Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.
Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 9.793,55 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 643,05 Umsatzsteuer und S 2.720,-- Barauslagen) sowie die mit S 3.549,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 720,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind die ehelichen Kinder des am 10. Jänner 1982 verstorbenen verwitweten Franz K***. Dieser hinterließ ein schriftliches eigenhändiges Testament vom 12. September 1977, in welchem er die Beklagte zur Universalerbin einsetzte und den Kläger mit der Begründung enterbte, dieser habe ihn wiederholt mißhandelt und ihm nach dem Leben getrachtet. Im Verlaßverfahren nach Franz K*** gab die Beklagte zum gesamten Nachlaß eine auf das Testament gegründete und der Kläger zum halben Nachlaß eine auf das Gesetz gestützte unbedingte Erbserklärung ab. Das Verlassenschaftsgericht nahm beide Erbserklärungen an und teilte dem Kläger gemäß § 125 AußStrG unter Fristsetzung die Klägerrolle zu.
In der vorliegenden, fristgerecht erhobenen Klage wird die Ungültigerklärung des Testamentes vom 12. September 1977 wegen Testierunfähigkeit des Franz K*** begehrt. Der Erblasser habe zufolge Gehirnsklerose und paranoiden Wahnvorstellungen die Bedeutung und die Folgen einer letztwilligen Verfügung nicht mehr einzusehen vermocht und sich bei seinen Verfügungen im angefochtenen Testament auch in einem Motivirrtum befunden. Die Beklagte habe weitere Testamente des Erblassers in Händen, welche sie nicht vorlege, weshalb sie erbunwürdig erscheine.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Der Kläger habe mit dem Testator jahrelang Streitigkeiten gehabt und es sei auch wiederholt zu Tätlichkeiten gekommen, worauf im Testament vom 12. September 1977, welches das jüngste sei, ausdrücklich verwiesen werde. Von einem Motivirrtum könne keine Rede sein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im weiteren die vom Berufungsgericht wie folgt zusammengefaßten Sachverhaltsfeststellungen:
Franz K*** war Eigentümer der Liegenschaften EZ 666 KG Aschach sowie EZ 351 und EZ 352 je KG Oberottensheim. Weiters war er Eigentümer eines im eigenen Hause Aschach/Donau, Bahnhofstraße 12, geführten Fruchtsafterzeugungsbetriebes. Der erste Stock dieses Hauses wurde bis zum Jahre 1970 von ihm und seiner Ehefrau, der Mutter der Streitteile, das Erdgeschoß dagegen vom Kläger mit seiner Familie bewohnt. Bis zum Jahre 1970 leitete Franz K*** die Fruchtsafterzeugung selbst, seit dem Jahre 1963 wurde er hiebei vom Kläger unterstützt. Franz K*** war ein jähzorniger Mensch, der selbst bei geringen Anlässen zu Zornausbrüchen neigte; daß er gegen Familienmitglieder auch tätlich vorging, konnte nicht festgestellt werden. Nach dem im Jahre 1970 erfolgten Tod seiner Ehefrau erlitt er einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch, zog aus der Wohnung aus und lebte vom Sommer 1970 bis zum Sommer 1971 bei der Beklagten. Im Jahre 1971 lernte er Maria N***, nunmehr verehelichte B***, kennen, "blühte richtiggehend auf", zog wieder in den ersten Stock seines Hauses und begann wieder im Fruchtsaftbetrieb mitzuarbeiten, indem er Zustellungen durchführte, Obst einkaufte und teilweise Lohn an Arbeiter auszahlte. Zu Maria B*** unterhielt er bis ins Jahr 1979 eine enge freundschaftliche Beziehung, die einer Lebensgemeinschaft gleichkam. Während dieser Zeit nahm er jeweils das Mittag- und Abendessen bei ihr ein. Auch ihr gegenüber verhielt er sich sehr aufbrausend und hatte häufig Zornausbrüche, wobei er sie bei solchen Anlässen verließ und wegen derartiger Zwistigkeiten insgesamt ca. ein halbes Jahr nicht bei ihr war. Gewohnt hatte Franz K*** immer in seiner eigenen Wohnung und insbesondere auch die Nächte dort verbracht. Maria B*** besuchte ihn einige Male in dieser, immer in sehr unordentlichem Zustand befindlichen Wohnung und machte Ordnung. Da Franz K*** dort kein Fließwasser hatte, badete er bei Maria B***; körperlich war er immer sauber. Seit dem Jahre 1980 litt er zunehmend an Cerebralsklerose, wobei sich das Krankheitsbild bis zu seinem Tod derartig verschlechterte, daß bei der Obduktion eine hochgradige Hirnbasisarteriensklerose mit Status cribrosus und marmoratus der Stammganglien festgestellt wurde. In der Zeit vom 23. November 1977
bis 30. November 1977, vom 20. Juni 1978 bis 5. Juli 1978, vom 9. Juli 1979 bis 23. Juli 1979 und vom 15. Oktober 1981 bis 6. November 1981 hatte sich Franz K*** wegen Nackenfurunkel in stationärer Krankenhausbehandlung befunden. Während dieser Zeit zeigten sich hinsichtlich seines Geisteszustandes keine Auffälligkeiten. Franz K*** fuhr mit einer einzigen Ausnahme bis zu seinem Lebensende mit seinem PKW unfallfrei und war bis zuletzt in der Lage, zumindest an zwei Kundschaften Lieferungen durchzuführen und dabei Lieferscheine oder Rechnungen auszustellen.
Am 12. September 1977 nahm er an einer Bundesinnungssitzung des Nahrungs- und Genußmittelgewerbes in Wien teil, wobei er sich über den Verlauf der Sitzung handschriftliche Notizen machte und über die Reise auch eine Kostenaufstellung verfaßte. Im Oktober 1977 tätigte er zehn von elf für die Fruchtsafterzeugung erforderlichen Preßäpfelkäufen. Zu einem im Jahre 1977 gegen ihn anhängigen Strafverfahren nach dem Lebensmittelgesetz verfaßte er eine handschriftliche Stellungnahme. Nicht festgestellt werden kann, ob ihm dabei der Kläger behilflich gewesen war. Jedenfalls machte er sich auch im Zuge des Strafverfahrens nach dem 4. Oktober 1977 wiederum Notizen, die inhaltlich von ihm selbst stammten. Die Überreichung der im vorliegenden Akt befindlichen Beilage ./3 an seinen Rechtsvertreter geschah durch ihn selbst und er führte auch die Gespräche mit diesem persönlich. Der im Strafverfahren als Zeuge einvernommene Dr. P*** verwies am 27. Juni 1978 auf den altersbedingten Abbau der geistigen Fähigkeiten des Franz K***. Ab dem Jahre 1970 habe dieser ein zunehmend sonderbares Verhalten an den Tag gelegt. Als im Jahre 1972 die früher von seiner Ehefrau sowie der Ehefrau des Klägers gemeinsam benützte Küche im Erdgeschoß abgebrannt war, hatte er die Neueinrichtung verweigert, sodaß die Ehefrau des Klägers in der Folge gezwungen war, in einer behelfsmäßigen Küche im Bad zu kochen. In seiner unaufgeräumten Wohnung hortete er Altpapier und bewohnte von den vier Räumen nur mehr das Schlafzimmer. Er begann anderen Menschen und insbesondere dem Kläger gegenüber mißtrauisch zu werden, versperrte sämtliche Türen, versah mehrere Türen zusätzlich mit Vorhängeschlössern und wechselte diese Schlösser sodann des öfteren aus. Er verweigerte die Herausgabe von Werkzeugen, selbst wenn diese dringend benötigt wurden, mit der Begründung, sie würden ihm von seinem Sohn gestohlen. Sogar wenn dieser neues Werkzeug kaufte, wurde es vom Vater weggeräumt und verschlossen. Auch bei der Auslieferung von Getränkekisten mißtraute der Vater seinem Sohn, weshalb er die Kisten abzählte. Des öfters kam er dabei zu einem anderen Ergebnis als der Kläger, was zu Streitereien führte. Im Zuge einer derartigen Streiterei griff Franz K*** im Jahre 1974 oder 1975 nach einem Unterlegkeil und schleuderte diesen gegen den Kläger. Weitere tätliche Angriffe seinerseits konnten nicht festgestellt werden. Im Jahre 1973 begann der Kläger im Betrieb des Vaters mit einer eigenen Fruchtsafterzeugung, wobei er hauptsächlich in Plastikbechern abgefüllte Getränke produzierte, die er an Krankenhäuser und die Firma "Q***" lieferte. Teilweise erzeugte er Produkte, die auch im Betrieb des Vaters hergestellt wurden. Wegen dieser Erzeugung kam es mit dem Vater, der damit nicht einverstanden war, zu Meinungsverschiedenheiten. Tatsächlich hat der Kläger seinen Vater weder bestohlen noch betrogen. Seit dem Jahre 1970 führte die Beklagte die Buchhaltung des Betriebes. Nicht festgestellt werden kann, ob Franz K*** bei seinen Wutausbrüchen Einrichtungsgegenstände beschädigte. Ebensowenig, ob er in den Jahren 1975, 1976 oder 1977 bei seinem Klosett die Wasserspülung herausriß und den Kot mehrere Monate lang in Schachteln verpackte.
Bis zum 12. September 1977 war der Kläger gegen seinen Vater nie tätlich vorgegangen. Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger seinen Vater vor dem 12. September 1977 zur Betriebsübergabe drängte. Im Jahre 1975 war es auch zwischen den Streitteilen einmal zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen. Die Ursache dieses Zwischenfalles kann nicht festgestellt werden, ebensowenig, ob es zu weiteren Tätlichkeiten oder zu Drohungen des Klägers gegen die Beklagte kam. Bereits am 30. Juni 1971 hatte Franz K*** ein notarielles Testament errichtet, in welchem er die Beklagte als Erbin eingesetzt und dem Kläger den Obstverwertungsbetrieb sowie die Häuser Aschach 200 und 201 vermacht hatte. Mit Schreiben vom 11. April 1972 widerrief er dieses Testament. Am 12. September 1977 verfaßte er das klagsgegenständliche eigenhändige Testament, in dem er die Beklagte als Universalerbin einsetzte und hinsichtlich des Klägers verfügte: "Meinen Sohn Franz Peter, der mich wiederholt mißhandelt und mir nach dem Leben getrachtet hat, enterbe ich."
Dieses Testament weist eine klare, etwas formalistische Gliederung des Gesamttextes auf, wobei im unteren Drittel bereits vorausschauend das Blattende berücksichtigt wurde. Es zeigt eine relativ hohe Schreibgewandtheit mit gelungenen Formulierungen der einzelnen Buchstaben, was ein Wissen um die Form und die Fähigkeit zur individuellen Gestaltung der Buchstaben voraussetzt. Das Schriftbild zeigt keine wie immer gearteten unmotivierten Ausfahrungen. Es sind vielmehr bewußte Ausbesserungen vorhanden. Dieses Bild widerspricht einer geistigen Verwirrung oder Störung des Bewußtseins. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 12. September 1977 war das Krankheitsbild der Cerebralsklerose bei Franz K*** noch nicht so weit fortgeschritten, daß er den Inhalt des zu errichtenden Testamentes nicht hätte erfassen bzw. nicht erkennen können, daß er ein Testament errichtet. Er litt jedoch "zu diesem Zeitpunkt unter Paranoia in senio, weil er völlig unberechtigt glaubte, sein Sohn mißhandle ihn und trachte ihm nach dem Leben". Durch diese isolierte Wahnidee war er bei der Testamentsverfassung in dem Punkt, in welchem er festhielt, er enterbe seinen Sohn, weil er von diesem geschlagen werde und dieser ihm nach dem Leben trachte, in seiner Willensbildung nicht mehr frei. Nach dem 12. September 1977 errichtete Franz K*** noch zwei weitere Testamente und zwar am 19. Juni 1978 und am 17. Oktober 1978
(Beilagen ./6 und ./7). Wer im Besitze der Originale dieser Testamente ist, konnte nicht festgestellt werden und auch nicht, ob Franz K*** außer diesen beiden noch weitere Testamente errichtet hatte.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Testierfähigkeit bedeute die persönliche Fähigkeit zur Errichtung oder zum Widerruf einer letztwilligen Verfügung; sie umfasse die Fähigkeit, einen den Anforderungen des § 565 ABGB genügenden Willen innerlich zu bilden und äußerlich zu erklären. Der demonstrativen Aufzählung der Beispiele für den Mangel der vollen Besonnenheit im § 566 ABGB (Raserei, Wahnsinn, Blödsinn, Trunkenheit) sei zu entnehmen, daß die Beeinträchtigung der Willensbildung so weit gehen müsse, daß die normale Freiheit der Willensentschließung aufgehoben sei. In der Rechtsprechung sei wiederholt erklärt worden, daß ein Mangel der Testierfähigkeit nur vorliege, wenn die Freiheit der Willensentscheidung aufgehoben sei und der Erblasser nicht einmal das Bewußtsein gehabt habe, eine letztwillige Verfügung zu treffen, demnach nicht gewußt habe, was ihr Inhalt sei. Damit würden die Grenzen der Testierfähigkeit aber zu weit gesteckt; sie könne auch schon dann vorliegen, wenn zwar das Bewußtsein, eine letztwillige Verfügung zu treffen, gegeben sei, jedoch eine wesentliche Einschränkung der Willensbildung ausschlaggebend für den Inhalt des Testaments gewesen sei. Der Grad der Willensbeeinträchtigung müsse jedenfalls ein hoher sein, der den Zuständen des § 566 ABGB gleichstehe. Eine bloße Abnahme der Geisteskräfte reiche nicht aus. Der Erblasser habe vorliegendenfalls an einer Cerebralsklerose gelitten, die kontinuierlich einen Abbau der geistigen Fähigkeiten nach sich gezogen, am 12. September 1977
jedoch keine Testierunfähigkeit zur Folge gehabt habe. Zusätzlich habe der Erblasser an einer Altersparanoia gelitten, die nur Teilbereiche seines Innenlebens erfaßt und sich so geäußert habe, daß er von dem Wahn besessen gewesen sei, der Kläger würde ihn bestehlen, betrügen, mißhandeln und ihm nach dem Leben trachten. Diese wahnhafte Vorstellung habe die freie Willensentschließung bei der Testamentserrichtung, soweit sie seinen Sohn betroffen habe, aufgehoben und zur Einsetzung seiner Tochter als Alleinerbin geführt. Die Geisteskrankheit habe somit konkrete Auswirkungen bei der Testamentserrichtung gehabt und sei dem in § 566 ABGB genannten Begriff des Wahnsinns zuzuordnen.
Das Berufungsgericht hielt die Verfahrensrüge und die Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung der Beklagten nicht für gerechtfertigt. Es traf auf Grund des vor dem Erstgericht erstatteten Sachverständigengutachtens des medizinischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. J*** die ergänzende Feststellung, daß "nach der Aktenlage unter Berücksichtigung des Alters, des Entwicklungsprozesses und des hirnanatomischen Befundes des Franz K*** in medizinischer Sicht ein Wahn unzweifelhaft sei", und daß Franz K*** an einer Hirnadernverkalkung litt, die zu einer wesentlichen Persönlichkeitsänderung geführt hatte, daß aber andererseits die Beeinträchtigung der allgemeinen geistigen Kapazität des Franz K*** noch nicht eine völlige Geschäftsunfähigkeit nach sich gezogen hatte. In dieser Annahme liege kein Widerspruch, weil man bei geistigen Abbauerscheinungen drei verschiedene Schichten der Psyche isoliert betrachten und dann wieder eine Gesamtbetrachtung vornehmen müsse (Verstandes-, Gemüts- und Triebebene). Ein akuter Deffekt hat nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen bei der Testamentserrichtung sicher nicht bestanden, querulatorische und paranoide Ideen sind sicher schon älteren Datums gewesen und haben zu keiner akuten Störung des Schriftbildes im Testament geführt.
Auch der Umstand, daß Franz K*** nach dem Inhalt des graphologischen Gutachtens das Testament bei klarem Bewußtsein und in ruhiger Gefaßtheit aufsetzte, steht mit der Annahme einer Altersparanoia nicht in Widerspruch. Es gibt paranoide Psychosen, bei welchen paranoide Ideen nur Teil einer allgemeinen Abbauerscheinung sind, aber auch Formen, bei denen nur isoliert in Teilbereichen eine Paranoia besteht. Bei einer Paranoia lassen sich rein medizinisch die einzelnen Denkprozesse nicht exakt trennen.
Wenngleich im gegenständlichen Fall möglicherweise die Enterbung des Klägers und die Einsetzung der Beklagten zur Alleinerbin miteinander verflochten waren, läßt sich dennoch nicht genau unterscheiden, ob die positive Zuwendung an die Beklagte auf gesunden Vorstellungen oder diese Zuwendung auf Grund krankhafter Ablehnung des Klägers beruhte. Dies kann medizinisch weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall läßt sich demgemäß nicht feststellen, ob die Einsetzung der Beklagten zur Alleinerbin auf der krankhaften Ablehnung des Klägers beruhte. Die erstgerichtliche Feststellung, Franz K*** sei "bei der Enterbung seines Sohnes" in der Willensbildung nicht mehr frei gewesen, hielt das Berufungsgericht für zutreffend und erklärte, eine darüber hinausgehende Feststellung, der Kläger sei auch bei der Erbeinsetzung der Beklagten in seiner Willensbildung nicht mehr frei gewesen, könne nicht getroffen werden.
Von der ergänzten Sachverhaltsgrundlage ausgehend gab das Berufungsgericht der Rechtsrüge der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das schriftliche Testament des Franz K*** vom 12. September 1977 insoweit ungültig sei, als es die Enterbung des erblasserischen Sohnes Franz Peter K*** ausspreche. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Berufungsgericht darauf, daß die Bestimmungen der §§ 565, 566 ABGB nicht den vollkommenen Mangel an Besonnenheit und die völlig aufgehobene Freiheit der Willensentschließung voraussetzten, sondern bereits eine solche Beeinträchtigung genüge, die einer freien Willensbildung entgegenstehe. Die für die Gültigkeit eines Testaments erforderliche volle Besonnenheit fehle, wenn der Erblasser zwar den Willen habe, ein Testament zu errichten, und auch in der Lage sei zu erkennen, daß er ein Testament errichte, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber aufgehoben sei. Im Sinne der Rechtsprechung habe auch die Entscheidung SZ 52/173 nicht die Erfassung der Tragweite der letztwilligen Anordnung in ihrem vollen Umfang und in ihrer vollen Konsequenz als maßgeblich bezeichnet, sondern nur die normale Freiheit der Willensentschließung des Erblassers gefordert. Der wahre Wille zur Errichtung einer letztwilligen Erklärung fehle demnach immer dann, wenn Verstandesgebrauch und freie Willkür fehlten, also auch bei anderen als den im § 566 ABGB angeführten dauernden oder vorübergehenden Störungen, die die normale Freiheit der Willensentschließung aufhöben. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht darum, daß ein erklärter Wille nicht voll überlegt gewesen sei, sondern um eine Äußerung innerhalb eines Dauerzustandes schwer beeinträchtigter Willensbildung. Diese Beeinträchtigung des Verständnisses und Willens müsse für die letztwillige Verfügung kausal gewesen sein. Es gebe Geisteskrankheiten mit völlig einseitigen Wahnvorstellungen wie z. B. Verfolgungswahn hinsichtlich einer ganz bestimmten Person oder Paranoia querulans, die nur zur Uneinsichtigkeit gegenüber bestimmten Verfügungen führe. Stehe das Rechtsgeschäft von Todes wegen in keinerlei Zusammenhang mit diesen Wahnvorstellungen, so beeinträchtigten diese auch die Testierfähigkeit nicht. So könne es vorkommen, daß derselbe Testator zur selben Zeit für bestimmte Verfügungen testierfähig, für andere jedoch testierunfähig sei. Ob Testierfähigkeit vorliege, stelle eine Rechtsfrage dar, die auf Grund der Feststellungen über den Geisteszustand des Erblassers beantwortet werden müsse. Die Beweislast für eine die Testierfähigkeit ausschließende geistige Erkrankung des Erblassers treffe den Gegner des Erblassers. Im vorliegenden Fall stehe fest, daß der Erblasser durch die isolierte Wahnidee, sein Sohn mißhandle ihn und trachte ihm nach dem Leben, bei der Enterbung in seiner Willensbildung nicht mehr frei gewesen sei. Ob diese Wahnidee auch zur Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin geführt habe, sei nicht mehr feststellbar. Diese Nichtfeststellbarkeit wirke zum Nachteil des Klägers insofern, als er eine Testierunfähigkeit des Erblassers in diesem Punkt nicht bewiesen habe. Gehe man davon aus, daß der Erblasser den Kläger deshalb enterbt habe, weil er sich - unrichtigerweise - einbildete, dieser mißhandle ihn und trachte ihm nach dem Leben, so läge ein Motivirrtum vor, der unter dem Gesichtspunkt des § 572 ABGB zu prüfen sei. Ein Irrtum im Beweggrund mache die letztwillige Verfügung nur dann ungültig, wenn erweislich sei, daß der Wille des Erblassers einzig und allein darauf beruht habe. Das Gesetz stelle hier an den Nachweis des Kausalzusammenhanges besonders strenge Anforderungen. Es schneide die Erörterung darüber, ob gerade jener Beweggrund, der sich als irrig erweisen ließe, der entscheidende gewesen sei, dadurch ab, daß es außer dem Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen den irrigen Vorstellungen über den Beweggrund den Nachweis der Ausschließlichkeit verlange. Im vorliegenden Fall würde der Motivirrtum nur die Enterbung des Klägers betreffen, nicht aber die Einsetzung der Beklagten zur Alleinerbin, weil hiefür Motive überhaupt nicht angegeben worden seien. Auf die damit zusammenhängenden Fragen brauche aber nicht näher eingegangen zu werden. Zusammenfassend ergebe sich, daß der Kläger das gegenständliche Testament insoweit zutreffend anfechte, als es seine Enterbung ausspreche. Was aber die Einsetzung der Beklagten zur Alleinerbin betreffe, so sei nicht erwiesen, daß die normale Freiheit der Willensbildung des Erblassers aufgehoben gewesen sei. Die Frage der Erbunwürdigkeit, für welche das erstgerichtliche Verfahren keinen Anhaltspunkt geboten habe, sei im Berufungsverfahren nicht mehr aufgeworfen worden.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-- und der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden habe, S 300.000,-- übersteige.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionswerber führt aus, bei richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes hätte das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, daß sowohl die Erbeinsetzung als auch die Enterbung zu dem von der festgestellten Krankheit des Erblassers "tangierten Bereich" gehörten, sodaß das Testament vom 12. September 1977 wegen Testierunfähigkeit des Erblassers zur Gänze ungültig sei. In den Fällen partieller Geistesstörung fehle nämlich die Testierfähigkeit in dem von der Störung tangierten Bereich, es genüge der Beweis des Zusammenhanges zwischen Störung und letztwilliger Verfügung und es bedürfe daher nicht des Beweises, daß die konkrete Verfügung im Sinne der Bedingungstheorie (conditio sine qua non) ohne die Störung nicht oder anders zustandegekommen wäre. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, es sei nicht feststellbar, ob die Wahnidee des Erblassers auch zur Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin geführt habe und diese Nichtfeststellbarkeit wirke sich insoweit zum Nachteil des Klägers aus, als er eine Testierunfähigkeit des Erblassers in diesem Punkte nicht bewiesen habe, sei daher unhaltbar. Beim gegenständlichen Testament handle es sich um eine einheitliche Erklärung, die nicht in einen "gesunden" und einen "kranken" Teil zerlegt werden dürfe und die Verteilung des Nachlasses auf die beiden Kinder stelle auch eine einheitliche Verfügung dar, weil sich die Erweiterung oder Schmälerung des gesetzlichen Erbrechtes des einen Kindes zwangsläufig auf das andere Kind auswirke. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, es sei nicht mehr feststellbar, ob die Wahnidee des Erblassers auch zur Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin geführt habe, stehe auch mit dem Akteninhalt in Widerspruch, sodaß der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit gemäß § 503 Abs 1 Z 3 ZPO gegeben sei. Aus dem Wortlaut und Sinngehalt des Testamentes, dem Inhalt der früheren letztwilligen Verfügungen des Erblassers, dem Inhalt der Parteienvernehmung des Klägers und der Zeugenaussage der Marianne S*** sowie gewissen, zumindest als Indizien zu wertenden Darlegungen des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. J*** ergebe sich nämlich das Gegenteil. In der Nichtbeachtung der diesbezüglichen Beweisergebnisse und "Gesichtspunkte" liege auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, welche gemäß § 503 Abs 1 Z 2 ZPO gerügt werde. Jedenfalls könne die Entziehung des Erbteiles und des Pflichtteiles nicht voneinander getrennt und die Beweislast für die Testierfähigkeit hinsichtlich der einheitlichen Erklärung nicht gespaltet werden. Nehme man mit dem Berufungsgericht an, daß die Paranoia des Erblassers für die Enterbung des Klägers (Entziehung des gesetzlichen Erbrechtes einschließlich des Pflichtteils) kausal gewesen sei, so sei damit der Beweis erbracht, daß die Paranoia auch die Zuwendung der zweiten Nachlaßhälfte an die Beklagte bewirkt habe. Das Testament erscheine aber auch infolge eines beachtlichen Motivirrtums des Erblassers im Sinne des § 572 ABGB rechtsunwirksam, denn der ausschlaggebende Grund für die Enterbung des Klägers und die Erbseinsetzung der Beklagten sei die unrichtige Wahnvorstellung des Erblassers gewesen. Dieser Motivirrtum würde sich also sowohl auf die Enterbung als auch auf die Erbseinsetzung beziehen.
In ihrer Revisionsbeantwortung bekämpft die Beklagte die berufungsgerichtliche "Feststellung", daß im Umfang der Enterbung des Klägers Testierunfähigkeit vorgelegen sei und begehrt die Feststellung, der Erblasser sei bei Errichtung des Testamentes im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und uneingeschränkt testierfähig gewesen. Dem Kläger wäre der Beweis oblegen, daß das einzige Motiv für die Erbseinsetzung der Beklagten die Paranoia in senio des Erblassers gewesen sei. Tatsächlich seien jedoch nach den Verfahrenserbnissen eine Fülle von Gründen für diese Erbseinsetzung vorgelegen. Somit sei der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Gemäß den §§ 552, 553 ABGB kann ein Erblasser sein Vermögen oder einen Teil desselben auf den Todesfall einem oder mehreren eingesetzten Erben durch Testament überlassen. Er kann also Erben durch Einsetzung letztwillig mit seinem Vermögen bedenken und hiedurch gegebenenfalls gesetzlichen Erbberechtigten ihr Erbrecht - unbeschadet des Pflichtteilsrechtes vgl. § 762 ff ABGB - entziehen. Voraussetzung der Errichtung eines wirksamen Testamentes ist nach der Bestimmung des § 565 ABGB unter anderem, daß der Erblasser seinen letzten Willen im Zustand der vollen Besonnenheit erklärt. Wird bewiesen, daß seine Erklärung im Zustande der Raserei, des Wahnsinns, Blödsinns oder der Trunkenheit geschah, so liegt gemäß § 566 ABGB Testierunfähigkeit wegen Mangels dieser vorausgesetzten Besonnenheit vor und die Erklärung ist ungültig. Nach der jüngeren Rechtsprechung fehlt die Testierfähigkeit dann, wenn die Beeinträchtigung des Bewußtseins des Erblassers im Sinne des § 566 ABGB so weit geht, daß die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben ist (SZ 51/8, SZ 52/111, SZ 56/180, 1 Ob 647/78, 5 Ob 632/80, NZ 1986, 203; JBl. 1987, 655 u. a.). Hat der Erblasser zwar den Willen, ein Testament zu errichten und ist er auch in der Lage zu erkennen, daß er ein Testament errichtet, ist er aber in dieser normalen Freiheit seiner Willensbildung durch eine geistige Erkrankung gehindert, dann fehlt ihm die volle Besonnenheit als Voraussetzung für die Errichtung eines gültigen Testaments (3 Ob 212/57, 6 Ob 312/68; EvBl. 1968/191; SZ 52/173; NZ 1986, 203; JBl. 1987, 655; 4 Ob 562/88 u.a.). Somit ist entscheidend, ob die Krankheit des Erblassers, z.B. die bei ihm festgestellten Wahnvorstellungen, auf seine Willensbildung bei der Testamentserrichtung von Einfluß waren oder nicht. Hat ihn die Krankheit an der freien Willensbildung nicht gehindert, so ist seine Erklärung gültig. Bewirkten die Wahnvorstellungen jedoch, daß die normale Freiheit der Willensbildung bei der Testamentserrichtung fehlte, dann ist sie ungültig. Bei dieser Beurteilung stellt sich das Testament hinsichtlich der seinen Gegenstand bildenden erbrechtlich erheblichen Verfügungen notwendig als einheitlicher Willensakt dar, denn die ausgesprochenen Erbseinsetzungen und Erbrechtsentziehungen stehen in Wechselwirkung und bedingen einander; fehlt die freie Willensbildung hinsichtlich einzelner erbrechtlich erheblicher Anordnungen, so beruht der Testierakt insgesamt nicht auf freier Willensbildung. Das Testament ist daher mangels Testierfähigkeit ungültig.
Grundsätzlich ist hinsichtlich der Testierfähigkeit festzuhalten, daß sie einen Unterfall der Geschäftsfähigkeit darstellt, jedoch unabhängig von dieser im Gesetze (§§ 565 bis 569, 718 ABGB) gesondert geregelt ist. Ausgehend von dem in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannten Begriff der partiellen Geschäftsfähigkeit wird in der deutschen Lehre zum Teil der Begriff einer partiellen Testierfähigkeit verwendet (Palandt47 BGB Anm. 6 zu § 2229; Münchner Kommentar 6 Anm. 20 zu § 2229; Soergel BGB11 7 Anm. 12 zu § 2229; Bayr ObLG FamRZ 1985, 539), worauf sich auch Welser in NZ 1988, 169 bezieht. Diesem Begriff wurden Fälle unterstellt, in welchen zufolge nur auf bestimmten Lebensgebieten sich auswirkender geistiger Störungen, wie z.B. krankhaftem Eifersuchtswahn, Querelen, Verfolgungswahn, Paranoia udgl., die freie Willensbildung insoweit bei letztwilligen Verfügungen ausgeschlossen ist. Ob der Testator auf Grund einer bloß partiellen oder einer seine gesamte Persönlichkeit erfassenden Erkrankung letztwillige Anordnungen ohne freien Willen trifft, ist aber im Ergebnis gleichgültig. Im Sinne der oben stehenden Ausführungen erscheint für die Beurteilung der Testierfähigkeit grundsätzlich entscheidend, daß der Testator hinsichtlich aller seiner erbrechtlich relevanten Anordnungen in seiner Willensbildung frei gewesen sein muß. In dieser Sicht kann von einer partiellen Testierfähigkeit nicht gesprochen werden. Der Erblasser ist testierfähig, sofern sich seine Wahnvorstellungen nicht auf seine Willensbildung im Sinne des § 566 ABGB auswirken; gegenteiligenfalls fehlt ihm mangels voller Besonnenheit die Testierfähigkeit. In den auch von Welser aaO angeführten Beispielsfällen aus der österreichischen Rechtsprechung, nämlich GlUNF 4.013 und RZ 1961, 201 ging es nicht um die Frage einer "Teiltestierfähigkeit" im Sinne der Wirksamkeit erbrechtlich erheblicher Verfügungen - Erbeinsetzungen und Erbrechtsentziehungen - trotz partieller Erkrankung des Testators, sondern um Wahnvorstellungen, die mit der Willensbildung bei solchen Verfügungen und somit der Frage der Testierfähigkeit überhaupt nicht in Zusammenhang standen bzw. um die Frage der allgemeinen Handlungsfähigkeit des Erblassers hinsichtlich einer im - unangefochten gebliebenen - Testament enthaltenen Anordnung über eine Vormundbestellung.
Nach der dargestellten Rechtslage ist somit vorliegendenfalls entgegen der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht davon auszugehen, daß der festgestellte Mangel einer freien Willensbildung des Franz K*** bei der Anordnung der Enterbung des Klägers die Ungültigkeit des Testamentes insgesamt, also auch hinsichtlich der Erbeinsetzung der Beklagten, wegen Testierunfähigkeit des Erblassers zur Folge hat. Dieses Ergebnis steht auch mit jenem der Ausführungen Welsers aaO im Einklang.
Demgemäß bedarf es nicht mehr der Erörterung der vom Revisionswerber aufgeworfenen weiteren Rechtsfragen und auch nicht der Behandlung seiner Verfahrensrüge und Rüge der Aktenwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsgegnerin ist zu ihrer Bekämpfung der berufungsgerichtlichen "Feststellung der Testierunfähigkeit des Franz K*** hinsichtlich der Enterbung des Klägers" zu entgegnen, daß die diesbezüglichen Tatsachengrundlagen vor dem Revisionsgericht nicht angefochten werden können. Soweit die Frage der Testierfähigkeit eine Rechtsfrage darstellt, ist die Revisionswerberin auf die Ausführungen zur Revision des Klägers zu verweisen.
Der Revision war daher Folge zu geben und in Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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