OGH 2Ob583/87

OGH2Ob583/8716.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Theodor S***, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Wiesingerstraße 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Renate F***, 1220 Wien, Sinagasse 1-19/1/7, wider die beklagten Parteien 1.) Katharina H*** GesmbH i.L., 1150 Wien, Diefenbachgasse 46, vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Franz M***, Kaufmann, 1120 Wien,

Koppreitergasse 8-10/11/1/5, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3,375.340,-- s.A., infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1987, Gz 2 R 125/86-39, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.März 1986, 11 Cg 25/84-35, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Renate F*** begehrte von den Beklagten die Bezahlung von S 3,375.340,-- s.A. Die Gemeinschuldnerin Renate F*** und Otto F*** hätten mit Kaufvertrag mit 21.8.1980 die ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft EZ 647 KG Hinterstoder um den Kaufpreis von S 5,500.000.-- an die Erstbeklagte, welche damals noch den Firmenwortlaut "Vera A*** Ges.m.b.H." führte, verkauft. Wegen Finanzierungsschwierigkeiten sei die Käuferin nicht in der Lage gewesen, den Kaufvertrag zu erfüllen. Deshalb sei am 11.12.1980 bzw. 20.1.1981 zwischen den Vertragspartnern eine Dissolutionsvereinbarung getroffen worden, womit der Kaufvertrag einvernehmlich aufgelöst wurde. Allen Ansprüchen der Verkäufer gegen die Erstbeklagte wegen Nichterfüllung des Vertrages sei der Zweitbeklagte als deren damaliger Geschäftsführer und Gesellschafter als Solidarschuldner beigetreten. Den Verkäufern sei trotz intensivster Bemühungen nicht gelungen, die Liegenschaft zu dem ursprünglich vereinbarten oder einem geringeren Kaufpreis zu veräußern. Am 21.4.1983 sei die Liegenschaft im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens um ein Meistbot von S 2,116.660,-- an den Ersteher zugeschlagen worden. Somit sei den Verkäufern ein Schaden in der Höhe des Differenzbetrages zum vereinbarten Kaufpreis im Betrag von S 3,383.340,-- entstanden. Otto F*** habe alle seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Konkursmasse zediert. Der Zweitbeklagte habe sich als Kaufmann zur Solidarhaftung mit der Erstbeklagten verpflichtet.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte - seit 14.11.1984 in Liquidation - bestritt nicht die Richtigkeit des Klagevorbringens über die Rechtsnachfolge, den Abschluß des Kaufvertrages und den Verzug der Käuferin. Sie bestritt auch nicht den Abschluß der Dissolutionsvereinbarung und stellte sich selbst auf den Standpunkt, daß der Kaufvertrag einvernehmlich aufgelöst wurde. Die Verkäufer hätten sich jedoch keine Schadenersatzansprüche vorbehalten. Die Liegenschaft hätte zu dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis veräußert werden können. Der Kläger habe gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, weil die Liegenschaft "verschleudert" wurde. Auch der Zweitbeklagte stellte den Abschluß des Kaufvertrages und dessen einverständliche Auflösung nicht in Abrede. Er behauptete jedoch eine Irreführung über den Wert und die Finanzierbarkeit des Kaufs der Liegenschaft. Die Verkäufer hätten mit Rücksicht auf geleistete Zahlungen für Strom- und Baukosten auf die Geltendmachung einer Schadenersatzforderung, deren Höhe mit S 25.000,-- beziffert wurde, verzichtet. Nach dem Parteiwillen sollten Schadenersatzansprüche bereinigt sein. Im übrigen wären Schadenersatzforderungen verjährt, weil das angeblich schädigende Ereignis die Aufhebung des Kaufvertrages war, welche im Dezember 1980 erfolgte.

Der Kläger replizierte auf die Verjährungseinwendung des Zweitbeklagten, daß die Verjährungsfrist erst mit der Zustellung des Schätzungsgutachtens, also nach dem 24.2.1981 oder mit dem Tag der Erteilung des Zuschlages, also am 21.4.1983, zu laufen begonnen habe. Vorher sei der Eintritt eines Schadens nicht bekannt gewesen, weil auch ein Meistbot von S 5,500.000,-- hätte erzielt werden können. Im übrigen habe die Erstbeklagte die Schadenersatzforderung schon im Jahre 1980 anerkannt. Da sich schließlich die Erstbeklagte am Verfahren nicht weiter beteiligte, werde ihr gegenüber die Anwendung des § 399 ZPO beantragt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen beide Beklagten ab. Es verwies auf die Außerstreitstellung des Klägers und des Zweitbeklagten, wonach der Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Kaufvertrages und des Zwangsversteigerungsverfahrens S 4,233.320,-- betrug, und stellte noch fest:

Der am 21.8.1980 zwischen Otto und Renate F*** einerseits und der Vera A*** Gesellschaft mbH andererseits abgeschlossene Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 647 KG Hinterstoder zum Preis von S 5,5 Mio. wurde am 11.12.1980 bzw. 20.1.1981 im Sinne des § 20 Grunderwerbssteuergesetz rückgängig gemacht. Dabei wurde einvernehmlich festgehalten, daß der Kaufvertrag als aufgehoben gilt. Otto F*** hat seine Ansprüche noch vor Einbringung der Klage der Masse abgetreten.

Rechtlich gelangte das Erstgericht - in der Annahme, daß von beiden Beklagten Verjährung eingewendet wurde - zu der Auffassung, daß die Verkäufer bzw. der Kläger ihren Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens durch Verjährung verloren hätten. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginne mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu welchem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kenne, daß seine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Diese Kenntnis sei im vorliegenden Fall ab dem 21.1.1981 gegeben gewesen, sodaß die am 24.2.1984 erhobene Klage nach dem Ablauf der Verjährungszeit eingebracht wurde. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen sei. Das Gericht zweiter Instanz führte zunächst aus, daß sich die Erstbeklagte am Berufungsverfahren nicht beteiligte und im übrigen in erster Instanz die Verjährung der Klageforderung nicht eingewendet hatte. Der Zweitbeklagte habe seine Verjährungseinwendung ausschließlich damit begründet, daß das "schädigende Ereignis" die (im Dezember 1980 erfolgte) Aufhebung des Kaufvertrages gewesen sei (ON 4) und der Kläger zur Abwendung der Verjährungsfolgen eine Feststellungsklage hätte einbringen können. Er habe aber keine Behauptungen darüber aufgestellt, daß für die Verkäufer im Zeitpunkt der Dissolutionsvereinbarung oder früher bereits der Eintritt eines Differenzschadens vorhersehbar gewesen wäre. Von einer solchen Voraussehbarkeit könne aber keineswegs von vornherein ausgegangen werden. Der Zweitbeklagte habe nicht behauptet, daß die Verkäufer Kenntnis vom Wert der Liegenschaft gehabt hätten oder gar in der Lage gewesen wären, das Ergebnis der Zwangsversteigerung vorherzusehen. Im Zwangsversteigerungsverfahren wäre auch die Erzielung eines Meistbotes über dem Schätzwert und auch über dem seinerzeit vereinbarten Kaufpreis möglich gewesen. Es fehle ein Vorbringen dahin, daß die Verkäufer - wenigstens mit Wahrscheinlichkeit - mit einem künftigen Differenzschaden rechneten. Das Erstgericht werde sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den strittig gebliebenen Behauptungen des Klägers und den Einwendungen der Beklagten zu befassen haben, weil der Standpunkt der Verjährung der Klageforderung nicht aufrecht erhalten werden könne. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs des Zweitbeklagten, in welchem er beantragt, angesichts der gegebenen Spruchreife in der Sache selbst zu entscheiden und "die Berufung des Klägers abzuweisen"; allenfalls möge dem Gericht zweiter Instanz "die sachliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen werden".

Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Zweitbeklagte stellt sich in seinem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß die Verkäufer schon zum Zeitpunkt der Dissolutionsvereinbarung mit künftigen Schäden hätten rechnen müssen. Darauf habe der Zweitbeklagte schon im Verfahren erster Instanz zumindest schlüssig hingewiesen. Die Verkäufer hätten zum Zeitpunkt der Auflösung des Kaufvertrages nicht davon ausgehen können, jemals noch einen ähnlich günstigen Vertrag wie mit der A*** GesmbH abschließen zu können. Die Ausführungen des Zweitbeklagten sind im Ergebnis jedoch nicht stichhältig:

Gemäß § 1489 ABGB verjährt jede Entschädigungsklage - von den im letzten Satz dieser Bestimmung genannten, hier nicht behaupteten Ausnahmsfällen abgesehen - in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde. Lehre (Klang2, VI 635 ff.) und Rechtsprechung (SZ 30/40; SZ 40/40 = JBl. 1967, 574; JBl. 1964, 371; JBl. 1967, 477; MietSlg. 21.265 u.a., etwa 5 Ob 120/73, 6 Ob 70/74) legen den ersten Satz des § 1489 ABGB dahin aus, daß die in dieser Gesetzesstelle vorgesehene dreijährige Verjährungsfrist dann zu laufen beginnt, wenn dem Beschädigten der Eintritt des Schadens und die Person des Schädigers so weit bekannt geworden sind, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestrengt werden kann, mag er auch den ganzen Umfang des Schadens in diesem Zeitpunkt noch nicht kennen. Zu den für das Entstehen des Anspruches maßgebenden Tatumständen, die dem Beschädigten objektiv bekannt sein müssen (vgl. auch JBl. 1958, 522; ZVR 1960/166; ZVR 1965/64; MietSlg. 22.208; 5 Ob 177/72, 6 Ob 70/74 ua), gehört also insbesondere der Eintritt eines - wenn auch ziffernmäßig noch nicht in seinem ganzen Umfang feststehenden (SZ 41/147; SZ 42/193; ZVR 1964/284; 1 Ob 36/78; 8 Ob 567/82 ua) Schadens; zumindest aber muß der Eintritt eines Schadens für den Kläger mit Sicherheit voraussehbar sein (Klang2 VI/635; SZ 39/222 ua). Die Beweislast hiefür trifft den die Verjährung einwendenden Beklagten (EvBl. 1980/100; SZ 56/36 ua), der demnach die Umstände anzuführen hat, aus welchen der Kläger auf den ihn treffenden Schaden schließen muß.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, kann dem Standpunkt des Zweitbeklagten nicht gefolgt werden, daß die Verkäufer schon zum Zeitpunkt der Dissolutionsvereinbarung vom 20.1.1981 mit Sicherheit mit einem zukünftigen Schaden rechnen mußten. Dagegen spricht schon die allgemeine Erfahrungstatsache, daß ihnen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, vertraglich aus dem Kaufgeschäft mit den Beklagten in der sicheren Erwartung ausgeschieden zu sein, damit einen künftigen Schaden in Kauf genommen zu haben. Wie oben ausgeführt wurde, trifft den Zweitbeklagten dafür, daß die Verkäufer bzw. der sie hier vertretende Kläger den späteren Schaden sicher vorhersehen konnten, die Behauptungs- und Beweislast. Dieser hat mit dem abstrakt gehaltenen Hinweis darauf, daß die Verkäufer die Schadensträchtigkeit des Dissolutionsvertrages vorhersehen hätten müssen, nicht genügt.

Es liegt im übrigen kein solches Mißverhältnis zwischen dem Schätzwert der Liegenschaft von S 4,233.320,-- und dem erzielten Kaufanbot von S 5,500.000,-- vor, daß die Verkäufer nicht mit einem zumindest gleich günstigen Ergebnis einer anderweitigen Kaufverhandlung rechnen durften. Mangels konkreten Vorbringens des Zweitbeklagten kann auch kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, daß die Verkäufer bzw. der Kläger notwendigerweise mit einem ungünstigen Ergebnis der Zwangsversteigerung hätten rechnen müssen. Der Schätzwert der Liegenschaft war mit S 4,233.320,-- durchaus hoch, ein Anbot über dem Schätzwert war nicht auszuschließen. Entgegenstehende konkrete Umstände hat der Zweitbeklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.

Zutreffend ging daher das Berufungsgericht davon aus, daß der Zweitbeklagte die allein von ihm und nicht auch vom Erstbeklagten erhobene Verjährungseinwendung nicht mit Erfolg erhoben hat. Demnach war seinem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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