OGH 7Ob549/88

OGH7Ob549/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***,

Innsbruck, Fallmerayerstraße 1/II, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Herbert J***, Volkswirt, Wien 6., Brückengasse 3, vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27.August 1987, GZ 1 a R 404/87-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 13.April 1987, GZ 11 C 160/85-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Stadtgemeinde kündigte der Agnes J*** und dem Beklagten den Bestandvertrag über das im Parterre des Hauses Innsbruck, Herzog Friedrich-Straße 15 gelegene Geschäftslokal aus dem Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 4 MRG gerichtlich auf. Agnes J*** ist am 20.12.1985 verstorben; ihr Nachlaß wurde dem Beklagten eingeantwortet.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Nach seinen Feststellungen war ursprünglich der Ehemann der Agnes J*** Mieter des Geschäftslokals. Nach dessen Ableben trat Agnes J*** am 22.3.1954 mit Zustimmung der klagenden Partei in den Mietvertrag ein. Mit Schreiben vom 16.12.1967 an die Städtische Gebäudeverwaltung ersuchte Agnes J***, den Beklagten als Mitmieter aufzunehmen, was von der Städtischen Gebäudeverwaltung abgelehnt wurde.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 2.1.1981 gründeten Agnes J*** und der Beklagte die Agnes J*** OHG (im folgenden nur OHG) mit Sitz und Betriebsstätte in Innsbruck, Herzog Friedrich-Straße 15. Agnes J*** brachte ihr in dem Bestandobjekt betriebenes Unternehmen des Handels mit Gold- und Silberwaren in die OHG ein. Gegenstand der OHG ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs.1 lit.b Z 25 GewO, ausgenommen der Handel mit Lebensmitteln. Mit Bescheid vom 2.11.1981 wurde der OHG die Gewerbeberechtigung gemäß § 103 Abs.1 lit.b Z 25 GewO beschränkt auf den Einzelhandel mit Uhren, Gold- und Silberwaren sowie Bijouteriewaren erteilt. Bereits vor der Gründung der OHG verkaufte Agnes J*** in ihrem Geschäft auch Andenken. Zufolge des sich ändernden Interesses der Touristen wurde der Verkauf immer mehr auf Andenken ausgeweitet, der Verkauf von Gold und Schmuck ging zurück.

Mit Schreiben vom 1.12.1981 teilte Agnes J*** der Städtischen Gebäudeverwaltung mit, daß sie ihre bisherige Einzelfirma in eine OHG umgewandelt habe und daß die anfallenden Mietzinszahlungen in Zukunft von der OHG bestritten würden. Die Städtische Gebäudeverwaltung nahm dies mit Antwortschreiben vom 3.12.1981 zur Kenntnis und veranlaßte eine Änderung der aufliegenden Einzahlungsscheine dahin, daß als Einzahler die OHG aufscheint. In der Folge wurde auch der Mietzins von der OHG bezahlt und von der klagenden Partei widerspruchslos angenommen.

Agnes J*** verkaufte am 15.1.1985 ihren Gesellschaftsanteil an der OHG an Christine K***. Der Kaufpreis konnte nicht festgestellt werden.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes ist es im Jahre 1981 zu einer Vertragsübernahme durch die OHG gekommen. Das Verhalten der klagenden Partei auf die Anzeige der Agnes J*** über die Gesellschaftsgründung und die Zahlung des Mietzinses durch die OHG sei als Zustimmung zur Mietrechtsübertragung an die OHG zu werten. Stimme der Vermieter einer Mietrechtsübertragung zu, komme es zu einer Vertragsübernahme. Der Beklagte sei daher nicht passiv klagslegitimiert. Selbst wenn man eine Vertragsübernahme durch die OHG verneinte, liege der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vor. Der § 12 Abs.3 MRG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Diese Bestimmung gelte erst für Unternehmensveräußerungen ab dem 1.1.1982. Hier sei die Umwandlung der Einzelfirma in eine OHG bereits im Jahre 1981 erfolgt und durch die Einbringung des im Mietobjekt betriebenen Unternehmens in die Personengesellschaft ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Auch nach der Auffassung des Berufungsgerichtes ist es im Jahre 1981 zu einer Vertragsübernahme durch die OHG gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Richtig ist, daß der § 12 Abs.3 MRG zwar auch für Mietverhältnisse gilt, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes begründet wurden, Rechtsvorgänge vor dem 1.1.1982 sind jedoch nach der alten Rechtslage zu beurteilen (5 Ob 161/86). Die Einbringung der Mietrechte der Agnes J*** in die OHG erfolgte bereits im Jahre 1981 und ist daher nach der alten Rechtslage zu beurteilen. Danach entstand bei Einbringung von Mietrechten in eine Personengesellschaft ein sogenanntes gespaltenes Mietverhältnis (MietSlg.21.187, 20.153, 17.159, 9432 uva), soferne der Vermieter nicht einer Vertragsübernahme durch die Gesellschaft zustimmte. Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß eine solche Zustimmung auch schlüssig erteilt werden kann, nicht jedoch in der Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes in diesem Sinn. Bei der Beurteilung von Handlungen auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, an einem Willensentschluß desjenigen, der ein bestimmtes Verhalten gesetzt hat, zu zweifeln (MietSlg.38.174, 37.108, 33.173). Agnes J*** konnte die Ausübung der Mietrechte der OHG überlassen, ohne daß sich die klagende Partei dagegen zur Wehr hätte setzen können. Die klagende Partei wäre auch nicht berechtigt gewesen, die von der OHG im Einverständnis mit Agnes J*** angebotene Mietzinszahlung abzulehnen. Die Kenntnisnahme der angezeigten Umwandlung in eine OHG und die Entgegennahme der Zinszahlungen der OHG durch die klagende Partei kann demnach nicht ohne jeden Zweifel schon dahin verstanden werden, daß die klagende Partei auch einer Vertragsübernahme durch die OHG zustimmte. Dies umso weniger, als in dem Schreiben der Agnes J*** vom 1.12.1981 die Vereinbarung einer Vertragsübernahme zwischen ihr und der OHG nicht einmal angedeutet wurde und eine solche bei Einbringung der Bestandrechte in eine OHG auch keineswegs selbstverständlich ist, weil der Mieter durchaus ein Interesse daran haben kann, weiterhin Bestandnehmer zu bleiben. Lag aber ein den Konkludenzerfordernissen des § 863 ABGB entsprechendes Verhalten auf Seiten der klagenden Partei nicht vor, ist, entgegen der Meinung der Vorinstanzen, die OHG nicht Bestandnehmerin geworden. Es erübrigt sich dann auch eine nähere Erörterung der Frage, ob das Verhalten der Städtischen Gebäudeverwaltung der klagenden Partei zurechenbar ist, weil bei einer juristischen Person das als konkludente Willenserklärung zu beurteilende Verhalten von den zur Vertretung der öffentlich-rechtlichen juristischen Person berufenen Organen gesetzt werden muß (vgl. SZ 54/112 aE).

Die Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der OHG durch Agnes J*** erfolgte aber bereits nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes, sodaß zu prüfen ist, ob eine Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs.3 MRG vorliegt. Schon nach der alten Rechtslage wurde die Veräußerung der Geschäftsanteile an dem im Mietgegenstand betriebenen Unternehmen durch den Mieter als Unternehmensveräußerung angesehen, die keinen Kündigungsgrund nach § 19 Abs.2 Z 10 MG bildete (MietSlg.23.393; so auch nunmehr schon 1 Ob 530/86). Daran ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten, weil dies ganz offensichtlich dem Zweck der gesetzlichen Regelung entspricht. Die Erwägungen, die in der Praxis zum gespaltenen Mietverhältnis geführt haben, sind weiterhin anerkannt, durch die Bestimmung des § 12 Abs.3 MRG sollte lediglich das Entstehen gespaltener Schuldverhältnisse verhindert werden (vgl. Würth in Rummel ABGB Rz 16 zu § 1098). Voraussetzung des Mietrechtsüberganges nach § 12 Abs.3 MRG an den Erwerber ist jedoch, daß dieser das Unternehmen fortführt, die Unternehmensidentität somit erhalten bleibt (vgl. Zingher, Mietrechtsübergang bei Unternehmensveräußerung in ÖJZ 1982, 115). An dieses Erfordernis sind aber keine strengen Anforderungen zu stellen (6 Ob 550/86). Im vorliegenden Fall steht fest, daß Agnes J*** schon vor der Gründung der OHG in dem Geschäft auch Souvenirartikel verkaufte und daß sich in der Folge wegen des geänderten Publikumsinteresses der Verkauf solcher Artikel ausweitete. Eine Verlagerung des Schwerpunktes von einer Warengattung auf eine andere ändert an der Unternehmensidentität nichts (MietSlg.32.365). Auch wenn nunmehr, wie die klagende partei behauptet, ausschließlich Souvenirartikel verkauft würden, würde dies an der Voraussetzung der Fortführung des Unternehmens, dessen Schwerpunkt schon vor dem Verkauf der Gesellschaftsanteile auf Souvenirartikel lag, nichts ändern. Ohne Bedeutung für die Frage der Unternehmensfortführung ist es, wenn das Geschäftslokal anders ausgestaltet wird (MietSlg.32.365). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile um ein bloßes Scheingeschäft zwecks Verwertung der Mietrechte gehandelt hat, sind nicht hervorgekommen und wurden von der klagenden Partei auch nicht behauptet. Der aus der besonderen Lage sich ergebende Wert des Bestandobjektes reicht allein für die Annahme eines Scheingeschäftes nicht aus. Den zweiten Tatbestand des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 4 MRG hat die klagende Partei nach ihrem Sachvorbringen nicht geltend gemacht. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin liegen daher Feststellungsmängel nicht vor.

Da nach dem Gesagten eine Unternehmensveräußerung im Sinne des § 12 Abs.3 MRG gegeben ist, haben die Vorinstanzen zu Recht die Aufkündigung aufgehoben.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Da im Revisionsverfahren nur mehr Dr. Herbert J*** als Beklagter fungiert, war für die Revisionsbeantwortung kein Streitgenossenzuschlag zuzusprechen.

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