OGH 10Os49/80

OGH10Os49/805.8.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.August 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Bernardini, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rietdijk als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 und Abs 2, erster Fall, StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5.November 1979, GZ 20 v Vr 4866/78-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Janovsky und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Jänner 1952 geborene Kraftfahrzeugmechaniker Günter A 1. des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 und Abs 2, erster Fall, StGB sowie 2. des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs 1

StGB schuldig erkannt, weil er am 15.Juni 1978 in Rauchenwarth die Monika B (nunmehr verehelichte C) (zu 1.) durch die öußerung, er werde sie umbringen, falls sie ihm nicht einen Geschlechtsverkehr gestatte, ferner durch Zubodenstoßen und Versetzen von Schlägen, sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, zum außerehelichen Beischlaf nötigte, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine Schädelprellung, eine Prellung im Bereich des Stirnhirns, ferner Kratzspuren und Würgemale an der rechten Halsseite, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, zur Folge hatte, sowie (anschließend) (zu 2.) durch die mehrfach wiederholte öußerung, er werde sie umbringen, wenn sie ihn anzeige oder verrate, sohin durch gefährliche Drohung, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen des zu Punkt 1. angeführten Vorfalls zu nötigen versuchte.

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die (anklagekonform) in Richtung der Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 und Abs 2, erster Fall, StGB sowie der versuchten schweren Nötigung nach § 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 1, erster Fall, StGB gestellten Hauptfragen 1 und 3 stimmeneinhellig verneint, jedoch die zur Hauptfrage 1 gestellte Eventualfrage 2 nach dem Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf gemäß § 202 Abs 1 und Abs 2, erster Fall, StGB sowie die zur Hauptfrage 3 gestellte Eventualfrage 4, lautend auf das Vergehen der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs 1 StGB, jeweils stimmeneinhellig bejaht hatten. Mit seiner - ersichtlich nur den Schuldspruch zu Punkt 1. betreffenden - auf die Z. 6 des § 345 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde reklamiert der Angeklagte, das Erstgericht wäre bei der Nötigung zum Beischlaf sowohl in Ansehung des Tatbestandsmerkmals der Gewaltanwendung als auch hinsichtlich des strafsatzändernden Umstandes der schweren Körperverletzung (jeweils) zur Stellung einer gesonderten Zusatzfrage verhalten gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rüge versagt.

Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage (nur) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Da die Gewalt, die der Beschwerdeführer zum Gegenstand einer (besonderen) Zusatzfrage gemacht wissen will (gleich der gefährlichen Drohung) eines der (beiden) im § 292 Abs 1 StGB genannten Mittel zur Tatbegehung darstellt, somit Tatbestandsmerkmal ist, kommt eine eigene, nur darauf gerichtete Zusatzfrage im Sinne des § 313 StPO

von vornherein nicht in Betracht. Auch eine Eventualfrage stellt ihrem Wesen nach eine Schuldfrage dar, sodaß insoweit ihre Gesetzmäßigkeit nach der Vorschrift des § 312

StPO zu beurteilen ist (vgl. Gebert/Pallin/Pfeiffer, III/2, E.Nr. 1 bis 3 zu § 314 StPO). Danach sind aber alle gesetzlichen Merkmale einer strafbaren Handlung in die Schuldfrage (Haupt- bzw. Eventualfrage) aufzunehmen.

Den Geschwornen wäre dabei für den Fall, daß sie nur die dem Angeklagten (überdies) zum Vorwurf gemachte gefährliche Drohung (als Mittel der Nötigung des Opfers zum außerehelichen Beischlaf) nicht aber auch eine Gewaltanwendung durch ihn als erwiesen angenommen hätten, die Möglichkeit einer einschränkenden Bejahung der bezüglichen Eventualfrage 2 (unter Ausklammerung der Gewaltanwendung) offengestanden (vgl. § 330 Abs 2 StPO), worüber die Geschwornen auch ausdrücklich belehrt wurden (vgl. die allgemeine Rechtsbelehrung für die Geschwornen in der Beilagenmappe zu ON. 37, S. 177).

Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Unterlassung einer besonderen Fragestellung ('uneigentliche' Zusatzfrage) nach dem strafsatzändernden Umstand der schweren Körperverletzung (Qualifikation der Tat nach § 202 Abs 2, erster Fall, StGB) für beschwert erachtet, übersieht er, daß es gemäß § 317 Abs 2 StPO der Beurteilung des Schwurgerichtshofs anheimgestellt ist, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage ('komplexe' Fragestellung) aufzunehmen oder zum Gegenstand einer besonderen (Zusatz-) Frage zu machen ist. Denn § 316 StPO normiert nur die Voraussetzungen, unter denen Erschwerungs- oder Milderungsumstände überhaupt den Gegenstand einer Fragenstellung bilden können; das Gesetz schreibt aber nicht vor, daß nach einem eine önderung des Strafsatzes begründenden Erschwerungs- (oder Milderungs-) umstand eine selbständige (Zusatz-)Frage an die Geschwornen gerichtet werden muß. Die Aufnahme eines strafsatzändernden Umstands in eine Haupt- oder Eventualfrage ist daher nach dem Gesetz zulässig, zumal auch hier den Geschwornen die ihnen - wie schon erwähnt - in der (allgemeinen) Rechtsbelehrung ausdrücklich eröffente Gelegenheit zu einer einschränkenden Bejahung der (komplexen) Eventualfrage offen stand (vgl. Gebert/Pallin/Pfeiffer III/2, Nr. 4 zu § 316 StPO und die dort zitierte Judikatur).

Im übrigen wurde in der den Geschwornen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung zutreffend darauf hingewiesen, daß die strafrechtliche Zurechnung der schweren Körperverletzung als besondere Tatfolge (im Sinne des § 7 Abs 2 StGB) wenigstens ein fahrlässiges Handeln des Täters erfordert. Eine Verneinung (auch) dieser Schuldform beim Angeklagten und damit der Zurechnung der schweren Körperverletzung des Tatopfers als strafsatzerhöhenden Umstand hätte von den Geschwornen insoferne neuerlich in der geschilderten Form also auf dem durch § 330 Abs 2

(zweiter Halbsatz) StPO vorgezeichneten Weg, zum Ausdruck gebracht

werden können.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 202 Abs 2, erster Strafsatz, StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen, den relativ raschen Rückfall und das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen (verschiedener Art) als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen nur den Umstand an, daß es in einem Fall (Nötigung) beim Versuch geblieben ist.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt (gleichfalls) keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt, dabei allerdings nicht beachtet, daß die beiden (einschlägigen) Vorverurteilungen im Verhältnis der § 31, 40 StGB zu einander stehen, weshalb letztlich nur von einer Vorstrafe gesprochen werden kann. Entgegen dem Berufungsvorbringen wurde indessen der rasche Rückfall zu Recht als Erschwerungsgrund herangezogen, zumal es insoweit nicht nur auf den zeitlichen Abstand der Straftaten, sondern auch auf das Ende der Strafverbüßung und umso mehr auf die (rechtskräftige) Beendigung des (letzten) Strafverfahrens ankommt.

Bei sachgemäßem Abwägen aller für die Strafzumessung wesentlicher Momente wird die über den Angeklagten (ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren) verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht, sodaß auch seiner Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

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