OGH 15Os18/88

OGH15Os18/8815.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Philipp K*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 1.Dezember 1987, GZ 11 Vr 203/87-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten K*** und des Verteidigers, Dr. Herzka zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Philipp K*** der Verbrechen (I) des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und (II) des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die an sie gerichteten Hauptfragen 1 und 2, ob der Angeklagte am 14.März 1987 in Pöttsching Hermine Z***

(1) dadurch, daß er ihr mit einer vollen Doppelliterflasche einen wuchtigen Hieb auf den Hinterkopf versetzte, ihr sodann mit dem abgebrochenen Flaschenhals Schnittwunden am Hals zufügte, sie würgte, ihr Faustschläge in das Gesicht versetzte, ihr mehrere wuchtige Hiebe mit einem Gehstock gegen den Kopf und Tritte gegen das Gesicht und den Oberkörper versetzte, sohin mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich 50.000 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung von Waffen verübte, und

(2) dadurch vorsätzlich getötet hat, daß er ihr mit einer vollen Doppelliterflasche einen wuchtigen Hieb auf den Hinterkopf versetzte, ihr sodann mit dem abgebrochenen Flaschenhals Schnittwunden am Hals zufügte, sie würgte, ihr Faustschläge gegen das Gesicht und mehrere wuchtige Hiebe mit ihrem Gehstock gegen den Kopf und Tritte gegen das Gesicht und den Oberkörper versetzte, jeweils bejaht.

Die Zusatzfrage 1 nach allfälliger Zurechnungsunfähigkeit wurde verneint. Demgemäß unterblieb die Beantwortung der Eventualfragen 1 und 2 nach Begehung der oben beschriebenen Handlungen im Zustand voller Berauschung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das auf diesem Wahrspruch beruhende Urteil, die auf die Gründe der Z 4, 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützt wird, kommt keine Berechtigung zu. Der Vermutung in der Verfahrensrüge (Z 4), der Ersatzgeschworne könnte entgegen § 329 StPO bei der Abstimmung der Geschwornen anwesend gewesen sein, ist durch den unbedenklichen Bericht des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes (S 313/II), wonach jener der Beratung (und Abstimmung) der Geschwornen nicht beiwohnte, der Boden entzogen. Demgemäß wurde im Hauptverhandlungsprotokoll lediglich zufolge eines - der Berichtigung zugänglichen - Versehens verabsäumt, die Entlassung des Ersatzgeschwornen zu vermerken. Im übrigen sind auch in der - gegenständlich

maßgeblichen - Urteilsausfertigung (bloß) die Namen der (acht) Geschwornen angeführt, die an der Beratung und Entscheidung mitwirkten (§ 270 Abs 2 Z 1: iVm § 342 StPO), nicht jedoch der Name des Ersatzgeschwornen.

Als Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 letzter Fall StGB (ersichtlich gemeint: zu den Hauptfragen 1 und 2); dies zu Unrecht.

Die hiezu ins Treffen geführten Passagen aus seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung, er habe Hermine Z*** lediglich bewußtlos schlagen wollen, damit sie ihn nicht wiedererkenne, sie dabei aber keinesfalls umbringen wollen (S 249, 250/II), sowie, er habe auch nicht damit gerechnet, sie könnte auf Grund der ihr so beigefügten Verletzungen "zugrundegehen" (S 245/II), werden nämlich durchwegs aus dem maßgebenden Zusammenhang gelöst: dabei wird übergangen, daß sich der Angeklagte nicht nur am Beginn und im Zug seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausdrücklich "im Sinne der Anklage" schuldig bekannte (S 243, 250/II), sondern vor allem auch jeweils sogleich im Anschluß an die bezeichneten Passagen auf näheres Befragen dann doch unmißverständlich zugab, er habe die nach dem (einleitenden) Schlag mit der Doppelliterflasche noch lebende Frau durch die folgenden Attacken "umbringen" wollen, er habe deshalb auf sie hingetreten und hingeschlagen, weil er befürchtet habe, sie könnte überleben (S 252/II), und habe er sie aus Angst, wiedererkannt zu werden, "beseitigen" wollen, wobei ihm die erwartete Beute "das Menschenleben wert" gewesen sei (S 255/II).

Da somit der Beschwerdeführer jeweils die nun relevierten Teile seiner Verantwortung sogleich korrigierte und den ihm angelasteten Tötungsvorsatz letztlich wieder zugestanden hat, war für die reklamierte Eventualfrage kein Raum, zumal er hinsichtlich des (nachhaltigen) Würgens des Opfers - eine der Ursachen für den Todeseintritt (S 169, 175/II) - das Fehlen eines derartigen Vorsatzes seinerseits niemals behauptet hat.

Auch der Instruktionsrüge (Z 8) kann kein Erfolg beschieden sein. Wenngleich in der schriftlichen Rechtsbelehrung insofern ein Schreibfehler unterlief, als bei der Erläuterung des "Waffen"-Begriffs nach § 143 zweiter Fall StGB auch auf "§ 19 Abs 3 Z 2, 129 Z 4" anstatt richtig auf §§ 109 Abs 3 Z 2, 129 Z 4 StGB Bezug genommen wird, ist die Belehrung allein deswegen nicht unrichtig. Denn maßgeblich ist der inhaltliche Sinn dieser Ausführungen (vgl Mayerhofer/Rieder StPO2 E 49, 50 zu § 345 Abs 1 Z 8), dessen Richtigkeit der Angeklagte gar nicht in Zweifel zieht. Der - vorliegend mangels dahingehender Fragestellung allerdings unangebrachte - Hinweis in der Rechtsbelehrung (S 278/II) auf den bei Raub mit Todesfolge (§ 143 letzter Fall StGB) anzuwendenden Strafsatz und auf dessen Anwendbarkeitsprämisse aber verwirklicht den angerufenen Nichtigkeitsgrund mangels Atkualität für die Beratung und Abstimmung über den Wahrspruch nicht; inwiefern er geeignet gewesen sein sollte, bei den Geschwornen Irrtümer hervorzurufen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Auch die Subsumtionsrüge (Z 12) schließlich, in der vom Beschwerdeführer behauptet wird, eine Weinflasche und ein Gehstock seien "keinesfalls geeignet, als Waffe beim Raub verwendet zu werden", ist nicht zielführend.

Die Beurteilung der von den Geschwornen als erwiesen angenommenen Tat als Raub unter Verwendung einer Waffe (§ 143 zweiter Fall StGB) erweist sich nämlich bereits auf Grund der mit dieser Rüge nicht relevierten Verwendung eines abgebrochenen Flaschenhalses, mit dem der Angeklagte dem Opfer Schnittwunden am Hals zufügte, als rechtsrichtig (vgl SSt 53/22 = EvBl 1982/156). Abgesehen davon stellen aber auch eine (volle) Doppelliterflasche, die nach dem Verdikt der Geschwornen vorliegend - mit der Effizienz einer Keule - zu einem wuchtigen Schlag gegen den Hinterkopf der 80jährigen Frau verwendet wurde, und ein Gehstock, mit dem nach dem Wahrspruch wuchtige - streifenförmige Verletzungen verursachende (S 173/II) - Hiebe gegen deren Kopf geführt wurden, sehr wohl Waffen im Sinne des § 143 StGB dar (vgl hiezu insbes Mayerhofer-Rieder, StGB2, E Nr 4 zu § 143 sowie weiters im einzelnen: Flasche:

11 Os 78/86; Stock, Holzknüppel, Regenschirm: 11 Os 140/85, 9 Os 118/84, 12 Os 20/84, 13 Os 158/82, 12 Os 176/82, 11 Os 5/82; 13 Os 124/80).

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe.

Es wertete bei der Strafbemessung die einschlägige Vorstrafe (wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB), das Zusammentreffen zweier Verbrechen und das Versetzen unzähliger Fußtritte gegen das Gesicht der Sterbenden als erschwerend, dagegen das reumütige Geständnis als mildernd.

Der eine "wesentliche Herabsetzung" (gemeint augenscheinlich: die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe) anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die Vorstrafe des Angeklagten ist gewiß nicht gravierend. Es bestehen aber auch keine Anhaltspunkte dafür, daß ihr das Geschwornengericht besonderes Gewicht beigemessen hätte. Die Berufungsbehauptung, die Enthemmung des Angeklagten bei der Tat sei durch einen kurz vorher erlittenen epileptischen Anfall herbeigeführt worden, der durch den Alkoholgenuß verstärkt worden sei, steht im Gegensatz zum schlüssigen psychiatrischen Gutachten, wonach für die Tathandlung kein Hinweis auf einen postepileptischen Dämmerzustand besteht (S 71/II). Die alkoholbedingte Enthemmung hinwieder wird durch den Vorwurf aufgewogen, den der Gebrauch des berauschenden Mittels den Umständen nach begründet (§ 35 StGB), denn der Angeklagte wußte um seine potenzierte Aggressivität in diesem Zustand, die bereits wiederholt zu tätlichen Attacken gegen seine Lebensgefährtin geführt hatte, die diese Vorfälle nach außen hin verschwieg, sodaß es nur in einem Fall als Folge einer Anzeige eines Krankenhauses zu einer strafgerichtlichen Verfolgung des Angeklagten kam (S 245/II, 260/II, 29/I, 183/I).

Der Angeklagte vermag somit keine ihm zusätzlich zugutezuhaltenden Milderungsgründe aufzuzeigen; die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht zutreffend ermittelt. Die vom Geschwornengericht verhängte lebenslange Freiheitsstrafe entspricht dem äußerst schweren Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat, vor dessen Hintergrund der dem Angeklagten zuzurechnende Milderungsgrund weitgehend verblaßt.

Zur Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe liegt kein ausreichender Grund vor.

Auch der Berufung war demnach ein Erfolg zu versagen.

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