OGH 3Ob136/88 (3Ob137/88)

OGH3Ob136/88 (3Ob137/88)19.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Schin-Yuan LIN, Geschäftsführer, Wien 17., Hernalser Hauptstraße 23/2/3, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Dr. Sen-Rong LIN, Geschäftsführer, Wien 8., Pfeilgasse 7/1/4, wegen DM 40.000,-- samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11. Juli 1988, GZ 14 R 127, 128/88-73, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. September 1987, GZ 23 Cg 191/84-59, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 29. Dezember 1986, ON 50, wurde der Verpflichtete (als Beklagter) schuldig erkannt, der betreibenden Partei (Kläger) DM 40.000,-- samt Anhang zu bezahlen. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat der dagegen vom Verpflichteten erhobenen Berufung nicht Folge gegeben (ON 57). Auf Grund der genannten Entscheidungen wurde der betreibenden Partei zu Gunsten der vollstreckbaren Forderung von DM 40.000,-- samt Anhang die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechts auf den dem Verpflichteten gehörigen 405/44.910 Liegenschaftsanteilen der EZ 609, KG Josefstadt, bewilligt (Beschluß des Erstgerichtes vom 18. September 1987, ON 59; 52 E 274/87 des Exekutionsgerichtes Wien).

Über Rekurs der Ehefrau des Verpflichteten als "Beteiligter nach § 9 Abs 2 WEG 1975" wies das Rekursgericht den Exekutionsantrag ab; es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. In der EZ 609 der KG Josefstadt sei unter B-LNR 77 für 405/44.910 Anteile das Eigentumsrecht des Verpflichteten und unter B-LNR 78 ebenfalls für 405/44.910 Anteile das Eigentumsrecht seiner Ehefrau einverleibt. Mit diesen Anteilen sei das Wohnungseigentum an der Wohnung Pfeilgasse 7 top Nr. 4, Stiege 1, verbunden. In B-LNR 77 und 78 sei jeweils sub lit c die Verbindung gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 angemerkt. Dem Erstgericht sei bei Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung auf den Anteil des Verpflichteten ein aktueller Grundbuchsauszug vorgelegen, aus dem die Beschränkung gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 zu ersehen gewesen sei. Bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Ehegatten sei nur die Exekution aus Ansprüchen gegen beide Ehegatten auf den ganzen Mindestanteil ohne Besonderheiten zulässig. Eine Exekutionsführung wegen Verbindlichkeiten eines Ehegatten allein auf dessen Anteil sei wegen der Untrennbarkeit der Verbindung gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 unzulässig. Die Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der nur gegen einen Ehegatten bestehe, sei nach § 9 Abs 2 WEG 1975 nur im Weg des mit der Pfändung des Anspruches auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrages auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteiles und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig. In einem solchen Exekutionsverfahren sei der andere Ehegatte, gegen den kein Exekutionstitel bestehe, Beteiligter; er könne zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel erheben, wie wenn er Verpflichteter wäre. Die Begründung eines Zwangspfandrechtes am Hälfteanteil eines Ehegatten sei nach § 9 Abs 1 und 2 WEG 1975 ausgeschlossen. Gegen eine andere als im § 9 Abs 2 WEG 1975 vorgesehene Exekutionsführung auf das gemeinsame Wohnungseigentum stehe jenem Ehegatten, auf den sich der Exekutionstitel nicht erstreckt, ein Rechtsmittelrecht zu, weil er zur Abwehr von Eingriffen in das gemeinsame Recht befugt sei. Der Ehefrau des Verpflichteten sei ein Rechtsmittelrecht auch dann zuzubilligen, wenn sie sich gegen die unzulässige exekutive Belastung des Anteils des Verpflichteten am Mindestanteil zur Wehr setze. Die Exekutionsbewilligung sei nur der betreibenden Partei und dem Verpflichteten zugestellt worden. Die Ehefrau des Verpflichteten sei zwar im Verfahren 52 E 274/87 des Exekutionsgerichtes Wien als Bevollmächtigte des Verpflichteten aufgetreten. Ihre mit dem Einschreiten als Bevollmächtigte vorauszusetzende Kenntnis vom Eingriff in ihre Wohnungseigentumsrechte heile aber nicht den Zustellmangel. Tatsächlich zugekommen sei ein Schriftstück nur, wenn der Empfänger die für ihn bestimmte Ausfertigung erhalten habe. Die Exekutionsbewilligung hätte daher auch der Ehefrau des Verpflichteten zugestellt werden müssen; aus den §§ 119 Z 1 und 120 GBG könne eine Pflicht zur Zustellung zu eigenen Handen erschlossen werden. Das Rechtsmittel der Ehefrau des Verpflichteten sei daher rechtzeitig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Nach § 9 Abs 1 WEG 1975 müssen Ehegatten, die das Wohnungseigentum gemeinsam erwerben, Eigentümer je eines halben Mindestanteils ("Anteil am Mindestanteil") sein; ihre Anteile am Mindestanteil dürfen nicht verschieden belastet sein. Durch das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehegatten werden ihre Anteile am Mindestanteil nach § 9 Abs 2, erster Satz, WEG 1975 so verbunden, daß sie, solange das gemeinsame Wohnungseigentum besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert oder der Zwangsvollstreckung - ausgenommen allein die Exekutionsführung im Sinne des § 9 Abs 2, zweiter Satz, WEG 1975 - unterworfen werden dürfen.

Das Wohnungseigentumsgesetz enthält zwar keine Regelung für den Fall, daß ein Ehegatte seinen Anteil am Mindestanteil ungeachtet dieser Bestimmung belastet oder daß nur der Anteil eines Ehegatten (bei Vorliegen eines Exekutionstitels nur gegen diesen Miteigentümer) durch ein Zwangspfand belastet wird. Ausdrücklich wird eine Beteiligtenstellung dem anderen Ehegatten, gegen den kein Exekutionstitel besteht, im § 9 Abs 2, dritter Satz, WEG 1975 nur für die im § 9 Abs 2, zweiter Satz, WEG 1975 vorgesehene, mit der Pfändung des Anspruches auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindende Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils (und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums) auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Ehegatten besteht, eingeräumt. Steht aber dem anderen Ehegatten die Stellung eines Beteiligten - mit der Befugnis, zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel zu erheben, wie wenn er Verpflichteter wäre - in einem Verfahren zu, das vom Gesetz allein als zulässig bezeichnet wird, muß dies umsomehr für den Fall einer nach § 9 Abs 2 WEG 1975 unzulässigen Exekutionsführung gelten; denn da beide Anteile am Mindestanteil (§ 9 Abs 1 WEG 1975) nur gemeinsam belastet werden dürfen und die Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Ehegatten besteht, nur auf die in § 9 Abs 2, zweiter Satz, WEG 1975 beschriebene Weise zulässig ist, wird jener Ehegatte, gegen den ein Exekutionstitel nicht besteht, auch bei einer anderen Exekutionsführung als der in § 9 Abs 2, zweiter Satz, WEG 1975 genannten in seinen Rechten durch die Zwangsvollstreckung unmittelbar berührt (vgl. Faistenberger-Barta-Call, Komm zum WEG 1975, Rz 58 zu § 9). Das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehegatten im Sinne des § 9 WEG 1975 unterscheidet sich eben vom schlichten Miteigentum im Sinne der §§ 825 ff ABGB - bei dem jeder Teilhaber, insoferne er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, seinen Anteil willkürlich und unabhängig verpfänden, vermachen oder sonst veräußern kann (§ 829 ABGB) - dadurch, daß die beiden Anteile der Ehegatten am Mindestanteil nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden können.

Auch die Ehefrau des Verpflichteten als Eigentümerin des anderen Anteils am Mindestanteil hätte daher von der Bewilligung der Exekution verständigt werden müssen, weil auch ihr als Beteiligter ein Rechtsmittel dagegen zusteht. Unterblieb die Zustellung einer Beschlußausfertigung, wurde diese durch die Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses noch nicht ersetzt (3 Ob 1032/85 ua). Die Heilung eines Zustellmangels setzt vielmehr im Sinne des § 7 ZustG voraus, daß derjenige, dem die Sendung schließlich tatsächlich zugekommen ist, in der gerichtlichen Zustellverfügung ausdrücklich als Empfänger benannt war (EvBl 1986/144; 1 Ob 667/86). Eine Heilung des Zustellmangels in diesem Sinn ist bisher nicht erfolgt, weil eine Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses an die Ehefrau des Verpflichteten bis heute nicht verfügt wurde. Das von ihr erhobene Rechtsmittel gegen den Beschluß des Erstgerichtes konnte daher keinesfalls verspätet sein.

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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