Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 30. November 1946 geborene Weinhändler Julius H*** ist des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (richtig: gewerbsmäßig schweren) Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148, zweiter Fall, StGB. (I) sowie der Vergehen nach § 45 Abs 1 lit a und b WeinG. 1961 (II und III) schuldig erkannt worden.
Ihm liegt zur Last (I), vom Sommer 1978 bis Sommer 1985 in Mönchhof und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Abnehmer seiner Weine durch Täuschung über die Tatsache, daß diese Weine durch Zusätze wie Invertin, Glycerin, Trockensirup, diverse Säuren, insbesondere aber durch Beimengung von Diäthylenglykol, verkehrsunfähig und wertlos waren, zu deren Ankauf im Gesamtausmaß von zumindest 555.666 Liter (und überwiegend auch zu deren Weiterverkauf) verleitet zu haben, wodurch die Getäuschten (oder andere, namentlich nicht bekannte Zwischenhändler sowie Verbraucher) an ihrem Vermögen um mindestens 10,985.516 S geschädigt wurden, wobei er den schweren Betrug in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte eine auf § 281 Abs 1 Z. 3, 4, 5 und 10 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben.
Zu § 281 Abs 1 Z. 3 StPO.:
Der betreffenden Verfahrensrüge zuwider ist durch die Beiziehung des Sachverständigen Dipl.Ing.Dr. Franz B*** zur Hauptverhandlung (siehe insbesondere Band X S. 410 f.) keine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden, deren Beobachtung von der Strafprozeßordnung bei sonstiger Nichtigkeit vorgeschrieben wird. Nach § 120, erster Satz, StPO. ist nur die Beiziehung solcher Personen als Sachverständige mit Nichtigkeit bedroht, die in einem Untersuchungsfall als Zeugen nicht vernommen oder nicht beeidigt werden dürfen (§§ 151, 170 StPO.) oder die zum Beschuldigten oder zum Verletzten in einem der im § 152 Abs 1 Z. 1 StPO. bezeichneten Verhältnisse stehen. Daß beim genannten Sachverständigen einer der Fälle des § 151 StPO. (Verschwiegenheitspflicht von Geistlichen oder Staatsbeamten, Zeugnisunfähigkeit) vorliegt, eine Angehörigeneigenschaft (§ 152 Abs 1 Z. 1 StPO., § 72 StGB.) besteht oder ein Eideshindernis (§ 170 Z. 1 bis 7 StPO.) gegeben ist, hat der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, der Sachverständige sei im Hinblick auf seine dem gegenständlichen Verfahren vorangegangene Tätigkeit bei der Aufdeckung des sogenannten Weinskandals "ausgeschlossen", nicht dargetan.
Diesem Beschwerdeeinwand kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Z. 4 keine Berechtigung zu. Zwar hat der Verteidiger bereits in der Hauptverhandlung am 29. Oktober 1986 die Ausschließung des Sachverständigen behauptet und damit begründet, daß er "den Depositionen des Zeugen Dr. B*** in der heutigen Hauptverhandlung zufolge die gegenständliche Untersuchung und Anzeige betreffend Gykolüberprüfung im Wein initiiert und in die Wege geleitet hat durch Mitteilung an die entsprechenden Kellergremien" (Band X S. 310). Dieses als Einwendung im Sinn des § 120, zweiter Satz, StPO. aufzufassende Vorbringen (welches in der Verfahrensrüge wiederholt wird) ist aktenwidrig: Ergibt sich doch aus den Angaben des Zeugen Dr. B*** (Band X S. 265) nur, daß Dipl.Ing.Dr. B*** allgemeine Hinweise auf die Verwendung von Diäthylenglykol im Wein erhielt und auf den Nachweis dieses Zusatzes zielende Untersuchungen anstellte, nicht aber, daß er gerade in der gegenständlichen Strafsache derartige Untersuchungen durchgeführt und die Anzeige gegen den Angeklagten erstattet oder auch nur in die Wege geleitet hätte (vgl. auch Band X S. 266 unten und S. 311 oben). Von der nach der Ansicht des Beschwerdeführers eine Befangenheit begründenden Doppelfunktion des Sachverständigen im gegenständlichen Strafverfahren kann daher keine Rede sein. Außerdem enthält § 120, letzter Satz, StPO. keine Nichtigkeitsdrohung. Darüber hinaus ist anzumerken, daß nicht die Vernehmung des Anzeigegutachters, sondern nur die früher im § 48 LMG. vorgesehene Bindung des Gerichts, diesen Gutachter als Sachverständigen zu vernehmen, verfassungswidrig war (Erk. d. VfGH. v. 28. Nov. 1985, G 109/84, G 153, 154/85, Kdmg. BGBl. Nr. 10/1986).
Zu § 281 Abs 1 Z. 4 StPO.:
Die Abweisung jener Beweisanträge der Verteidigung, die auf den Nachweis abzielen, daß die inkriminierten Weine nicht gesundheitsschädlich seien (Einholung eines toxikologischen Gutachtens laut Anträgen Band X S. 319, 405 und 418; Einvernahme des sachverständigen Zeugen Univ. Prof Dr. F*** laut Antrag Band X S. 418 und 419, Zeugeneinvernahme Werner D*** zufolge Antrag Band X S. 419), vermochte auf die Entscheidung schon deshalb keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß zu üben, weil das Erstgericht eine Gesundheitsschädlichkeit der betreffenden Weine ohnehin nicht als erwiesen angenommen hat (Band X S. 469). Entscheidungswesentlich ist allein die wiederholt festgestellte Wertlosigkeit des verfälschten Weins, welcher sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland als verkehrsunfähig der Gefahr der Beschlagnahme ausgesetzt war und für den sonach bei gesetzmäßiger Vorgangsweise eine Verwertung allein durch behördliche Verfügung nach der Beschlagnahme in Betracht kam; derartige Verwertungsmöglichkeiten wurden aber behördlicherseits erst nach der Tatzeit geschaffen.
Die von der Verteidigung weiters beantragte Einholung eines demoskopischen Gutachtens über Käuferverhalten und Verbrauchererwartung im Fall einer richtigen Information über die gesundheitliche Unbedenklichkeit der für den Schuldspruch (zu I) maßgebenden Zusätze (Anträge Band X S. 320, 405 und 418) war auf keinen Tatsachenbeweis, sondern nur auf die Bekundung unüberprüfbarer Hypothesen gerichtet; denn zur Tatzeit - in welcher eine solche Flüssigkeit jedenfalls nicht unter wahrheitsgetreuer Bezeichnung den Konsumenten angeboten wurde - haben eine (demoskopisch erhebbare) Verbrauchererwartung und ein hierauf beruhendes Käuferverhalten hinsichtlich "Diäthylenglykolweins" nicht bestanden.
Schließlich bekämpft der Angeklagte die Abweisung einer Vielzahl von Anträgen (Band X S. 419 ganz unten, 420), die dem Nachweis dienen sollten, daß zulässige Verwertungsmöglichkeiten hinsichtlich der vom Faktum I erfaßten Verkaufsmengen einen Durchschnittserlös von 1 S pro Liter versprechen. Dabei verkennt er, daß bei der Ermittlung des Betrugsschadens nicht von nachträglich (erst aus Anlaß des "Weinskandals") im Zusammenwirken von staatlichen Stellen und der Privatwirtschaft eröffneten Verwertungsmöglichkeiten (siehe oben), sondern davon auszugehen ist, daß die gegenständlichen Flüssigkeitsmengen zur Zeit ihres Verkaufs in zumutbarer Weise wirtschaftlich nicht verwertbar, sondern mangels eines wertbegründenden Konsumenteninteresses (im Zusammenhalt mit der jederzeitigen Gefahr der Beschlagnahme als verkehrsunfähig und der darnach gegebenen Unverwendbarkeit) damals wertlos waren (vgl. EvBl 1987/22, 1987/39, 1987/36; 12 Os 102/86, 11 Os 176/86). Schon aus diesem Grund kam dem in den Beweisanträgen (s.o.) angeführten Beweisthema keine Bedeutung zu.
Zu § 281 Abs 1 Z. 5 StPO.:
Die Urteilsfeststellung, wonach bislang bekannt gewordene Manipulationen bei Wein u.a. der "Verbesserung" von "kleinen" Weinen im Sinn einer geschmacklichen Abrundung mittels Zusatzes von geringen Mengen (unter ein Gramm pro Liter) Diäthylenglykol oder Trockensirup dienten (Band X S. 461), ist durch den Akteninhalt gedeckt. Sie stellt die (weitgehend wörtliche) Wiedergabe von Ausführungen des Sachverständigen Dr. Josef P*** (Band X S. 393) dar, welche generell die bei Manipulationen mit Wein verfolgten Zielsetzungen betreffen, also keineswegs fallbezogen sind. Somit berührt sie aber keine entscheidungswesentliche Tatsache (Z. 5). Mit der Rüge, die betreffende Urteilsannahme sei überdies unzureichend, undeutlich, unvollständig und widerspruchsvoll begründet, wird daher der Nichtigkeitsgrund (Z. 5) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht.
Im übrigen beschränkt sich der Angeklagte in seinen weiteren Ausführungen zur Mängelrüge darauf, seiner Verantwortung (Band X S. 409), er "glaube" bzw. "habe das Gefühl gehabt", daß Dr. L*** "vom Glykol weiß", den Bedeutungsinhalt zu unterstellen, er habe angesichts der angeblichen Duldung dieser Praxis durch einen hohen, geraume Zeit mit der Leitung und Kontrolle des österreichischen Weinexports befaßt gewesenen Beamten weder mit Unrechtsbewußtsein noch mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Diese Interpretation seiner Verantwortung geht allerdings über deren Wortlaut und Sinngehalt weit hinaus, hat doch der Angeklagte darin nur die Vermutung grundsätzlicher Mitwisserschaft Dris. L*** von Manipulationen der gegenständlichen Art geäußert. Hiebei handelt es sich aber um keine - wegen ihrer Bedeutung für die Subsumtionsfrage oder für den anzuwendenden Strafsatz erörterungsbedürftige - Tatsachenbehauptung.
Zu § 281 Abs 1 Z. 10 StPO.:
Der Rechtsrüge des Angeklagten, die auf eine Beurteilung auch der Urteilstat I nach § 45 Abs 1 lit b WeinG. 1961 (in der vor dem Inkrafttreten der Weingesetznovelle 1985 BGBl. 273 geltenden Fassung) abzielt, ist zwar darin beizupflichten, daß sich die Wertlosigkeit der durch Beimengung von Diäthylenglykol zum Wein entstandenen Flüssigkeit nicht bereits aus deren Verkehrsunfähigkeit (§ 44 WeinG. 1961) ergibt, es vielmehr auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit (zur Tatzeit) ankommt (siehe oben zur Z. 4; vgl. EvBl 1987/36, 12 Os 102/86, 11 Os 176/86, JBl 1981 S. 217, EvBl 1987/39). Ungeachtet dessen, daß diese Rechtslage nicht überall klar zum Ausdruck kommt, enthalten aber die Entscheidungsgründe die zur verläßlichen Beurteilung des Eintritts und der Höhe des Vermögensschadens hinreichende Tatsachenfeststellung, wonach die erwähnte Flüssigkeit aus Wein und Diäthylenglykol nicht nur als "Genußmittel" keine Abnehmer gefunden hätte, sondern auch für keine andere wirtschaftliche Verwendung in Betracht gekommen wäre (Band X S. 485, 507, 513, zweiter Absatz, bis 517, erster Absatz). Von diesen Annahmen tatsächlicher Natur weicht der Beschwerdeführer ab, wenn er die Flüssigkeit unter Hinweis auf die Unrichtigkeit der in der Öffentlichkeit durch Medienberichte erzeugten Vorstellung gesundheitlicher Gefahren als wirtschaftlich verwertbar bezeichnet. Er bringt daher den angezogenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Gleiches gilt für die Ausführungen zur subjektiven Tatseite, in welchen sich der Beschwerdeführer über die Feststellung des (im § 146 StGB. gar nicht vorausgesetzten) Wissens (§ 5 Abs 3 StGB.) des Angeklagten um die wirtschaftliche Wertlosigkeit der von ihm als Wein verkauften Ware (Band X S. 485 letzter Absatz, S. 517 zweiter Absatz) hinwegsetzt. Als zwar gesetzmäßig, inhaltlich aber nicht berechtigt erweist sich das (zum Teil bereits unter Z. 4 erstattete) Vorbringen, die Beurteilung des Verkaufs von durch unzulässige Zusätze verfälschtem und deshalb verkehrsunfähigem Wein als Betrug sei eine rechtsirrige Abkehr von der vor dem "Weinskandal" solche Taten stets als Vergehen nach § 45 Abs 1 lit b WeinG. a.F. wertenden Judikatur. Schon die frühere Rechtsprechung (insbesondere SSt. 48/5; JBl 1981 S. 217) hat nämlich die Lösung der Rechtsfrage, ob der Verkauf verkehrsunfähigen "Weines" den Tatbestand des Betrugs oder den diesem gegenüber subsidiären des § 45 Abs 1 lit b WeinG. (1961) verwirklicht, nicht davon abhängig gemacht, ob "nur" verfälschter (§ 42 WeinG. 1961) oder nachgemachter Wein (§ 43 WeinG. 1961) verkauft wurde. Zu Recht wurde vielmehr darauf abgestellt, ob die Täuschung eine mit dem Verlust an Vermögenssubstanz verbundene Verfügung herbeigeführt hat und ob dies - ebenso wie die korrelierende unrechtmäßige Bereicherung - vom Vorsatz des Täters umfaßt gewesen ist. Kommt es demnach auf den Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens des Betrugsopfers (jeweils unmittelbar) vor und nach der täuschungsbedingten Verfügung an, dann entsteht aus dem betrügerischen Verkauf wertloser Ware ein Vermögensschaden in der Höhe des dafür beglichenen Kaufpreises. Die Bewertungsmethode des Beschwerdeführers, welcher der von den Verkäufern erworbenen Flüssigkeit noch den Wert des "Grundweines" zuschreiben will, ist rechtlich unhaltbar, weil sie auf den nach dem Gesagten unmaßgebenden Wert des Weins vor der Verfälschung statt auf dessen Wertlosigkeit zur Zeit des Verkaufs abstellt (siehe erneut EvBl 1987/36). Schließlich wird vom Nichtigkeitswerber eine Tangierung der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB. durch allfällige schadensmindernde Umstände nirgends behauptet und ist bei dem Schadensumfang auch in keiner Weise denkbar.
Nur bei Richtigkeit seiner Methode käme aber dem vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand mangelnder Individualisierung der manipulierten Weine (womit er der Sache nach nicht den Nichtigkeitsgrund der Z. 3, sondern einen rechtsirrtümlichen Feststellungsmangel betreffend den Diäthylenglykolgehalt von Teilmengen geltend macht) Berechtigung zu. Der hier anknüpfende - sachlich auf die Z. 5 (Unvollständigkeit der Urteilsbegründung) gestützte - Einwand, es sei mangels Differenzierung zwischen den an einzelne Abnehmer verkauften Mengen die Entkräftung des Anklagevorwurfs hinsichtlich einer Teilmenge des an die Firma Münchner Weinimport Herold B*** KG gelieferten Weins, die gar nicht seinen Betrieb durchlaufen habe, überhaupt nicht erörtert worden, ist gleichfalls unberechtigt: Die direkte Lieferung dieser Teilmenge von der Winzergenossenschaft Mönchhof an das Münchner Unternehmen stellt nach der Aktenlage kein gegen eine Manipulationsmöglichkeit des Angeklagten sprechendes - ihn insoweit entlastendes - Indiz dar (siehe insbesondere die Aussage des Zeugen Johann W*** Band X S. 384 f. über die intensive Beschäftigung des Angeklagten mit der im Keller der Winzergenossenschaft Mönchhof für den Export gelagerten Weinmenge; auch die Aussage des Zeugen Armin T*** Band X S. 334 ff. sowie die Verantwortung des Angeklagten Band X S. 367; vgl. ferner Band X S. 389 Mitte). In Anlehnung an die bzw. in Übernahme der Ausführungen Burgstallers in RZ. 1987, Heft 2, wendet der Angeklagte schließlich ein, die auf der (Sachverhalts-) Feststellung der Unbrauchbarkeit und der Wertlosigkeit des Diäthylen-Weingemischs beruhende Schadensberechnung, vom Bezug einer bestimmten Menge dieser Chemikalie auf die Menge des damit bei Annahme eines bestimmten Durchschnittsgehalts an Diäthylenglykol verfälschten Weins zu schließen, führe zu sinnwidrigen Ergebnissen, weil der Beschuldigte in solchen Fällen bestrebt sein werde, durch Behauptung eines möglichst hohen Diäthylenglykolgehalts die ihm nachweisbare Verkaufsmenge so gering wie möglich zu halten. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Richtigkeit einer materiellrechtlichen Lösung durch den Einwand, Angeklagte könnten ihre Verantwortung entsprechend anpassen, nicht in Frage gestellt erscheint. Im übrigen wäre einer solchen Prozeßtaktik durch Verwertung anderer Verfahrensergebnisse, insbesondere der aus der Analyse beschlagnahmter Weine gewonnenen Erkenntnisse, wirksam zu begegnen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
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