Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 19.287,18 (darin enthalten S 1.753,38 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger und die Zweitklägerin sind Geschwister, die Drittklägerin und der Viertkläger Kinder einer vorverstorbenen Schwester der am 10. März 1986 im Alter von 80 Jahren verstorbenen Karoline S***. Diese hatte mit eigenhändigem Testament vom 16. Juni 1982 die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt. Karoline S*** und ihr am 31. März 1982 verstorbener Ehegatte Karl S*** hatten die Beklagte vor ca. 30 Jahren anläßlich einer Beratung durch die Österreichische Mietervereinigung kennengelernt. In der Folge entwickelte sich zwischen ihnen eine bis zum Tod Karoline S*** andauernde Beziehung. Die Eheleute S*** suchten die Beklagte etwa ein- bis zweimal pro Woche an ihrem Arbeitsplatz auf. Karl S*** ließ sich von der Beklagten in finanziellen Dingen beraten; dafür stellte er ihr die Zinserträgnisse aus seinen Sparbüchern zum Zweck der Überweisung an karitative Organisationen zur Verfügung. Die Erblasserin befaßte sich nicht mit finanziellen Angelegenheiten. Karl S*** wollte der Beklagten kurz vor seinem Tod zwei Sparbücher mit einem Einlagenstand von S 500.000,-- schenken; die Beklagte lehnte dies jedoch ab. Nach dem Tod Karl S*** kümmerten sich der Viertkläger und der Erstkläger vermehrt um die Erblasserin, die durch zunehmende Freigiebigkeit auffiel. Der Viertkläger, der auf Ersuchen Karoline S*** dann auch deren finanzielle Angelegenheiten besorgte, fand die bereits genannten Sparbücher im Tiefkühlfach eines alten Kühlschrankes und nahm sie in Verwahrung. Karoline S*** wußte nichts mehr von diesen Sparbüchern bzw. über ihr Vermögen. Sie äußerte gegenüber dem Erstkläger, der Drittklägerin und dem Viertkläger, aber auch gegenüber der Beklagten - jeweils unabhängig voneinander - ,daß "jeder von ihnen einmal alles erben werde" bzw. "ihnen einmal alles gehören werde". Im Juni 1982 erkundigte sich die Beklagte bei Karoline S*** nach den beiden Sparbüchern. Dabei erfuhr sie, daß der Viertkläger nunmehr die finanzielle Betreuung der Erblasserin übernommen hatte. Auf Betreiben der Beklagten kam es am 15. Juni 1982 in einer Rechtsanwaltskanzlei zu einem Gespräch, an dem Karoline S***, der Viertkläger und die Beklagte teilnahmen, um den Verbleib der Sparbücher zu klären. Der Viertkläger gab damals einen niedrigeren Einlagenstand der bei ihm befindlichen Sparbücher an, informierte aber später den Anwalt über die wahre Höhe der Einlagen. Am 16. Juni 1982 suchte die Beklagte mit Karoline S*** neuerlich die Rechtsanwaltskanzlei auf. Karoline S*** erklärte, daß sie mit dem Viertkläger nichts mehr zu tun haben und ein Testament zugunsten der Beklagten errichten wolle. Nach einer Belehrung über die Form eines Testaments diktierte der Anwalt Karoline S*** das Testament folgenden Inhalts:
"Zu meiner Alleinerbin setze ich Lydia D***, geboren am 28. November 1924, ein Innsbruck, am.......
Karoline S*** geborene B***."
Karoline S*** litt an einer früherworbenen Hirnschädigung und an seniler Demenz; dadurch verlor sie in einem hohen Grad das Gedächtnis und die Merkfähigkeit. Sie wußte nicht, was ein Testament ist. Zur Errichtung eines überlegten Testaments war sie nicht fähig. Sie war leicht beeinflußbar, ohne festen eigenen Willen, ohne dauerhafte Stimmung, ohne Verständnis für einen derartigen Schritt und angesichts ihrer Arglosigkeit jeder freundlichen Beeinflussung zugänglich. Dieser Zustand lag bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vor und verschlechterte sich danach nicht wesentlich. Ein am 23. Juni 1982 beim Erstgericht eingeleitetes Verfahren führte am 22. April 1983 zur vollen Entmündigung wegen Geistesschwäche. Am 24. Juni 1982 konstatierte der behandelnde Arzt eine erhebliche Behinderung unter anderem auch durch Cerebralsklerose mit cerebralem Abbau; er bestätigte, daß Karoline S*** nicht imstande war, ihre persönlichen, vor allem wirtschaftlichen und finanziellen, Angelegenheiten zu besorgen. Im Verlassenschaftsverfahren 4 A 122/86 des Erstgerichtes gaben die Kläger auf Grund des Gesetzes, die Beklagte auf Grund des Testamentes vom 16. Juni 1982 jeweils bedingte Erbserklärungen ab, die vom Gericht angenommen wurden. Am 18. Juli 1986 wies das Abhandlungsgericht den gesetzlichen Erben die Klägerrolle zu und setzte eine Frist zur Erhebung der Erbrechtsklage.
Innerhalb offener Frist begehrten die Kläger mit der vorliegenden Klage die Feststellung, daß die letztwillige Anordnung Karoline S*** vom 16. Juni 1982 ungültig bzw. nichtig sei und das darauf beruhende Erbrecht der Beklagten nicht zu Recht bestehe. Wegen der seit langem bestehenden Geistesschwäche sei die Erblasserin nicht testierfähig gewesen; es habe ihr auch am erforderlichen Willen zur Errichtung einer letztwilligen Erklärung gemangelt, weil die Freiheit der Willensentschließung zur Gänze aufgehoben gewesen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Karoline S*** habe das Testament eigenhändig geschrieben, nachdem sie gegenüber einem Rechtsanwalt ihre Absicht, eine letztwillige Anordnung zu treffen, bekundet habe. Das Testament habe wegen des langjährigen, innigen Verhältnisses zur Beklagten durchaus dem Willen der Erblasserin entsprochen. Die Erblasserin sei damals keineswegs geistesschwach gewesen; ihr Geisteszustand habe sich erst nach der Testamentserrichtung im Zuge eines Heimaufenthaltes verschlechtert.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Testament sei zwar echt, wegen Fehlens der Testierfähigkeit und des Testierwillens der Erblasserin jedoch ungültig. Karoline S*** habe über keinen festen eigenen Willen verfügt und sei jeder freundlichen Beeinflussung zugänglich gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Weder die geltend gemachten Verfahrensmängel noch die gerügten Aktenwidrigkeiten liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In ihrer Rechtsrüge vertritt die Beklagte die Auffassung, daß nicht jede Beeinträchtigung der Willensbildung die Testierfähigkeit ausschließe; dies müsse vielmehr in einem solchen Grad der Fall sein, daß der Zustand des Testators den in § 566 ABGB genannten Zuständen "der Raserei, des Wahnsinns, des Blödsinns oder der Trunkenheit" gleichstehe. Die Erblasserin sei jedoch weder debil noch geisteskrank gewesen. Das Berufungsgericht habe sich mit dem Zustand der Erblasserin gerade zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht "ausführlich und ausgiebig genug" befaßt. Dem kann nicht gefolgt werden.
Testierfähigkeit ist die zur Errichtung oder Aufhebung letztwilliger Verfügungen erforderliche Geschäftsfähigkeit. Sie muß beim Testierakt, aber auch nur bei diesem, vorhanden sein; später eintretende Hindernisse berühren die Gültigkeit der Verfügung nicht. Testierfähigkeit ist im allgemeinen bei Personen über 18 Jahre ohne weitere Einschränkungen gegeben (§ 569 ABGB). Geisteskranke und Geistesschwache sowie überhaupt Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben oder im Bewußtsein gestört sind, können nach § 566 ABGB keine gültige letztwillige Anordnung errichten (Koziol-Welser7 II 287 f). Die Testierfähigkeit fehlt nach der Rechtsprechung - anders als die Geschäftsfähigkeit bei Rechtsgeschäften unter Lebenden - nur dann, wenn der Erblasser nicht einmal das Bewußtsein hatte, eine letztwillige Anordnung zu treffen, und ihm das Verständnis ihres Inhalts zur Gänze abging; die Beeinträchtigung des Bewußtseins des Erblassers muß dabei so weit gehen, daß die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben ist (SZ 51/8; JBl 1987, 655). Das ist nicht nur bei den in § 566 ABGB beschriebenen Zuständen der Raserei, des Wahnsinns, des Blödsinns oder der Trunkenheit der Fall; vielmehr schadet jeder - hohe - Grad der Willensbeeinträchtigung, der diesen Zuständen gleichsteht (JBl 1957, 239; JBl 1961, 322).
Letztwillige Verfügungen setzen als Willenserklärungen auch den entsprechenden Rechtsfolgewillen voraus. Bei der Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Erklärung mit Rechtsfolgewillen vorliegt, kommt es auf den wahren Willen des Erblassers an
(Koziol-Welser aaO 289). Nach § 565 ABGB muß der Testierwille im Zustand der vollen Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Zwang, Betrug und wesentlichem Irrtum, erklärt werden. Hat der Erblasser zwar den Willen, ein Testament zu errichten, und ist er auch in der Lage, zu erkennen, daß er ein Testament errichtet, ist er aber in der Freiheit seiner Willensbildung durch eine geistige Erkrankung gehindert, dann fehlt ihm die volle Besonnenheit, die Voraussetzung für die Gültigkeit eines Testaments (EvBl 1968/191; SZ 52/173; NZ 1986, 203; JBl 1987, 655).
Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Erblasserin wegen Schwachsinns und seniler Demenz nicht wußte, was ein Testament ist, ohne festen eigenen Willen war und kein Verständnis für einen solchen Schritt aufbringen konnte. Damit ist jedenfalls die vom Gesetz für die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung erforderliche volle Besonnenheit des Testators auszuschließen. Soweit die Beklagte in ihrer Revision behauptet, daß keine Feststellungen über das Zustandsbild der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorlägen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es trifft auch nicht zu, daß der festgestellte Geisteszustand der Erblasserin nicht den in § 566 ABGB genannten Zuständen entspräche. Damit haben aber die Vorinstanzen zu Recht schon die Testierfähigkeit der Erblasserin verneint.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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