OGH 1Ob663/51

OGH1Ob663/5126.9.1951

SZ 24/241

Normen

EO §1 Z5
EO §42 Abs1 Z1
EO §1 Z5
EO §42 Abs1 Z1

 

Spruch:

Auf Grund einer Klage, mit der die Rechtsgültigkeit eines gerichtlichen Vergleiches bekämpft wird, kann eine auf Grund dieses Vergleiches eingeleitete Exekution nach § 42 Abs. 1 Z. 1 EO. aufgeschoben werden.

Entscheidung vom 26. September 1951, 1 Ob 663/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht (Exekutionstitelgericht) hat am 19. Juni 1951 auf Grund des vollstreckbaren Vergleiches vom 9. Feber 1951 die zwangsweise Räumung von zwei Zimmern, Badezimmern, Küche und Speisekammer der Wohnung Nr. 12/13 im Hause Wien, ....., bewilligt.

Zu der am 2. Juni 1951 zu 49 C 374/51 des Bezirksgerichtes Innere Stadt von der verpflichteten Partei gegen die betreibende Partei eingebrachten Klage auf "Nichtigerklärung des den Exekutionstitel bildenden Räumungsvergleiches" stellte die verpflichtete Partei am 20. Juni 1951 den Antrag auf Aufschiebung der Räumungsexekution.

Dieser Antrag wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 4. Juli 1952 mit der Begründung abgewiesen, daß die erwähnte Klage auf Nichtigerklärung aussichtslos sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und bewilligte die erbetene Aufschiebung gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 1500 S. Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen diesen Beschluß gerichteten Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für die Aufschiebung der hier in Frage kommenden Räumungsexekution sind zwei Fragen, die von Amts wegen wahrzunehmen sind, von entscheidender Bedeutung.

Erstens, ob eine Klage auf Nichtigerklärung eines Vergleiches, der den Exekutionstitel bildet, einen tauglichen Grund für die Aufschiebung der Räumungsexekution abgibt. Die Entscheidung SZ. XXII/52 hat ausgesprochen, daß es gegen einen durch gerichtlichen Vergleich beendeten Prozeß keine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage gebe, welcher Grundsatz als herrschende Meinung anzusehen ist. Es ist daher zu untersuchen, welcher Art die Klage ist, die den vorliegenden Zwischenstreit zugrunde liegt. Wie bereits der angefochtene Beschluß richtig hervorgehoben hat, ist die jetzt anhängige Klage eine solche, mit der die materielle Rechtsgültigkeit eines gerichtlichen Vergleiches bekämpft wird. Zu dieser Klage wurde die Aufschiebung der Räumungsexekution begehrt.

Auf die irrtümliche Bezeichnung der Klage als Nichtigkeitsklage kommt es nicht an, weil der Richter berechtigt ist, das Klagebegehren, das auf den Ausspruch abzielt, daß der Vergleich nichtig sei, von Amts wegen zu ändern. Ob ferner die Klage einem der in § 42 EO. genannten Aufschiebungsgrunde zu unterstellen ist, ist zu bejahen. Denn die Z. 1 dieser Gesetzesstelle bezieht sich ausdrücklich auf die Exekutionstitel des § 1 EO. Es fällt daher auch ein Vergleich vor einem Zivilgericht (§ 1 Z. 5 EO.) darunter. So auch der Kommentar Neumann - Lichtblau, 3. Aufl., S. 224, zur Zahl 1 und 2 des § 42 EO. Die Frage aber, ob die Aufschiebungsgrunde im § 42 EO. erschöpfend aufgezählt sind, steht hier nicht zur Erörterung.

Die zweite entscheidende Frage ist die der Abwägung der Prozeßchancen aus Anlaß der Erledigung des Aufschiebungsantrages.

Der Erstrichter bezeichnete die Klage deshalb als aussichtslos, weil sie auf tatsächlich unrichtigen Voraussetzungen aufgebaut sei. Die Klage geht nämlich davon aus, daß der "Vergleich unter Druck des Prozeßgegners und des Gerichtes" zustandegekommen sei und die Verhandlung (über den Wiedereinsetzungsantrag, bei welcher Gelegenheit der Vergleich geschlossen wurde) "durchgepeitscht" wurde. Hiezu führte der den Aufschiebungsantrag erledigende Richter in der Begründung seines Beschlusses aus, daß von einem "Druck" und von einem "Durchpeitschen" deshalb nicht die Rede sein könne, weil die Verhandlung drei halbe Stunden gedauert habe, und das Gericht mehrmals vor Protokollierung beide Vertragsparteien gefragt habe, ob sie nun bereit seien, den besprochenen Vergleich abzuschließen, und weil das Gericht überdies die Gattin des Verpflichteten, obwohl diese nicht Prozeßpartei war, zu den Vergleichsverhandlungen zugezogen habe, und auch sie dem Vergleich zugestimmt habe. Der Exekutionstitelrichter werde, wenn er gleichzeitig auch über die Aufschiebung zu entscheiden hat, wohl am besten in der Lage sein, zu beurteilen, ob nach der Sach- und Rechtslage die Voraussetzungen für die Aufschiebung vorliegen, insbesondere auch, ob die Klage nicht als aussichtslos bezeichnet werden müsse, in welch letzterem Falle die Aufschiebung nach ständiger Rechtsprechung zu verweigern wäre. Die Beurteilung entspricht aber dann nicht dem oben erwähnten Optimum, wenn, wie im vorliegenden Falle, der Richter, der über die Klagsbehauptungen als Zeuge in Betracht kommt, den Rechtsstreit deshalb als aussichtslos beurteilt, weil er aus eigener Wahrnehmung - vielleicht subjektiv und objektiv richtig - die Klagsangaben als den Tatsachen nicht entsprechend verneint. Es ist daher dem Rekursgericht beizupflichten, daß bei Erledigung des Aufschiebungsantrages nur zu untersuchen ist, ob der behauptete Sachverhalt an sich geeignet ist, die Exekution unzulässig zu machen, und es ist im vorliegenden Falle der Standpunkt des Rekursgerichtes zu billigen, daß die Klage nicht als von vornherein aussichtslos und mutwillig bezeichnet werden kann.

Da die übrigen Voraussetzungen für die Aufschiebung der Exekution (vgl. Neumann - Lichtblau, ebdt. S. 221 ff.) gleichfalls vorliegen - zu einer Erhöhung der Sicherheitsleistung sieht sich der Oberste Gerichtshof bei der gegebenen Sachlage nicht veranlaßt - konnte dem Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein.

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