Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A 2 bis 4 und im Ausspruch über die Verhängung einer Freiheitsstrafe aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.Juli 1952 geborene Manfred M***, der im Weinwirtschaftsunternehmen seines Vaters angestellt war, A/ des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB, B/ des Vergehens nach dem § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961 und C/ des Vergehens nach dem § 45 Abs. 1 lit. a und b WeinG 1961 schuldig erkannt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur im Schuldspruch A/ mit dem Ziel einer (Tat-) Unterstellung unter das Tatbild des § 45 Abs. 1 lit. b WeinG. Im angefochtenen Schuldspruch wegen Betruges liegt dem Angeklagten zur Last, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung des schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine Reihe von Personen durch Täuschung über Tatsachen zum Ankauf von Weinen verleitet zu haben, wodurch die Käufer oder jedenfalls die Letztverbraucher an ihrem Vermögen einen 100.000 S weit übersteigenden Schaden erlitten, und zwar 1./ in den Jahren 1979 bis Anfang August 1985 durch Täuschung darüber, daß Weine in einer Menge von zumindest insgesamt 1,248.000 l durch Zusatz von Diethylenglycol (DEG) verkehrsunfähig und "daher" wertlos waren (Schade: 5,056.500 S - A/1/a/ und b/ des Schuldspruchs), 2./ in der Zeit von Sommer 1982 bis Sommer 1985 durch Täuschung darüber, daß Flaschenweine in einer Gesamtmenge von 360.000 l durch Zusatz verbotener Sterilmittel (überwiegend Natriumacid, zum geringen Teil auch Monobromessigsäure) verkehrsunfähig und "daher" wertlos waren (Schade: 2,480.000 S - A/2/ des Schuldspruchs), 3./ in der Zeit von 1975 bis Sommer 1985 durch Täuschung darüber, daß insgesamt 2,600.000 l zuvor geschmacklich minderentsprechende (Rot- und Weiß-) Weine durch Zugabe von Glycerin geschmacklich abgerundet worden waren, wobei Rotweine zum Teil mit Weißwein verschnitten und durch Zugabe von Önozyanin sowie Weißweine durch Zugabe von Zuckercouleur kräftiger gefärbt wurden (Schade: 300.000 S - A/3/ des Schuldspruchs), und 4./ von Mitte 1984 bis Sommer 1985 durch Täuschung darüber, daß ca. 100.000 l Rotwein zum Teil mit Weißwein verschnitten und durch Zugabe von Önozyanin dunkler gefärbt worden waren (Schade: ca. 20.000 S - A/4/ des Schuldspruchs).
Das gesamte Beschwerdevorbringen gipfelt in bezug auf die Frage der Beurteilung des Verkaufes von verkehrsunfähigem Wein als Betrug oder als Vergehen nach dem WeinG in der Behauptung, daß das Erstgericht sich bei der Subsumtion der Tat auf eine von bisher gesicherter Judikatur abweichende jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung stütze. Dem ist folgendes zu erwidern:
Die behauptete Änderung der oberstgerichtlichen Judikatur trat in Wahrheit nicht ein: Für Verkauf von verkehrsunfähigem Wein waren auch nach der früheren Rechtsprechung (abgestellt auf das zur jeweiligen Tatzeit geltende Recht) sowohl der § 11 Z 4 LMG aF (vgl. SSt. 9/17; 21/8) als auch die Nachfolgebestimmung im § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961 (vgl. SSt. 52/20; JBl. 1981, 217) im Verhältnis zum (strenger bestraften) Betrug subsidiäre Auffangtatbestände, wie dies der Oberste Gerichtshof auch in letzter Zeit in vergleichbaren Anlaßfällen (neuerlich) mehrmals aussprach. Demnach bleibt für eine Anwendung des (hier der Tatzeit nach in Betracht kommenden) Tatbildes des § 45 Abs. 1 lit. b WeinG 1961 (ebenso wie des nunmehr geltenden § 61 Abs. 1 Z 3 WeinG 1985) auf Verkauf verkehrsunfähigen Weines dann kein Raum, wenn der Verkauf sämtlichen Tatbestandsmerkmalen des (schwerer bestraften) Betruges (§§ 146 ff StGB) entspricht (EvBl. 1987/22; 36; 39 = 12 Os 28/86; 10 Os 33/86; 9 Os 93/86; nv 12 Os 102/86; 11 Os 176/86; vgl. auch Burgstaller, RZ 1987, 28). Es kommt also darauf an, ob der Täter bei solchem Verkauf den Käufer (mit Bereicherungs-, Täuschungs- und Schädigungsvorsatz - § 5 Abs. 1 StGB) über die Mängelfreiheit der Ware täuschte (oder zu täuschen versuchte) und diese Irrtumserregung (mit-)kausal für die - im Kauf und in der Bezahlung des Kaufpreises gelegene - (selbst-)schädigende Vermögensverfügung des Käufers war (oder hätte sein sollen).
Der Beschwerdeführer übergeht die Tatsachenfeststellung im Ersturteil, wonach die mit Diethylenglykol (DEG) versetzten Weine (wirtschaftlich) wertlos waren (A/1/ des Schuldspruchs), sodaß die Käufer keine vermögenswerte Gegenleistung für den Kaufpreis erhielten und in dessen voller Höhe geschädigt wurden. Für die - wenigstens bedingt vorsätzliche (§ 5 Abs. 1 StGB) - Täuschung (als Betrugsvoraussetzung) genügt vorliegend das dem Angeklagten angelastete bewußte Verschweigen des Zusatzes von DEG (vgl. auch Burgstaller, aaO, 29). Entgegen den Beschwerdeeinwendungen enthält das Ersturteil nicht nur die Feststellung des Schädigungsvorsatzes, sondern auch jene des - den genannten Kriterien
entsprechenden - Täuschungsvorsatzes des Angeklagten sowie der Kausalität zwischen Täuschung und irrtumsbedingter Vermögensverfügung der Käufer der durch den Zusatz von DEG wertlosen Weine (vgl. S 8 f, 14 f der Urteilsausfertigung). Der Vorwurf eines Feststellungsmangels (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) zu den beiden letzten Betrugsvoraussetzungen geht daher fehl. Angesichts der wirtschaftlichen Wertlosigkeit (vgl. S 254/II dA) der Weine mit DEG-Zusatz (A/1/ des Schuldspruchs) bedurfte es für die Annahme des notwendigen Kausalzusammenhanges - nach Lage dieses Falles - keiner weiteren Begründung in tatsächlicher Hinsicht; hiefür reichte die (beweiswürdigende) Erwägung des Erstgerichtes aus, es habe sich im Verfahren kein Hinweis dafür ergeben, daß die Käufer die Weine auch in Kenntnis des erwähnten, ihre Wertlosigkeit bedeutenden Mangels (DEG-Gehalt) erworben hätten, was auch jeglicher Lebenserfahrung widerspräche. Es liegt daher auch der in der Beschwerde in diesem Punkt (A/1/) behauptete formale Begründungsmangel nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht unterstellte den Verkauf der Weine mit DEG-Zusatz (A/1/) sohin rechtsrichtig dem Tatbild des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB, weshalb sich die - überdies teils nicht gesetzmäßig ausgeführte - Nichtigkeitsbeschwerde gegen diesen Schuldspruch als nicht berechtigt erweist.
Anders verhält es sich mit den weiteren angefochtenen Schuldsprüchen A/2/ bis 4/, in denen dem Angeklagten zwar auch der Verkauf verkehrsunfähiger, weil verfälschter Weine (§§ 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 lit. e WeinG 1961) zur Last liegt, ohne daß aber in den Gründen des Ersturteils - so wie in bezug auf die Weine mit DEG-Gehalt - eine wirtschaftliche Wertlosigkeit festgestellt wurde (vgl. insbesondere S 14 f der Urteilsausfertigung). Eine solche - völlige - Wertlosigkeit der von den Schuldsprüchen A/3/ und 4/ (in denen dem Angeklagten ein seinem Gewinn entsprechender Differenzschade angelastet wird) erfaßten verschnittenen und durch Zugabe von Färbungsmitteln sowie teils auch von Glycerin verfälschten Weine wurde sogar ausdrücklich verneint (S 15 der Urteilsausfertigung).
Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kann insbesondere mangels einer Feststellung der Wertlosigkeit der Produkte - im Sinn des Fehlens eines verkehrswertbegründenden (Wein-) Konsumenteninteresses (vgl. EvBl. 1987/36) - in den Fällen A/2/ bis 4/ des Schuldspruches, in denen es nicht um Weine mit DEG-Gehalt geht, die tatrichterliche (Urteils-) Begründung für den in der Frage zumindest einer Mitverursachung der schädigenden Vermögensverfügung durch Täuschung maßgebenden, tatsächlichen Motivationsprozeß der Getäuschten nicht ausreichen (EvBl. 1987/36; Kienapfel, BT II, § 146, RN 106 f; Burgstaller, aaO, 29): Angesichts der Art der in Rede stehenden Verfälschungen der Weine (durch Zusatz verbotener Konservierungs- bzw. Färbemittel oder von Glycerin) ist - nach allgemeiner Lebens- und Gerichtserfahrung - nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret nicht von vornherein und ungeprüft auszuschließen, daß die Erwerber die Produkte auch bei Kenntnis der Mängel um den verlangten Preis bezogen hätten.
Wegen dieses Begründungsmangels in den Fakten A/2/ bis 4/ ist insoweit eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz unumgänglich. Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht nicht nur nähere Feststellungen zur Frage der Wertlosigkeit der Weine (zu Faktum A/2/ bleibt auch die Frage der Gesundheitsgefährlichkeit zu prüfen) bzw. eines ökonomischen Minder-(Verkehrs-)Wertes zu treffen haben; es wird, sofern im Hinblick auf die Höhe der Verkaufspreise (vgl. ua S 8 der Urteilsausfertigung) überhaupt (objektiv) eine Vermögensschädigung eintrat oder eintreten konnte, auch zu beachten haben, daß bei Annahme des im Sinn des § 146 StGB tatbestandsmäßigen Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatzes des Täters dann, wenn das Tatverhalten nicht kausal zur Schädigung der Abnehmer der verfälschten Weine geführt haben sollte, jedenfalls Versuch (§ 15 StGB) des Betruges in Betracht kommt (EvBl. 1987/36; Burgstaller, aaO, 29).
Somit war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred M*** teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Schuldsprüchen A/2/ bis 4/ und im Ausspruch über die Verhängung einer Freiheitsstrafe aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 1 StPO die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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