OGH 1Ob39/87

OGH1Ob39/879.12.1987

Der Oberste rerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Valentin T***, ÖBB-Beamter, Bleiburg, Mießbergerstraße 9, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Alois M***, Maurer, Eberndorf, Gösselsdorf 53, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 34.602,04 samt Anhang infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 23. März 1987, GZ 5 R 41/87-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. Dezember 1986, GZ 19 Cg 371/86-4 abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.187,60 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin entha0t%n S 471,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Am 9. August 1985 war der Beklagte im Rahmen seines Grundwehrdienstes als Soldat der 2. Kompanie des Landwehrstammregimentes 71 in der Goiginger Kaserne in Bleiburg zum Wachdienst (Torwache) eingeteilt. Der Wachdienst begann am 9. August 1985 um 13 Uhr und sollte am 10. August 1985 ebenfalls um 13 Uhr enden. Ein solcher Wachdienst verläuft in einem Vier-Stunden-Zyklus; nach zwei Stunden Torwache folgen zwei Stunden Ruhezeit. Die Ruhezeit ist im Wachlokal zu verbringen. Um 17 Uhr löste der Wehrmann Johannes M*** den Beklagten als Torwache ab. Nach Ablösung des Wachpostens hat dieser die Dienstwaffe, ein Sturmgewehr 58, am Entladeplatz durch Herausnahme des Magazins zu entladen und die Waffe im Wachlokal ungeladen im Waffenständer abzustellen. Der in Ruhe befindliche Wachposten trägt zwei Magazine mit je 20 Schuß Munition in der Magazintasche bei sich; die Munition wird bei der Wachablösung um 13 Uhr des Folgetages dem Wachkommandanten ausgefolgt. Der Beklagte begab sich nach seiner Ablösung als Torposten zwar zum Entladeplatz, vergaß aber, das Sturmgewehr durch Herausnahme des Magazins zu entladen. Anschließend ging er in das Wachlokal und lehnte die Waffe an den Gewehrständer. Der Beklagte teilte dem Wachkommandanten mit, daß er das WC aufsuchen wolle. Er nahm die Dienstwaffe, setzte den Stahlhelm auf und begab sich in das Mannschaftsgebäude. Dort spielte er mit Stefan T***, der ebenfalls Dienst als Charge vom Tag versah, Karten, nachdem er die beim Kartenspielen hinderliche Dienstwaffe an die Mauer gelehnt hatte. In der Folge nahm der Beklagte das Sturmgewehr wieder auf, brachte es in Westernmanier in Hüftanschlag, lud durch, entsicherte und drückte ab. Daran, daß das Patronenmagazin angesteckt war und er durch den beschriebenen Vorgang eine Patrone in den Lauf beförderte, dachte der Beklagte nicht. Durch den Schuß wurde Stefan T*** getötet. Der Beklagte wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. Februar 1986, 30 E Vr 2146/85-26, unter anderem des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB für schuldig erkannt, weil er den Tod des Stefan T*** dadurch herbeigeführt hatte, daß er nach Beendigung seines Dienstes als Torwache das angesteckte Magazin nicht vorschriftsmäßig entfernt, mit der Waffe den Mannschaftsraum betreten und das Gewehr spielerisch in Hüftanschlag gebracht, entsichert, durchgeladen und einen Schuß abgegeben hatte. Der Kläger, der Vater des Getöteten Stefan T***, begehrt den Zuspruch des Betrages von S 34.692,04 samt Anhang an restlichen Begräbniskosten.

Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Der Unfall habes sich während seiner Dienstzeit ereignet. Er sei als Organ eines Rechtsträgers tätig geworden und habe in Vollziehung der Gesetze gehandelt.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Beklagte habe Stefan T*** fahrlässig durch einen Schuß aus der Dienstwaffe getötet. Er habe sich zum Tatzeitpunkt im Wachdienst befunden. Es bestehe bei dieser Sachlage ein enger Zusammenhang mit militärisch hoheitlichen Aufgaben, so daß von einer Privathandlung des Beklagten nicht gesprochen werden könne. Zur Entscheidung über die Ersatzansprüche sei demnach der Amtshaftungssenat nach Durchführung des vorgeschriebenen Aufforderungsverfahrens berufen.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Klägers diesen Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verwarf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Der Rechtsträger hafte wohl für unerlaubte Handlungen seiner Organe, wenn durch rechtswidrige Akte der Vollziehung Schaden entstanden sei, der bei rechtmäßiger Vollziehung vermieden worden wäre. Die Haftung bestehe aber nicht, wenn das Organ einen Schaden nur bei Gelegenheit der Ausführung seiner Verpflichtungen verursacht habe. Zwischen Erfüllung von Aufgaben hoheitlicher Zielsetzung und der schädigenden Handlung müsse ein äußerer und innerer Zusammenhang bestehen. Fehle letzterer, trete die handelnde Person aus ihrer Organstellung heraus und setze Handlungen in einem privaten Bereich, die auch jeder Dritte, wäre er in einer vergleichsweisen Lage wie das Organ, als Privatmann gesetzt haben konnte. Der Beklagte habe zwar nach der Ablösung Dienstvorschriften übertreten, seine den Tod des Sohnes des Klägers bewirkende Handlungsweise falle aber aus dem Dienstbereich heraus und erhalte den Charakter eines privaten Verhaltens.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt.

Die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen Aufgaben geschieht grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze (JBl 1986, 730; EvBl 1979/53; SZ 45/42; Loebenstein-Kaniak AHG2 86, 258). Jede Handlung oder Unterlassung eines im Dienst befindlichen Präsenzdieners ist hoheitlicher Natur, wenn sie bei objektiver Betrachtung einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweist (JBl 1986, 730; SZ 55/82), so daß die Handlung oder Unterlassung noch als teil einer wenn auch mangelhaften Dienstausübung anzusehen ist (Staudinger-Schäfer12 Rz 89 zu § 839 BGB). Ein solcher innerer und äußerer Zusammenhang wird verneint, wenn ein Soldat vorsätzlich aus privaten Beweggründen seine Dienstwaffe gebraucht

(BGHZ 11, 181, 187; Papier in Münchener Kommentar2 Rz 164 zu § 839 BGB) oder außerhalb seines dienstlichen Aufgabenbereiches in einem militärischen Wachlokal durch Hantieren mit seiner Privatwaffe einen Präsenzdiener verletzt (1 Ob 240/74).

Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Der Beklagte befand sich im Wachdienst. Nach Abzug als Posten gehörte er der Wachbereitschaft an, befand sich also weiterhin im Dienst. Entgegen den Dienstvorschriften hatte er das Sturmgewehr durch Herausnahme des Magazines nicht entladen. Da der Beklagte nicht daran dachte, konnte es geschehen, daß bei einer in Westernmanier erfolgten Verwendung des irrtümlich für entladen geglaubten Gewehrs sich der tödliche Schuß löste. Ein Organ eines Rechtsträgers ist auch dann noch als in Vollziehung der Gesetze anzusehen, wenn es das Gegenteil dessen tut, was seine Dienstpflicht wäre (SZ 54/109; SZ 54/80; Loebenstein-Kaniak aaO 120; Papier aaO Rz 163). Die Beurteilung, ob objektiv der geforderte innere Zusammenhang mit den Obliegenheiten und Pflichten des Organes besteht, hat nicht eng zu erfolgen (vgl. Soergel-Glaser11 Rz 86 zu § 839; Staudinger-Schäfer aaO). Wäre beim Entladen der Dienstwaffe während der Wachbereitschaft durch Unvorsichtigkeit ein Dritter verletzt worden, könnte kein Zweifel bestehen, daß der innere Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Organes zu bejahen wäre (vgl. NJW 1961, 1157; RGZ 101, 354; Kreft aaO Rz 77). Nichts anderes hat aber dann zu gelten, wenn ein in Wachbereitschaft befindliches Organ, das scharfe Munition nur wegen des Wachdienstes ausgefolgt erhalten und in der Ruhezeit vorschriftswidrig vergessen hat, die Waffe zu entladen, einen gewiß den Dienstvorschriften widerstreitenden Gebrauch der Dienstwaffe zu spielerischen Zwecken macht. Dadurch wird der Zusammenhang mit der Dienstverrichtung nicht unterbrochen.

Kann der Kläger aber nur Amtshaftungsansprüche geltend machen, fehlt es mangels Einhaltens der Vorschrift des § 8 AHG an der Zulässigkeit des Rechtsweges.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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