OGH 6Ob217/69

OGH6Ob217/694.3.1970

SZ 43/60

Normen

ABGB §1431
ABGB §1432
ABGB §1431
ABGB §1432

 

Spruch:

Die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck einer Vollstreckung gewährt ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden den Kondiktionsanspruch

OGH 4. März 1970, 6 Ob 217/69 (OLG Wien 6 R 58/69; LGZ Wien 22 Cg 179/68)

Text

Die Vorinstanzen haben ohne Beweisaufnahme das vom Land N gestellte Klagebegehren auf Zahlung von 91.889.04 S s A auf Grund des bloßen Parteivorbringens aus rechtlichen Erwägungen übereinstimmend abgewiesen.

Das Land N führt aus, der Verfassungsgerichtshof habe mit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 1968 A 1/68-17 dem ehemaligen Landeshauptmann-Stellvertreter von Niederösterreich A B 90 120.84 S zugesprochen. Die vom Land zunächst im Korrespondenzweg und dann auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene Aufrechnungseinrede aus dem Gründe des Schadenersatzes in der vorläufigen Höhe von 3 447.818 S sei mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß eine Zivilgerichtliche Entscheidung über diese Forderung nicht vorliege, daß über sie im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen sei und der Verfassungsgerichtshof die Grenzen seiner durch die Verfassung bestimmten Zuständigkeit überschreiten würde.

A B sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 12. Juli 1968 des Mißbrauches der Amtsgewalt zum Schaden des Landes N schuldig erkannt worden. Der dem Land verursachte Schaden sei im Urteil mit 15.246.068 S beziffert worden, was von A B der Höhe nach als richtig zugegeben worden sei. Unter Hinweis auf allfällige Gegenforderungen des damaligen Angeklagten habe das Strafgericht dem Land N als Privatbeteiligten einen Pauschalbetrag von 10.000.000 S zugesprochen und den privatbeteiligten im übrigen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. A B habe seine Schadenersatzpflicht nur dem Gründe nach bestritten.

Am 11. Juli 1968, als am Tage vor der Urteilsverkundung, habe A B mit einem Schreiben, das dem Land am 15. Juli 1968 zugegangen sei, dem Beklagten seine vom Verfassungsgerichtshof zuerkannte Pensionsforderung abgetreten. Das Land habe zwar die Zession zur Kenntnis genommen, aber keineswegs darauf verzichtet, dem Beklagten gegenüber als Zessionar A B die gegen diesen bestehenden Schadenersatzforderungen aufzurechnen. Der Klagevertreter habe überdies den Beklagten am 12. August 1968 darauf aufmerksam gemacht, daß die Schadenersatzansprüche durch die Zession unberührt bleiben. Der Beklagte habe unrichtig behauptet, der Leiter der Rechtsabteilung des Landes N habe in einem Telefongespräch auf die Geltendmachung von Gegenforderungen verzichtet.

Am 23. August 1968 habe der Beklagte auf Grund des vollstreckbaren Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gegen das Land N Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Forderung von 90.120.84 S beantragt und die Exekution sei am 3. September 1968 vollzogen worden. Den Hinweis von Beamten des Landes auf die Gegenforderung habe der Vollstreckungsbeamte nicht gelten lassen und er habe es auch abgelehnt, sich mit einem Gerichtserlag der betriebenen Forderung zu begnügen. Unter dem Druck der Exekutionsführung habe das Land die vollstreckbare Forderung und verschiedene Kosten des Exekutionsverfahrens, insgesamt den Betrag von 91.869.04 S bezahlt. Damit habe der Beklagte das Ziel der Exekutionsführung erreicht.

A B sei im Strafverfahren vom Beklagten verteidigt worden, der somit den Sachverhalt und die Schadenersatzansprüche des Landes kenne. Er könne deshalb nicht als redlich im Sinne des § 1396 ABGB angesehen werden. Die dem A B vom Verfassungsgerichtshof zugesprochene Pensionsforderung sei durch Kompensation erloschen. Der Beklagte habe in Kenntnis der Sach- und Rechtslage zur Hereinbringung einer erloschenen Forderung Exekution geführt. Er habe deshalb dem Land den betriebenen Betrag samt Zinsen und Exekutionskosten aus dem Titel der Bereicherung und des Schadenersatzes zu ersetzen.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und stützte sich darauf, daß die Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen sowohl Betrages an den Privatbeteiligten betrifft, nicht rechtskräftig sei. Der Beklagte verwies auch darauf, daß der Zedent A B Bestand der angeblichen Gegenforderung zur Gänze bestritten habe. Zwischen A B und dem Beklagten sei bereits vor Beginn der Hauptverhandlung im Strafverfahren eine Vereinbarung über das Verteidigungshononar getroffen worden, wobei das vereinbarte Honorar betraglich die Summe des dem A B vom Verfassungsgerichtshof zuerkannten Pensionsanspruches übersteige. Auf Grund der Zession habe das Land durch den zuständigen Hofrat mit dem Beklagten vereinbart, daß der vom Verfassungsgerichtshof zugesprochene Betrag an den Beklagten zu überweisen sei. Erst nachträglich nämlich am 12. August 1968, habe sich das Land auf den Standpunkt gestellt, der vom Verfassungsgerichtshof zugesprochene Betrag sei durch Aufrechnung mit der Schadenersatzforderung des Landes getilgt. Der Beklagte habe mit Recht Exekution geführt. Als völlig unbegrundet weist der Beklagte den Vorwurf der Unredlichkeit zurück. Im übrigen stützt sich der Beklagte auf rechtliche Ausführungen.

Nach Streitverkündigung durch den Beklagten trat auf seiner Seite A B als Nebenintervenient in den Rechtsstreit ein.

Die Vorinstanzen beurteilten das Klagebegehren schon auf Grund des Parteivorbringens als rechtlich verfehlt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und hob die Urteile der Untergerichte hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 90.120.84 S auf. Im übrigen bestätigte er das angefochtene Urteil.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ansicht der Vorinstanzen, das Parteienvorbringen reiche aus, um das Klagebegehren als rechtlich unbegrundet zu beurteilen, kann nicht geteilt werden.

Im Mittelpunkt steht die Frage ob die vom Beklagten exekutiv betriebene und erfolgreich hereingebrachte Forderung, die ihm vom Nebenintervenienten zediert worden war, im Zeitpunkt der Zession überhaupt noch bestand oder ob sie im Sinne der Ausführungen des Landes N schon vorher durch Kompensation getilgt war.

Das Gegenüberstehen gleichartiger Forderungen schafft zunächst nur ein Aufrechnungsverhältnis. Dieses führt erst dann zur Schuldtilgung durch Aufrechnung, wenn die Aufrechnungshandlung hinzutritt, welche in der Geltendmachung des Rechtes der Aufrechnung durch einen der Beteiligten, sei es außergerichtlich, sei es gerichtlich, besteht (Gschnitzer in Klang[2] VI, 494; Ehrenzweig[2] II/1, 341 ff). Wird in diesem Sinn die Aufrechnung vorgenommen, dann wirkt sie schuldtragend zurück auf jenen Zeitpunkt, in dem Forderung und Gegenforderung einander aufrechenbar gegenübertraten. Auf die Zustimmung des Gegners der Aufrechnungserklärung kommt es weder bei außergerichtlicher noch bei gerichtlicher Aufrechnung an (Gschnitzer in Klang VI, 496). Das Erfordernis der Liquidität einer geltendgemachten Gegenforderung ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung durch die Bestimmung des § 391 Abs 3 ZPO obsolet geworden (SZ 30/45 u a).

Unterstellt man das Vorbringen des Landes N als richtig, worüber trotz Bestreitung durch die Gegenseite keine Feststellungen getroffen wurden, dann hat das Land N schon vor der Zession die Aufrechnungshandlung dadurch gesetzt, daß es außergerichtlich und gerichtlich (Verfassungsgerichtshof) seinen Aufrechnungswillen dem A B gegenüber zum Ausdruck gebracht hat. Mit der Frage, ob der Verfassungsgerichtshof, vor dem gemäß Art 137 B-VG die öffentlichrechtlichen Ansprüche des A B geltend gemacht wurden, über die privatrechtliche Schadenersatzforderung des Landes judizieren konnte oder nicht, hat die materiell-rechtliche Frage der Schuldtilgung durch Aufrechnung nichts zu tun. Auch das Vorbringen des Beklagten, es habe ein zuständiger Beamter des Landes (stehe dazu Stanzl in Klang[2] IV/1, 855 vor Anm 46) dem Beklagten gegenüber die Zahlung des später exekutiv betriebenen Betrages zugesagt, kann nicht unerörtert bleiben, weil je nach den näheren Umständen, die vorläufig nicht klar sind, ein Kompensationsverzicht oder ein Anerkenntnis trotz vorgängiger Kompensation vorliegen könnte.

Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage einzugehen, ob das Land N eine gerichtliche Entscheidung über die Kompensation eines Teiles der behaupteten Schadenersatzforderung mit dem zedierten Anspruch des A B hätte erwirken können oder müssen, braucht nicht eingegangen zu werden. Insbesondere braucht auch nicht erwogen zu werden, ob das Land N der Exekution mit Aussicht auf Erfolg gemäß § 35 EO hätte entgegentreten können. Allfällige Unterlassungen dieser Art könnten niemals einen materiellen Rechtsverlust durch Einbuße einer Form der Schuldtilgung bewirken.

Die Zahlung, die das Land zur Abwehr des drohenden Verwertungsverfahrens hinsichtlich gepfändeter Fahrnisse geleistet hat, bedeutet nichts anderes als einen Erfolg der Exekution des Beklagten, also die zwangsweise Einbringung einer betriebenen Forderung. Ob diese Forderung überhaupt noch bestand - der Beklagte als Zessionar hatte den allfälligen Nichtbestand gegen sich gelten zu lassen - ist offen. Es ist unerläßlich, Feststellungen darüber zu treffen, ob im Sinne des Vorbringens des Landes N die exekutiv betriebene Forderung schon im Zeitpunkt ihrer Abtretung an den Beklagten durch Aufrechnung getilgt war oder nicht. Sollte hervorkommen, daß A B eine in Wahrheit nicht bestehende oder schon getilgte, also materiell untergegangene Forderung an den Beklagten abgetreten hat, dann bedeutet die Einbringung der exekutiv betriebenen Forderung durch den Beklagten eine Vermögensverschiebung vom Land N zum Beklagten im Umfang von 90.120.84 S, der von Anfang an jeder Rechtsgrund gefehlt hat. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß in diesem Fall entgegen der Ansicht der Untergerichte das Klagebegehren aus dem Gründe des § 1431 ABGB berechtigt wäre, ohne daß die weiteren von dieser Gesetzesstelle geforderten Voraussetzungen vorliegen müssen. Die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck einer Vollstreckung gewährt ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden den Kondiktionsanspruch (Wilburg in Klang[2] VI, 463 f, Ehrenzweig[2] II/1, 735/736).

Der oben ausgeführte Rechtsgrund könnte allerdings nur den betriebenen Betrag selbst betreffen. Ob der Beklagte den Ersatz der eingeklagten Exekutionskosten schuldet, kann nur unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Das Begehren auf Ersatz der Exekutionskosten aus dem Gründe des Schadenersatzes muß schon daran scheitern, daß der Gebrauch eines gesetzmäßig zustande gekommenen Exekutionstitels unabhängig von der Frage der dadurch entstehenden privatrechtlichen Lage keine rechtswidrige Vorgangsweise ist. Der Beklagte hat durch Anrufung der Gerichte als betreibende Partei nur die Anwendung des Gesetzes - hier der Bestimmungen des Exekutionsrechtes - beantragt, was niemals rechtswidrig sein kann.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Sache nur zum geringen Teil spruchreif ist, nämlich insoweit, als das Begehren auf Ersatz der Exekutionskosten mit Recht abgewiesen wurde. In diesem Umfang war die Entscheidung des Berufungsgerichtes durch Teilurteil zu bestätigen.

Dagegen erweist sich die Sache insoweit als nicht spruchreif, als es sich um den Konduktionenanspruch handelt. Daß das Land N einen solchen geltend gemacht hat, ist ungeachtet der Tatsache, daß das Wort "Bereicherung" wissenschaftlich dem Wesen der Grundlosigkeit der Leistung nicht gerecht wird, unzweifelhaft. In diesem Umfang waren daher die Urteile erster und zweiter Instanz aufzuheben und die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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