OGH 8Ob695/88 (8Ob696/88)

OGH8Ob695/88 (8Ob696/88)22.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas K***, Schreiner, Bregenzerstraße 7, D-7208 Spaichingen, BRD, vertreten durch Dr. Josef Riedmann, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Rudolf M***, Gastwirt, 6700 Bürserberg Nr. 202, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen S 174.510,80 und Feststellung infolge Revision und Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekurs- bzw. Berufungsgerichtes vom 6. September 1988, GZ 1 a R 362/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 13. Mai 1988, GZ 2 C 38/88 f-14, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers, ihm die Kosten seiner Revisions- und Rekursbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war am 22. Februar 1986 als Mitglied einer Reisegruppe Gast in dem dem Beklagten gehörigen Hotel Taleu in Bürserberg. Er begab sich am Nachmittag mit einer Badehose bekleidet in das zum Hotel gehörige Hallenbad. Als einer seiner Freunde mit dem Handtuch des Klägers - offenbar um diesen zu necken - das Hallenbad verließ, folgte ihm der Kläger durch den 7 m langen, beleuchteten Gang vor dem Hallenbad bis zu einer einen Glaseinsatz aufweisenden Pendeltüre. Als sein Freund diese Türe losgelassen hatte, versuchte der Kläger die zurückschwingende Türe in einer Höhe von 1,5 m bis 1,6 m mit der Handfläche der linken Hand zu stoppen. Dabei zerbarst das Glas, der Kläger kam durch den "Griff ins Leere" in Vorlage und zog sich durch das splitternde Glas schwere Verletzungen unter der Achselhöhle zu, stürzte sodann auf die zu Boden gefallenen Glassplitter und erlitt hiedurch weitere schwere Verletzungen insbesondere auch am Rücken durch einen 6 cm großen Glassplitter. Der Glaseinsatz an der 1,99 m hohen und 0,93 m breiten Pendeltüre hatte ein Ausmaß von 1,5 x 0,5 m und bestand nicht aus Sicherheitsglas, sondern aus durchscheinendem, undurchsichtigem Kathedralglas in einer Stärke von 4 bis 5 mm. Die Türe wies zu ihrer Handhabung in einer Höhe von 0,87 m über dem Fußboden, somit rund 15 cm niedriger als nach dem ergonomischen Maß bei Türschienen üblich, ein "Griff- und Schutzbrett" auf. Der Gang war durch eine Deckenbeleuchtung beleuchtet. Nach Ausschalten dieser Beleuchtungsanlage ist der Gang bei Tageslicht als dunkel zu bezeichnen. Dieser Gang und die Pendeltüre waren bereits bei Errichtung der "Fremdenpension" vorhanden und am 27. April 1971 baubehördlich genehmigt worden. Für das Hallenbad selbst wurde am 2. Mai 1972 die Baubewilligung und am 20. März 1975 die Benützungsbewilligung erteilt; sie betreffen nicht den gegenständlichen Gang. Zur Ausführung der Pendeltüre teilweise in Glas enthalten die Genehmigungsbescheide keine Stellungnahmen. Nach § 12 Abs 1 LGBl 1972/41 müssen Türen so ausgeführt sein, daß sie gefahrlos benützt werden können. Zur Unfallszeit bestanden keine Vorschriften über die Anbringungshöhe von Schutzbrettern oder Türschnallen. Bei normaler Betätigung der gegenständlichen Pendeltüre kann es zu keinen schweren Verletzungen kommen; durch das Abfangen der Türe mit der Hand war vom Kläger gegen die Glasscheibe ein starker Stoß ausgeübt worden.

In der vorliegenden Klage behauptet der Kläger eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten und damit das Alleinverschulden des Beklagten am Unfall. Die Pendeltüre habe unabhängig von der Frage ihrer baurechtlich zulässigen Beschaffenheit eine Gefahrenquelle dargestellt, da ihre auch zu dünne Glasscheibe nicht vorschriftsmäßig aus Sicherheitsglas bestanden habe, kein Schutzgitter und ein zu niedrig angebrachter Haltegriff vorhanden gewesen seien bzw. zumutbarerweise überhaupt eine andere Türfüllung hätte verwendet werden müssen. Durch den zu tief angesetzten Haltegriff und die mangelnde Verwendung von Sicherheitsglas sowie durch die unterlassene Anbringung von Warnschildern, Markierungen usw. sei es zu den schweren Verletzungen des Klägers gekommen. Nach 14 Monaten leide der Kläger noch immer an einer kompletten Lähmung des linken Speichennerves und einer inkompletten Lähmung des linken Mittelnerves, wodurch er in der Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und der linken Hand stark beeinträchtigt erscheine und weiterhin Arbeitsunfähigkeit sowie überhaupt eine 50-%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Aus dem Titel des Schadenersatzes werde die Zahlung eines Schmerzengeldes in der Höhe von S 142.600,-- sowie eines Verdienstentganges von vorerst DM 4.432,06 gefordert und wegen der zu befürchtenden Dauerfolgen weiters ein Feststellungsbegehren gestellt, wonach der Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 22. Februar 1986 zu haften habe. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil der Kläger einem anderen Gast in den Flur nachgelaufen, die zurückschwingende Glastüre mit der Hand durchstoßen und seine Verletzung solcherart selbst verschuldet habe. Der Teil des Hauses, in welchem sich der Unfall ereignet habe, sei im Jahre 1971 von einem konzessionierten Baumeister gebaut worden, die Türe habe ein befugter Schreinermeister hergestellt und es sei sodann die Benützungsbewilligung erteilt worden. Die Türe entspreche auch den einschlägigen Vorschriften, auch durch eine höher angebrachte Griffleiste hätte dieser Unfall nicht verhindert werden können. Vorher habe es noch nie einen Unfall mit dieser Türe gegeben. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf die obenstehenden Feststellungen und vertrat die Rechtsansicht, dem Beklagten sei kein Verschulden am Unfall anzulasten. Hinsichtlich des in der Pendeltüre eingesetzten Glases sei davon auszugehen, daß die Verwendung von Sicherheitsglas nicht vorgeschrieben und die Stärke von 4 - 5 mm nach den Ausführungen des Sachverständigen hinreichend gewesen sei. Bei der Herstellung der Türe habe sich der Beklagte keines untüchtigen Besorgungsgehilfen bedient. Schließlich erscheine der Umstand, daß der Haltegriff zu niedrig angebracht gewesen sei, nicht unfallskausal, weil der Kläger in mindestens 1,5 m Höhe in die Glasscheibe gegriffen habe.

Das Berufungsgericht hielt die vom Kläger behaupteten Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenbestellung und unrichtigen Beweiswürdigung nicht, dagegen seine Rechtsrüge teilweise für gerechtfertigt. Es sprach mit Teilurteil aus, daß der Beklagte dem Kläger für die künftigen unfallsbedingten Schäden im Ausmaß von 50 % hafte und wies das Feststellungsmehrbegehren ab. Im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über die Leistungsansprüche des Klägers an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es mit Teilurteil entschied, den Betrag von S 15.000,--, nicht aber jenen von S 300.000,-- übersteige und daß die Revision zulässig sei. Seinem Aufhebungsbeschluß setzte es einen Rechtskraftvorbehalt bei. Zur Rechtsrüge der Berufung führte das Gericht zweiter Instanz im wesentlichen aus: Aus dem zwischen dem Hotelunternehmer und seinen Gästen geschlossenen Beherbergungsvertrag ergäben sich besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten hinsichtlich der aus der Benützung der Hoteleinrichtungen für die Gäste hervorgehenden Gefahren. Bei der Abwägung zwischen den gefährdeten Interessen einerseits und den zu fordernden Abwehrmaßnahmen des Unternehmers andererseits sei unabhängig von behördlichen Vorschreibungen auch auf Gefahren Rücksicht zu nehmen, die Gästen bei einer zwar nicht bestimmungsgemäßen aber nicht ganz ferneliegenden Benützung drohten. In diesem Rahmen habe der Hotelunternehmer Vorkehrungen gegen Gefahren zu treffen, die über das übliche Risiko hinausgingen und für den Gast nicht ohne weiteres erkennbar oder vorhersehbar seien. Dazu gehöre auch eine solche Gefahren abwendende Beschaffenheit von Pendeltüren, denn der Hotelunternehmer müsse damit rechnen, daß ein Gast eine zurückschwingende Pendeltüre zu stoppen versuche und dabei in die Glasfüllung greife. Im Unfallsfalle obliege daher gemäß § 1298 ABGB ihm der Nachweis, daß ihn an einer Nichterfüllung seiner Vertragspflichten kein Verschulden treffe. Vorliegenfalls hätte es für den Beklagten bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit erkennbar sein müssen, daß die aus einfachem Glas bestehende Glasfüllung der Pendeltüre eine Gefahr für die diese Türe beim Zurückschwingen aus welchen Gründen immer stoppenden Gäste darstellte, insbesondere, da sie auch eine zu tief angebrachte Griffleiste aufgewiesen habe und auch die Lichtverhältnisse für einen aus dem hell erleuchteten Hallenbad in den Vorraum kommenden Gast ungünstig gewesen seien. Im Zuge der Erweiterung des Hotels durch das Hallenbad im Jahre 1973 sei nach dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll vorgeschrieben worden, daß bei Verwendung von nicht bruchsicherem Glas für Türverglasungen bis zur Brüstungshöhe Schutzvorkehrungen gegen ein Hineinfallen getroffen werden müßten. Gemäß § 54 Abs 4 der mit 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen VO LGBl 41/1972 müßten bei Veranstaltungsräumen die Glasfüllungen aus Sicherheitsglas bestehen. Der Umstand, daß zum Zeitpunkt des Einbaues der Pendeltüre keine solchen Vorschriften bestanden und keine behördlichen Vorschreibungen vorlagen, vermöge den Beklagten nicht von seiner aus dem Beherbergungsvertrag hervorgehenden Schutz- und Sorgfaltspflicht zu entbinden, wie ebenso die Herstellung der Türe durch einen befugten Tischlermeister. Die Verletzungen des Klägers stellten geradezu typische Folgen der Unterlassung der erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen gegen die von der Pendeltüre ausgehenden Gefahren dar. Den Beklagten treffe daher gemäß § 1298 ABGB seinerseits der Beweis dafür, daß ihm kein Verschulden zur Last falle. Ein solcher sei nicht erbracht worden. Der Kläger habe aber aus den im einzelnen dargestellten Gründen ein erhebliches Mitverschulden an seiner Verletzung zu vertreten, welches mit 50 % zu bewerten sei. Da künftige Schäden aus den Unfallsverletzungen des Klägers nicht auszuschließen seien, erscheine sein Feststellungsbegehren in diesem Umfang gerechtfertigt. Über das von ihm erhobene Leistungsbegehren könne mangels hinreichender Feststellungsgrundlage noch nicht entschieden werden. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richten sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision sowie der Rekurs des Beklagten mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt in seiner Revisions- und Rekursbeantwortung, den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Rekurs sind nicht zulässig, weil entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliegen. Das Gericht zweiter Instanz ist in der rechtlichen Beurteilung einerseits zutreffend von der bei Verletzungen vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehenden Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB (EvBl 1974/138; SZ 48/100, SZ 49/37, 1 Ob 579/88 uva) und andererseits voll von den vom Obersten Gerichtshof zur Frage des Umfanges der Verkehrssicherungspflichten von Unternehmern wie Hoteliers, Inhaber von Bade- oder Kuranstalten und dergleichen entwickelten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Danach ist auch jeder Gastwirt und Hotelier auf Grund des Gastaufnahmevertrages im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, für die gefahrlose Benützung der allen Gästen zugänglichen Räume zu sorgen und alle den Gästen zugänglichen Einrichtungen des Hauses in einen der Verkehrsauffassung entsprechenden Zustand zu versetzen; der Gast selbst ist zur Anwendung der verkehrsüblichen Aufmerksamkeit und bei Vorliegen besonderer Umstände zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet (7 Ob 739/80, 5 Ob 505/83, 2 Ob 571/86 uva). Zur Frage der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Vertragspartnern bei Verwendung von Glastüren hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in den Entscheidungen 4 Ob 505/78 und 7 Ob 555/87 Stellung genommen. In der letztgenannten Entscheidung wiederholte er allgemein die aus dem Gastaufnahmevertrag hervorgehenden allgemeinen Pflichten des Inhabers eines Hotels, im Rahmen des Zumutbaren für die gefahrlose Benützung der seinen Gästen zugänglichen Räume und Einrichtungen zu sorgen, verwies auf die Beweislastumkehr (JBl 1979, 654, SZ 34/50) und erklärte, daß das Vorliegen einer baubehördlichen oder einer sonstigen Genehmigung den Hotelbesitzer nicht entschuldigen könne, wenn er die Gefahrenquelle kannte oder kennen mußte und er ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlassen habe. Zum damals vorliegenden konkreten Fall führte er aus, daß eine mit nicht bruchsicheren Glasscheiben ausgestattete zweiflügelige Pendeltüre, an der keine Schlagleisten und sonstige Bewehrung vorhanden waren, bei Verwendung in einem gastgewerblichen Betrieb im Bereiche des Zuganges zum Hallenbad durch die spezifische Art und Intensität ihrer Frequenz eine Gefahrenquelle bilde, wobei der Hotelier auch mit einer mißbräuchlichen Handhabung, insbesondere durch jugendliche Benützer des Hallenbades, rechnen müsse. Die Unterlassung einer Entschärfung der Gefahrenquelle durch Anbringung einer entsprechenden Bewehrung stelle somit eine Verletzung der den Inhaber treffenden Sicherungspflichten dar. Dieser hafte daher für den Unfall, der dadurch eingetreten sei, daß der 16-jährige Kläger, als er zwei Mädchen nachlief, mit seinem Körper auf die Glasfassung der von den Mädchen aufgestossenen und offenbar zurückpendelnden Türe stieß.

Vorliegendenfalls hat das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zugelassen, der Frage der Haftung des Hotelinhabers gegenüber dem Gast, insbesondere auch bei einer zwar nicht bestimmungsgemäßen, aber doch nicht ganz ferneliegenden Benützung der Hoteleinrichtungen, komme erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu. Diese Frage ist aber im Sinne der vorstehenden Darlegungen grundsätzlich geklärt. Der hier gegebene Einzelfall unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem in der dargestellten Entscheidung 7 Ob 555/87, weil auch hier zumindest keine hinreichende Bewehrung des Glaseinsatzes der Pendeltür vorhanden war.

Da es somit an den Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO fehlt, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Der Kläger hat in seiner Revisions- und Rekursbeantwortung die Unzulässigkeit der Rechtsmittel des Beklagten nicht geltend gemacht; seine Gegenschriften sind daher nicht zweckentsprechend, sodaß kein Kostenzuspruch erfolgen kann.

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