OGH 6Ob633/88

OGH6Ob633/886.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Bauer und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragssteller 1) Christian K***, Angestellter, 2630 Ternitz, Vordere Sonnleiten 29; 2) Peter K***, Angestellter, 6082 Walldorf, Rothwiesenring 14, Bundesrepublik Deutschland; 3) Helga O***, Selbständige, 9, Gramercy Park South, NY 10003, New York 13, USA, sämtliche vertreten durch Dr.Norbert Kosch, Dr.Ernst Schilcher, Dr.Jörg Beirer und Dr.Roman Kosch, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die Antragsgegner 1) Konrad K***, Angestellter, 2484 Weigelsdorf, Schivitzhoffenstraße 3; 2) Katja T***, Angestellte, 8020 Graz, Sporgasse 32/IV, beide vertreten durch Dr.Friedrich Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 2.Mai 1988, GZ R 108/88-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 12.Februar 1988, GZ Nc 119/87-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nach dem Grundbuchsstand ist nach wie vor die

S***-Gesellschaft m.b.H. Eigentümerin der Liegenschaften EZ 41, 218 und 269, je KG Weigelsdorf. Gemäß dem übereinstimmenden Parteienvorbringen haben die drei Antragssteller und die zwei Antragsgegner gemeinsam mit Notariatsakt vom 29.Jänner 1981 von der S***-Gesellschaft m.b.H. nachstehende Miteigentumsanteile an den drei Liegenschaften gekauft: Der Erstantragssteller 1714/10.000-tel Anteile, der Zweitantragssteller und die Drittantragsstellerin je 1071/10.000-tel Anteile, der Erstantragsgegner 5858/10.000-tel Anteile und die Zweitantragsgegnerin 286/10.000-tel Anteile. Die Liegenschaften wurden den Käufern bereits übergeben und von diesen übernommen. Die Käufer vereinbarten am 18.Dezember 1981 die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes unter der Bezeichnung "Aktionsgemeinschaft Fischa-Park" zum Zwecke der wirtschaftlichen Nutzung jener Teile der drei Liegenschaften, die nicht der privaten Nutzung der Käufer und Gesellschaftsmitglieder vorbehalten wurden. Letzteres geschah in Ansehung des Lofthauses, des Fischahauses und des Gärtnerhauses je mit umbauter Fläche, soweit diese für angemessene Befriedigung der Wohnbedürfnisse erforderlich war. Die Gesellschaft wurde im Jahr 1985 aufgekündigt. Eine formelle Liquitation fand mangels Vermögens nicht statt.

Soweit für das vorliegende Revision Rekursverfahren noch von Interesse, stellten die Antragssteller mit dem am 30.September 1987 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz den Antrag auf Regelung der Benützung "hinsichtlich der freien Teile der Liegenschaft" und auf Festsetzung eines Benützungsentgeltes ab Antragstellung für die Teile, die der Erstantragsgegner tatsächlich alleine benützt, "sowie für die entsprechend der zutreffenden Benützungsregelung zu zahlenden Benützungsentgelte". Nach dem Antragsvorbringen benutze der Erstantragsgegner die Liegenschaften ausschließlich in seinem Interesse und verfüge darüber wie ein Alleineigentümer. Die Zweitantragsgegnerin als Tochter des Erstantragsgegners setze zwar überhaupt keine Nutzungshandlungen, sie sei aber nicht bereit, Anträge zu stellen.

Die Antragsgegner hielten dem entgegen, es fehle an der erforderlichen Legitimation der Antragssteller, weil diese noch nicht grundbücherliche Eigentümer seien. Im übrigen gehe die Sachbenützung des Erstantragsgegners nicht über das Ausmaß der von ihm gemäß Notariatsakt gekauften Miteigentumsanteile hinaus. Das Erstgericht wies sämtliche gestellte Anträge ab, also auch die hier noch in Rede stehenden Anträge auf Benützungsregelung und auf Festsetzung eines Benützungsentgeltes. Es führte aus, da die Parteien mangels Einverleibung ihrer Eigentumsrechte noch nicht Miteigentümer der Liegenschaften seien, komme eine Benützungsregelung und die Festsetzung eines Benützungsentgeltes im außerstreitigen Verfahren nicht in Betracht, diese Ansprüche müßten vielmehr im streitigen Verfahren geklärt werden.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes - soweit damit die Anträge auf Benützungsregelung und Festsetzung eines Benützungsentgeltes abgewiesen wurden zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es bejahte die Legitimation der Antragssteller, weil nach Lehre und Rechtsprechung bereits der außerbücherliche Erwerber eines Liegenschaftsanteiles gegen den anderen Teilhaber Ansprüche aus dem Rechtsgrund der Eigentumsgemeinschaft geltend machen könne. Es führte aus, würden aber dem außerbücherlichen Erwerber eines Liegenschaftsanteiles gegenüber dem bücherlichen Miteigentümer die sich aus den §§ 825 ff ABGB ergebenden Rechte zugebilligt, so müsse dies mangels gesetzlicher Regelung über die Beziehung noch nicht verbücherter Miteigentümer auch im Verhältnis zwischen diesen gelten. Die analoge Anwendung der Bestimmungen über die Gemeinschaft des Eigentümers auch auf nicht dingliche Gemeinschaften sei nämlich anerkannt. Danach sei aber der Anspruch auf eine rechtsgestaltende Benützungsregelung und auf Festsetzung eines Benützungsentgeltes im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen. Gemäß dem hier geltenden Antragsprinzip werde das Erstgericht im zu ergänzenden Verfahren die Antragssteller zu einer entsprechenden Konkretisierung ihrer Anträge zu veranlassen und mit den Parteien auch die Verfügbarkeit der sogenannten "freien" Teile der Liegenschaften zu erörtern haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs der Antragsgegner ist zwar gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne dieser Gesetzesstelle auch bei einem aufhebenden Beschluß des Rekursgerichtes gegeben ist (MietSlg 38.817 uva), er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen gegen die vom Rekursgericht bejahte Legitimation der Antragssteller im wesentlichen geltend, die Bestimmungen des Sechzehnten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches seien auf die Gemeinschaft des Eigentums und anderer dinglichen Rechte beschränkt. Eine analoge Anwendung könne nur restriktiv vorgenommen werden. Die herangezogene Rechtsprechung habe jeweils Fälle betroffen, in denen sich bücherliche Eigentümer und außerbücherliche Erwerber gegenübergestanden seien. Im vorliegenden Fall sei aber das Miteigentum sämtlicher Parteien noch nicht verbüchert. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Zwar ist die Anwendung des Sechzehnten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 825 bis 858) auf die Gemeinschaft dinglicher Rechte beschränkt (Klang in Klang2, III, 1084), doch sind die §§ 825 ff ABGB subsidiär in allen Gemeinschaftsfällen heranzuziehen, soweit diese weder durch Gesetz noch durch Vertrag besonders geregelt sind, wie Gütergemeinschaft unter Lebenden, Wohnungseigentumsgemeinschaft und Verhältnis zwischen Bruchteilsfruchtnießern und Miteigentümern nicht belasteter Anteile (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 825 und die dort angeführte Rechtsprechung). Darüber hinaus sind sie auch auf nicht dingliche Gemeinschaften analog anzuwenden, insbesondere auf das Verhältnis mehrerer Mitmieter und obligatorisch Wohnungsberechtigter (Gamerith, aaO, Rz 9 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall wurden die gesamten Liegenschaften den Parteien als deren Käufer nach Bruchteilen bereits übergeben. Auch wenn sie daher mangels Intabulation ihrer Miteigentumsrechte noch nicht Eigentümer der Liegenschaften sind, so haben sie daran noch bereits einen nach § 372 ABGB qualifizierten Mitbesitz erlangt. Die Regeln der Eigentumsgemeinschaft gelten aber unmittelbar auch für Mitbesitzer, weil nach der Ausdrucksweise des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auch der Besitz zu den dinglichen Rechten zählt (Klang, aaO; Gamerith, aaO, Rz 7). Schon aus diesem Grunde erweist sich daher die Annahme der Legitimation der Antragssteller durch das Rekursgericht im vorliegenden Fall als gerechtfertigt. Darüber hinaus trifft dies aber auch noch aus folgenden Überlegungen zu:

§ 888 ABGB erklärt auf die Schuldner- und Gläubigermehrheit die Grundsätze der Gemeinschaft für anwendbar (Geschnitzer in Klang2, IV/1, 279). Soweit daher die §§ 889 bis 896 ABGB keine abschließende Regelung enthalten, sind die §§ 825 ff ABGB anzuwenden (Gamerith, aaO, Rz 6 zu § 888). Die Rechtsprechung ist bisher der offenbaren Absicht des Gesetzgebers, nämlich die Gemeinschaft der dinglichen Rechte (§§ 825 ff ABGB) und die persönlichen Rechte und Pflichten nach denselben Grundgedanken zu regeln (Gschnitzer, aaO), nur einschränkend gefolgt und hat im Anschluß an Klang (aaO) ausgesprochen, die durch eine Mehrheit von Subjekten des Schuldverhältnisses herbeigeführten Rechtsbeziehungen seien in den Bestimmungen der §§ 888 bis 896 ABGB geregelt, während die Anwendung des Sechzehnten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auf die Gemeinschaft dinglicher Rechte beschränkt sei; nur einzelne Vorschriften des Sechzehnten Hauptstückes (z.B. die §§ 839 und 848 zweiter und dritter Satz ABGB) seien auf Schuldverhältnisse sinngemäß oder zur Auslegung des Begriffes "unteilbare Sache" im Sinne des § 890 ABGB heranzuziehen (JBl. 1977, 317; JBl. 1980, 318). Dies war insoferne konsequent, als die bisher entschiedenen Fälle stets das Außenverhältnis der Schuldneroder Gläubigermehrheit betroffen haben, mit dem sich die §§ 888 bis 896 ABGB in der Tat vorzüglich befassen. Hingegen regeln die Vorschriften des Sechzehnten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vor allem das Innenverhältnis der Gemeinschaft (vgl. Gschnitzer, aaO, 280). Die fünf Parteien des vorliegenden Verfahrens sind im Rahmen des am 29.Jänner 1981 abgeschlossenen Kaufvertrages gemeinsam die Käufer der Liegenschaften. Auf ihr Verhältnis untereinander finden daher gemäß § 888 ABGB mangels einer abweichenden Vereinbarung die Grundsätze des Sechzehnten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung. Darauf, daß sie allesamt noch nicht bücherliche Miteigentümer der Liegenschaft sind, können sie sich im Innenverhältnis nicht berufen (vgl. Gamerith aaO Rz 10 am Ende zu § 825; SZ 50/141).

Aus den bisherigen Ausführungen folgt bereits - ungeachtet der fehlenden Intabulation der Miteigentumsrechte - die Zulässigkeit der gerichtlichen Benützungsregelung und der Festsetzung eines Benützungsentgeltes zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens als Mitbesitzern und gemeinschaftlichen Käufern der Liegenschaften. Es muß daher auch nicht mehr näher darauf eingegangen werden, ob die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung, wonach schon der außerbücherliche Erwerber eines Liegenschaftsanteiles gegen andere (intabulierte) Teilhaber Ansprüche aus dem Rechtsgrunde der Eigentumsgemeinschaft geltend machen kann und umgekehrt (SZ 25/50; SZ 46/2), weiterhin aufrecht erhalten werden kann. Diese beruhte nämlich im wesentlichen auf der Anerkennung eines "außerbücherlichen Eigentums" jenes Käufers einer Liegenschaft, dem sie bereits physisch übergeben wurde, von welcher aber die neuere einhellige, von der Lehre gebilligte Rechtsprechung im Bereich der Herrschaft des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB) in der Zwischenzeit abgegangen ist (Koziol-Welser, Grundriß8, II 70;

Bydlinski in Klang2, IV/2, 118 ff; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 431; Aicher in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 1053; SZ 48/104;

JBl. 1977, 257; SZ 52/12; JBl. 1981, 535 = EvBl. 1981/144;

EvBl. 1981/156; SZ 56/140 u.a.). Ebenso wurde bereits ausgesprochen, die Rechtsansicht, daß nur dem Käufer eines Liegenschaftsmiteigentumsanteiles als einem außerbücherlichen Eigentümer gegenüber eine gerichtliche Benützungsregelung erfolgen könne, dem (noch intabulierten) Verkäufer in dieser Hinsicht aber die Passivlegitimation fehle, offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG sei (MietSlg 33.700).

Dem Rekurs mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

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