OGH 11Os58/87

OGH11Os58/878.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann Z*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 15.Oktober 1986, GZ 9 Vr 560/85-88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Johann Z*** und des Verteidigers Dr. Kunze zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Dezember 1936 geborene Weinhändler und Transportunternehmer Johann Z*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (richtig: gewerbsmäßigen schweren) Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB (1) sowie der Vergehen nach dem § 45 Abs. 1 lit. a WeinG 1961 (2) und nach dem § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961 (3) schuldig erkannt.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte Johann Z*** der Sache nach nur im Schuldspruch wegen Betruges mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Im bekämpften Umfang des Schuldspruchs (1) liegt dem Beschwerdeführer zur Last, in der Zeit von Frühjahr 1983 bis Sommer 1985 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung des schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Abnehmer des von ihm verkauften Weines durch Täuschung über die Tatsache, daß dieser (Wein) durch Zusatz von Diethylenglycol (DEG) verkehrsunfähig geworden, auf zumutbare Weise nicht verwertbar und daher wertlos war, zum Ankauf von insgesamt mindestens 560.000 l derartiger Flüssigkeit verleitet zu haben, wodurch die Getäuschten oder weitere Zwischenhändler bzw. Verbraucher einen Vermögensschaden in der Höhe von zumindest rund 6,000.000 S erlitten.

Dem Beschwerdevorbringen (Z 10), das die Beurteilung des Verkaufes von wertlosem Wein nicht als Betrug, sondern nur als Vergehen nach dem Weingesetz anstrebt und "gravierende Unterschiede" der oberstgerichtlichen Judikatur zur Abgrenzung der in Rede stehenden Tatbilder behauptet, ist folgendes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Die in der Beschwerde dargestellte Änderung der

oberstgerichtlichen Judikatur liegt in Wahrheit nicht vor: Für

Verkauf von verkehrsunfähigem Wein enthielten auch nach der früheren

Rechtsprechung (abgestellt auf das zur jeweiligen Tatzeit geltende

Recht) sowohl der § 11 Z 4 LMG aF (vgl. SSt. 9/17; 21/8) als auch

die Nachfolgebestimmung des § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961

(SSt. 52/20; JBl. 1981, 217) im Verhältnis zum (strenger strafbaren)

Betrug subsidiäre Auffangtatbestände, wie dies der Oberste

Gerichtshof erst in letzter Zeit in vergleichbaren Anlaßfällen

mehrmals aussprach. Demnach bleibt für eine Anwendung des (hier der

Tatzeit nach in Betracht kommenden) § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961

(ebenso wie des nunmehr geltenden § 61 Abs. 1 Z 3 WeinG 1985) auf

den Verkauf von verkehrsunfähigem Wein kein Raum, wenn dieser

Verkauf sämtlichen Tatbestandsmerkmalen des (schwerer zu

bestrafenden) Betruges (§§ 146 ff StGB) entspricht (9 Os 93/86 =

EvBl. 1987/39; 9 Os 128/86 nv; 10 Os 33/86 = RZ 1987 Nr. 10 =

EvBl. 1987/36; 11 Os 176/86 = JBl. 1987, S 463 f; 11 Os 26/87 nv;

12 Os 28/86 = EvBl. 1987/22 = JBl. 1987, S 261; 12 Os 102/86 und

172/86 beide nv; 13 Os 28/87 nv). Es kommt also darauf an, ob der Täter bei einem solchen Verkauf den Käufer (mit Bereicherungs-, Täuschungs- und Schädigungsvorsatz - § 5 Abs. 1 StGB) über die Mängelfreiheit der Ware getäuscht (oder zu täuschen versucht) hat und dieser Irrtum (mit-)kausal für die - im Kauf und in der Bezahlung des Kaufpreises gelegene - (selbst-)schädigende Vermögensverfügung des Käufers gewesen ist (oder hätte sein sollen). Alle diese Voraussetzungen treffen nach den tatrichterlichen Feststellungen auf die vorliegenden Fälle des Verkaufes einer wirtschaftlich wertlosen Ware zu, für die ein einen Verkehrswert begründendes (Wein-)Konsumenteninteresse fehlte (vgl. neuerlich EvBl. 1987/36 und 11 Os 26/87), weil sie weder als Wein noch zum Tatzeitpunkt sonst legal wirtschaftlich verwertbar war (13 Os 28/87). Deshalb trat, den weiteren Beschwerdeeinwänden unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 li.t a StPO zuwider, der Vermögensschade auf Seiten der (gutgläubigen) Vertragspartner des Beschwerdeführers, auch soweit es sich (größtenteils) um Wiederverkäufer handelte, schon mit der Bezahlung und Übernahme der Ware in ihr Vermögen unmittelbar ein - und zwar unabhängig von einer allfälligen nachträglichen Überwälzung des Schadens auf Endverbraucher -, weil den entrichteten Kaufpreisen keine vermögenswerte Gegenleistung (kein wirtschaftliches Äquivalent) gegenüberstand.

Die in der Beschwerde behaupteten Feststellungsmängel zum Vermögensschaden und dessen Höhe haften dem Ersturteil sohin nicht an.

Mit der Kritik an der Ermittlung der Schadenshöhe gelangt die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), die stets ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraussetzt, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Hiezu vermag der Beschwerdeführer indes auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO keinen Begründungsmangel aufzuzeigen: Unterschiede in den Analysen über im Betrieb des Angeklagten gezogene vier Proben bzw. Nachproben sowie zu einem Untersuchungsbefund über eine Gegenprobe in bezug auf den DEG-Gehalt (bzw. in einem Falle auch auf den Gehalt von Natriumacid) betreffen nicht den mit der Beschwerde angefochtenen Schuldspruch wegen Betruges. Auch die Divergrenz zum DEG-Gehalte des in der BRD beschlagnahmten Weins (2,5 Gramm bzw. 1 Gramm DEG pro Liter - vgl. Band III/S 87, 95) ist nicht entscheidend. Das Erstgericht stützt seine Feststellungen über das Ausmaß der Kontamination des Weines mit DEG und dessen (zu Gunsten des Angeklagten festgestellte) Mindestgesamtmenge keineswegs nur auf die Untersuchungszeugnisse, sondern vor allem auf die - in unanfechtbarer freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) für glaubwürdig befundene - Verantwortung des Beschwerdeführers im Vorverfahren (vgl. Band I/S 69 a f, 69 d). Damals gab der Angeklagte zu, zumindest 400.000 bis 500.000 l Wein mit einem Gramm DEG je Liter versetzt zu haben, wovon allein 250.000 l in die BRD exportierten Weins beanstandet wurden. Damit sind aber die in der Beschwerde angeführten Unterschiede einiger weniger Analysen ohne Einfluß auf die Schuldfrage und die rechtliche Subsumtion der Tat, insbesondere auch unter den Gesichtspunkt einer den Strafsatz des § 147 Abs. 3 StGB bedingenden, 100.000 S übersteigenden Schadenssumme.

(Gleiches gilt für den nicht gerügten Rechenfehler bei Ermittlung der vom Erstgericht aus einer Menge von 820 kg DEG bei Annahme eines durchschnittlichen Zusatzes von 1,5 Gramm DEG pro Liter Wein abgeleiteten Gesamtmenge von 560.000 Liter (Band IV/S 56), die sich bei den gegebenen Prämissen rechnerisch richtig auf rund 546.000 Liter reduziert.)

Ebensowenig entscheidungswesentlich ist, ob der Beschwerdeführer - auf Anraten des Ing. E*** - dem Wein DEG beimengte, um das Vorliegen von Prädikatseigenschaften vorzutäuschen, und ob der Beschwerdeführer beim Weinexport sogenannte Prädikatspapiere verwendete; die letztere Modalität der Tatverübung liegt dem Angeklagten ohnedies nicht zur Last. Es genügt vielmehr, daß der Wein durch Beigabe von DEG wertlos geworden war und die Bezieher, wie dargetan, in voller Höhe der entrichteten Kaufpreise geschädigt wurden. Davon abgesehen finden die Urteilsannahmen über die Vortäuschung von Prädikatsmerkmalen in der Verantwortung des Beschwerdeführers im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung Deckung (Band I/S 69 a, b, Band IV/ S 9, 10); sie wurden durch die Bezugnahme darauf im Urteil auch mängelfrei begründet. Mit den Angaben des Zeugen Ing. E*** über die dem Beschwerdeführer erteilten Ratschläge brauchte sich das (nur) zur Abfassung seiner Entscheidungsgründe in gedrängter Form (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) verpflichtete Erstgericht nicht im Detail zu befassen.

Soweit in der Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich das Unrechtsbewußtsein des Angeklagten bezweifelt wird, entbehrt die Beschwerde - abgesehen davon, daß sie (in Wahrheit) einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum (SSt. 50/16; JBl. 1987, S 465 uva) releviert - neuerlich einer gesetzgemäßen Ausführung. Denn sie übergeht die ausdrücklichen Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite des Betruges, denen zufolge der mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung handelnde Angeklagte sich sowohl der durch Zusatz von DEG (in einer durchschnittlichen Menge von eineinhalb Gramm pro Liter Wein) herbeigeführten und den - solcherart vorsätzlich getäuschten - Abnehmern verschwiegenen Wertlosigkeit des Weins als auch der irrtumsbedingten (selbst-)schädigenden Vermögensverfügung der Vertragspartner bewußt war (Band IV/S 52-54, 57, 58).

Das Erstgericht unterstellte darum auf Grund ausreichender und mängelfrei begründeter Tatsachenfeststellungen das dem Beschwerdeführer laut Punkt 1 des Schuldspruches zur Last liegende Verhalten im Einklang mit der nun schon gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dem Tatbestand des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach den §§ 147 Abs. 3, 28 Abs. 1 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbaren Handlungen, die mehrfache Qualifikation (gemeint: neben der Wertqualifikation auch die Gewerbsmäßigkeit) und den weit über der Wertgrenze liegenden Schaden. Als mildernd wurde dem Berufungswerber zugutegehalten, daß er im Vorverfahren ein Geständnis abgelegt hatte, das er in der Hauptverhandlung allerdings auf das Vergehen nach dem Weingesetz einschränkte.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung und gleichzeitige bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe an. Soweit die Berufung zu den Sachverhaltsfeststellungen in der Tatfrage kritisch Stellung bezieht und die eigene Darstellung über die Schuld (§ 32 StGB) zugrundegelegt haben will, ist sie auf die Bestimmung des § 295 Abs. 1 StPO zu verweisen. Die Hinweise, daß andere in den sogenannten Weinskandal verwickelte Personen auch wegen Kunstweinerzeugung und mißbräuchlicher Verwendung von Prädikatspapieren verfolgt wurden, vermögen wohl Umstände darzustellen, die in jenen Fällen eine strengere Beurteilung indizieren, sie zeigen aber nicht Milderungsumstände für den Berufungswerber auf. Wenn die Verteidigung betont, daß der Angeklagte durch den DEG-Zusatz niemals höhere Prädikatsstufen vortäuschte, so bezweckte er nach den Urteilsfeststellungen doch, ganz bestimmte Prädikatsmerkmale bestätigt zu bekommen (Band IV/S 52), was wieder die Voraussetzung dafür bildete, den (wertlos gewordenen) Wein exportieren zu können.

Geht man aber von der festgestellten Schadenshöhe beim Betrug (über 6 Millionen S) sowie der gewerbsmäßigen Begehung und der damit zweifach bedingten Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe aus, ist die über Johann Z*** verhängte Unrechtsfolge - entgegen den Berufungsausführungen - auch im Vergleich mit den bisher vom Obersten Gerichtshof bestätigten oder ausgesprochenen Strafen in ähnlichen Fällen nicht überhöht. Damit erledigt sich das Begehren auf bedingte Strafnachsicht von selbst. Der Berufung mußte somit der Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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