Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, dem Beklagten die mit 14.096,72 S (darin 6.000 S Barauslagen und 736,07 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der am 4. März 1983 eingebrachten Klage begehrten die Kläger vom Beklagten, das Grundstück 760/35 Sonstige (Gasse), inneliegend in der EZ 538 des Grundbuchs der Katastralgemeinde Ober St. Veit im Gerichtsbezirk Hietzing, binnen 14 Tagen geräumt an die Kläger zu übergeben. Die Kläger seien Eigentümer der Liegenschaft EZ 538 der Katastralgemeinde Ober St. Veit. Zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehöre das Grundstück 760/35 Sonstige (Gasse). Dieses Grundstück sei ehedem von den Anrainern ins öffentliche Gut abgetreten worden, weil die - mittlerweile aufgegebene - Absicht bestanden habe, eine Straße (die sogenannte Josef Pommer-Gasse) zu errichten. Die Kläger hätten daher beim Magistrat der Stadt Wien beantragt, die an ihre Liegenschaft angrenzende Straßenhälfte wieder zum Gutsbestand ihrer Liegenschaft zurückzustellen. Das Grundstück 760/35 sei im Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, Dipl.Ing. Walter W***, als Teilstück 5 ausgewiesen und bereits mit der neuen Parzellenbezeichnung 760/35 bezeichnet. Der Magistrat der Stadt Wien habe mit Bescheid vom 4. August 1982 die unentgeltliche Zurückstellung des Teilstückes 5 zu der ihnen gehörigen Grundbuchseinlage EZ 538 der KG Ober St. Veit verfügt. Die Zurückstellung sei inzwischen auch grundbücherlich durch Zuschreibung der Liegenschaft 760/35 zum Gutsbestand ihrer Liegenschaft durchgeführt worden. Der Beklagte sei Eigentümer der gegenüberliegenden Liegenschaft EZ 3065. Ohne das Ergebnis des Abteilungsverfahrens abzuwarten, habe er die Straße in ihrer ganzen Breite, also einschließlich der ihnen zugeschriebenen Hälfte, in Benützung genommen. Ihm fehle jeder Rechtstitel für die Benützung der ihrem Gutsbestand zugeschriebenen Straßenhälfte. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Mit Beschluß des Gemeinderates vom 6. Juli 1973 sei der Bebauungsplan derart abgeändert worden, daß die seinerzeit von den Rechtsvorgängern beider Streitteile zur Straßenerrichtung unentgeltlich abgetretenen Grundflächen wiederum unentgeltlich an die Anrainer zurückgestellt werden sollten. Mit einer der Rechtsvorgänger der Kläger, Gerda Maria G***, habe er am 4. Februar 1977 vereinbart, daß sie das ihr hinsichtlich der strittigen Parzelle 760/35 zustehende Recht auf unentgeltliche Rückstellung gegenüber der Stadt Wien an ihn gegen Zahlung eines Entgeltes von 750.000 S abtrete. Schon seine Voreigentümer, Edmund und Ottilie R***, hätten die Parzelle in ihrem physischen Besitz gehabt und immer auch benützt. Dieses Schicksal der Parzelle 760/35 habe den Klägern schon bei Abschluß ihres Kaufvertrages vom 1. Oktober 1980 bekannt sein oder bei Übernahme der Liegenschaft in den physischen Besitz angesichts der Grundstücksmauern bewußt werden müssen. Lange vor Erlassung des Bescheides der Magistratsabteilung 64 der Stadt Wien vom 4. August 1982 sei den Klägern darüber hinaus im Korrespondenzwege zur Kenntnis gebracht worden, daß das Grundstück 760/35 ordnungsgemäß und rechtmäßig von einer Rechtsvorgängerin der Kläger erworbenes außerbücherliches Eigentum des Beklagten darstelle. Die gleichwohl unternommene und weiter aufrecht erhaltene Antragstellung der Kläger bei der Magistratsabteilung 64 auf unentgeltliche Rückstellung dieser Parzelle sei schlechtgläubig erfolgt und widerstreite den guten Sitten, weil die Kläger zu einer solchen Antragstellung nicht legitimiert seien. Der Beklagte stehe seit Jahrzehnten im redlichen Besitz dieser Parzelle, es liege darüber hinaus auch ein Rechtstitel in der Form der Vereinbarung vom 4. Februar 1977 mit der Rechtsvorgängerin der Kläger, Gerda Maria G***, vor. Am 11. November 1983 brachte der Beklagte die Widerklage mit dem Begehren ein, die Kläger und Widerbeklagten zu verpflichten, ihm gegenüber die Erklärung abzugeben, daß sie in die Einverleibung seines Eigentums an dem abzuteilenden Grundstück 760/35 aus der EZ 538 KG Ober St. Veit einwilligen. Die Kläger und Widerbeklagten beantragten die Abweisung der Widerklage.
Die Kläger und Widerbeklagten werden in der Folge als Kläger, der Beklagte und Widerkläger als Beklagter bezeichnet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Räumung ab und gab der Widerklage statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Unbestritten ist, daß die Rechtsvorgänger der Streitteile zum Zwecke der Errichtung der Josef Pommer-Gasse jeweils an ihre Grundstücke anliegende Grundstückstreifen unentgeltlich in das öffentliche Gut übertragen hätten. Eine Übernahme der abgetretenen Grundstücksflächen in den physischen Besitz der Stadt Wien ist niemals erfolgt. Mit Beschluß des Gemeinderates vom 6. Juli 1973 ist der Bebauungsplan derart geändert worden, daß die Grundstücksflächen nunmehr zu dem anliegenden Bauplatz einzubeziehen seien. Mit Kaufvertrag vom 16. November 1967 erwarb der Beklagte vom Ehepaar Edmund und Ottilie R*** die EZ 3065 der KG Ober St. Veit. Edmund und Ottilie R*** hatten nicht nur den von ihrer Seite abgetretenen Grundstücksstreifen, sondern auch den vom Nachbargrundstück (EZ 538 KG Ober St. Veit) abgetretenen Grundstücksstreifen (Grundstück 760/35) in ihren Besitz genommen. Dieser Zustand blieb auch nach dem Eigentumserwerb des Beklagten bis zum heutigen Tag unverändert. Im Jahre 1974 stellte der Beklagte erstmals bei der Magistratsabteilung 64 einen Antrag auf Rückstellung der von beiden Anrainerliegenschaften abgetretenen Straßengrundstücke. Der Antrag entsprach nicht der mündlich fixierten und durch einen Aktenvermerk festgehaltenen Baulinie. Außerdem wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die im Teilungsplan gelb lassierten und rot schraffierten Grundstücksteile zu erwerben und ins öffentliche Gut abzutreten. Mit Schreiben vom 16. November 1977 hielt der Referent
Dipl.Ing. W*** fest, daß der Antrag zufolge der genannten Mängel zurückzuweisen wäre. Tatsächlich wurde der Antrag erst am 11. Juni 1981 zurückgewiesen. Ende 1976 trug sich der Beklagte mit der Absicht, das gesamte der Gerda Maria G*** gehörende Nachbargrundstück EZ 538 KG Ober St. Veit zu erwerben, entschied sich aber letztlich nur zum Erwerb des an Gerda G*** zurückzustellenden Straßengrundstückes. Bezüglich der EZ 538 stand Gerda Maria G*** in Verkaufsverhandlungen mit dem Österreichischen Siedlungswerk. Am 29. Dezember 1976 stellten Dr. Peter P*** als Vertreter der Gerda Maria G*** und Dr. Erich H*** als Vertreter des Beklagten einen gemeinsamen Antrag auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen. Dieser Antrag war Voraussetzung für die Rückabtretung der seinerzeit abgetretenen Straßengrundstücke. Über diesen Antrag fand am 19. Jänner 1977 unter Leitung des Dipl.Ing. Herbert E*** eine Büroverhandlung statt, der auch Dipl.Ing. W*** von der MA 64 als Amtssachverständiger zugezogen wurde. Den Beamten der Baubehörde wurde die Absicht der Parteien, das der Gerda Maria G*** zurückzustellende Straßengrundstück an den Beklagten zu übertragen, vorgetragen, und auch aufgeklärt, daß das Grundstück der Frau G*** im übrigen an das Österreichische Siedlungswerk veräußert werden sollte. Es wurde von den Beamten der Baubehörde damals erklärt, daß die Rückübertragung bei Vorliegen einer Verzichtserklärung geschehen könne. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1976 übermittelte Dr. Peter P*** als Vertreter der Gerda Maria G*** das von dieser unterfertigte Optionsschreiben betreffend die Veräußerung der EZ 538 an das Österreichische Siedlungswerk, hielt jedoch ausdrücklich fest, daß das streitgegenständliche anteilige Straßengrundstück der Josef Pommer-Gasse nicht Gegenstand des Erwerbes war, vielmehr im Eigentum der Gerda Maria G*** verbleibt. Für den Fall, daß in der Zukunft aus formellen Gründen, um eine Rückübertragung zu gewährleisten, bestimmte Erklärungen und Fertigungen notwendig werden, verpflichtete sich das Österreichische Siedlungswerk diese zu leisten. Die folgende Verzichtserklärung wurde sogar von den Magistratsbeamten textiert. Am 4. Februar 1977 verzichtete Gerda Maria G*** gegen Bezahlung von 750.000 S auf ihren Rückerstattungsanspruch an dem ihr zustehenden Anteil der Josef Pommer-Gasse zugunsten des Beklagten, soweit eine Rückerstattung an den Beklagten stattfindet, und zog unter einem den Antrag vom 27. Dezember 1976 auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen zurück. Am 28. Februar 1977 stellte Dr. H*** als Vertreter des Beklagten unter Vorlage der Verzichtserklärung den Antrag auf Rückstellung der Straßenflächen. Da für den Rückstellungsantrag die MA 64 zuständig ist, wurde die Verzichtserklärung an die MA 64 weitergeleitet und eine Abgabenachricht erteilt. Über den Antrag des Beklagten auf Bekanntgabe der Bebauungsvorschriften wurde nicht entschieden. Mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1980 erwarben die Kläger vom Österreichischen Siedlungswerk die EZ 538 des Grundbuches der Kat.Gem. Ober St. Veit. Laut Punkt II des Kaufvertrages erwarben die Kläger die Liegenschaft mit allem rechtlichen und natürlichen Zubehör, mit allen Rechten und Pflichten, mit denen die Verkäufer die Liegenschaft bisher besessen und benützt haben bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt sind. Bei Abschluß des Kaufvertrages war für die Kläger der faktisch gegebene Grenzverlauf erkennbar, das heißt, sie mußten in der Natur auf Grund des Zaunverlaufes erkennen, daß das aufgelassene Straßengrundstück faktisch vom Beklagten benützt wurde. Am 3. November 1980 erlangten die Kläger durch Einsicht in den Bauakt von der Verzichtserklärung der Gerda Maria G*** Kenntnis. Darüber hinaus teilte das Österreichische Siedlungswerk am 4. November 1980 auf Grund der telefonischen Anfrage des Erstklägers mit, daß Gegenstand des Kaufvertrages nur die EZ 538 und nicht der eventuelle Anspruch auf das anteilige Straßengrundstück sei. Ende Oktober, Anfang November 1980 wandte sich der Erstkläger an Dipl.Ing. Egon W***, der auch seinerzeit den Beklagten beraten hatte und fragte, ob er das aufgelassene Straßengrundstück bekommen könne. W*** teilte dem Erstkläger mit, daß diesbezüglich eine Verzichtserklärung der Voreigentümer vorliege und er die Sache erst studieren müsse. Nach Rücksprache mit Dr. S*** von der MA 64 kam W*** zu dem Schluß, daß den Klägern als Grundstückseigentümern der Rückerstattungsanspruch zustehe. W*** vertrat die Kläger in den folgenden Verfahren vor der MA 64. Mit Schreiben vom 24. März 1982 teilte Dr. H*** als Rechtsvertreter des Beklagten den Klägern mit, daß der Beklagte auf Grund der Verzichtserklärung der Voreigentümerin Gerda Maria G*** einen Anspruch auf Einbeziehung der Grundfläche der Josef Pommer-Gasse in dem Bereich hat, der dem klägerischen Grundstück vorgelagert ist. Gleichzeitig schloß sich Dr. H*** dem von den Klägern betreffend der Rückstellung des Straßengrundes anhängig gemachten Verfahren gemäß § 8 AVG an und beantragte, das Rückerstattungsbegehren der Kläger abzuweisen. Diese Eingabe wurde nicht zum Rückstellungsakt S*** genommen, zu dem sie bestimmt war, sondern zum Rückstellungsakt W***. Der vom Beklagten am 16. März 1982 gestellte Rückerstattungsantrag wurde mit Beschluß der MA 64 vom 7. März 1983 zurückgewiesen. Demgegenüber wurde mit Bescheid der MA 64 vom 4. August 1982 die unentgeltliche Rückstellung des streitgegenständlichen Grundstückes an die Kläger verfügt. Dieser Bescheid wurde auch mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11. November 1982 verbüchert.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, Gerda Maria G*** habe auf den ihr gegenüber der Stadt Wien zustehenden Rückerstattungsanspruch entgeltlich verzichtet. Die Absicht der Parteien (G*** und des Beklagten) sei darauf gerichtet gewesen, daß der Beklagte an dem zwischen den Anrainerliegenschaften liegenden Straßengrundstück gegen die Bezahlung von 750.000 S Eigentum erwerbe. Im damaligen Zeitpunkt sei das Straßengrundstück im Eigentum der Stadt Wien gestanden, jedoch habe Gerda Maria G*** einen auf der Bauordnung basierenden öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Rückerstattung des Straßengrundstückes gehabt. Über Empfehlung der Baubehörde sei von den Parteien der Weg einer entgeltlichen Zession dieses öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruches gewählt worden. Darüber hinaus habe sich Gerda Maria G*** für den Fall, daß sich der Parteienwille einer entgeltlichen Eigentumsübertragung durch die angeführte Zession nicht verwirklichen lasse, bei der Veräußerung ihrer Liegenschaft an das Österreichische Siedlungswerk das Erwerbsrecht an dem anteiligen Straßengrundstück vorbehalten. Das Österreichische Siedlungswerk habe sich für den Fall, daß in Zukunft aus formellen Gründen eine Übertragung oder die Abgabe bestimmter Erklärungen erforderlich sein werden, um das Eigentum und die volle Verfügbarkeit von Gerda Maria G*** in Ansehung des anteiligen Straßengrundstückes zu erfüllen, verpflichtet, diese abzugeben. Nach der Parteienabsicht habe Gerda Maria G*** das anteilige, noch nicht in ihrem Eigentum stehende Straßengrundstück entgeltlich an den Beklagten übertragen. Dieser Vertrag sei als Kaufvertrag über eine fremde Sache zu verstehen, dessen grundsätzliche Zulässigkeit sich aus §§ 366 Abs. 2 und 923 ABGB ergebe. Der verkaufte Grundstücksstreifen sei auch gemäß der Parteienabsicht weiter in der Benützung des Beklagten verblieben. Der Vertrag habe vorerst nur Ansprüche des Beklagten gegen Gerda Maria G*** begründen können. Zu einer Eintragung des Eigentumsrechtes im Grundbuch sei es nicht gekommen. Nach der Lehre von der Unzulässigkeit der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte dürfe eine dritte Person (die Kläger als Rechtsnachfolger der Gerda Maria G***) das Recht des Schuldners auf vertragsgemäße Rechtsausübung nicht beeinträchtigen, soferne ihr das Forderungsrecht bekannt gewesen sei. Wenn dem späteren Erwerber das durch den Besitz des Beklagten verstärkte Forderungsrecht bekannt gewesen sei oder er dieses hätte kennen müssen, hafte er schadenersatzrechtlich. Die Kläger hätten im Zeitpunkt ihres Eigentumserwerbes zufolge der Zaunführung den Besitz des Beklagten an dem streitgegenständlichen Grundstück erkannt, im Zeitpunkt ihrer Antragstellung an die Magistratsabteilung 64 hätten sie gewußt, daß sie durch ihren Antrag in den durch den Besitz verstärkten obligatorischen Anspruch des Beklagten auf Erwerb des streitgegenständlichen Grundstückes eingreifen würden. Mit Bescheid vom 4. August 1982 sei von der Magistratsabteilung 64 die unentgeltliche Rückstellung des gegenständlichen Grundstückes an die den Klägern gehörige EZ 538 KG Ober St. Veit verfügt worden. Dieser Bescheid sei mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11. November 1982 grundbücherlich durchgeführt worden. Die Kläger seien somit Eigentümer des Grundstückes geworden. Die rechtskräftige Entscheidung der Magistratsabteilung 64 binde das Zivilgericht dahin, daß das Grundstück gemäß § 58 der Bauordnung für Wien an die Kläger zurückzustellen gewesen sei. Diese Bindung des Zivilgerichtes an den Bescheid der Verwaltungsbehörde bestehe allseitig, ungeachtet des Umstandes, ob der Beklagte im Verwaltungsverfahren Parteistellung gehabt habe oder nicht. Wegen dieser Bindung könne es dahingestellt bleiben, inwieweit eine Zession des öffentlich-rechtlichen Anspruches der Gerda Maria G*** auf Rückstellung des Grundstückes an den Beklagten möglich gewesen sei, d. h. ob die Kläger das Grundstück ohne diesen Rückstellungsanspruch erworben hätten. Die Verwaltungsbehörde habe die Rückstellung an die Kläger rechtskräftig verfügt, obwohl sie von der Zession Kenntnis gehabt habe, damit aber auch für das Zivilgericht bindend das Vorliegen einer sie bindenden Zession verneint, die KLäger seien demgemäß Eigentümer des Grundstückes geworden. Dieser Eigentumserwerb schließe jedoch einen Schadenersatzanspruch des Beklagten nicht aus. Ein derartiger Schadenersatzanspruch stehe dem Beklagten zu; die Kläger hätten wohl beim Erwerb des Grundstückes vom Forderungsrecht des Beklagten nichts gewußt, zumindest habe das Gegenteil nicht unter Beweis gestellt werden können. Sie hätten jedoch den Besitz des Beklagten, der als typisches Ausdrucksmittel von Forderungsrechten gelte, erkannt. In der weiteren Folge hätten sie sich bewußt über das Forderungsrecht des Beklagten hinweggesetzt und durch ihre Antragstellung bei der Magistratsabteilung 64 in dieses Forderungsrecht bewußt eingegriffen. Sie seien daher nach den Grundsätzen des Schadenersatzes zur Naturalrestitution an den Beklagten verpflichtet.
Die Berufung der Kläger blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung und Abweisung der Widerklage.
Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Kläger führen zusammenfassend aus, es sei unbestritten geblieben, daß sie bücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 538, zu deren Gutsbestand auch die streitgegenständliche Parzelle gehöre, seien. Ebenso unbestritten sei, daß der Beklagte diese Parzelle benütze, ja sogar einen Zaun an der Grenze dieser Parzelle zum Rest der EZ 538 errichtet habe. Weil der Beklagte diese Parzelle titellos benütze, sei das Klagebegehren gerechtfertigt. Der Beklagte habe das Bestehen eines auf Übertragung der gegenständlichen Parzelle gerichteten Titels nicht beweisen können. Er stütze seinen Anspruch auf Schadenersatz und verlange Naturalrestitution von den Klägern. Dies wäre nach der Judikatur lediglich dann schlüssig, wenn eine Doppelveräußerung der Parzelle Nr. 760/35 der EZ 538 vorläge. Die Untergerichte seien davon ausgegangen, daß dies nicht der Fall sei, sondern daß die Kläger aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Titels, nämlich des Bescheides der Magistratsabteilung 64 vom 4. August 1982 Eigentümer dieser Parzelle geworden seien. In der Antragstellung an die Magistratsabteilung 64 vermöge schon allein deswegen kein rechtswidriges oder schuldhaftes Verhalten gesehen werden, weil weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Verpflichtung der Kläger diese gehindert habe, einen derartigen Antrag zu stellen. Vor allem aber seien die Kläger einzige Legitimierte (§ 58 BO) gewesen. Die Alternative für die Kläger wäre gewesen, die Antragstellung zu unterlassen. Damit wäre für den Beklagten jedenfalls nichts gewonnen gewesen. Die Antragstellung habe daher den vom Beklagten behaupteten Schaden nicht verursachen können. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe kein auf Übereignung der streitgegenständlichen Parzelle gerichteter Anspruch des Beklagten gegen Gerda Maria G*** bestanden, in den die Kläger eingreifen hätten können. Eine Naturalrestitution würde dem Beklagten mehr verschaffen, als er im Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses (der Antragstellung) besessen habe. Eine Rückführung an den Beklagten (§ 1323 ABGB) komme schon wegen des Wortlauts des § 1323 ABGB nicht in Betracht, da der Beklagte (oder dessen Voreigentümer) nie zuvor Eigentümer dieses Grundstückes gewesen sei. Es liege weder ein Vertragsbruch noch eine schuldhafte Beteiligung der Kläger an einem Vertragsbruch der Vertragspartner des Beklagten vor. Nach der von Koziol entwickelten Lehre von der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte käme aber eine Schadenersatzpflicht im Zusammenhang mit einer Doppelveräußerung (auch wenn diese nicht vorliege) auch nur dann in Betracht, wenn das Wissen um das Forderungsrecht des Beklagten den Klägern nachgewiesen werden könne, was jedoch von den Untergerichten nicht festgestellt worden sei.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Zutreffend geht das Berufungsgericht bei seinen rechtlichen Überlegungen von der neueren Lehre und Rechtsprechung zur Frage des Schutzes des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften aus. Während der Oberste Gerichtshof im Einklang mit einem Teil der Lehre zunächst regelmäßig auf den Eintragungsgrundsatz (§ 431 ABGB: Zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. § 440: Hat der Eigentümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwei verschiedenen Personen überlassen, so fällt sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat) abgestellt hatte (Spruch 59 alt), in der Folge unter Bezugnahme auf das Vertrauensprinzip und im Anschluß an die Lehre Klangs (Klang in Klang2 II 358) jedoch den Ersterwerber, an den die Liegenschaft bereits übergeben war, dann doch für schutzwürdig erachtete und ihm das Eigentum zuerkannte, wenn der Zweiterwerber in fahrlässiger Unkenntnis dieser Übergabe bücherliches Eigentum erworben hatte, wird nunmehr wieder vom Eintragungsgrundsatz ausgegangen. Dabei wird jedoch im Anschluß an die ihrerseits an die Theorie Koziols über die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte anknüpfenden Darlegungen von Schilcher-Holzer (JBl. 1974, 445 ff, 512 ff) dem Ersterwerber gegenüber dem Zweiterwerber nicht nur bei Vorliegen einer Schädigungsabsicht des Zweiterwerbers bzw. einer arglistigen Kollusion, sondern grundsätzlich auch dann ein auf Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB gerichteter Schadenersatzanspruch unter der Voraussetzung gewährt, daß der Ersterwerber an der überlassenen Liegenschaft bereits Besitz erworben hatte und sein durch diesen Besitz verstärktes Forderungsrecht für den Zweiterwerber deutlich erkennbar war. Diesem Standpunkt liegt die Auffassung zugrunde, daß ein Schuldverhältnis, das nach außen hin, also für jedermann, erkennbar ist, ähnlich wie andere Rechtsgüter, z.B. das Eigentum, schutzwürdiger erscheint und daher auch gegenüber dem Dritten, für den es offenkundig ist, durchaus geschützt werden soll. In einem solchen Falle wird es bereits als genügend angesehen, daß der Gegner des Ersterwerbers dessen obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte (JBl. 1977, 257; JBl. 1981, 535; EvBl. 1981/156; JBl. 1984, 439 = EvBl. 1984/54; SZ 56/125 u.a.). Was den für den Zweiterwerber erkennbaren Besitz des Ersterwerbers anlangt, wurde unter Bezugnahme auf Schilcher-Holzer (JBl. 1974, 454) bereits in der Entscheidung SZ 56/125 und ebenso in der Entscheidung 2 Ob 538/83 ausgeführt, daß es zur Sorgfaltspflicht eines Liegenschaftserwerbers gehört, die Liegenschaft in natura zu besichtigen und sich solcherart über die Besitzverhältnisse zu informieren, sich aber nur derjenige, der dabei sieht, daß das Grundstück, welches er erwerben will, schon von einem Dritten bewohnt oder benützt wird, fragen muß, ob dieses Wohnen oder Benützen nicht einen rechtlichen Hintergrund haben könnte. Denn nur in einem solchen Falle wird die allenfalls dahinterstehende Forderung "sozialtypisch erkennbar" und kann daher auch ohne die sonst für einen Schadenersatzanspruch gegen den bücherlichen Eigentümer geforderte Schädigungsabsicht oder arglistige Kollusion zu einem über das Schadenersatzrecht zu schützenden Rechtsgut werden (Schilcher-Holzer, JBl. 1974, 513). In der sinngemäßen Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, in welchem der Erwerb der streitgegenständlichen Grundfläche durch die Kläger zwar nicht aufgrund eines Privatrechtstitels, sondern im Wege der unentgeltlichen Zurückstellung nach § 58 Abs. 2 lit. d der Bauordnung für Wien erfolgte, kann keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes war die Absicht des Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Kläger Gerda Maria G***, darauf gerichtet, das von der Gemeinde Wien an Gerda Maria G*** zurückzustellende Straßengrundstück in das Eigentum des Beklagten zu übertragen, wobei die Parteien über Anraten von Beamten der Baubehörde hiefür den Weg einer Verzichtserklärung der Gerda Maria G*** zugunsten des Beklagten wählten. Am 4. Februar 1977 verzichtete daher Gerda Maria G*** gegen Bezahlung von 750.000 S auf ihren Rückerstattungsanspruch bezüglich des gegenständlichen Grundstückes zugunsten des Beklagten. Beim Verkauf der Liegenschaft EZ 538 durch Gerda Maria G*** an das Österreichische Siedlungswerk wurde ausdrücklich festgehalten, daß hinsichtlich des gegenständlichen anteiligen Straßengrundstückes keine Veräußerung beabsichtigt war, sondern dieses Grundstück - nach Rückübertragung aus dem öffentlichen Gut - Eigentum der Gerda Maria G*** verbleiben sollte, damit diese es an den Beklagten übertragen konnte. Mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1980 erwarben die Kläger vom Österreichischen Siedlungswerk die EZ 538 des Grundbuches der Kat.Gem. Ober St. Veit. Laut Punkt II des Kaufvertrages erwarben die Kläger die Liegenschaft mit allem rechtlichen und natürlichen Zubehör, mit allen Rechten und Pflictten, mit denen die Verkäufer die Liegenschaft bisher besessen und benützt haben bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt sind. Bei Abschluß des Kaufvertrages war für die Kläger der faktisch gegebene Grenzverlauf erkennbar, das heißt, sie mußten in der Natur auf Grund des Zaunverlaufes erkennen, daß das aufgelassene Straßengrundstück faktisch vom Beklagten benützt wurde. Am 3. November 1980 erlangten die Kläger durch Einsicht in den Bauakt von der Verzichtserklärung der Gerda Maria G*** Kenntnis. Darüber hinaus teilte das Österreichische Siedlungswerk am 4. November 1980 auf Grund der telefonischen Anfrage des Erstklägers mit, daß Gegenstand des Kaufvertrages nur die EZ 538 und nicht der eventuelle Anspruch auf das anteilige Straßengrundstück sei.
Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß im vorliegenden Fall nicht der öffentlich-rechtliche Rückstellungsanspruch gegenüber der Stadt Wien und die Frage der Legitimation zur diesbezüglichen Antragstellung relevant sind, sondern der privatrechtliche Anspruch des Beklagten auf Übertragung des zurückzustellenden Grundstückes. Auf Grund der Vereinbarung mit Gerda Maria G*** hat der Beklagte einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung des gegenständlichen Grundstückes erworben. Nachdem sich die unmittelbare Rückstellung des Straßengrundstückes an ihn aus dem Eigentum der Stadt Wien auf Grund der Verzichtserklärung der Gerda Maria G*** als undurchführbar erwiesen hatte, bestand der dem Parteiwillen entsprechende Anspruch nunmehr in der Form weiter, daß die Rückstellung (vom hiezu Berechtigten) zu veranlassen und dem Beklagten schließlich die rückgestellte Teilfläche ins Eigentum zu übertragen war. Dieser Anspruch bestand zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern, war aber von Gerda Maria G*** an einen späteren Käufer der EZ 538 vereinbarungsgemäß zu überbinden. Tatsächlich war dieser Anspruch des Beklagten bis zum Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger im Hinblick auf das zwischen Gerda G*** und dem Österreichischen Siedlungswerk getroffene Übereinkommen, das nach Sinn und Zweck darauf abstellte, den Liegenschaftseigentümer zu all jenen Maßnahmen zu verpflichten, die eine Übertragung des Rückstellungsgrundstückes in das Eigentum des Beklagten formell durchführbar machten, voll wirksam. Nach den Feststellungen war den Klägern bereits bei Abschluß des Kaufvertrages über die EZ 538 mit dem Österreichischen Siedlungswerk am 1. Oktober 1980 durch den Verlauf des Zaunes die Benützung des gegenständlichen Grundstückes durch den Beklagten deutlich erkennbar. Kurze Zeit nach Abschluß des Kaufvertrages, nämlich Anfang November 1980 erlangten sie durch Einsicht in den Bauakt Kenntnis von der Verzichtserklärung der Gerda Maria G*** zugunsten des Beklagten und durch Verständigung seitens des Österreichischen Siedlungswerkes Kenntnis davon, daß der Rückstellungsanspruch hinsichtlich des gegenständlichen Grundstückes nicht Gegenstand des Kaufvertrages vom 1. Oktober 1980 gewesen sei, sondern lediglich die Übertragung der Liegenschaft EZ 538. Durch die Verweigerung der Übertragung des Grundstückes an den Beklagten nach Erwirkung der Rückstellung gemäß § 58 Abs. 2 lit. d der Bauordnung für Wien und die Einbringung der Räumungsklage haben die Kläger wissentlich in das ihnen bekannte, durch den Besitz verstärkte obligatorische Forderungsrecht des Beklagten beeinträchtigend eingegriffen. In der Auffassung, daß dem Beklagten daher ein Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution des gegenständlichen Grundstückes gegen die Kläger zusteht und demgemäß dem Begehren der Widerklage stattzugeben, das Räumungsbegehren der Kläger jedoch abzuweisen war, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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