OGH 3Ob1032/85

OGH3Ob1032/8518.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A W*** Betriebsgesellschaft m.b.H., 1300 Flughafen Wien-Schwechat, vertreten durch Dr.Viktor Cerha, Dr.Karl Hempel, Dr.Dieter Cerha und Dr.Benedikt Spiegelfeld, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing.Rudolf B, Kleinneusiedlerstraße 25, 2401 Fischamend, vertreten durch Dr.Werner Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Geltendmachung der Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (Streitwert S 112.894,50), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 30. August 1985, GZ.46 R 447/85-6, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs4 Z 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Außerstreitverfahren zur Bestimmung der Höhe der Enteignungsentschädigung entschied das Bezirksgericht Schwechat mit dem Beschluß vom 26.7.1983, GZ. Nc 109/74-226, daß die nunmehrige Klägerin dem Enteigneten Ing.Rudolf B die mit S 5,886.593,60 bestimmte weitere Entschädigung binnen vierzehn Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses und "für den Fall des Verzuges" mit der Bezahlung des Kapitalbetrages auch 4 % Zinsen aus dem Kapitalbetrag ab Zustellung dieses Beschlusses zu bezahlen habe. Die Ausfertigungen dieses Beschlusses wurden den Rechtsvertretern der Parteien am 28.7.1983 zugestellt. Den von beiden Teilen erhobenen Rekursen gab das Rekursgericht mit Beschluß vom 14.12.1983, GZ.44 R 175/83-233, nicht Folge. Ausfertigungen der bestätigenden Rekursentscheidung wurden den Rechtsvertretern der Parteien am 5.1.1984 zugestellt. Einen Rekurs an den Obersten Gerichtshof (§ 16 Abs1 AußStrG) hat keine Partei erhoben. Mit Ablauf des 19.1.1984 war daher die gerichtliche Entscheidung über die zu leistende Entschädigung rechtskräftig.

Der überwiesene Kapitalbetrag von S 5,886.593,60 wurde dem Bankkonto des Rechtsvertreters des Enteigneten mit Wert 19.1.1984 gutgebucht.

Am 27.1.1984 beantragte der nunmehrige Beklagte, ihm zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Zinsenforderung von 4 % aus

S 5,886.593,60 für die Zeit vom 28.7.1983 bis zum 18.1.1984 von

S 112.894,50 auf Grund der im Enteignungsentschädigungsverfahren ergangenen Beschlüsse erster und zweiter Instanz die Exekution durch

  1. 1. Pfändung, Verwahrung und Verkauf der beweglichen Sachen und
  2. 2. Pfändung und Überweisung der Forderungen der Verpflichteten gegen die Ö*** C Aktiengesellschaft und gegen

    die D*** W*** zur Einziehung der Forderungen bis zur Höhe des vollstreckbaren Anspruches zu bewilligen. Das Erstgericht bewilligte am 31.1.1984 diese Exekution. Das Ö*** C Aktiengesellschaft äußerte sich

    nach § 301 EO dahin, daß die Exekution mangels eines verfügbaren Guthabens der Verpflichteten auf dem Konto ins Leere gehe, die D*** W*** übermittelte am 14.2.1984

    die Ablichtung ihres Schreibens vom selben Tag an den Rechtsvertreter des betreibenden Gläubigers, wonach die gepfändete Forderung auf dem Girokonto der Verpflichteten Deckung finde und unter einem der Betrag der vollstreckbaren Forderung samt den Exekutionskosten an ihn überwiesen werde. Diese zur Kenntnisnahme übermittelte Kopie langte am 16.2.1984 beim Exekutionsgericht ein. Die Fahrnispfändung sollte am 28.2.1984 stattfinden. Am 22.2.1984 teilte eine Kanzleiangestellte des Rechtsvertreters des betreibenden Gläubigers dem Exekutionsgericht mit, es werde "derzeit vom Vollzug Abstand genommen". Das Exekutionsgericht verfügte am selben Tag, daß die "Abstandnahme vom Vollzug zur Kenntnis diene" und der Exekutionsbewilligungsbeschluß, der nach § 253 Abs4 EO und P 41 DV der Verpflichteten bei Vornahme der Pfändung zuzustellen gewesen wäre, zuzustellen sei. Diese Verfügung wurde bisher nicht befolgt. Es kann dem Exekutionsakt auch nicht entnommen werden, daß die für die Verpflichtete bestimmte Ausfertigung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses der Verpflichteten zugestellt worden oder ihr tatsächlich zugekommen wäre (§ 7 ZustG). Am 27.2.1984 hat die Verpflichtete im Wege der Klage ihre Einwendung geltend gemacht, die Exekutionsführung sei unzulässig, weil die für die Vollstreckbarkeit des Anspruches maßgebende Tatsache nicht eingetreten sei. Sie habe den Kapitalbetrag ohne Verzug beglichen (§ 36 EisbEG) und schulde daher Zinsen nicht. Der Beklagte brachte in der Verhandlung vor dem Erstgericht nur vor, dem Exekutionstitel sei klar zu entnehmen, daß der Klägerin aufgetragen wurde, für den Fall des Verzuges 4 % Zinsen ab der Zustellung der erstgerichtlichen Entscheidung über die Enteignungsentschädigung zu leisten und daß Verzug vorliege, wenn die Zahlung nicht innerhalb von vierzehn Tagen ab dieser Zustellung erfolge.

    Das Erstgericht gab den Einwendungen nach § 36 EO statt und erklärte die bewilligte Fahrnis- und Forderungsexekution für unzulässig.

    Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sei.

    Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstrichters, daß unabhängig vom Beginn des Zinsenlaufes zu prüfen sei, ob ein Zahlungsverzug vorliege. Aus dem Zusammenhang von § 33 Abs2 und § 36 EisbEG folge, daß ein Verzug mit der Zahlung der Entschädigung erst am 15.Tag nach Zustellung der bestätigenden Rekursentscheidung eingetreten sein konnte. Die Entschädigung sei aber vor diesem Zeitpunkt bezahlt worden. Dem Einwand des Beklagten, die Klagsführung sei unzulässig, weil die Exekution bereits beendet gewesen sei, hielt das Berufungsgericht entgegen, daß die Exekution nicht eingestellt wurde und bloß vorerst wegen des Abstehens des Beklagten kein Vollzug stattgefunden habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes hat der Beklagte die außerordentliche Revision erhoben. Er meint, das Berufungsgericht habe Rechtsfragen von der im § 502 Abs4 Z 1 ZPO umschriebenen erheblichen Bedeutung unrichtig gelöst, weil die Vollstreckbarkeit nur nach dem Spruch des Exekutionstitels nicht aber nach den Vorschriften des § 33 Abs2 und des § 36 EisbEG zu beurteilen sei und weil die Exekution schon am 17.2.1984 beendet gewesen sei, als die Zahlung der gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderung beim Rechtsvertreter des Beklagten einging. Richtig ist, daß auch für die Vollstreckungsbekämpfungsklage nach § 36 EO die Voraussetzung gilt, daß nicht nur eine Exekution bewilligt sein muß, sondern daß das Exekutionsverfahren auch nicht eingestellt oder beendet ist (Heller-Berger-Stix 438 und 402). Wäre dies, wie der Rechtsmittelwerber behauptet, der Fall, würde ihm allerdings das rechtliche Interesse an einer Abänderung des Berufungsurteiles fehlen (JBl1977,650 ua.). Abgesehen davon, daß kein Teil die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs1 Z 6 EO erwirkt hat und im Verfahren erster Instanz durch Verlesung des Inhalts der Exekutionsakten nur hervokam, daß vor Erhebung der Klage ein Drittschuldner die Veranlassung der Überweisung der gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderung angekündigt hat, der Beklagte sich aber nicht auf die Beendigung der Exekution vor Klagsführung berief, kann von einer Beendigung der Fahrnis- und Forderungsexekution nicht gesprochen werden, solange der Exekutionsbewilligungsbeschluß nicht zugestellt und rechtskräftig ist. Die Kenntnis des Inhalts des Exekutionsbewilligungsbeschlusses ersetzt die gebotene Zustellung der Beschlußausfertigung nicht (Fasching ZPR Rz 521; Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm.7 zu § 7 ZustG; SZ 23/264). Schon deshalb kam dem Einwand des Beklagten, der sonst die Zurückweisung der Revision mangels eines Rechtsmittelinteresses zur Folge hätte, keine Berichtigung zu. In der Frage der Vollstreckbarkeit der Zinsenforderung haben die Vorinstanzen den Spruch des Exekutionstitels (§ 1 Z 6 EO) dahin verstanden, daß diese Forderung nur für den Fall des Verzuges berechtigt und vollstreckbar sein sollte und daß der Verzug an der nach § 99 LFG anzuwendenden Bestimmung des § 36 EisbEG zu messen sei. Es trifft zu, daß hier nicht materiell zu prüfen war, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin auch Zinsen aus dem Entschädigungsbetrag zu entrichten hatte und daß die Frage der Vollstreckbarkeit nur aus dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß über die Enteignungsentschädigung zu beurteilen ist. Die Begründung dieses Beschlusses läßt jeden Hinweis vermissen, der zur Auslegung des Spruches dienen könnte. Der Spruch hält sich an § 33 Abs2 EisbEG, der aber nur zusammen mit § 36 EisbEG gelesen werden darf (Rummel, Enteignungsentschädigung, 155 f; Brunner, Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Enteignungsentschädigung, JBl1975, 580 f, dort 586; SZ 54/45; OGH 14.7.1981, 5 Ob 745/80; OGH 9.6.1982, 3 Ob 81/82; OGH 8.3.1983, 5 Ob 512/83). Daraus folgt, daß die Verpflichtung zur Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen (§ 33 Abs2 EisbEG) den Verzug des Enteigners voraussetzt, der aber nach § 36 EisbEG nur eintritt, wenn er den Entschädigungsbetrag nicht binnen vierzehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung leistet. Darauf, welchen Entscheidungswillen der Außerstreitrichter bei der Abfassung seines Beschlusses hatte, kommt es nicht an sondern darauf, wie dieser Entscheidungswillen im Beschluß zum Ausdruck kam. Verzugszinsen ab Zustellung des erstrichterlichen Beschlusses waren nach dem Spruch des Exekutionstitels nur "für den Fall des Verzuges mit der Bezahlung" des Entschädigungsbetrages zu leisten. Ob "Verzug" schon vorliegt, wenn der Entschädigungsbetrag nicht binnen vierzehn Tagen nach Zustellung der erstrichterlichen Entscheidung geleistet wurde, oder ob Verzug voraussetzt, daß die Forderung fällig ist, blieb dabei offen. Der Exekutionstitel war nach § 1 Z 6 EO und § 36 EisbEG erst vollstreckbar, wenn der Entschädigungsbetrag nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des erstrichterlichen Beschlusses geleistet wurde. Die vom Revisionswerber vertretene Ansicht würde zu dem Ergebnis führen, daß die von beiden Teilen erhobenen Rekurse zwar zufolge § 36 EisbEG aufschiebende Wirkung hatten (anders § 12 Abs1 AußStrG), der Enteigner aber dennoch "in Verzug" war, obwohl ihn noch keine Leistungspflicht traf. Der Spruch des Exekutionstitels wäre daher nur dann klar in dem vom Beklagten verstandenen Sinn abgefaßt gewesen, wenn die Zinsenzahlungspflicht allein daran geknüpft worden wäre, daß ohne Rücksicht auf den Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des erstrichterlichen Beschlusses nicht innerhalb der darin bestimmten Zahlungspflicht geleistet wurde. Bei der Lösung der entscheidenden Rechtsfrage hat sich das Berufungsgericht an die ständige neuere Rechtsprechung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, gehalten. Die Entscheidung über die Einwendung der Verpflichteten hängt somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nach § 502 Abs4 Z 1 ZPO unzulässig.

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