OGH 5Ob36/88

OGH5Ob36/8810.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Grundbuchssache der Einschreiterin Dr. med. Stanislava K***, praktische Ärztin, Wien 5., Storkgasse 15/30-31, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wegen verschiedener grundbücherlicher Eintragungen ob EZ 1644 KG Margarethen infolge Revisionsrekurses der Einschreiterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 23. Dezember 1987, GZ 46 R 2064/87-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6. August 1987, TZ 512/87-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag der Einschreiterin, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen der §§ 146 und 147 GV beantragen, sowie der Revisionsrekurs der Einschreiterin werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem am 27. Jänner 1987 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die Einschreiterin unter anderem, mehrere ob der ihr gehörenden Liegenschaft EZ 1644 KG Margarethen zugunsten von Maria K*** einverleibte Pfandrechte zu löschen. Als von den beantragten Grundbuchseintragungen zu verständigende Personen führte sie unter anderem die Pfandgläubigerin Maria K***, Pensionistin, 1060 Wien, Gumpendorferstraße 118 a/19 an. Der antragsgemäß gefaßte Grundbuchsbeschluß vom 3. Februar 1987 konnte Maria K*** bisher nicht zugestellt werden. Nach den auf den bezüglichen blauen Rückscheinbriefen angebrachten Vermerken des Postzustellers benützt die Empfängerin die Abgabestelle (derzeit) nicht.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6. August 1987 wurde über die Einschreiterin gemäß § 146 GV und § 19 AußStrG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 1.000 S verhängt, weil die Einschreiterin mehreren an sie (unter Androhung einer Ordnungsstrafe) gerichteten Aufforderungen bekanntzugeben, wann und wo Maria K*** zu erreichen sei, nicht entsprochen habe; zugleich wurde unter Androhung einer weiteren Ordnungsstrafe von 2.000 S eine neuerliche derartige Aufforderung an die Einschreiterin gerichtet. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Einschreiterin nicht Folge und führte in der Begründung seiner Entscheidung unter anderem aus, daß es sich nicht veranlaßt sehe, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der §§ 146 und 147 GV wegen Gesetzwidrigkeit zu beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiterin mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen der §§ 146 und 147 GV beantragen und den angefochtenen Beschluß sowie den damit bestätigten erstgerichtlichen Beschluß ersatzlos aufheben.

Sowohl der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen der §§ 146 und 147 GV beantragen, als auch der Revisionsrekurs sind zurückzuweisen.

Der erstgenannte Antrag ist schon deshalb zurückzuweisen, weil der Einschreiterin ein diesbezügliches Antragsrecht nicht zusteht (ZVR 1983/18, EvBl. 1986/8; 5 Ob 592/82, 6 Ob 2/86 ua). Im übrigen ist der Einschreiterin einzuräumen, daß die Zulässigkeit des vorliegenden Revisionsrekurses nach den Vorschriften der §§ 9 ff AußStrG zu beurteilen ist, weil der angefochtene Beschluß (ebenso wie der erstgerichtliche Beschluß) kein Grundbuchsbeschluß im Sinne des § 122 GBG ist (vgl. MGA GBG3 Entscheidung Nr. 8 zu § 122), daß die Bestimmung des § 14 Abs. 2 AußStrG der Zulässigkeit des vorliegenden Revisionsrekurses nicht entgegensteht, weil bei der Verhängung von Ordnungsstrafen nicht die Strafe als Geldwert, sondern die Bestrafung als solche den Beschwerdegegenstand bildet (EvBl. 1954/319, EvBl. 1976/156, 7 Ob 571/85 ua), und daß die Antragstellung des Obersten Gerichtshofes beim Verfassungsgerichtshof auch bei Erledigung eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG möglich ist (EvBl. 1981/197, 5 Ob 754/80 ua).

In der Sache selbst macht die Einschreiterin zusammengefaßt geltend: Die (§§ 146 und 147 der) GV sei(en) mangels Verlautbarung im Bundesgesetzblatt keine gehörig kundgemachte Rechtsverordnung. Die offenbare Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses liege im Verstoß gegen die Verfassungsbestimmung des Art. 89 Abs. 1 B-VG, wonach die Gerichte verpflichtet seien, nicht gehörig kundgemachte Rechtsvorschriften nicht anzuwenden. Darüber hinaus würden die §§ 146 und 147 GV den gesetzlichen Grundsätzen des Zustellrechtes (§§ 118 bis 120 GBG; vgl. auch § 6 Abs. 1 Satz 1 AußStrG) nicht gerecht. Aus den einleitenden Worten des § 119 GBG ergebe sich der Grundsatz der Amtswegigkeit des Zustellbetriebes, d.h., alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen seien vom Gericht ohne besonderen Parteienantrag zu treffen. Daraus müsse abgeleitet werden, daß das Gericht auch bei Zustellungsanständen nicht an Parteienanträge gebunden sei und, ohne auf die Angaben der Parteien gewiesen zu sein, selbst zu ermitteln habe, was für die Vornahme der Zustellung seiner Entscheidung erforderlich sei. Da die §§ 146 und 147 GV die Vornahme von Zustellungen von einer besonderen, strafbedrohten Mitwirkung der Parteien abhängig machten und so die Befugnisse des Gerichtes einschränkten, seien sie als gesetzwidrig zu qualifizieren. Die Bejahung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen sei daher gleichfalls offenbar gesetzwidrig. Soweit der angefochtene Beschluß § 19 AußStrG als Rechtsgrundlage für die Bestrafung der Einschreiterin heranziehe, sei auch dies offenbar gesetzwidrig, weil die Amtswegigkeit des Zustellbetriebes eine - selbst bloß analoge - Anwendung dieser Bestimmung ausschließe.

Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Das Dienstbuch für die Führung der öffentlichen Bücher (Grundbuchsvorschrift [GV]) wurde mit Erlaß des BM für Justiz vom 1. März 1930, JABl. 1930/2, eingeführt und ab dem 8. April 1930 für die Bearbeitung von Grundbuchssachen für maßgebend erklärt. In dem genannten Einführungserlaß wird darauf hingewiesen, daß die GV die Bestimmungen von 4 Durchführungsvorschriften grundbuchsrechtlichen Inhalts, die, soweit sie für die Parteien von Bedeutung sind, in 4 im Bundesgesetzblatt verlautbarten Verordnungen enthalten sind (Geo, AllgGAV, BergBV, EisBV), zusammenfaßt, näher ausführt und durch den inneren Dienst betreffende Anordnungen ergänzt, wobei die in den (amtlichen) Anmerkungen zur GV vertretenen Rechtsauffassungen der richterlichen Entscheidung nicht vorgreifen sollen (vgl. auch Dittrich-Angst-Auer, Das österreichische Grundbuchsrecht3, 548).

§ 146 GV lautet: "Die Anschriften der Personen, an die der Bescheid zuzustellen ist, sind grundsätzlich dem Grundbuchsstück zu entnehmen (§ 84 GBG). Sind sie aus dem Grundbuchsstück nicht zu ersehen, so ist die Partei oder die ersuchende Behörde zu ihrer Bekanntgabe binnen einer bestimmten Frist aufzufordern, diese Frist kann nur aus erheblichen Gründen verlängert werden. In gleicher Weise ist vorzugehen, wenn die im Grundbuchsstück angegebene Anschrift sich als unrichtig erweist."

§ 147 GV lautet: "Wird einer gemäß § 146 erlassenen Aufforderung nicht entsprochen, so kann das Gericht entweder gegen die säumige Partei gemäß § 19 AußStrG vorgehen oder beim Vorhandensein der im § 116 ZPO bezeichneten Voraussetzungen die Zustellung an einen Kurator anordnen. Im Verkehr mit anderen Behörden ist, wenn dem Ersuchen des Grundbuchsgerichtes um Ergänzung oder Richtigstellung der Anschriften nicht entsprochen wird, nötigenfalls im Dienstweg auf Abhilfe zu dringen."

Vertritt man den Standpunkt, daß die Bestimmungen der §§ 146 und 147 GV (Rechts-)Verordnungen, d.h. generelle, von einer Verwaltungsbehörde erlassene und sich ihrem Inhalt nach an die Rechtsunterworfenen (nach außen) richtende Rechtsvorschriften (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechts6, 205 Rz 590) sind, dann wären sie von den ordentlichen Gerichten, ohne daß sie von diesen beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden brauchten oder auch nur könnten, mangels gehöriger Kundmachung im Bundesgesetzblatt (§ 2 Abs. 1 BGBlG) nicht anzuwenden (Art. 89 Abs. 1 B-VG; Walter-Mayer aaO 208 f Rz 602 und 603, 363 Rz 1103 und 1104; ÖBl. 1986, 160 mwN ua). Ist man der Meinung, daß die genannten Bestimmungen der GV (Verwaltungs-)Verordnungen, d.h. rein interne Dienstanweisungen (Instruktionen) (vgl. Walter-Mayer aaO 205 Rz 594, 212 Rz 612), oder die ordentlichen Gerichte in der Rechtsprechung nicht bindende Äußerungen von Rechtsansichten (vgl. Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO 335 betreffend das Dienstbuch für die Vollstrecker) sind, dann wäre zwar ihre Kundmachung im Bundesgesetzblatt nicht vorgeschrieben, dann würden aber diese Bestimmungen auch keine taugliche Rechtsgrundlage für die die Rechtssphäre der Parteien berührende gegenständliche Beschlußfassung abgeben.

Eine Anfechtung der §§ 146 und 147 GV beim Verfassungsgerichtshof durch den Obersten Gerichtshof kommt daher hier nicht in Betracht. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr (selbst) innerhalb der Grenzen des § 16 AußStrG zu prüfen, ob die gegenständliche Beschlußfassung durch die bestehende Rechtslage gedeckt ist.

Dabei ist einerseits von § 84 GBG, wonach in jedem Grundbuchsgesuch unter anderem der Vor- und Zuname, der Stand und der Wohnort der Personen anzugeben sind, die von der Erledigung zu verständigen sind, und andererseits von den die Zustellung behandelnden §§ 118 bis 121 GBG auszugehen; nach § 118 Satz 1 GBG sind in jedem Beschluß die Personen sowie die Amtsstellen zu bezeichnen, denen er zuzustellen ist. § 119 GBG zählt die Personen auf, die nebst dem Antragsteller von den Erledigungen der Grundbuchsgesuche von Amts wegen zu verständigen sind. § 120 Abs. 3 GBG verpflichtet die Grundbuchsgerichte, über die schnelle und richtige Zustellung der Beschlüsse in Grundbuchssachen zu wachen. Da die Sicherheit des Grundbuchsverkehrs von der richtigen und vollständigen Anführung der von den Erledigungen zu verständigenden Personen abhängt, sieht das Gesetz im § 84 GBG eine Mitwirkungspflicht des Einschreiters vor, der - unbeschadet der Amtswegigkeit des Zustellbetriebes (§§ 119, 120 Abs. 3 GBG) - zur Angabe unter anderem auch des Wohnortes (= der Zustelladresse) der von der Erledigung zu verständigenden Personen im Grundbuchsgesuch verpflichtet ist. Aus dieser gesetzlichen Vorschrift im Falle eines Zustellungsanstandes (innerhalb der Grenzen der Zumutbarkeit) die weitere Pflicht des Einschreiters abzuleiten, das Gericht, das von Amts wegen, d.h. ohne einen (weiteren) Antrag des Einschreiters abzuwarten, für die richtige Zustellung der Beschlüsse in Grundbuchssachen zu sorgen hat, über Aufforderung dabei durch Angabe der (aktuellen) richtigen Abgabestelle zu unterstützen, wobei (auch) die auf eine derartige Aufforderung hin erfolgende Bekanntgabe des Einschreiters, der Aufenthalt des Zustellungsempfängers sei ihm unbekannt, letztlich zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 116 ZPO führen kann, ist nicht offenbar gesetzwidrig. Die Auffassung, daß das Unterbleiben jeglicher Äußerung des Einschreiters ungeachtet vorgängiger (unter Androhung einer Ordnungsstrafe erfolgter) gerichtlicher Aufforderung mit einer Geldstrafe nach § 19 Abs. 1 AußStrG geahndet werden könne, welche Bestimmung im Grundbuchsverfahren, einem außerstreitigen Verfahren, anwendbar sei, ist gleichfalls nicht offenbar gesetzwidrig (vgl. Bartsch-GBG7, 102; Goldschmidt-Dittrich-Peters, Die Verfassung von Grundbuchseingaben3, 26, 29; Dittrich-Pfeiffer, Muster für Grundbuchsanträge 75 f; Feil, GBG, Kurzkommentar für die Praxis 286 f).

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 44/180 uva, zuletzt etwa EFSlg. 49.979, 52.772) ist im Zusammenhang mit der Durchführung oder Ablehnung einer Maßnahme nach § 19 Abs. 1 AußStrG, die sich im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung hält, eine offenbare Gesetzwidrigkeit zu verneinen. Hier haben die Vorinstanzen insbesondere im Hinblick darauf, daß die Einschreiterin die Schwiegertochter der Pfandgläubigerin ist und beachtenswerte Gründe, die eine Nichtbefolgung des gerichtlichen Auftrages rechtfertigen könnten, nicht vorzubringen vermochte, den Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens nicht überschritten.

Es war daher spruchgemäß zu beschließen.

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