OGH 6Ob570/87 (6Ob571/87)

OGH6Ob570/87 (6Ob571/87)25.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Theresia D***, geboren 21.Jänner 1955 in Inneraigen, Haushalt, 2870 Aspang, Inneraigen 23, vertreten durch Dr. Friedrich Rammel und Dr. Rudolf Rammel, Rechtsanwälte in Gloggnitz, wider die beklagte und widerklagende Partei Georg D***, geboren 16.April 1952 in Peisching, Landmaschinenhändler, 7201 Neudörfl, Hauptstraße 165 b, vertreten durch Dr. Günther Csar, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Ehescheidung, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1986, GZ 11 R 258/86-48, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 14.Juli 1986, GZ 2 b Cg 539/86-44, im Verschuldensausspruch abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden und widerbeklagten Partei Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem abändernden Ausspruch dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit 9.430,85 S (darin enthalten 857,35 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 1.März 1975 vor dem Standesamt Wiener Neustadt die beiderseits erste Ehe geschlossen. Ihr entstammt der am 12. Mai 1975 geborene Sohn Georg. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger; ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Neudörfl.

Die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden: Klägerin) begehrte mit der am 4.Februar 1985 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten und Widerklägers (im folgenden: Beklagter). Sie brachte vor, die Ehe sei von Anfang an nicht gut verlaufen. Der Beklagte habe sich herrisch und aufbrausend verhalten und die Klägerin immer wieder geschlagen und beschimpft. Er habe mit der Schwester der Klägerin und mit Regina M*** die Ehe gebrochen. Überdies habe er die Klägerin mehrfach mit dem Umbringen bedroht und auch ihre Verwandten beschimpft und bedroht. Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen, stellte in der Folge einen Mitschuldantrag und erhob schließlich am 27. März 1986 Widerklage auf Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin. Den Mitschuldantrag stützte er darauf, daß die Klägerin in der Absicht, ihn wirtschaftlich zu ruinieren, behördliche Zustellungen und sonstige Korrespondenz an ihn nicht weitergeleitet, Wechsel und Schecks ohne Zeichnungsberechtigung unterfertigt und die Vollmachtskündigung seines Steuerberaters verschwiegen habe. Weiters habe sie ihm ein Glas Bier ins Gesicht geschüttet und auch mit dem Glas gegen sein Gesicht gestoßen. Sie habe den Beklagten mehrmals mit dem Besenstiel im Bett verprügelt, den Haushalt vernachlässigt und den Beklagten mit dem Vergiften bedroht.

Mit der Widerklage machte der Beklagte geltend, daß die Klägerin seit Ende 1985 zu Franz L*** ehewidrige Beziehungen unterhalte. Auch meide sie den Kontakt zum ehelichen Sohn Georg und vernachlässige diesen gröblich. Schließlich habe sie den Versuch unternommen, den Beklagten zu provozieren und seine Reaktionen auf Tonband aufzunehmen, um diese dann verfälscht dem Gericht vorzulegen. Das Erstgericht schied auch im zweiten Rechtsgang die Ehe und sprach aus, daß den Beklagten das überwiegende Verschulden treffe.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Anlaß der Eheschließung der Streitteile, die bereits rund zwei Jahre zusammengelebt hatten, war die Schwangerschaft der Klägerin mit dem am 12.Mai 1975 geborenen Sohn Georg. Die Ehegatten lebten damals in Wiener Neustadt. Der Beklagte begann ab August 1975 mit einem PKW-Handel und ab 1977 mit dem Landmaschinenhandel. Ohne daß die Klägerin dies gelernt oder sonst eine kaufmännische Ausbildung erhalten hätte, arbeitete sie im Betrieb des Beklagten mit und erledigte dort zum Großteil die kaufmännischen Belange, insbesondere die Buchhaltung.

Während der Schwangerschaft der Klägerin, noch vor der Eheschließung, nahm der Beklagte ein Verhältnis mit ihrer Schwester Maria K*** auf, welches bis zum Sommer 1982 andauerte. Maria K*** zog 1978 in die Ehewohnung der Streitteile ein. Sie schlief dort im ehelichen Schlafzimmer auf einer Bettbank, später in der Küche und dann im Eßzimmer. Als die Streitteile im Dezember 1981 in das von ihnen gebaute Haus in Neudörfl übersiedelten, kam auch Maria K*** mit und wohnte dort in der Mansarde.

Als die Klägerin 1978 vom Verhältnis des Beklagten zu ihrer Schwester Kenntnis erhielt, wollte sie sich scheiden lassen und fuhr zu ihren Eltern nach Inneraigen. Der Beklagte holte sie aber unter einem Vorwand in die eheliche Wohnung und schlug sie dort mit einem Hosenriemen oder Kabel so lange, bis sie schließlich "einwilligte", zu ihm zurückzukehren und auf etwaige Scheidungspläne zu "verzichten". Dabei zerschnitt oder zerriß ihr der Beklagte auch die Kleider und Schuhe. Die Klägerin erlitt damals Verletzungen mit etwa 14 Tage hindurch sichtbaren Spuren. Sie und ihre Schwester blieben daraufhin weiter beim Beklagten, obwohl beide von ihm weiterhin geschlagen wurden. Maria K*** geschah dies insbesondere auch dann, wenn sie sich weigerte, mit dem Beklagten geschlechtlich zu verkehren.

Die Klägerin hat die bis zum Sommer 1982 fortgesetzten Ehebrüche wohl ihrer Schwester, nicht aber dem Beklagten verziehen. Sie erfuhr etwa im Frühjahr 1983 von seinem Verhältnis mit Regina M*** und überraschte die beiden um die Jahreswende 1983/84 bei einem Geschlechtsverkehr im Wohnzimmer der Ehewohnung. Der Beklagte setzte dieses Verhältnis mit Regina M*** zumindest bis zum 5.Juni 1985 fort.

Im Zuge der häufigen Streitigkeiten zwischen den Eheleuten bedrohte der Beklagte die Klägerin und Maria K*** am Christtag des Jahres 1983 mit dem Umbringen, schlug die Beiden und beschimpfte sie mit den von ihm auch sonst verwendeten Worten "Drecksau", "Hure" und "Gesindel". Aus Anlaß eines Streites über die im Juli 1984 während eines Auslandsaufenthaltes des Beklagten erfolgte Übersiedlung der Maria K*** von Neudörfl zu ihren Eltern nach Inneraigen bedrohte der Beklagte die Klägerin neuerlich mit dem Umbringen. In beiden Fällen war nicht feststellbar, ob der Beklagte seine Drohungen mit einer Waffe (einer geladenen Pistole) unterstrichen hat, ebensowenig, daß der Beklagte dabei auch Drohungen gegen seine Schwiegereltern oder deren Familienangehörige ausgestoßen hätte. Im Laufe des Jahres 1984 entschloß sich die Klägerin, den Beklagten wirtschaftlich zu ruinieren. Sie teilte diesem auch mit, daß sie dann, wenn er sein Verhältnis mit Regina M*** nicht aufgebe, im Büro keinerlei Arbeiten mehr verrichten werde. Tatsächlich führte sie auch die Buchhaltung nicht mehr weiter. Sie vernichtete oder versteckte Buchhaltungsunterlagen und unterdrückte im April 1984 das Schreiben des Steuerberaters des Beklagten, Dkfm.Bollenberger, vom 18.April 1984, mit welchem das ihm vom Beklagten erteilte Vollmachtsverhältnis gekündigt wurde, vor dessen Kenntnisnahme dadurch, daß sie dieses Schreiben dem Beklagten nicht zur Kenntnis brachte und vor ihm versteckte. Diesbezüglich liegt auch bereits eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung der Klägerin vom 10.April 1985 wegen des Vergehens der Verletzung des Briefgeheimnisses und der Unterdrückung von Briefen gemäß § 118 Abs.1 und 3 StGB vor.

Für die Jahre 1982 und 1983 kam es mangels einer Abgabe der erforderlichen Steuererklärungen zu einer Gewinnschätzung durch die Finanzbehörde und zur Vorschreibung einer Steuernachzahlung von insgesamt 200.000 S für den Beklagten. Buchhaltungsbelege für das Jahr 1984 fehlten überhaupt, was auch den Steuerberater Dkfm. Bollenberger zur Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Beklagten veranlaßt hatte. Dessen neuer Steuerberater Hans Peter Frank fand anläßlich der Übernahme der Vertretung zerrissene Belege, Lastschriftanzeigen etc. und sogar Papierschnitzel in Nylonstrümpfen in einem Karton vor. Die Abgabenverbindlichkeiten führten zu einem Liquiditätsengpaß im Unternehmen des Beklagten und dazu, daß dieser in ernste finanzielle Schwierigkeiten gebracht wurde. Es gelang ihm aber, durch eine Ausweitung des Kreditrahmens und der Aufnahme einer Hypothek auf das Haus die finanzielle Situation wieder zu stabilisieren.

Die Klägerin löste zwei mit dem Namenszug des Beklagten unterfertigte Schecks vom 14.März und 26.April 1984 mit den Beträgen von 2.200 S und 38.000 S bei der Z-Hauptzweigstelle Sauerbrunn ein und behob dort überdies am 23.Oktober 1984 einen Betrag von 20.000 S, wobei sie mit ihrem Namen quittierte. Feststellbar war weder, ob die Klägerin diese Schecks mit dem Namen des Beklagten gezeichnet hat, ob dies im Einverständnis mit ihm oder in seinem Auftrag erfolgte, noch welcher Verwendung diese Beträge von der Klägerin zugeführt worden sind. Jedenfalls hat die Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien am 30.April 1985 dem Konto des Beklagten einen Betrag von 68.531,75 S mit folgendem Buchungstext gutgebracht:

"Rückbuchung der von Frau Theresia D*** behobenen Schecks (Unterschriftsfälschung) plus anteiliger Zinsen und Überziehungsprovision".

Überdies unterschrieb die Klägerin drei Wechsel vom 22.August, 23. August und 19.November 1984 über Wechselsummen von 18.500 S, 39.597,17 S und 8.800 S mit dem Namen des Beklagten, ohne daß hiezu dessen Einverständnis vorgelegen hätte.

Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt schüttete die Klägerin dem Beklagten ein Glas Bier ins Gesicht. Nicht erweislich war, daß sie dabei dem Beklagten auch das Glas in das Gesicht geschlagen hätte. Desgleichen konnte nicht festgestellt werden, daß die Klägerin den Beklagten mit einem Besenstiel geschlagen oder daß sie versucht hätte, ihn zu vergiften.

Der Beklagte erlaubte der Klägerin, zu der am 10.November 1984 stattfindenden Hochzeit ihres Bruders zu fahren, verlangte jedoch, daß sie spätestens um 21 Uhr 30 zu Hause sei. Als die Klägerin erst um etwa 1 Uhr früh des folgenden Tages heimkam, war das Schlafzimmer versperrt und sie mußte sich in das Kinderzimmer legen. Der erst nach ihr heimkehrende Beklagte riß sie aus dem Bett, warf sie zu Boden und schlug und beschimpfte sie vor dem Sohn, weil sie nicht rechtzeitig zu Hause gewesen sei. Anschließend mißhandelte der Beklagte die Klägerin im Schlafzimmer weiter und zerschnitt ihr dabei auch das aus Anlaß der Hochzeit neu gekaufte Kleid. Daraufhin faßte die Klägerin den Entschluß, die Ehe mit dem Beklagten nicht mehr fortzusetzen und mit ihrem Sohn zu ihren Eltern nach Inneraigen zu ziehen. Sie führte diesen Entschluß am 25.Jänner 1985 aus, als sie wegen der gegen den Beklagten auf Grund einer Anzeige ihrer Schwester durchgeführten Gendarmerieerhebungen Mißhandlungen und Drohungen durch ihn befürchten mußte. Bis dahin war es zwischen den Streitteilen immer wieder zu einem Geschlechtsverkehr gekommen, in den auch die Klägerin freiwillig eingewilligt hatte. Gelegentlich wurden solche Geschlechtsverkehre aber auch - etwa durch Schläge - vom Beklagten erzwungen.

Der Sohn Georg hatte während seines Aufenthaltes bei der Klägerin in Inneraigen keine besonderen schulischen Erfolge. Er befand sich auch sonst in einem vernachlässigten Zustand. Daß die Klägerin mit Franz L*** - einem Freund der Familie K*** - Zärtlichkeiten ausgetauscht oder mit ihm geschlechtlich verkehrt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die Klägerin geht nunmehr öfters aus und kommt erst spät bzw. früh (gegen 3 Uhr) wieder nach Hause.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß den Beklagten das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe, weil er mehrfachen Ehebruch begangen habe und sich darüber hinaus Mißhandlungen und Drohungen gegenüber der Klägerin habe zuschulden kommen lassen. Der Klägerin müsse zwar als Eheverfehlung angerechnet werden, daß sie Handlungen in der Absicht gesetzt habe, um dem Beklagten wirtschaftlich zu schaden, und daß sie darüber hinaus auch eine gewisse Vernachlässigung des Sohnes Georg zu verantworten habe. Bei der Verschuldensabwägung sei aber zu berücksichtigen, daß die wirtschaftlich schädigenden Handlungen der Klägerin großteils als Reaktionshandlungen auf den Ehebruch des Beklagten mit Regina M*** gesehen werden müßten, sodaß das überwiegende Verschulden dem Beklagten anzulasten sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß das Verschulden beide Ehegatten (zu gleichen Teilen) treffe. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte aus:

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile sei auf das Gesamtverhalten der Streitteile und vor allem darauf Bedacht zu nehmen, wer mit der Zerrüttung begonnen habe und wodurch sie unheilbar geworden sei. Dabei seien auch bereits verziehene Eheverfehlungen mitzuberücksichtigen. Der Ehebruch als schwerste Eheverfehlung wiege im allgemeinen besonders schwer. Der Beklagte habe durch sein ehebrecherisches Verhalten, welches ihm die Klägerin keineswegs verziehen habe, sowie durch die Bedrohungen und Mißhandlungen der Klägerin mit der Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht, was schließlich auch zum Auszug der Klägerin aus der ehelichen Wohnung und damit zur endgültigen Zerrüttung geführt habe. Diesem schwerwiegenden Fehlverhalten des Beklagten stünden aber auch gravierende Eheverfehlungen der Klägerin gegenüber. Diese habe Anfang 1984 beschlossen, den Beklagten wirtschaftlich zu ruinieren, und zu diesem Zwecke auch die im einzelnen festgestellten Handlungen gesetzt. Hiedurch habe sie bewußt versucht, die wirtschaftliche Existenz des Beklagten zu vernichten. Es sei ihr auch gelungen, den Beklagten in ernste finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Auch wenn es sich hiebei offensichtlich um einen Racheakt auf die ihr zuvor vom Beklagten zugefügten schweren Ehekränkungen handle, so könne dies die Gefährdung der Lebensinteressen des Beklagten nicht rechtfertigen. Hingegen könne die gewisse Vernachlässigung der Obsorge für den ehelichen Sohn Georg durch die Klägerin nach der endgültigen Zerrüttung nicht mehr entscheidend ins Gewicht fallen. Bei der erforderlichen Abwägung des Fehlverhaltens der Ehegatten trete keiner der beiden Verschuldensanteile so augenscheinlich hervor, daß er die Anlastung des überwiegenden Verschuldens an der Zerrüttung gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich beide Streitteile mit ihren Revisionen, und zwar die Klägerin aus dem Anfechtungsgrund nach § 503 Abs.1 Z 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles. Der Beklagte macht die Revisionsgründe nach § 503 Abs.1 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und stellt den Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne des Ausspruches des Alleinverschuldens der Klägerin an der Ehescheidung, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt, nicht jedoch diejenige des Beklagten.

Die vom Beklagten geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles wurden geprüft. Sie liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO). Soweit der Beklagte aber angebliche Verfahrensmängel erster Instanz aufzuzeigen versucht, die schon das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete, können solche im Scheidungsstreit nicht mehr mit Revision gerügt werden, weil nach § 460 Z 4 ZPO in der Fassung des Bundesgesetzes vom 11.November 1983, über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts, BGBl. Nr.566, nur mehr im Verfahren über die Nichtigkeit oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe die Offizialmaxime besteht (1 Ob 669,670/85, 6 Ob 503/86, 1 Ob 538/86). Die angeblich dem Erstgericht unterlaufenen Aktenwidrigkeiten sind vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden. Er kann sie daher im Revisionsverfahren nicht mehr nachtragen (JBl.1959, 458), und zwar auch nicht im Eheverfahren (EFSlg.23.153, 39.269, 7 Ob 719,720/86).

Im übrigen können die Rechtsmittel gemeinsam erledigt werden, weil der Beklagte den Ausspruch des alleinigen, zumindest aber des überwiegenden Verschuldens der Klägerin begehrt und diese den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten anstrebt. Wenn der Beklagte allerdings in seiner Revision die Auffassung vertritt, sein über sieben Jahre lang andauerndes ehebrecherisches Verhältnis zur Schwester der Klägerin dürfe bei der Verschuldensabwägung überhaupt nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin diesen Ehebruch im Sinne des § 47 Abs.2 EheG ermöglicht bzw. erleichtert habe, so ist er vorweg darauf zu verweisen, daß nur derjenige Ehepartner den Ehebruch des anderen "absichtlich" ermöglicht oder erleichtert, der einen solchen Ehebruch geradezu bezweckt, dem es also geradezu darauf ankommt, diesen Ehebruch zu ermöglichen oder zu erleichtern (EFSlg.8483, 10.206, 24.926, 38.669, 41.173). Davon kann aber nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen keine Rede sein. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang von einer "Verzeihung" durch die Klägerin ausgeht, ist die Rechtsrüge der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil ausdrücklich eine gegenteilige Tatsachenfeststellung vorliegt. Schließlich ist dem Beklagten auch entgegenzuhalten, daß aus der festgestellten Tatsache, es sei zwischen den Streitteilen bis zum Auszug der Klägerin am 25.Jänner 1985 immer wieder zu einem Geschlechtsverkehr gekommen, in den auch die Klägerin freiwillig eingewilligt habe, gelegentlich seien diese Geschlechtsverkehre aber auch vom Beklagten - etwa durch Schläge - erzwungen worden, noch keine Verzeihung seines ehebrecherischen Verhältnisses zu Regina M*** abgeleitet werden kann. In der Vollziehung eines Geschlechtsverkehrs ist nämlich eine Verzeihung im Sinne des § 56 EheG nur dann zu erblicken, wenn aus dem Gesamtverhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, daß er dadurch unzweideutig zum Ausdruck bringen wollte, die Eheverfehlungen des anderen nicht mehr als solche zu empfinden (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 56 EheG; EFSlg.29.601, 36.376, 38.763, 48.805, 48.806; Rz 1978/51 u.v.a.). Davon kann, abgesehen davon, daß der Beklagte den Geschlechtsverkehr mit der Klägerin gelegentlich auch erzwungen hat, schon deshalb keine Rede sein, weil sie nach den Feststellungen von ihm verlangt hat, daß er sein Verhältnis mit Regina M*** aufgebe. Im übrigen übersieht der Beklagte, daß er neben den fortgesetzten Ehebrüchen auch noch andere schwere Eheverfehlungen setzte (vgl. etwa sein Verhalten anläßlich der Hochzeit des Bruders der Klägerin), sodaß gemäß § 59 Abs.2 EheG auch verziehene Eheverfehlungen zur Unterstützung des Scheidungsbegehrens herangezogen werden könnten.

Nach § 60 Abs.2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles dann auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg.41.281 bis 41.284, 43.691, 46.243 u.v.a.), sodaß es subtiler Abwägungen nicht bedarf (Schwind, Eherecht2, 251). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (EFSlg.43.684, 46.230, 46.231, 48.815, 48.816). Vor allem ist darauf Bedacht zu nehmen, welcher Ehegatte den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat und wie weit spätere Eheverfehlungen des einen Ehegatten Folge der bereits durch das Verschulden des anderen Ehegatten heraufbeschworenen Zerrüttung der Ehe waren (EFSlg.43.679, 46.234 bis 46.236, 48.818 bis 48.820; 1 Ob 583,584/86). Die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg.41.271, 43.677, 43.680; 1 Ob 669/86). Daß das schuldhafte Verhalten eines Teiles das des anderen nach sich gezogen hat, führt regelmäßig zur Annahme, daß dem Beitrag des ersteren größeres Gewicht beizumessen ist (EFSlg.38.780, 41.294, 41.295, 46.259, 48.838 u.a.). Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg.43.688, 46.237, 48.829). Es trifft zwar zu, daß der Ehebruch als schwerste Eheverfehlung gegen die eheliche Treuepflicht besonders schwer wiegt, dennoch kann er durch schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG ausgeglichen oder sogar übertroffen werden. Maßgeblich ist dabei, ob er vor der vollständigen Zerrüttung der Ehe oder erst nachher begangen wurde (EFSlg.41.285; 1 Ob 583,584/86).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall wird von der Revision der Klägerin zutreffend hervorgehoben, daß der Auffassung des Erstgerichtes beizupflichten ist, wonach der Beklagte durch sein Gesamtverhalten die Zerrüttung der Ehe nicht bloß eingeleitet, sondern zu deren Eintritt auch den maßgeblichen Beitrag geleistet hat. Er hat nämlich nicht nur von Anfang an jahrelang bis zum Sommer 1982 ehewidrige Beziehungen zur Schwester der Klägerin unterhalten, wobei diese sogar ab 1978 zu den Eheleuten gezogen war, sondern auch in der Folge ein Verhältnis mit Regina M*** aufgenommen und dieses entgegen dem erklärten Willen der Klägerin bis über den Zeitpunkt deren Auszuges aus der Ehewohnung fortgesetzt. Darüber hinaus hat der Beklagte die Klägerin immer wieder geschlagen und auf brutale Art und Weise mißhandelt, sie beschimpft und sogar mit dem Umbringen bedroht. Auf diese Weise hat er auch 1978, als die Klägerin von seinem Verhältnis zu ihrer Schwester erfuhr und sich scheiden lassen wollte, den Scheidungswillen der Klägerin mit Gewalt gebrochen. Die Klägerin mußte also ständig die Brutalität und Gewalttätigkeit des Beklagten fürchten. Dieser hat sich daher nicht nur des jahrelang fortgesetzten Ehebruches als schwerster Eheverfehlung schuldig gemacht, sondern er hat darüber hinaus durch die wiederholten Mißhandlungen und Bedrohungen der Klägerin weitere unentschuldbare, sehr schwere Eheverfehlungen begangen (vgl. EFSlg.29.521, 46.170). Wohl hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß auch die Klägerin, nachdem sie im Laufe des Jahres 1984 den Entschluß gefaßt hatte, den Beklagten wirtschaftlich zu ruinieren, nach den Feststellungen Handlungen begangen hat, die für sich allein betrachtet als sehr schwere Eheverfehlungen zu werten sind. Es hat dabei jedoch übersehen, daß dieses Verhalten der Klägerin erst eingesetzt hat, als die Ehe durch die vorangegangenen jahrelangen schwersten Verfehlungen des Beklagten bereits weitgehend zerrüttet war. Diese Verfehlungen des Beklagten, insbesondere die Tatsache, daß er von seiner ehewidrigen Beziehung zu Regina M*** nicht Abstand nahm, lösten das folgende ehewidrige Verhalten der Klägerin aus. Die Verfehlungen des Beklagten waren daher für die Entwicklung der Ehe wesentlich bedeutsamer als die Eheverfehlungen der Klägerin, weshalb die dieser anzulastenden schweren Eheverfehlungen dem Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten nicht entgegenstehen.

Es war daher in Stattgebung der Revision der Klägerin das angefochtene Berufungsurteil im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Verschuldensausspruches abzuändern. Hingegen mußte die Revision des Beklagten erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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