OGH 1Ob667/88

OGH1Ob667/8828.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef V***, Postbediensteter, Eggenburg, Villenstraße 4, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in Retz, wider die beklagte Partei Ilse V***, Geschäftsfrau, Stoitzendorf 102, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wegen S 72.616,50 s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. März 1988, GZ. 11 R 33/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 10. November 1987, GZ. 14 Cg 418/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile waren zweimal miteinander verheiratet. Am 18. Oktober 1968 schlossen sie die erste Ehe. Im April 1980 erwarben sie gemeinsam ein Grundstück in Retz. Im Sommer 1981 begannen sie dort mit dem Bau eines Wohnhauses, das bei der Scheidung erst bis zum Rohbau gediehen war. Zur Finanzierung des Hausbaus hatten die Streitteile mehrere Kredite in Anspruch genommen.

Im Juni 1983 suchte der Kläger den Rechtsanwalt Dr. Richard S*** in Horn auf, weil sich die Streitteile mit Scheidungsabsichten trugen. Am 15.Juni 1983 erschien auch die Beklagte in der Kanzlei Dris. Richard S***, um ihm die von ihr gestellten Bedingungen für eine einvernehmliche Scheidung bekanntzugeben: Sie wollte dem Kläger ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft in Retz übertragen, wogegen dieser ein Darlehen bei der Raiffeisenkasse (im folgenden R***) Retz (S 480.000) sowie ein Wohnbauförderungs- und ein Eigenmitteldarlehen des Landes Niederösterreich (S 180.000 bzw. S 122.000) allein zurückzahlen sollte. Ein weiteres Darlehen bei der Sparkasse Eggenburg (S 140.000) wollte dagegen die Beklagte allein abstatten. Bei einer weiteren Besprechung der Streitteile in der Kanzlei Dris. Richard S***, bei der die einzelnen Vertragspunkte festgelegt wurden, kam auch ein Bausparvertrag zur Sprache; die Streitteile erklärten übereinstimmend, daß dieser Bausparvertrag zur (teilweisen) Finanzierung des Hausbaus in Retz bestimmt sei und daher dem Kläger zustehen sollte. Der Bausparvertrag fand deshalb in der von Dr. Richard S*** verfaßten Vereinbarung keine Erwähnung, weil es sich dabei nach übereinstimmender Auffassung des Rechtsanwaltes und der Parteien um keine ehelichen Ersparnisse handelte. Der Bausparvertrag sollte vielmehr Grundlage eines Bauspardarlehens sein, das der Abstattung der aushaftenden teureren Kredite dienen und daher auch vom Kläger allein zurückgezahlt werden sollte. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Horn vom 6.Juli 1983 wurde die (erste) Ehe der Streitteile gemäß § 55 a EheG geschieden. Bei der Scheidungsverhandlung fragte der Richter die Streitteile, ob sie noch über weitere Vermögenswerte verfügten, die noch keiner Regelung zugeführt worden seien, was beide verneinten. Zum Scheidungszeitpunkt betrug die auf den Bausparvertrag geleistete Ansparsumme etwa S 140.000.

Am 26.April 1984 schlossen die Streitteile miteinander erneut die Ehe, doch verließ die Beklagte die Ehewohnung schon drei Tage danach wieder.

Im November 1984 verständigte die R*** Retz den Kläger davon, daß auf den Bausparvertrag ein Bauspardarlehen zugeteilt werden könne. In diesem Schreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß zur Zuteilung des Darlehens die schriftliche Zustimmung seiner Ehegattin erforderlich sei. In der Folge nahm der Kläger mit der Beklagten Kontakt auf, doch verweigerte diese die Unterschrift. Darauf teilte der Kläger der R*** Retz mit, im Zuge der Übertragung der Liegenschaftshälfte der Beklagten in Retz an ihn seien ihm auch die Rechte aus dem Bausparvertrag überlassen worden. Schließlich überwies die R*** Retz die Ansparsumme (von S 188.543,18) auf ein Konto des Klägers, ließ sich von ihm jedoch vorher (am 13.Februar 1985) eine Erklärung ausstellen, daß er die Bausparkasse bezüglich allfälliger Ansprüche der Beklagten schad- und klaglos halten werde. In der Folge wurde dem Kläger ein Bauspardarlehen zugezählt. Mit Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 30.Juli 1985 (vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 6.Dezember 1985 bestätigt) wurde die zweite Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden der Beklagten geschieden.

Am 1.Juli 1986 wandte sich die Beklagte an die R*** Retz und beanspruchte von dieser die Hälfte des Guthabens aus dem Bausparvertrag zum Stichtag der (ersten) Scheidung (rund S 70.000). Am 4.Juli 1986 brachte die Beklagte beim Kreisgericht Krems an der Donau gegen den Kläger eine Klage auf Zahlung von S 75.000 s.A. ein. Unter Berufung auf seine Erklärung, daß er die Bausparkasse schad- und klaglos zu halten habe, forderte die R*** Retz, der die Beklagte gedroht hatte, sie werde sie auf Auszahlung der halben Ansparsumme klagen, den Kläger auf, die Forderung der Beklagten zu erfüllen. Gleichzeitig kündigte die R*** Retz dem Kläger an, für den Fall, daß er die Forderung der Beklagten nicht erfülle, könnte es Schwierigkeiten mit dem Bauspardarlehen geben. In der Folge ermächtigte der Kläger die R*** Retz, von seinem Konto-Nr.28860 den Betrag von S 72.616,50 an die Beklagte auszuzahlen. Die Beklagte behob diesen Betrag am 18.Juli 1986.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 72.616,50 s.A. Diese habe die Auszahlung des Ansparbetrages entgegen der mit ihm getroffenen Vereinbarung verlangt. Der Kläger habe der Auszahlung an die Beklagte nur deshalb zugestimmt, weil er sich hiezu auf Grund der der Raiffeisenbausparkasse gegenüber abgegebenen Schad- und Klagloserklärung genötigt gesehen habe. Die Beklagte wendete ein, der Bausparvertrag sei seinerzeit von den Streitteilen gemeinsam abgeschlossen worden. Beide hätten Einzahlungen geleistet. Anläßlich der Scheidung sei über diesen Bausparvertrag keine Vereinbarung getroffen worden, so daß ihr die Hälfte der Ansparsumme zugestanden sei. Da sich der Kläger geweigert habe, den halben Betrag an sie auszuzahlen, habe sie ihn geklagt. Darauf habe er die Auszahlung des Betrages an sie veranlaßt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Streitteile hätten eine Vereinbarung getroffen, nach welcher die Mittel aus dem Bausparvertrag dem Kläger allein zustehen sollten. Die Beklagte habe sich entgegen dieser Vereinbarung unter Klagsdrohung an die R*** Retz gewandt, um die Auszahlung des halben Bausparguthabens an sie zu erzwingen. Der Kläger habe angesichts seiner Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung der Bausparkasse und der angekündigten Schwierigkeiten bei der Zuteilung des Bauspardarlehens die Auszahlung an sie veranlaßt. Er habe somit wissentlich eine Nichtschuld bezahlt, deren Rückforderung gemäß § 1432 ABGB grundsätzlich ausgeschlossen sei; doch komme die Zwangslage, in der er der Auszahlung zugestimmt habe, einem Irrtum bei der Zahlung im Sinne des § 1431 ABGB gleich, so daß seine Kenntnis der Nichtschuld die Kondiktion nicht ausschließe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Der Kläger sei bei Zustimmung zur Auszahlung des halben Bauspargeldes an die Beklagte in einem Rechtsirrtum befangen gewesen. Er habe sich der Bausparkasse gegenüber zur Schad- und Klagloshaltung verpflichtet. Diese Verpflichtung habe die R*** Retz ihm gegenüber nachdrücklich geltend gemacht und ihre Forderung noch mit der versteckten Drohung, daß es mit dem Bauspardarlehen Schwierigkeiten geben könnte, wenn der Kläger die Forderung der Beklagten nicht erfülle, verstärkt. Soweit sich der damals nicht rechtskundig beraten gewesene Kläger im Hinblick auf seine Verpflichtung gegenüber der R*** Retz und der vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bausparkasse und deren Verpflichtung der Beklagten gegenüber zur Auszahlung des strittigen Betrages bereit erklärt habe, sei dies offensichtlich nur geschehen, weil er sich unter den gegebenen Umständen auf Grund eines Rechtsirrtums zu dieser Vorgangsweise verpflichtet gefühlt habe. Ob der Irrtum vom Kläger verschuldet war, sei belanglos. Es sei keine wissentliche Zahlung einer Nichtschuld im Sinne des § 1432 ABGB vorgelegen, so daß der Kondiktionsanspruch des Klägers berechtigt sei. Selbst wenn der Kläger jedoch nicht in einem Rechtsirrtum befangen gewesen sein sollte, wäre für die Beklagte nichts gewonnen. Die herrschende Auffassung stelle nämlich die rechtsgrundlose Zahlung auf Grund von Zwang der irrtümlichen Zahlung gleich. Als solche Zwangslage werde etwa die drohende Exekution, aber auch eine Klagsdrohung angesehen, wenn der Kläger nicht redlich an das Bestehen seiner Forderung glaube. Dies sei hier der Fall, weil die Beklagte auf Grund der Vereinbarung mit dem Beklagten gewußt habe, daß ihr ein Anspruch auf Auszahlung der halben Bausparsumme nicht zustand. Eine Zwangslage könne auch eine Drohung von dritter Seite begründen. Die Bausparkasse habe die Leistung des Klägers an die Beklagte auch mit dem Hinweis, daß es sonst Schwierigkeiten mit dem Bauspardarlehen geben könne, gefordert. Die Gefahr, daß ein dringend benötigtes Darlehen überhaupt nicht oder nur unter erheblicher Verzögerung zur Auszahlung gelange, habe für den Kläger gleichfalls eine erhebliche wirtschaftliche Zwangslage begründet. Daraus folge, daß der Kondiktionsanspruch des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt des auf ihn ausgeübten Zwanges nicht ausgeschlossen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil zu der Frage, ob die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn die Zahlung trotz Kenntnis des Nichtbestandes der Forderung geleistet wurde, um Nachteile im Falle der Zahlungsverweigerung zu vermeiden, und der Empfänger schlechtgläubig ist, so weit überblickbar, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; die Revision ist aber nicht berechtigt. Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, der Kläger sei in einem Rechtsirrtum befangen gewesen, als er die R*** Retz beauftragte, den der halben Ansparsumme entsprechenden Betrag von seinem Konto an die Beklagte auszuzahlen, kann ihm allerdings nicht beigepflichtet werden. Es ist zwar richtig, daß die Kondiktion nach § 1431 ABGB auch auf einen Rechtsirrtum gestützt werden kann, doch erfordert dieser Tatbestand, daß der Leistende über den Bestand der Schuld, deren Gegenstand oder über die Person des Gläubigers geirrt hat (QuHGZ 1977, H. 4/156; SZ 41/163 ua; Wilburg in Klang2 VI 456; Rummel in Rummel, ABGB, § 1431 Rz 5; Honsell in Schwimann, ABGB, § 1431 Rz 2). Dem Kläger war aber bekannt, daß er der Beklagten den von ihr geforderten und eingeklagten Betrag nicht schuldete; diese Vereinbarung hat er dem Verlangen der R*** Retz, die Ansprüche der Beklagten zu erfüllen, auch ausdrücklich entgegengehalten (ON 9, S. 7). Ein Irrtum des Leistenden darüber, ob und welche Rechtsfolgen die Zahlungsverweigerung im Verhältnis zu einem Dritten auslösen werde, berechtigt ihn aber nicht zur Rückforderung der Zahlung einer Nichtschuld. Außerdem hat das Erstgericht - wenngleich fälschlich in seiner Sachbeurteilung - ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger wissentlich eine Nichtschuld bezahlt habe (ON 9, S. 11); schon dieser Feststellung wegen stünde der Stattgebung eines auf § 1431 ABGB gestützten Klagebegehrens die Bestimmung des § 1432 ABGB entgegen.

Berechtigt erweist sich hingegen das Klagebegehren aus den von den Vorinstanzen, vom Berufungsgericht allerdings nur im Rahmen seiner Hilfsbegründung bejahten Rechtsgrund der Leistung unter Zwang, den der Kläger auch geltend gemacht hat (ON 6, S. 9). Die Vorinstanzen sind - in Übereinstimmung mit der Aussage des Klägers als Partei (ON 7, S. 8) - davon ausgegangen, daß sich dieser zur Anweisung der R*** Retz zur Auszahlung des der halben Ansparsumme entsprechenden Betrages an die Beklagte nur unter dem Druck ihrer bereits eingebrachten Klage sowie der Drohung der Vertreter der Bank, die Bausparkasse werde seine Erklärung, sie schad- und klaglos zu halten, in Anspruch nehmen und - vor allem -, es könnte sonst Schwierigkeiten mit dem von ihm dringend benötigten Bauspardarlehen geben, gezwungen gesehen und sich somit in einer Zwangslage befunden habe.

Nach herrschender Auffassung (vgl. Wilburg aaO 463 ff) kann die Rückforderung einer Leistung trotz des Bewußtseins, zu dieser nicht verpflichtet zu sein, gerechtfertigt sein, wenn an die Stelle des Irrtums über den Bestand der Schuld im Sinne des § 1431 ABGB gleichgewichtige andere Umstände treten. So kann die Leistung zurückgefordert werden, wenn die Zahlung nur zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung geleistet wurde und der Rückforderung nicht die Rechtskraft einer Entscheidung entgegensteht (SZ 43/60; 1 Ob 34/84 ua; Wilburg aaO 463; Rummel aaO Rz 6; Honsell aaO Rz 5; Ehrenzweig2 II/1, 735 f) oder die Zwangsvollstreckung selbst eingreift und eine Vermögensverschiebung bewirkt (EvBl. 1979/171 ua). Die Rechtsprechung hat aber auch andere Zwangslagen, etwa die drohende Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 471 ABGB an einem PKW (7 Ob 586/82) oder die Zahlung zwecks Wiedergutmachung eines Schadens zur Abwendung der Einleitung eines Strafverfahrens bzw. der strafgerichtlichen Verurteilung infolge Verjährung und damit zur Vermeidung der damit verbundenen Ruf- und gar Existenzgefährdung (7 Ob 570/82) anerkannt. Im Schrifttum (Wilburg aaO 464) wird auch die bloße Androhung der Klage bei gleichzeitiger Schwierigkeit, den Nichtbestand der Schuld zu beweisen, als solche Zwangslage beurteilt. Es gilt nun zu prüfen, ob sich der Kläger bei Anweisung der R*** Retz zur Auszahlung einer den Klagsbetrag entsprechenden Summe an die Beklagte in einer die Rückforderung seiner Zahlung rechtfertigenden Zwangslage befunden hat. Auf eine Zwangslage im Sinne des § 870 ABGB kann sich der Kläger nicht berufen. Auf eine nach § 870 (und § 875) ABGB zu qualifizierende Zwangslage kann es aber auch nicht ankommen, weil der davon Betroffene dann seine Leistung ohnehin gemäß § 877 ABGB zurückfordern könnte (vgl. Honsell aaO), wogegen nach herrschender Auffassung demjenigen, der zwar bewußt, aber unter Druck eine Nichtschuld zahlt, in Analogie - genauer arg. a minori ad maius (vgl. Wilburg aaO 464) - zu den §§ 870, 871 und 875 ABGB eine dem § 1431 ABGB nachgebildete Kondiktionsklage gewährt wird. Dementsprechend hat die Rechtsprechung schon bisher - ohne dies ausdrücklich auszusprechen - keine Zwangslage im Gewicht der Furcht gemäß § 870 ABGB gefordert. Bei Vergleich mit dem nach § 1431 ABGB erforderlichen Irrtum erschiene es auch nicht gerechtfertigt, für die auf Zwang gestützte Kondiktion eine nach den §§ 870 und 875 ABGB qualifizierte Zwangslage zu fordern. Stellt § 1431 ABGB wesentlich geringere Anforderungen an den Irrtum als § 871 ABGB, weil der Irrtum nicht im Sinne dieser Bestimmung (und auch nicht nach § 875 zweiter Satz ABGB) qualifiziert sein muß, so darf auch die in gleicher Weise zur Rückforderung einer Leistung berechtigende Zwangslage nicht an den § 870 (und § 875) ABGB gemessen werden. Die Beklagte hat in ihrer Revision selbst vorgebracht, dem Kläger sei bekannt gewesen, daß er Anspruch auf das "Geld" (d.i. das Bausparguthaben) hatte; dann war dies aber ebenso der Beklagten - bei Behebung des ihr von der R*** Retz ausbezahlten Betrages - geläufig, beruhte doch der von ihr selbst eingeräumte Anspruch des Klägers auf einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen. Auch dieser Umstand darf bei der Abwägung der für oder gegen die Berechtigung der Kondiktion infolge Zwanges sprechenden Gründe nicht außer Acht gelassen werden, hat doch der Gesetzgeber selbst das Element der Gut- oder Schlechtgläubigkeit des Empfängers der bezahlten Nichtschuld den Kondiktionstatbeständen insoweit als Merkmal eingefügt, als sich der Umfang der daraus abgeleiteten Ansprüche nach § 1437 ABGB je nach dem richtet, ob der Empfänger redlich oder unredlich war. Demgemäß differenziert Wilburg (aaO 463 f) bei Beurteilung der Frage, ob in bestimmten Fallkonstellationen die Leistung kondiziert werden kann, auch nicht bloß nach dem Grad des Zwanges, sondern auch danach, ob und inwieweit der Empfänger der Leistung gut- oder schlechtgläubig ist. Entsprechend der auf ihn zurückgehenden Lehre vom "beweglichen System" (vgl. insbesondere Bydlinski, Methodenlehre, 529 ff) verneinte er die starre Einordnung der Leistung infolge Zwangslage, weil eine solche der Eigenart der einzelnen Tatbestände nicht gerecht werde, und billigt dem Kondizenten den Rückforderungsanspruch selbst bei weniger drückender Zwangslage dann zu, wenn der Empfänger unredlich ist, vor allem aber, wenn er - wie im vorliegenden Fall - sogar weiß, daß ihm die durchgesetzte Leistung nicht zusteht. Auch Bydlinski (aaO 534 f, 537 und 540) hebt die Zwangslage, das Verschulden und die Schlechtgläubigkeit als typische quantitativ abstufbare Tatbestandsmerkmale hervor, die im Einzelfall umso schwächer ausgebildet sein können, je deutlicher ein anderes damit kombiniertes Merkmal ausgeprägt ist.

Überträgt man diese Grundsätze auf den zur Beurteilung stehenden Fall, so erweist sich das auf den so verstandenen Tatbestand der Rückforderung infolge Zwangslage gestützte Klagebegehren als berechtigt. Der Kläger wurde durch die Beklagte, die wußte, daß ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zustand, dennoch klageweise in Anspruch genommen und befand sich insoweit in Schwierigkeiten, als er zur Abwehr des eingeklagten Anspruches keinen sofort zu erbringenden (schriftlichen) Beweis parat hatte, sondern eine bloß mündlich getroffene Vereinbarung unter Beweis zu stellen hatte. Es war daher ein längeres Verfahren zu gewärtigen. Gleichzeitig wurde er von der R*** Retz unter Androhung von Schwierigkeiten bei der Zuteilung oder Aufrechterhaltung eines zur Abdeckung teurerer Kredite erforderlichen Bauspardarlehens und der Inanspruchnahme aus seiner Erklärung zur Schad- und Klagloshaltung bedrängt, dem Ansinnen der Beklagten zu entsprechen. Ist die Zwangslage des Klägers auch nicht nach § 870 ABGB zu qualifizieren, so war die Zwangslage doch von einer solchen Intensität, daß sie den Kläger angesichts der Schlechtgläubigkeit der Beklagten zur Kondiktion der unter ihrem Druck zustande gekommenen Zahlung berechtigt. Da die Vorinstanzen dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben haben, ist der Revision der Beklagten ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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