Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und der Angeklagte zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Gregor P*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 3.September 1986 in Wien seine 33-jährige Ehefrau Constanze P*** und seine beiden Kinder Therese (5 Jahre) und Caroline P*** (7 Jahre) durch mehrere Schläge mit einem Hammer auf den Kopf und durch Erdrosseln sowie Constanze P*** überdies durch Versetzen von fünf Messerstichen gegen das Herz getötet hat.
Die Geschwornen haben die in Richtung des Verbrechens des Mordes gerichteten Hauptfragen 1 (Constanze P***) 2 (Therese P***) und 3 (Caroline P***) bejaht, und zwar die Hauptfrage 1 mit 6 Ja- zu 2 Neinstimmen und die Hauptfrage 2 und 3 je stimmeneinhellig. Die zu diesen Hauptfragen gestellten Zusatzfragen 1, 2 und 3 nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) wurden stimmeneinhellig verneint. Die Eventualfragen 1, 2 und 3 nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB) sowie die auch hiezu gestellten Zusatzfragen 4, 5 und 6 nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) blieben folgerichtig unbeantwortet.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Gregor P*** mit einer auf die Z 4, 5, 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund bringt der Beschwerdeführer vor, der ihm zugekommenen Abschrift des Hauptverhandlungsprotokolles könne nicht entnommen werden, daß die zur Hauptverhandlung beigezogene Ersatzgeschworne Eva P*** vor der Abstimmung aus der Geschwornenbank ausgeschieden sei; ferner sei im Hauptverhandlungsprotokoll vom 21.Mai 1987 festgehalten, daß der Obmann der Geschwornen deren Wahrspruch nach Wiedereröffnung der Sitzung mitgeteilt, nicht aber iS des § 340 Abs. 1 StPO die an die Geschwornen gerichteten Fragen und erst unmittelbar nach jeder Frage den beigefügten Wahrspruch der Geschwornen verlesen habe. Eine solche Nichtigkeit ist jedoch nicht gegeben, weil nach dem Amtsvermerk des Vorsitzenden vom 5.August 1987, ON 105, die Ersatzgeschworne Eva P*** bei der Beratung und Abstimmung der Geschwornen nicht anwesend war und der Obmann der Geschwornen die an die Geschwornen gerichteten Fragen öffentlich verlesen und nach jeder Frage öffentlich den Wahrspruch dazu bekanntgegeben hat. Den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO erblickt der Angeklagte Gregor P*** darin, daß der Schwurgerichtshof in der Hauptverhandlung vom 21.Mai 1987 die von seinem Verteidiger an die Sachverständige Frau Dr.K*** gestellte Frage, ob seine (des Angeklagten) Erziehung "außerhalb der Norm" gewesen sei, nicht zugelassen hat und für dieses ablehnende Zwischenerkenntnis jede Begründung schuldig geblieben ist (Band III/ S 109). Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß durch die Nichtbegründung des Erkenntnisses die Bestimmungen der §§ 238 Abs. 2, 302 Abs. 1 StPO verletzt wurden. Im vorliegenden Fall ist jedoch unzweifelhaft erkennbar, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO). Denn die Beantwortung der Frage, welche Erziehung der zur Tatzeit bereits 35 Jahre alte Angeklagte hatte, ist für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit und dafür, ob der Beschwerdeführer die Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung begangen hat, ohne Bedeutung. Weder der Angeklagte noch sein Verteidiger haben in der Hauptverhandlung dargelegt, aus welchen besonderen Gründen die Beantwortung der in Rede stehenden Frage eine entscheidungswesentliche sein sollte.
Unter der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO beschwert sich der Angeklagte Gregor P*** darüber, daß in die in Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB gestellten Eventualfragen 1, 2 und 3 nicht die tatsächlichen Ursachen seiner Gemütsbewegung - nämlich die schlechte psychische Verfassung seiner Frau, die autistische Krankheit seiner jüngeren Tochter Therese, seine eigene Erfolglosigkeit und sein wirtschaftlicher Ruin - aufgenommen wurden. Durch die Unterlassung einer solchen Fragegestaltung mangle es den Eventualfragen an einer ausreichenden Konkretisierung (Spezialisierung) des Sachverhaltes.
Rechtliche Beurteilung
Auch dieses Vorbringen geht fehl.
Gemäß § 312 Abs. 1 StPO sind in Ansehung der Haupt- und Eventualfragen - welche ihrem Wesen nach gleichfalls die Schuld betreffen (§ 314 Abs. 1 StPO; 10 Os 49/80, 9 Os 184/84) - alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw soweit beizufügen, als es zur deutlichen Kennzeichnung der Tat - im Urteil, welches ja sonst (in den Gründen) keine Sachverhaltsschilderung enthält (§ 342 StPO) - oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche notwendig ist. Neben den gesetzlichen Deliktsmerkmalen ist daher ein solches Maß konkreter Tatsachen in Schuldfragen aufzunehmen, daß damit der Tat das Gepräge eines individuellen Vorganges verliehen und auch die rechtliche Überprüfung des Wahrspruches durch den Schwurgerichtshof gleichwie (im Rechtsmittelverfahren) durch den Obersten Gerichtshof ermöglicht wird. Einer darüber hinausgehenden "Spezialisierung" des Tatherganges, also einer erschöpfenden Beschreibung des gesamten Geschehens in allen Einzelheiten bedarf es hingegen nicht. Aus dem Wahrspruch in seiner Gesamtheit müssen somit zwar alle schuldbezogenen Elemente, die als erwiesen angenommen oder verneint worden sind, hervorkommen. Deren spezielle Anführung (bzw nähere Konkretisierung) ist aber überall dort entbehrlich, wo sie in jenem dem jeweiligen Deliktstypus entsprechenden und diesen Tatbestand verwirklichenden konkreten Lebenssachverhalt - wie er in den bezüglichen Fragen beschrieben ist - ihren deutlichen Niederschlag finden, zumal wie hier (ohnedies nur ein Lebensvorgang im Verfahren zur Entscheidung steht) und demgemäß die Rückführung des im Wahrspruch festgestellten Sachverhalts auf die gesetzlichen Merkmale möglich ist. Daher müssen in der Schuldfrage nach § 76 StGB prinzipiell nicht jene - in ihrer denkbaren Vielfalt kaum verläßlich umschreibbaren - konkreten Umstände angeführt werden, aus denen, wenn sie als erwiesen angenommen werden, eine Tatbegehung in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung abgeleitet werden kann (EvBl 1985/134).
Die bekämpfte Formulierung der Eventualfrage nach § 76 StGB war daher im gegebenen Falle nicht geeignet, die Geschwornen zu beirren und solcherart Anlaß zu Mißverständnissen zu geben. Den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO sieht der Beschwerdeführer darin, daß es unterlassen worden sei, die Geschwornen in der ihnen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung ausdrücklich und verständlich darauf hinzuweisen, daß beim Totschlag nur die heftige Gemütsbewegung des Täters begreiflich sein muß, nicht aber die aus dem Erregungszustand entstandene Tat. Dieses Beschwerdevorbringen ist aktenwidrig, da die schriftliche Rechtsbelehrung den Geschwornen diese Unterscheidung ausdrücklich nahebringt. In Seite 7, letzter Satz und Seite 8, erster Satz der Rechtsbelehrung heißt es nämlich: "Allgemein begreiflich ist eine Gemütsbewegung, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlaß und dem eingetretenen psychischen Ausnahmezustand allgemein verständlich ist, d.h. wenn ein Durchschnittsmensch sich vorstellen kann, auch er wäre unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles in eine solche Gemütsverfassung geraten. Allein darauf kommt es an und nicht darauf, ob auch dieser andere in dieser Gemütsverfassung getötet hätte .....".
Soweit der Beschwerdeführer ergänzend ausführt, daß die Geschwornen über die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB geirrt haben müßten, weil sich dies aus der gemäß § 331 Abs. 3 StPO abgefaßten Niederschrift der Geschwornen ergebe, in welcher die Bejahung der Hauptfragen 1, 2 und 3 (nach dem Verbrechen des Mordes) und der daraus folgende Entfall der Beantwortung der Eventualfragen 1, 2 und 3 (nach dem Verbrechen des Totschlages) damit begründet wurde, daß "die Anlaßtat nicht allgemein begreiflich ist, daher kein Totschlag vorliegt", so ist er darauf zu verweisen, daß die gemäß § 331 Abs. 1 StPO zu verfassende Niederschrift der Geschwornen und deren Inhalt nicht zum Wahrspruch der Geschwornen gehören und ein Widerspruch zwischen diesem und der "Niederschrift" daher keine Nichtigkeit begründet, wie überhaupt der Gesetzgeber dieser "Niederschrift" keine so große Bedeutung zumißt, daß hierauf eine Nichtigkeitsbeschwerde gegründet werden könnte (vgl Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 10 ff zu § 331 StPO). Maßgebend ist daher vorliegend allein, daß die Geschwornen - ohne Widerspruch mit der ihnen erteilten richtigen Rechtsbelehrung - im Wahrspruch klar zum Ausdruck gebracht haben, daß der Angeklagte die ihm angelasteten Taten nicht in einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" begangen hat.
Der Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO entbehrt der gesetzmäßigen Ausführung, weil er nicht von den sich aus dem Wahrspruch der Geschwornen ergebenden Feststellungen ausgeht, sondern versucht, neuerlich seiner von den Geschwornen abgelehnten Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen, wonach er sich aus den schon an anderer Stelle erwähnten psychischen Gründen bei der Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung befunden habe. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe. Bei deren Bemessung waren erschwerend die Tötung von drei Menschen (darunter zwei Kinder) und die brutale Vorgangsweise, mildernd hingegen das umfassende Geständnis, welches auch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, der bisher ordentliche Lebenswandel und daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch stand sowie der Umstand, daß die Wurzeln der Tat auch in der Erziehung zu finden sind.
Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe, der öffentliche Ankläger dagegen deren Erhöhung an. Lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Die Anklagebehörde weist in ihrer Rechtsmittelschrift mit Recht darauf hin, daß das Erstgericht den Umstand, die Wurzeln der Tat seien auch in der Erziehung zu finden, zu Unrecht als mildernd herangezogen hat, weil der Angeklagte zur Tatzeit 35 Jahre alt, vom Erziehungsalter daher weit entfernt war und seine Lebensführung selbst zu verantworten hat. Bei Gewichtung der Strafzumessungsgründe wurde dem überaus großen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie der Tatsache, daß der Angeklagte das Leben seiner nächsten Angehörigen seinem übersteigerten Selbstwertgefühl hintanstellte, nicht ausreichend Rechnung getragen, zumal Umstände, die eine mildere Beurteilung der Tat rechtfertigen könnten, nicht zu erkennen sind. Erst die aus dem Spruche ersichtliche Strafe wird der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten gerecht. Mit seiner (sohin erfolglosen) Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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