OGH 7Ob635/88

OGH7Ob635/8822.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth K***, Hausfrau, Lienz, Lavanter-Straße 6, vertreten durch Dr. Werner Russek, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei Adolf K***, Angestellter, Matrei, Bichlerstraße 45, vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterhalt (Streitwert S 54.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. April 1988, GZ 1 a R 166/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Matrei vom 14. Jänner 1988, GZ C 81/86 -16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für das Revisionsverfahren wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Oktober 1986 gemäß § 55 EheG mit dem Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG geschieden, daß den Beklagten das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Bereits mit Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 29. Mai 1980 war dem Beklagten ab 1. April 1980 eine monatliche Unterhaltsleistung an die Klägerin von S 7.500,-- auferlegt worden. Mit der am 24. Dezember 1986 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin eine Unterhaltserhöhung von zuletzt (nach einer rechtskräftigen Teilabweisung im ersten Rechtsgang) S 1.500,-- monatlich mit der Begründung, daß sich die Einkommensverhältnisse des Beklagten und auch die Lebenshaltungskosten seit der Unterhaltsfestsetzung wesentlich erhöht hätten; zudem müsse sie nach der Scheidung der Ehe für die Beiträge zur Krankenversicherung selbst aufkommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ist der Beklagte leitender Angestellter der T***. Sein monatliches Nettoeinkommen betrug im Jahre 1986 S 22.991,75 und im Jahre 1987 S 22.003,85. Der Beklagte wohnt mit seiner Lebensgefährtin in einem ihm von der T*** als Dienstwohnung zur Verfügung gestellten Reihenhaus mit einer Nutzfläche von ca. 100 m2. Hiefür hat er nur die Betriebskosten zu entrichten. Er bezieht auch verbilligten Strom um S 0,435 pro Kilowattstunde. Die Dienstwohnung kann von ihm nur bis zur Pensionierung bewohnt werden. Aus diesem Grund hat der Beklagte begonnen, sich ein Eigenheim zu schaffen. Er hat einen Rohbau um ca. S 600.000,-- errichtet. Die Finanzierung erfolgte durch einen Bausparvertrag. Daneben nahm der Beklagte bei der Bausparkasse ein Darlehen von S 400.000,-- auf. Die monatlichen Rückzahlungsraten betragen S 3.000,--. Für einen neuen Bausparvertrag hat der Beklagte monatlich S 782,-- zu bezahlen. Für eine Wohnung mit einer Nutzfläche von ca. 100 m2 wäre in Matrei ein monatlicher Mietzins von S 4.000,-- zu entrichten. Der Beklagte leidet an Zuckerkrankheit und muß deshalb monatlich ca. S 2.000,-- zusätzlich für Diätverpflegung ausgeben.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes seien gegenüber der Erhöhung des Nettoeinkommens des Beklagten auch dessen Aufwendungen für die Schaffung einer Wohnmöglichkeit und die erhöhten Verpflegskosten zu berücksichtigen, sodaß im Ergebnis keine so wesentliche Veränderung eingetreten sei, die eine Unterhaltserhöhung rechtfertigen würde.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und erklärte die Revision für zulässig.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes seien die Aufwendungen des Beklagten für die Schaffung einer Wohnung bei Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Ratenzahlungen für Kredite seien nur dann beachtlich, wenn sie der Deckung eines existenznotwendigen Bedarfes dienten. Ein existenzsnotwendiger Bedarf zur Schaffung einer Ersatzwohnung bestehe für den Beklagten nicht. Der geldwerte Naturalbezug der Dienstwohnung im Betrage von S 4.000,-- sei dagegen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten von rund S 22.000,-- ergebe sich demnach unter Berücksichtigung der erhöhten Aufwendungen des Beklagten für Diätkost eine Bemessungsgrundlage von S 25.000,--. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten habe sich demnach wesentlich erhöht. Andererseits sei der Klägerin durch die Notwendigkeit einer freiwilligen Versicherung in der Krankenversicherung ein zusätzlicher Aufwand erwachsen. Die Voraussetzungen für eine Abänderung des festgesetzten Unterhaltsbetrages seien daher entgegen der Meinung des Erstgerichtes gegeben. Da ein Grundsatz, daß die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten ein Drittel seines Einkommens keinesfalls übersteigen dürfe, nicht bestehe, der Unterhalt der Ehegattin üblicherweise mit einem Hundertsatz zwischen 33 und 40 der Bemessungsgrundlage bemessen werde und der von der Klägerin insgesamt angesprochene Betrag in diesem Rahmen liege, sei das Klagebegehren gerechtfertigt.

Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage des Anspruches des nach § 55 EheG geschiedenen Ehegatten auf Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 69 Abs. 2 EheG zwei divergierende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (SZ 53/57 und EFSlg. 41.340) vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist unzulässig.

Vorauszuschicken ist, daß der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes entbehrlich war, weil der Wert des Streitgegenstandes nach § 58 JN zu ermitteln ist (EvBl. 1979/9; EvBl. 1972/182; 7 Ob 558/88).

Nach § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiterer Rechtszug unzulässig, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wird. Ob und inwieweit die angefochtene Entscheidung die Unterhaltsbemessung betrifft, ist dem Inhalt der Entscheidung zu entnehmen: Aus dem Inhalt des Rechtsmittels ist abzuleiten, inwieweit zum Bemessungskomplex gehörige Fragen bekämpft werden

(EFSlg. 52.690 uva). Zu diesem gehören die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (EFSlg. 52.689 uva). Die Revisionsausführungen über die Bewertung der Dienstwohnung durch das Berufungsgericht und zur Beurteilung der Aufwendungen des Beklagten für die Schaffung einer Wohnung betreffen Bemessungsfragen. Ob und inwieweit sich das Vorhandensein einer Dienstwohnung auf Seiten des Unterhaltspflichtigen im Ergebnis als Einkommenserhöhung auswirkt und ob Aufwendungen, insbesondere Kreditrückzahlungen für die Anschaffung einer Wohnung die Bemessungsgrundlage vermindern, sind Fragen, die die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen betreffen und gehören daher zum irrevisiblen Bemessungskomplex (vgl. EFSlg. 49.881 f, 47.145, 44.588). Der Ersatz von Beiträgen zu einer freiwilligen Krankenversicherung nach § 69 Abs. 2 EheG wurde hier, anders als in den Fällen der Entscheidungen SZ 53/57 und EFSlg. 41.340 (= 1 Ob 577/82) gar nicht begehrt und vom Berufungsgericht auch nicht zuerkannt. Das Berufungsgericht hat zwar die in den zitierten Entscheidungen ausgesprochenen Rechtsgrundsätze im wesentlichen wiedergegeben, aus der Tatsache, daß die Klägerin nach der Scheidung der Ehe auch für die Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung aufkommen muß, aber lediglich gefolgert, daß insoweit jedenfalls eine Bedarfserhöhung eingetreten ist. Es hat daraus und aus der festgestellten Einkommenserhöhung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse abgeleitet, die eine Unterhaltsneubemessung rechtfertigten. Auch bei Beurteilung dieser Frage handelt es sich um eine Bemessungsfrage (EFSlg. 52.708, 49.374 ua). Es braucht daher hier nicht näher erörtert zu werden, ob zur Frage des Ersatzes der Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung tatsächlich divergierende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vorliegen. Wie schon erwähnt, wurde in beiden den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen zuzüglich zu dem bereits vor der Scheidung der Ehe geschuldeten Unterhalt der Ersatz konkreter Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung begehrt. Ein solcher Anspruch wurde in beiden Entscheidungen grundsätzlich - auch für die Vergangenheit - bejaht. In der Entscheidung 1 Ob 577/82 wurde nur, weil - anders als im Falle der Entscheidung SZ 53/57 - ein diesbezüglicher Einwand erhoben worden war, zusätzlich klargestellt, daß dann, wenn ein unterhaltsberechtigter Ehegatte den Ersatz von Versicherungsleistungen für die Vergangenheit begehrt, dem Unterhaltspflichtigen der Einwand offensteht, es habe sich seit der Schaffung des Unterhaltstitels seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derart vermindert, daß auch bei einer Neufestsetzung des die Versicherungsbeiträge noch nicht enthaltenden Unterhaltsanspruches diese Beiträge im seinerzeit zuerkannten Unterhaltsbetrag nunmehr ganz oder zumindest teilweise Deckung fänden. Da hier ein konkreter Ersatz von Krankenversicherungsbeiträgen gar nicht begehrt wurde, ist eine die Ersatzbestimmung des § 69 Abs. 2 EheG betreffende, nicht zur Bemessung gehörende Frage nicht ersichtlich und kann von der Revision auch nicht aufgezeigt werden. Ob der von der zweiten Instanz zuerkannte Betrag in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten Deckung findet, ist eine Bemessungsfrage. Demgemäß ist die Revision zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, war die Revisionsbeantwortung einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich; für sie gebührt daher kein Kostenersatz (§ 41 Abs. 1 ZPO).

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