OGH 7Ob578/88

OGH7Ob578/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** Möbelwerk Gesellschaft m.b.H., Leonstein, vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagte Partei Maximilian S***, Tischlermeister, Leibnitz, Marburgerstraße 57, vertreten durch Dr. Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen 71.151,07 S s.A., infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9. November 1987, GZ 4 R 515/87-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 3. Juli 1987, 1 C 4/87-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte für Warenlieferungen mehrere Forderungen gegen den Beklagten, bezüglich derer aufgrund gerichtlicher Entscheidungen Exekutionsverfahren gegen den Beklagten eingeleitet wurden. Im Zuge der Exekutionen wurde eine Reihe von Gegenständen gepfändet. Der Beklagte hat jedoch mehrere dieser Gegenstände mit einem Gesamtbleistiftwert von 100.000,- S dem behördlichen Zugriff entzogen, so daß ihre Zwangsversteigerung nicht möglich war. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11. November 1986, 8 E Vr 4534/86-16, wurde er deshalb auch des Vergehens des Verstrickungsbruches nach § 271 StGB für schuldig erkannt.

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. November 1984, 20 S 45/84-2, wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Gemäß § 12 Abs.2 KO erloschen die zuletzt erworbenen Pfandrechte zugunsten von Forderungen von insgesamt rund 60.000,- S. Die übrigen gepfändeten Gegenstände wurden zwangsversteigert, wobei die Klägerin als Absonderungsberechtigte, teilweise Befriedigung erlangte. Den unbefriedigten Teil ihrer Forderungen meldete sie mit 236.401,11 S zum Konkurs an. Der Konkurs endete am 12. November 1986 mit einem Zwangsausgleich, wonach die Gläubiger, darunter auch die Klägerin, eine Barquote von 20 % zu erhalten hatten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes 100.000,- S s.A. mit der Begründung, für die deliktisch dem Versteigerungsverfahren entzogenen Gegenstände wäre ein Erlös von 100.000,- S erzielt worden. Dieser Betrag wäre der Klägerin im Verteilungsverfahren zugekommen.

Der Beklagte wendet ein, im Hinblick auf Vorpfandrechte hätte die Klägerin aus dem Erlös der dem Versteigerungsverfahren entzogenen Pfandsachen nichts erhalten. Den durch den freihändigen Verkauf dieser Pfandsachen erwirkten Erlös habe der Beklagte zur Befriedigung von Vorpfandrechten verwendet. Dadurch seien deren Forderungen im Konkurs weggefallen, so daß die Vorgangsweise des Beklagten in Wahrheit der Klägerin zugute gekommen sei. Das Erstgericht hat der Klägerin unter Abweisung eines Mehrbegehrens 71.151,07 S zugesprochen (auf die Zinsenentscheidung muß nicht eingegangen werden, weil sie nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist). Es hat als erwiesen angenommen, daß die fehlenden Pfandgegenstände, wären sie vorhanden gewesen, am 29. April 1985 versteigert worden wären und in diesem Fall einen Gesamterlös von 100.000,- S erbracht hätten. Hievon wären der Klägerin nach Berücksichtigung einer restlich aushaftenden bevorrangten Forderung 88.938,84 S zugewiesen worden. Nach Abzug von 20 % hievon, die der Klägerin als Zwangsausgleichsquote zugekommen sei, verbleibe der zugesprochene Betrag als Schaden. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es hat das erstgerichtliche Verfahren als mangelhaft erachtet, weil einer Schadenersatzforderung nur der eingetretene Schaden zugrundegelegt werden könne. Der Bleistiftwert besage über den durch die Exekutionsvereitelung entstandenen Schaden nichts, vielmehr müsse der Schätzwert der gepfändeten Gegenstände festgestellt werden. Ferner sei festzustellen, welcher Erlös für die Sachen im Falle der Versteigerung erzielt worden wäre. Schließlich müsse geprüft werden, wie der Beklagte den Erlös dieser Gegenstände verwendet hat. Habe er ihn auf eine Art verwendet, die zu einer Verbesserung der Situation der Klägerin im Konkursverfahren geführt hat, so müsse dies zugunsten des Beklagten bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der von beiden Parteien gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurse ist gerechtfertigt. Nach wie vor will der Beklagte aus dem Umstand, daß das Strafgericht eine Schädigung der Klägerin durch die rechtswidrige Handlung des Beklagten nicht als erwiesen angenommen hat, als für das Zivilgericht bindend ansehen. Hiebei übersieht er jedoch, daß gemäß § 268 ZPO nur ein verurteilendes strafgerichtliches Erkenntnis für den Zivilrichter bindend ist. Die Bindung erstreckt sich auf die den Schuldspruch begründenden Tatsachen, das sind diejenigen vom Strafgericht festgestellten Tatumstände, die in ihrer Gesamtheit den Straftatbestand ergeben (RZ 1977/75, ZVR 1976/177 u.a.). Der Zivilrichter darf etwas, was vom Strafrichter als erwiesen angenommen wurde, zwar nicht als nicht erwiesen annehmen, aber er kann einen dem Verurteilten noch ungünstigeren Tatbestand als erwiesen annehmen (8 Ob 538/85, 8 Ob 508/87 u.a.).

Mit Recht haben die Vorinstanzen also ausgeführt, daß sie bezüglich der Frage, ob und inwieweit die Klägerin durch die Handlung des Beklagten geschädigt worden ist, nicht an Feststellungen des Strafrichters gebunden sind. Vielmehr haben sie diese Umstände selbst zu prüfen. Eigene vom Strafgericht nicht getroffene Feststellungen waren ihnen nicht verwehrt. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß nach § 1295 ABGB der Geschädigte grundsätzlich die Höhe des ihm erwachsenen Schadens zu beweisen hat. Die Führung dieses Beweises kann jedoch öfter für den Beweispflichtigen Kläger schwierig sein, insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, wo nur mehr hypothetisch festgestellt werden könnte, welchen Erlös die gepfändeten Gegenstände tatsächlich erzielt hätten. In einem solchen Fall, wenn es darum geht, festzustellen, was eine Person unter bestimmten Voraussetzungen erworben hätte, ist volle Gewißheit nicht zu erwarten, wohl aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit erforderlich (SZ 56/39 u.a.). Derartige Feststellungen betreffen aber, trotz ihres hypothetischen Charakters, ausschließlich den Tatsachenbereich (8 Ob 116/83). Wenn daher das Berufungsgericht für die Feststellung der erforderlichen Wahrscheinlichkeit weitere Verfahrensschritte für erforderlich hält, so bewegt es sich hiebei, unter der Voraussetzung, daß seine rechtliche Beurteilung ansonsten richtig ist, im Bereich der Tatsachenfeststellungen. In einem solchen Fall kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, der Auffassung des Berufungsgerichtes, das Verfahren sei ergänzungsbedürftig, nicht entgegentreten (SZ 44/108 u.a.).

Im vorliegenden Fall erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes als zutreffend. Wie bereits dargelegt wurde, hat der Kläger die Schadenshöhe zu beweisen, in einem Fall wie dem vorliegenden zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Den Beweis dafür, daß, abweichend von dieser Wahrscheinlichkeit, im konkreten Fall ein für den Kläger ungünstigeres Ergebnis erzielt worden wäre, hätte allerdings der Beklagte zu erbringen. Richtig ist aber, daß der Bleistiftwert im Exekutionsverfahren über den Erlös im Falle der Versteigerung von Pfandsachen nicht allzu viel besagt. Als Grundlage für den Schadenersatz der Klägerin könnte nur jener Betrag dienen, der bei der Veräußerung der Pfandsachen im Versteigerungswege wahrscheinlich erzielt worden wäre. Ob dies in jedem Fall der Schätzwert ist oder ob aus konkreten Umständen, die allenfalls im Zuge des Beweisverfahrens hervorkommen könnten, mit einem geringeren Erlös zu rechnen gewesen wäre, ist eine Frage der Sachverhaltsfeststellung, die vom Obersten Gerichtshof nicht beurteilt werden kann. Die dem Erstgericht vom Berufungsgericht in diesem Punkt erteilten Weisungen entsprechen grundsätzlich der Gesetzeslage. Wenn das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die unternommenen Verfahrensschritte zur abschließenden rechtlichen Beurteilung nicht ausreichen, kann der Oberste Gerichtshof dem, wie bereits dargelegt wurde, nicht entgegentreten. Richtig ist auch, daß der Schaden der Klägerin nicht unbedingt mit dem Ausfall im Exekutionsverfahren abzüglich der sich aus dem Zwangsausgleich ergebenden 20 % identisch sein muß. Hat nämlich der Beklagte den Erlös für die Pfandsachen derart verwendet, daß die Klägerin hiedurch im Konkursverfahren bzw. durch den abschließenden Zwangsausgleich eine höhere Befriedigung erlangt hat, so würde dieser Umstand den durch das rechtswidrige Verhalten des Beklagten der Klägerin verursachten Schaden entsprechend mindern. Bweispflichtig für diese Umstände wäre allerdings der Beklagte. Mit Recht führt das Berufungsgericht hier aus, daß trotz einer entsprechenden Einwendung des Beklagten im Verfahren erster Instanz eine Prüfung unterblieben ist. Auch hier ist also der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes richtig.

Dem Beklagten sei zugegeben, daß es nach § 496 Abs.3 ZPO dem Berufungsgericht nicht mehr in das Ermessen gestellt ist, ob es eine Verfahrensergänzung selbst vornimmt oder die Rechtssache zum Zweck der Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverweist. In allen Fällen des § 496 Abs.1 ZPO hat das Berufungsgericht vielmehr die Verpflichtung, die Ergänzung des Verfahrens selbst vorzunehmen, außer es würde das zu ergänzende Verfahren vor dem Berufungsgericht im Vergleich zu einem erstgerichtlichen Ergänzungsverfahren einen erheblichen Mehraufwand an Kosten oder eine Verfahrensverzögerung bewirken (EvBl. 1985/129 u.a.). Sind jedoch der Umfang der Prozeßstoffsammlung und die Weiterungen des Verfahrens gar nicht abzusehen, so kann nicht angenommen werden, daß mit der Ergänzung der Verhandlung durch das Berufungsgericht kein erheblicher Kostenmehraufwand verbunden wäre (EvBl. 1987/19). Wenn also in der zu ergänzenden Verhandlung nicht nur schon in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahmen zu ergänzen, sondern höchstwahrscheinlich auch anzubietende Beweise neu aufzunehmen sein werden, möglicherweise sogar ein Sachverständigenbeweis, dann entspricht die Zurückverweisung an die erste Instanz dem Gesetz (3 Ob 43/86). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht lediglich aufgrund der Aktenlage entschieden. Nach der auf einer richtigen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beruhenden Auffassung dieses Gerichtes hat nunmehr ein Beweisverfahren stattzufinden, das weit über den Umfang des bisherigen erstgerichtlichen Verfahrens hinausgehen wird. In einem solchen Fall kann die Zurückverweisung an das Erstgericht nicht als gesetzwidrig angesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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