OGH 1Ob45/87

OGH1Ob45/8721.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm P***, Tankwart, Virgen, Obermauern Nr. 58, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Marktgemeinde Matrei in Osttirol, vertreten durch Dr. Reinhold Unterweger, Rechtsanwalt in Lienz, wegen S 27.190,20 s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1987, GZ 3 a R 352/87-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 20. März 1987, GZ C 199/85 -21, für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,15 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Am 6. November 1979 erließ die beklagte Gemeinde eine (rechtlich wohl etwas fragwürdig, weil nur ortspolizeiliche Verordnungen zulassend) auf § 28 der Tiroler Gemeindeordnung gestützte, mit 1. Dezember 1979 in Kraft tretende Wasserleitungsordnung (Satzung). Nach § 2 Z 1 dieser Wasserleitungsordnung besteht für die im erschließbaren Bereich der Gemeindewasserleitungsanlage gelegenen Objekte und Betriebe Anschluß- und Benützungszwang. Gemäß § 3 Z 5 gilt ein Grundstückseigentümer mit der schriftlichen Annahme seines Anschlußantrages oder mit dem rechtskräftigen Bescheid über den ausgesprochenen Anschlußzwang als Wasserabnehmer im Sinne der Wasserleitungsordnung. Gemäß § 8 Z 1 erhebt die Gemeinde für den Anschluß eines Grundstückes an die Gemeindewasserleitung und für den laufenden Wasserbezug in einer Gebührenordnung (§ 8 Z 3) geregelte Benützungsgebühren. Gemäß § 10 werden Verstöße gegen die Satzung als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 5.000,--, bei Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu drei Wochen bestraft. Der Kläger betrieb im Rahmen einer von ihm gepachteten Aral-Tankstelle eine Selbstbedienungswaschanlage für Personenkraftwagen, die an die von der beklagten Partei betriebene Wasserleitung angeschlossen war. Am 7. Jänner 1985 wurde der ständige Wasserfluß in der Selbstbedienungswaschanlage durch Lufteinschlüsse unterbrochen, wodurch die Frostschutzanlage ausfiel. Das Wasser im Druckumsetzer fror ein und zerriß den Druckumsetzer. Der Kläger begehrt den Betrag von S 27.190,20 s.A. als Kosten der Reparatur. Er brachte vor, der Schaden sei darauf zurückzuführen, daß die beklagte Partei als Betreiber der Wasserversorgungsanlage ihrer technischen Sorgfaltspflicht nicht entsprochen habe.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Das Auftreten von Lufteinschlüssen sei von der beklagten Partei nicht zu vertreten, es liege höhere Gewalt vor. Der Kläger habe es auch entgegen § 5 Z 2 der Wasserleitungsordnung der beklagten Partei unterlassen, ihr von der Installation der Anlage Mitteilung zu machen. In diesem Falle hätte sie ein Entlüftungsventil eingebaut, wodurch der Eintritt des Schadens hintangehalten worden wäre.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er stellte fest:

Der Kläger habe wiederholt Lufteinschlüsse in der Wasserleitung festgestellt und die beklagte Partei hievon verständigt, worauf die Leitung von einem Angestellten der beklagten Partei entlüftet worden sei. Für einen Fachmann wäre erkennbar gewesen, daß besondere Maßnahmen getroffen werden müssen, um Störungen durch Lufteinschlüsse hintanzuhalten. Es hätte der Einbau von automatischen Belüftungs- und Entlüftungsventilen bzw. eine kontinuierliche Entlüftung der Leitung ins Auge gefaßt werden können. Für die Schadensbehebung sei dem Kläger ein Betrag von S 27.190,20 in Rechnung gestellt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, gemäß § 2 Z 1 der Wasserleitungsordnung der beklagten Partei bestehe für die im erschließbaren Bereich der Gemeindewasserleitungsanlage gelegenen Objekte und Betriebe Anschluß- und Benützungszwang. Daraus folge zwingend, daß die beklagte Partei auch verpflichtet sei, für einen technisch einwandfreien Betrieb der Wasserversorgungsanlage zu sorgen und Störungen umgehend zu beheben. Nach den wiederholten Entlüftungen hätte sich die beklagte Partei an einen Fachmann zum Zwecke der Behebung des Mangels wenden müssen. Der beklagten Partei falle demnach ein Verschulden am eingetretenen Schaden zur Last. Der Kläger habe zwar entgegen der Vorschrift des § 5 Z 2 der Wasserleitungsordnung das Aufstellen der Selbstbedienungswaschanlage der beklagten Partei nicht gemeldet, doch habe die beklagte Partei im Zuge der durchgeführten Reparaturarbeiten hievon Kenntnis erhalten und gegen den Betrieb der Selbstbedienungswaschanlage keinen Einwand erhoben. Dem Kläger falle demnach ein Mitverschulden am Schaden nicht zur Last.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung der beklagten Partei das Urteil und vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs. 1 AHG hafteten Gemeinden nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten zugefügt haben. Zur Durchsetzung derartiger Ansprüche habe der Geschädigte zunächst den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen wolle, zu dessen Anerkennung schriftlich aufzufordern. Erst nach Durchführung des Aufforderungsverfahrens gemäß § 8 AHG sei der Rechtsweg zulässig. Die von der beklagten Partei betriebene Wasserleitung stelle eine typische Einrichtung der Daseinsvorsorge dar, was allerdings für die Zuordnung zum Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung bzw. der Hoheitsverwaltung noch nicht entscheidend sei. Aus der Wasserleitungsordnung der beklagten Partei vom 6. November 1979, die sich auf das freie Verordnungsrecht der Gemeinde nach § 28 Tiroler Gemeindeordnung stütze, bestehe für die im erschließbaren Bereich der Gemeindewasserleitungsanlage gelegenen Objekte und Betriebe Anschluß- und Benützungszwang (§ 2 Z 1 der Wasserleitungsordnung), der Anschlußzwang könne im Bescheidweg durchgesetzt werden (§ 3 Z 5), für den Anschluß eines Grundstückes an die Gemeindewasserleitungsanlage und für den laufenden Wasserbezug erhebe die beklagte Partei Benützungsgebühren, die in einer eigenen Gebührenordnung geregelt seien (§ 8 Z 1 und 3), Verstöße gegen die Wasserleitungsordnung würden als Verwaltungsübertretungen geahndet (§ 10), die Gebühren würden wie andere Gemeindeabgaben durch Abgabenbescheid eingehoben. Die beklagte Gemeinde trete damit den Wasserabnehmern in hoheitlicher Funktion entgegen. Der Kläger mache dann aber einen Amtshaftungsanspruch geltend. Da das Aufforderungsverfahren gemäß § 8 AHG nicht durchgeführt worden sei, sei der Rechtsweg unzulässig.

Der gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, werden Leistungen der Daseinsvorsorge, wie insbesondere der Betrieb von Wasserleitungen, von manchen Rechtsträgern in öffentlich-rechtlicher, von anderen in privatrechtlicher Form erbracht (JBl. 1983, 158; Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum AHG2 117; Puck in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 283). Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob ein Akt der Daseinsvorsorge in den Bereich der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung des Rechtsträgers fällt, ist es, welche rechtstechnischen Mittel zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitgehalten werden (JBl. 1983, 158; SZ 51/184). Nur soweit einer Gemeinde durch Gesetz oder Verordnung ein hoheitliches Handeln aufgetragen ist, werden die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze im Sinne des § 1 AHG tätig. Fehlt ein solcher gesetzlicher Auftrag, gehört die Tätigkeit der Gemeinde im Rahmen der Daseinsvorsorge in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (JBl. 1983, 158; SZ 51/184). Die Wasserversorgungsanlagen werden im allgemeinen, wie sich schon aus § 36 Abs. 1 WRG 1959 ergibt, in Erfüllung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung geführt (Loebenstein-Kaniak a.a.O. 117). Dies trifft auch für die von der beklagten Partei betriebene Gemeindewasserleitungsanlage zu. Der in der Wasserleitungsordnung der beklagten Partei, deren Anwendung nicht strittig ist, normierte, mit Bescheid (§ 3) durchsetzbare Anschlußzwang (§ 2), das Entgelt in Form einer Gebühr (§ 8), deren Art, Fälligkeit und Höhe in einer Gebührenordnung geregelt wird (§ 8 Z 3), und die Strafbestimmung des § 10, die Verstöße gegen die Satzung der Gemeinde als Verwaltungsübertretung ahndet, zeigt, daß die Rechtsbeziehungen der Streitteile hoheitsrechtlich geregelt sind. Dies gilt auch dann, wenn die beklagte Partei den Anschlußzwang nicht immer bescheidmäßig durchsetzt und Verstöße gegen die Wasserleitungsordnung ungeahndet läßt. Der aus dem behaupteten schädigenden Zustand der Wasserleitungsanlage entstandene Schaden wurde dann dem Kläger im Rahmen der Hoheitsverwaltung zugefügt. Jeder Schadenersatzanspruch ist dann im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen (Loebenstein-Kaniak a.a.O. 20).

§ 8 AHG bringt insoweit eine Privilegierung des Rechtsträgers, als er den sonst geltenden Grundsatz, daß auch die Klage eine Mahnung ersetzen kann, aufhebt und den Geschädigten zwingt, den Rechtsträger zunächst schriftlich zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufzufordern (Loebenstein-Kaniak a.a.O. 216). Herrschende Auffassung und ständige Rechtsprechung ist es, daß die Durchführung des Aufforderungsverfahrens eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsweges ist (SZ 54/143; SZ 50/159; JBl. 1977, 270 ua).

Das Berufungsgericht bot dem Kläger im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit, den Nachweis zu erbringen, daß das Aufforderungsverfahren, dessen Unterbleiben im Verfahren vor dem Erstgericht von der beklagten Partei nicht eingewendet worden war, durchgeführt worden ist. Da es sich um die amtswegige Prüfung einer Prozeßvoraussetzung handelt, gilt insoweit das Neuerungsverbot im Rechtsmittelverfahren nicht (Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 1731, 1989). Der Kläger konnte demnach im Rekurs an den Obersten Gerichtshof dazu sowohl neues Tatsachenvorbringen erstatten als auch Beweismittel anbieten. Er beschränkte sich jedoch auf die bloße Behauptung, es lasse sich "wohl schlüssig" aus seinem Sachvorbringen in der Klage ableiten, daß die beklagte Partei schriftlich zur Anerkennung des Schadenersatzanspruches aufgefordert worden sei, zumal in der Klage ausgeführt sei, daß sich die beklagte Partei seit 15. Juli 1985 in Verzug befinde. Beweismittel, insbesondere das schriftliche Aufforderungsschreiben, das der Kläger an die beklagte Partei gerichtet haben will, wurden nicht vorgelegt. Über Aufforderung durch den Obersten Gerichtshof legte der Kläger sein Schreiben vor, mit dem er aber lediglich den Haftpflichtversicherer der beklagten Partei zur Zahlung aufgefordert hatte. Gemäß § 8 AHG ist aber der Rechtsträger selbst zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufzufordern. Einer Zahlungsaufforderung an den Haftpflichtversicherer (und die Ablehnung des gestellten Schadenersatzbegehrens durch diesen) kommt die Wirkung des Aufforderungsverfahrens nicht zu. Auf die Frage, ob der Einzelrichter eines Bezirksgerichtes unter den an sich hier gegebenen Voraussetzungen des § 104 Abs. 3 JN trotz der vorgeschriebenen Senatsgerichtsbarkeit (§ 9 Abs. 3 AHG) auch über einen Amtshaftungsanspruch entscheiden dürfte, muß unter diesen Umständen nicht eingegangen werden.

Demnach ist auch im Rekursverfahren davon auszugehen, daß der Bestimmung des § 8 AHG nicht entsprochen wurde, so daß dem Rechtsmittel Berechtigung nicht zukommt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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