Spruch:
Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben. Der Revision des Klägers wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 257,25 Umsatzsteuer) und die mit S 6.794,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 19.6.1969 vor dem Standesamt der Landeshauptstadt Salzburg die Ehe geschlossen. Dieser entstammen drei Kinder, und zwar Angelika, geboren am 24.2.1969, Barbara, geboren am 31.12.1971 und Christian, geboren am 4.4.1979. Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten, hilfsweise aus dem Grunde des § 50 EheG. Er brachte im wesentlichen vor, die Beklagte sei alkoholabhängig, sie vernachlässige den Haushalt und die Kinder.
Die Beklagte wendete ein, in ihrem Verhalten liege keine ihr vorwerfbare Eheverfehlung. Das Begehren des Klägers sei sittlich nicht gerechtfertigt, weil das Verhalten der Beklagten auf das Verschulden des Klägers zurückzuführen sei. Ursache des Zustandes der Beklagten sei die massive Ablehnung des dritten Kindes durch den Kläger gewesen. Der Kläger habe die Beklagte vernachlässigt und lieblos behandelt, sei immer mehr von zu Hause fortgeblieben und betrunken nach Hause gekommen. Er habe keine Unterhaltsleistungen mehr erbracht. Der Kläger habe die Beklagte geschlagen. Eine Ehescheidung würde die Beklagte im Sinne des § 54 EheG außergewöhnlich hart treffen. Für den Fall einer Scheidung nach § 50 EheG beantragte die Beklagte, gemäß § 61 Abs 2 EheG auszusprechen, daß den Kläger ein Verschulden treffe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, soweit es auf Verschulden gestützt war, ab, schied die Ehe gemäß § 50 EheG und wies den Antrag der Beklagten nach § 61 Abs 2 EheG ab. Aus den vom Erstgericht getroffenen umfangreichen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:
Die Ehe der Streitteile, die vorerst mit ihren beiden Töchtern in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Salzburg wohnten, verlief zunächst gut. Im Jahre 1978 kamen die Parteien überein, eine Wohnung in Wals zu erwerben. Voraussetzung dafür war, daß die Beklagte zumindest halbtags wieder zu arbeiten beginne und der Verzicht auf ein weiteres Kind. Nachdem der Kläger Anfang Oktober 1978 den Grundkostenanteil bezahlt hatte, erfuhr die Beklagte am 9.10.1978 vom Frauenarzt, daß sie schwanger sei. Dies war für die Beklagte überraschend, weil sie die Pille genommen hatte. Der Kläger, der davon ausging, daß ihm die Beklagte die Schwangerschaft verheimlicht hatte, reagierte "unfreundlich", weil er zu Recht damit rechnete, daß die Finanzierung der Wohnung Schwierigkeiten bereiten werde. Über einen Schwangerschaftsabbruch sprachen die Ehegatten nicht. Allerdings fragte der Kläger die Mutter der Beklagten, ob sie ihm Geld für eine eventuelle Abtreibung zur Verfügung stellen könne, was diese aber ablehnte. Die Beklagte erfuhr davon erst nach der Geburt des Kindes. Am 4.4.1979 brachte die Beklagte den Sohn Christian zur Welt. Am Abend vor der Entbindung war der Kläger gegen 22.00 Uhr alkoholisiert nach Hause gekommen. Die Beklagte wies ihn darauf hin, daß sie Wehen und Schmerzen hätte und daher glaube, daß sie ins Krankenhaus müsse. Sie bereitete dem Kläger noch eine Pizza zu und er trank noch Alkohol; dann legte er sich nieder. Den neuerlichen Hinweis, daß man bald ins Krankenhaus fahren müsse, nahm er wegen seiner Alkoholisierung nicht mehr richtig auf. Um 1.00 Uhr weckte die Beklagte den Kläger und erklärte ihm, daß die Fruchtblase geplatzt sei und sie solche Schmerzen habe, daß sie es nicht mehr aushalte. Er erklärte, daß er nicht mehr aufstehe und sie sich ein Taxi rufen solle. Die Beklagte ist dann mit dem Taxi allein in das Krankenhaus gefahren. Der Arzt überbrachte der Beklagten telefonische Grüße des Klägers mit dem Hinweis, daß sich dieser über den Buben freue. Der Kläger behandelte den Sohn normal wie die anderen Kinder, er bevorzugte ihn sogar und hatte ihn besonders gern. Der Kläger erzählte der Beklagten noch im Krankenhaus, daß er bei seinem Dienstgeber eine Aufstiegschance habe. Der Kläger nahm diese Position an, in der er neben einer finanziellen Besserstellung auch eine Vergrößerung des Aufgabenbereiches und mehr Verantwortung hatte. Dies führte dazu, daß der Kläger beruflich bedingt seltener zu Hause war als früher. Dies brachte zunächst für die Beklagte, die täglich von ihrer in der Nähe wohnenden Mutter besucht wurde und Kontakt zu Nachbarinnen hatte, keine Probleme. Mit dem Bezug der Wohnung in Wals am 9.12.1980 änderte sich die Situation. Die Mutter der Beklagten wohnte weit entfernt, befand sich wegen des Todes des Vaters der Beklagten in einem schlechten Gesundheitszustand und besuchte die Beklagte nicht mehr. Dazu kam, daß die Beklagte zu ihrer neuen Umgebung wenig Kontakt hatte. Deshalb gründete die Beklagte einen "Frauenclub", der gemeinsame Aktivitäten setzte. Zumindest eine der daran beteiligten Frauen trank. Die Beklagte, die früher nichts getrunken hatte, begann damals Alkohol zu trinken. Dies blieb dem Kläger nicht verborgen, er äußerte seine Besorgnis gegenüber den Töchtern und diese teilten der Beklagten mit, der Kläger sehe es nicht gern, daß sie im "Frauenclub" öfters mitmache. Deshalb gab die Beklagte im Jahre 1983 diese Zusammenkünfte auf. Die Beklagte erinnert sich, daß sie 1983/Anfang 1984 "etwas zu viel getrunken hat". Sie trank dann gelegentlich auch zu Hause Alkohol. Dadurch verschlechterte sich ihre gesundheitliche Situation, sie magerte auf 43 kg ab. Im Krankenhaus stellte man eine Überfunktion der Schilddrüse fest. Trotz Behandlung besserte sich der Zustand aber nicht. Eine Blutuntersuchung ergab, daß die Beklagte Alkoholikerin war. Der praktische Arzt Dr. W*** behandelte sie dann und unterstützte ihre Bemühungen, vom Alkohol wegzukommen. In der Folge ging es ihr gesundheitlich besser, sie nahm wieder zu und trank nur mehr gelegentlich. Der im Herbst 1984 erfolgte tödliche Verkehrsunfall des Dr. W***, zu dem die Beklagte ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, warf sie wieder aus der Bahn. In dieser Situation erwies sich der Kläger verständnisvoll und stand der Beklagten bei. Zum Jahreswechsel 1984/1985 begann die Beklagte wieder zu trinken. Ihr Zustand verschlechterte sich im Frühjahr 1985 neuerlich. Damals glaubte sie erstmals Stimmen zu hören. Der Nachfolger des Dr. W*** riet ihr damals erstmals zu einem Aufenthalt in einer Nervenklinik. Auf Drängen des Klägers stimmte die Beklagte einer stationären Behandlung zu. In der Zeit vom 13. bis 27.6.1985 wurde sie erstmals wegen Alkohol-abusus aufgenommen und behandelt. Sie war dann in der Zeit vom 8. bis 16.8.1985 mit der Diagnose Paranoidpsychose neuerdings in der Nervenklinik Salzburg. Auch da gab sie an, Stimmen zu hören. Weitere stationäre Aufenthalte mit gleicher Diagnose erfolgten vom 23. bis 28.8., 4.9. bis 1.10., 15.10. bis 12.11.1985 und zuletzt vom 10. bis 18.3.1986. In den Krankengeschichten findet sich der Vermerk von zeitweiliger Halluzinose. Im Anschluß an ihren ersten stationären Krankenhausaufenthalt in diesem Zusammenhang hatte sich die Beklagte über Drängen des Klägers bereit erklärt, sich einer Entziehungskur in Maria Ebene zu unterziehen. Am 29.6.1985 brachte der Kläger die Beklagte dort hin. Es war eine Behandlungsdauer von acht Wochen vorgesehen. Die Beklagte, die zunächst alle Therapien mitmachte, erklärte dem Kläger nach seinem zweiten Besuch, sie sei nunmehr gesund und könne daher nach Hause fahren. Sie hatte bereits alles gepackt. Obwohl der behandelnde Arzt und der Anstaltsleiter vehement die Meinung vertraten, daß es ein "Wahnsinn" sei, nunmehr die Therapie abzubrechen, beharrte die Beklagte auf ihrer Rückkehr nach Hause. Sie begründete dies zudem mit Heimweh und Sehnsucht nach den Kindern. Mitbestimmend für die Entschlossenheit der Beklagten, die Behandlung abzubrechen, war auch eine Mitteilung ihrer Töchter über eine geplante Urlaubsreise des Klägers gewesen. Davon hat allerdings die Beklagte dem Kläger keine Mitteilung gemacht und sie ersuchte ihn zunächst auch nicht, mitfahren zu können. Kurz nach ihrer Rückkehr mußte die Beklagte wegen ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes neuerlich in die Nervenklinik eingeliefert werden. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt das Anbot einer befreundeten Familie, mit ihr nach Jugoslawien auf Urlaub zu fahren, wegen der schlechten häuslichen Situation schon der Kinder wegen angenommen. Während des Aufenthaltes der Beklagten in der Nervenklinik erzählte er auch davon. Damals äußerte die Beklagte erstmals, daß sie mitfahren möchte. Ihre behandelnde Ärztin riet im Hinblick auf den Gesundheitszustand und die notwendige weitere Behandlung davon ab. Die Beklagte wollte ab diesem Zeitpunkt aber unbedingt das Krankenhaus verlassen und mitfahren. In Abwesenheit der behandelnden Ärztin entließ deren Stellvertreter die Beklagte mit dem Hinweis, daß er ohnehin nichts für sie tun könne. Das war ein oder zwei Tage vor der Abfahrt des Klägers. Im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand weigerte sich der Kläger, die Beklagte mitzunehmen. Er fuhr mit der jüngeren Tochter und dem Sohn nach Jugoslawien. Während dieser Zeit ging es der Beklagten wieder schlechter. Auch die älteste Tochter war wegen eines Nachhilfekurses für die Vorbereitung auf eine Nachprüfung und wegen des Umstandes, daß sie mit ihrem Freund abends öfters unterwegs war, selten zu Hause. Schließlich mußte die Mutter der Beklagten den Arzt veranlassen, die Beklagte wieder in die Nervenklinik einzuweisen. Der Kläger kehrte wegen schlechten Wetters nach 10 Tagen aus Jugoslawien zurück. Die Tatsache, daß die Beklagte die Behandlung in Maria Ebene abgebrochenn hatte, führte zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Streitteilen. Dies vor allem deshalb, weil sich der Kläger bereit erklärt hatte, einen neuen Anfang zu machen, wenn die Beklagte ihren Willen dokumentiere, ernsthaft vom Alkohol wegzukommen. Durch das Verhalten der Beklagten sah er sich in seinen Hoffnungen auf die Heilung der Beklagten und damit die Möglichkeit geordneter familiärer Verhältnisse, enttäuscht. Vorangegangen war nämlich, bedingt durch die gesundheitliche Situation der Beklagten hervorgerufen durch den Alkoholmißbrauch, eine völlige Vernachlässigung des Haushaltes durch die Beklagte und auch des Sohnes Christian. So kam es häufig vor, daß die Beklagte Christian nicht in den Kindergarten brachte, sodaß dieser unbeaufsichtigt in der Siedlung herumlief. Auch hatten sich die Kindergartentanten mehrfach an den Kläger mit der Bitte gewandt, zu veranlassen, daß der Sohn nicht durch die Beklagte abgeholt werde, weil diese häufig betrunken sei. Alle diese Umstände belasteten die Beziehungen zwischen den Parteien sehr. Sie führten auch dazu, daß sich der Kläger mehr und mehr von der Beklagten abwandte. Der letzte eheliche Verkehr hatte im März 1985 stattgefunden. Der Kläger hatte wegen der familiären Situation auch Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Er weigerte sich, Überstunden zu machen, weil er bestrebt war, möglichst bald nach Hause zu kommen, um zu sehen, was wieder passiert sei, aber auch um der Beklagten beizustehen, damit sie nicht so viel allein sei. Die Firmenleitung erwog, daraus Konsequenzen zu ziehen. Dazu kam es jedoch nicht, weil der Kläger dann wieder entsprechende Leistungen erbrachte. Er verdient derzeit rund S 20.000,-- netto im Monat. Die schlechte gesundheitliche Verfassung der Beklagten und die damit verbundene Unfähigkeit, den Haushalt ordnungsgemäß zu führen, veranlaßte den Kläger, mit Zustimmung der Beklagten die für die Haushaltsführung notwendigen Einkäufe selbst zu besorgen. Es wurde so vorgegangen, daß die Beklagte eine Liste der anzuschaffenden Gegenstände erstellte und der Kläger dann diese Gegenstände einkaufte. Ab diesem Zeitpunkt erhielt die Beklagte lediglich ein Taschengeld von S 1.500,-- im Monat. Davon besorgte sie sich auch die alkoholischen Getränke. Nachdem Christian schulpflichtig geworden war, brachte ihn der Kläger gegen den Willen der Beklagten in einer Schule in Schallmoos, bei der auch ein Tageshort angeschlossen ist, unter. Auf diese Weise kann er ihn sowohl in die Schule fahren als auch nach Schulschluß wieder abholen und nach Hause bringen. Der Sohn Christian leidet unter den familiären Verhältnissen besonders. Die Beklagte ist nach wie vor in Behandlung, nach eigenen Angaben nimmt sie keine Medikamente mehr und trinkt nur mehr gelegentlich. Sie wird durch die Situation in der Familie, vor allem auch die Tatsache, daß der Kläger nunmehr seit längerer Zeit entschlossen ist, die Ehe mit ihr nicht fortzusetzen, belastet. Sie hängt nach wie vor am Kläger und hofft, daß die Ehe nicht geschieden wird. Mehrere Versuche, die Scheidung außergerichtlich mit einer entsprechenden Absicherung der Beklagten durchzuführen, scheiterten. Im April 1987 warf der Kläger der Beklagten, die ihm eine Einkaufsliste gegeben hatte, vor, zuviel Waschmittel zu verbrauchen. Im Zuge der folgenden Auseinandersetzung versetzte die Beklagte dem Kläger eine Ohrfeige. Der Kläger schlug zurück. Die Beklagte hatte eine gerötete Wange, man sah die Abdrücke der Finger. Am 25.4.1987 wollte der Kläger einen Korb Schmutzwäsche zu seiner Mutter zum Waschen bringen. Die Beklagte wollte dies nicht zulassen und versuchte, den Kläger bei der Tür zurückzuhalten. Es kam zu einer regelrechten Rauferei, in deren Verlauf die Beklagte auf dem frisch eingelassenen Boden zu Sturz kam. Sie wies blaue Flecke im Bereich der Beine und am Oberkörper auf. Am 24.2.1987 verursachte die Beklagte im betrunkenen Zustand bei einer Geburtstagsfeier der Tochter Angelika einen unerfreulichen Zwischenfall. Die Beklagte hat sich darüber gekränkt, daß der Kläger Bausparbriefe der Kinder gekündigt hat und das Geld ohne Rücksprache mit ihr unter anderem für die Anschaffung einer Stereoanlage im Wert von ca. 40.000 S verwendete. Durch die häusliche Situation kam es auch zu finanziellen Engpässen, der Kläger rief mehrfach zu Sparmaßnahmen auf. Die Beklagte ist durch ihre zunehmende Vereinsamung und durch ihr Verlassensein dazu gekommen, Zuflucht beim Alkohol zu suchen. Sie vertraute sich niemandem an und stellte den Kontakt zu Freunden und Bekannten ein. Verläßliche Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger zu dieser Entwicklung durch Ablehnung des Sohnes und liebloses Verhalten gegenüber der Beklagten beigetragen hat, finden sich nicht. Der Sachverständige stellte bei seiner Untersuchung am 2.6.1986 einen, eher leichtgradigen, psychotischen Defektzustand fest. Bei der Beklagten handelt es sich um Alkoholmißbrauch infolge einer psychischen Erkrankung, der der Beklagten nicht vorwerfbar ist. In der Psychiatrie wird im allgemeinen der Standpunkt vertreten, daß eine Scheidung für einen psychisch labilen Menschen günstiger ist als die Fortsetzung eines "Ehekrieges". Es ist ungewöhnlich, wenn sich eine psychische Erkrankung durch eine Scheidung verschlechtert.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Beklagten könne der Alkoholmißbrauch wegen ihres psychischen Zustandes nicht als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG vorgeworfen werden. Es lägen die Voraussetzungen des § 50 EheG vor. Der Einwand der Beklagten, das Scheidungsbegehren sei sittlich nicht gerechtfertigt, sei nicht berechtigt, weil konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Verfehlungen der Beklagten durch das schuldhafte Verhalten des Klägers ausgelöst worden seien, fehlten. Es gäbe keine Möglichkeit für eine Anwendung des § 54 EheG, weil kein Hinweis dafür bestehe, daß die Auflösung der Ehe die Beklagte außergewöhnlich hart treffen würde. Auch der Ausspruch eines Verschuldens des Klägers gemäß § 61 Abs 2 EheG habe nicht zu erfolgen. Daß der Kläger wegen der Anschaffung einer neuen Wohnung über die Mitteilung der Schwangerschaft verärgert gewesen sei, sei erklärlich. Er habe davon ausgehen müssen, daß ihm die Beklagte nicht die Wahrheit gesagt habe. In der Folge habe er das Kind nicht abgelehnt, sondern normal behandelt. Aber auch die zum Großteil beruflich bedingte Abwesenheit des Klägers nach seiner Ernennung zum Gruppenleiter könne ihm nicht als Eheverfehlung angelastet werden. Dasselbe gelte für die zwischen den Ehegatten getroffene Vereinbarung, der Beklagten kein Haushaltsgeld mehr zu geben, sondern die Einkäufe durch den Kläger besorgen zu lassen. Letztlich könnten auch die Vorfälle im April 1987 nicht als Eheverfehlungen gewertet werden, weil hinsichtlich des ersten Vorfalles die Beklagte zunächst dem Kläger eine Ohrfeige versetzt habe, so daß sich die von ihm erfolgte tätliche Mißhandlung als eine Reaktion darstelle und es beim zweiten Vorfall nach den eigenen Angaben der Beklagten zu einer "regelrechten Rauferei" gekommen sei. Zudem sei zu berücksichtigen, daß sich zu diesem Zeitpunkt auch der Kläger bereits auf Grund der desolaten familiären Verhältnisse in einer äußerst angespannten Situation befunden habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und ergänzte das Ersturteil durch den Ausspruch, daß den Kläger an der Zerrüttung der Ehe ein Verschulden trifft. Das Gericht zweiter Instanz überahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß für eine Anwendung des § 54 EheG kein Raum sei. Angesichts der Erfolglosigkeit aller Versuche der Beklagten zu einer dauernden Entwöhnung vom Alkohol sei dem Kläger die Fortsetzung der Ehe nicht zumutbar. Stichhältige Gründe, warum sie eine Scheidung der Ehe außergewöhnlich hart treffen würde, habe die Beklagte nicht anzuführen vermocht. Berechtigt sei die Berufung jedoch, soweit sie die Abweisung des Verschuldensantrages bekämpfe. Dem Kläger sei als Eheverfehlung vorzuwerfen, daß er nach dem Abbruch der Entziehungskur der Beklagten ohne sie auf Urlaub nach Jugoslawien gefahren sei und die Beklagte mehr oder weniger ihrem Schicksal überlassen habe, was zu einer Verschlechterung ihres Zustandes und zu einer neuerlichen Einweisung in die Nervenklinik geführt habe. Weitere Eheverfehlungen des Klägers seien sein liebloses Verhalten während der Schwangerschaft, die Auflösung der Bausparverträge zum Ankauf einer Stereoanlage ohne Einverständnis der Beklagten trotz finanzieller Engpässe in der Familie und sein Verhalten bei den beiden Vorfällen im April 1987. Die Beklagte hätte auf Grund dieser Eheverfehlungen den Kläger auf Scheidung wegen Verschuldens klagen können, so daß ihr Verschuldensantrag berechtigt sei. Er entspräche auch, ließe man Eheverfehlungen nach Klagseinbringung außer acht, der Billigkeit.
Beide Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen. Der Kläger strebt die Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes an, die Beklagte beantragt die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt, wohl aber jene des Klägers.
Zur Revision der Beklagten:
Die Meinung der Beklagten, das Scheidungsbegehren wäre auf Grund des § 54 EheG abzuweisen gewesen, kann nicht geteilt werden. Nach dieser Bestimmung darf die Ehe in den Fällen der §§ 50 bis 52 nicht geschieden werden, wenn das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Auflösung der Ehe den anderen Ehegatten außergewöhnlich hart treffen würde. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen, namentlich auch nach der Dauer der Ehe, dem Lebensalter der Ehegatten und dem Anlaß der Erkrankung. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes geben die Bestimmungen der §§ 50 bis 52 EheG dem gesunden Ehegatten grundsätzlich ein Recht auf Scheidung, die Vorschrift des § 54 EheG ist nicht als Regel, sondern als einschränkend auszulegende Ausnahme zu verstehen (EFSlg 27.394, 33.989; 7 Ob 635/87 ua). Rein wirtschaftliche Gründe bilden keine beachtliche Härte (EFSlg 22.789 ua, zuletzt 7 Ob 557/87). Auch das Alter des kranken Gatten und die Dauer der Ehe genügen an und für sich nicht zur Annahme eines Härtefalles (EFSlg 13.875, 22.789 ua). Die Revisionsausführungen über die Dauer der Ehe und die Berufsunfähigkeit der Beklagten reichen daher für die Anwendung des § 54 EheG nicht aus. Der Hinweis auf die geistige Störung der Beklagten ist nicht zielführend, weil eine solche Voraussetzung einer Scheidung nach § 50 EheG ist und daher nicht gleichzeitig ein Grund sein kann, die Scheidung abzulehnen. Davon, daß durch die Scheidung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beklagten eintreten würde, kann auf Grund des festgestellten Sachverhaltes nicht ausgegangen werden. Die Ausführungen, der Kläger habe die Beklagte seit der letzten Schwangerschaft vernachlässigt, sind aktenwidrig. Auch sonstige Gründe, die dem Scheidungsbegehren die sittliche Rechtfertigung nehmen würden, sind nicht vorhanden. Richtig ist wohl, daß die Frage, ob die Voraussetzungen des § 54 EheG vorliegen, von Amts wegen zu prüfen ist (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 54 EheG; EFSlg 2319, 22.793), doch ist der in der Revision der Beklagten erhobene Vorwurf, die Vorinstanzen hätten dies nicht getan, nicht berechtigt. Beide Vorinstanzen haben geprüft, ob die Voraussetzungen des § 54 EheG vorliegen, gelangten jedoch im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dem Ergebnis, daß dies nicht der Fall sei. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe keine stichhaltigen Gründe aufzuzeigen vermocht, warum sie eine Scheidung außergewöhnlich hart treffen würde, ergibt sich nicht, daß keine amtswegige Prüfung vorgenommen wurde. Die Vorschrift des § 54 EheG kann daher im vorliegenden Fall nicht zur Abweisung des Scheidungsbegehrens führen. Die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen über das Vorliegen eines Scheidungsgrundes im Sinne des § 50 EheG werden von der Beklagten nicht bestritten. Der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Zur Revision des Klägers:
Ein Schuldausspruch im Sinne des § 61 Abs 2 EheG hat zur Voraussetzung, daß der beklagte Ehegatte zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung wegen Verschuldens des Klägers hätte klagen können. Diese Vorschrift soll verhindern, daß jemand, dessen Verhalten als Summe schwerer Eheverfehlungen zu beurteilen wäre, die Krankheit seines Ehepartners zum Anlaß nimmt, eine Scheidung durchzusetzen, bei der sein erhebliches Verschulden nicht berücksichtigt wird und hiedurch der Ehepartner um ansonsten berechtigte Unterhaltsansprüche gebracht wird (7 Ob 557/87). Im vorliegenden Fall kann von einem erheblichen Verschulden des Klägers aber keine Rede sein. Die Urlaubsreise ohne die Beklagte kann nicht als schwere Eheverfehlung gewertet werden, zumal die Beklagte krank war, ihr die behandelnde Ärztin von einem Mitfahren abriet und der Kläger die Urlaubsreise "schon wegen der Kinder" antrat. Daß der Kläger auf die Mitteilung der neuerlichen Schwangerschaft unfreundlich reagierte, kann ebenfalls nicht als schwere Eheverfehlung angesehen werden, weil die Geburt eines weiteren Kindes wegen der Anschaffung einer Wohnung zu finanziellen Schwierigkeiten führen mußte und tatsächlich der Anschein bestand, die Beklagte habe dem Kläger vor Erwerb der neuen Wohnung die Schwangerschaft absichtlich verschwiegen. Auch in der Frage an die Schwiegermutter, ob sie Geld für eine allfällige Abtreibung zur Verfügung stelle, wovon die Beklagte vor der Geburt des Kindes keine Kenntnis erlangte, kann keine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG erblickt werden. Der Vorfall am Abend vor der Geburt des Sohnes fällt ebenfalls nicht besonders schwer ins Gewicht. Der Kläger verhielt sich damals zwar gewiß nicht liebevoll und einfühlsam, es ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, daß er alkoholisiert war und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dies wäre bei ihm öfters der Fall gewesen. Daß er es ablehnte, im alkoholisierten Zustand die Beklagte mit dem PKW ins Krankenhaus zu fahren, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Im übrigen kann den Feststellungen nicht entnommen werden, daß sich der Kläger während der Schwangerschaft zur Beklagten lieblos verhalten hätte. Die Auflösung der Bausparverträge zur Anschaffung einer Stereoanlage, ohne die Beklagte darüber zu befragen, mag zwar mit dem Gebot der einvernehmlichen Gestaltung der Lebensgemeinschaft im Sinne des § 91 EheG nicht vereinbar sein, begründet aber noch keine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG. Der erste Vorfall vom April 1987 stellte eine Reaktion auf das Verhalten der Beklagten dar. Beim zweiten Vorfall handelte es sich abermals um Tätlichkeiten beider Ehegatten. Auch diese nicht besonders schwer wiegenden Vorfälle könnten daher eine Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers nicht rechtfertigen.
Das Verhalten des Klägers vermag auch in seiner Gesamtheit einen Verschuldensausspruch im Sinne des § 61 Abs 2 EheG nicht zu rechtfertigen, zumal es, wenn ein wesentlicher Grund für die Zerrüttung der Ehe das Verhalten des mit der geistigen Störung behafteten Ehepartners war, grob unbillig wäre, dieses Verhalten völlig außer acht zu lassen und die Ehe auf eine Art zu scheiden, die den Kläger so stellt, als hätte sein Gegner mit einer auf alleiniges Verschulden des Klägers gestützten Klage Erfolg gehabt. In einem solchen Fall wäre eine einseitige Schuldfestsetzung grob unbillig und hat daher zu unterbleiben (7 Ob 557/87). Aus diesen Gründen war der Revision des Klägers Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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