OGH 3Ob93/88

OGH3Ob93/8829.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ing. Gerhard B***, Geschäftsmann, Wiener Straße 18, 2361 Laxenburg, vertreten durch Dr. Gerald Kopp ua, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die verpflichteten Parteien 1. Manfred P***, Geschäftsmann, und 2. Erika P***, Geschäftsfrau, beide Makartplatz 1, 5020 Salzburg, und vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen zwangsweiser Räumung, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 28. April 1988, GZ 22 R 182/88-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 8. April 1988, GZ 15 C 2350/85-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Auf Grund des vor Einleitung eines Rechtsstreits geschlossenen gerichtlichen Vergleiches vom 18. Dezember 1985, GZ 15 C 2350/85-1, worin die Parteien festhielten, daß zwischen ihnen kein Miet- oder Pachtverhältnis an Räumlichkeiten im Haus Makartplatz 1, 5020 Salzburg, bestehe, und sich die Benützer des ebenerdig in diesem Haus gelegenen Geschäftslokals verpflichteten, dem nun betreibenden Gläubiger diese Räumlichkeiten bis zum 31. Dezember 1987 geräumt zu übergeben und ihm ein wertgesichertes monatliches Benützungsentgelt von S 24.000,-- sowie die anteiligen Betriebskosten zu bezahlen und auf jedweden Räumungsaufschub zu verzichten, bewilligte das Erstgericht am 15. Jänner 1988 die Exekution durch zwangsweise Räumung.

Schon am 29. Mai 1987 hatten die Verpflichteten zu 10 C 1202/87 des Erstgerichtes die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches vom 18. Dezember 1985 und auf Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses erhoben. Sie hatten geltend gemacht, es liege in Wahrheit eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung an den Geschäftsräumlichkeiten vor, die Räumungsverpflichtung sei unter Druck übernommen worden und der Räumungsvergleich sei als Umgehungsbehandlung unwirksam. Die Verpflichteten hätten in der Folge auch monatliche Zahlungen als Miete geleistet. Unter Hinweis auf diese Prozeßführung beantragten die Verpflichteten, die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits aufzuschieben.

Der betreibende Gläubiger trat der Aufschiebung entgegen. Der mit Klage angefochtene Vergleich sei noch nicht beseitigt, weil im Prozeß noch nicht entschieden worden sei. Ihm drohe aus der Aufschiebung ein erheblicher Nachteil, weil er statt des Benützungsentgelts von S 24.000,-- monatlich bei Vermietung der Geschäftsräumlichkeiten S 44.000,-- monatlich erzielen könnte, aber auch Gefahr laufe, bei verzögerter Aufnahme einer eigenen Geschäftstätigkeit und der Adaptierungsarbeiten Schaden zu erleiden. Zumindest sei eine Sicherheitsleistung von S 300.000,-- geboten. Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab, weil nach dem Inhalt des Titels unzweifelhaft sei, daß kein Mietvertrag geschlossen wurde, sondern strittige Rechtsfragen aus dem früher bestandenen Pachtvertrag zu lösen waren. Es sei daher unwahrscheinlich, daß den Verpflichteten im Prozeß die Beseitigung des Titels gelinge. Die Aufschiebung der Räumungsexekution sei dem betreibenden Gläubiger wegen der Prozeßdauer unzumutbar. Das Rekursgericht änderte über den Rekurs der Verpflichteten diesen Beschluß ab, bewilligte die Exekutionsaufschiebung, machte sie vom Erlag einer Sicherheit von S 200.000,-- abhängig und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Das Rekursgericht meinte, die auf Ungültigkeit des Titels gerichtete Klage bilde einen Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 1 EO. Die Gefahr eines schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles (§ 44 Abs 1 EO) sei bei der Räumungsexekution offenkundig.

Die Prozeßführung der Verpflichteten sei nicht so offenkundig aussichtslos, daß die Exekutionsaufschiebung zu versagen sei. Ob die Räumungsverpflichtung mit Ende 1987 wirksam eingegangen wurde, sei Gegenstand des Rechtsstreits, in welchem am 20. April 1988 die Verhandlung in erster Instanz geschlossen wurde. Die dem betreibenden Gläubiger drohenden Nachteile durch den Aufschub seiner Verfügungsfreiheit über die Geschäftsräume in bester Lage seien durch eine Sicherheit von S 200.000,-- angemessen besichert.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Der Verzicht auf jeden Räumungsaufschub hindert die Exekutionsaufschiebung aus dem Grunde des § 42 Abs 1 Z 1 EO nicht, weil mit der Klage auf Ungültigerklärung des Exekutionstitels zugleich die Unwirksamkeit dieses Verzichtes geltend gemacht wird; wenn eine Räumungsverpflichtung nicht wirksam eingegangen wurde, kann es auch nicht bei dem Verzicht auf jeden Räumungsaufschub bleiben. Auf Grund einer Klage, mit welcher die Rechtsgültigkeit eines gerichtlichen Vergleiches bekämpft wird, kann eine auf Grund des Vergleichs eingeleitete Exekution nach § 42 Abs 1 Z 1 EO aufgeschoben werden (Heller-Berger-Stix 541; SZ 24/241), wenn sonst die Voraussetzungen für die Aufschiebung vorliegen. Bei der Entscheidung ist sowohl auf die mit der Fortsetzung der Exekution für den Verpflichteten verbundenen Folgen als auch auf die Rückwirkung der Aufschiebung für die rechtzeitige Befriedigung des Gläubigers Bedacht zu nehmen und eine sorgfältige Abwägung der aufeinander prallenden Interessen beider Parteien geboten und zu verlangen, daß der zur Rechtfertigung des Aufschubes geltend gemachte Schritt begründet ist.

Die Aufschiebung darf nur bewilligt werden, wenn ein Aufschiebungsantrag und ein Aufschiebungsgrund vorliegen, der Beginn des Exekutionsvollzuges oder dessen Fortsetzung mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles für den Aufschiebungswerber verbunden ist, die Aufschiebung die Befriedigung des Gläubigers nicht gefährdet und die Aktion des Aufschiebungswerbers gegen die Exekution den Umständen nach nicht aussichtslos ist (Heller-Berger-Stix 537). Dabei ist der dem Verpflichteten drohende Vermögensnachteil, der bei der Räumungsexekution in der Entziehung des Geschäftslokals besteht, offenkundig (Heller-Berger-Stix 548). Bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag ist abzuwägen, ob der Erfolg der Aktion, die den Aufschiebungsgrund bildet, zweifelhaft oder wenig wahrscheinlich ist, doch soll der Exekutionsrichter dem Prozeßergebnis bei einer Klage auf Unwirksamkeit des Titels nicht vorgreifen (Heller-Berger-Stix 550; MietSlg. 16.697; SZ 46/120 ua). Es genügt, daß die Klagsführung nicht von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht und nur der Verzögerung der Rechtsdurchsetzung des betreibenden Gläubigers dient. Eine offenbare Aussichtslosigkeit oder ein ganz geringer Wahrscheinlichkeitsgrad der Erfolgsaussicht liegt bei der schon lange vor der Exekutionsführung erhobenen Klage auf Ungültigkeit des gerichtlichen Vergleiches nicht vor, denn es hängt von den Beweisergebnissen ab, ob der Vergleich wirksam ist. Der Prozeß ist auch so weit fortgeschritten, daß es dem betreibenden Gläubiger zumutbar ist, die Entscheidung abzuwarten, wenn für seinen ihm drohenden Nachteil ausreichende Sicherheit geboten wird. Die Verpflichteten haben die vom Rekursgericht bemessene Sicherheit von S 200.000,-- erlegt. Da im Prozeß die Verhandlung in erster Instanz schon geschlossen ist, reicht diese Sicherheit vorerst aus, um den möglichen entgehenden Gewinn des betreibenden Gläubigers für den voraussichtlichen Zeitraum des Aufschubes zu decken. Sollte sich später ergeben, daß eine weitere Verzögerung zu einem Nachteil führt, der in der Sicherheit nicht mehr Deckung findet, kommt immer noch eine Erhöhung in Betracht, von der dann die Fortdauer der Exekutionsaufschiebung abhängig zu machen sein wird. Es besteht daher auch kein Anlaß, zur Zeit den Betrag der Sicherheit zu erhöhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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