfertigt werden, wenn man das unmittelbar vorangegangene Verhalten der Klägerin als schwere Eheverfehlung wertet. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die offenbare Unrichtigkeit im Urteilsausspruch des Erstgerichtes war gemäß § 419 ZPO zu berichtigen und dem Erstgericht der Vollzug der Berichtigung in der Urschrift des Urteils und in den Urteilsausfertigungen aufzutragen (Fasching III 815, derselbe in LB Rdz 1567).

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