OGH 8Ob572/87

OGH8Ob572/8721.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Roswitha H***, geboren 3.Dezember 1976, in Pflege und Erziehung der Mutter Pauline H***, Angestellte, 5230 Mattighofen, Schalchnerstraße 9, als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Dr. Werner Ungeringer, Rechtsanwalt in Mattighofen, infolge Revisionsrekurses des Vaters Alexander H***, Gastwirt, 5453 Werfenweng, Eulersberg 18, vertreten durch Hans Freyborn, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 4.März 1987, GZ 33 R 949/86-132, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Werfen vom 27.Oktober 1986, GZ P 55/82-125, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Alexander und Pauline H*** leben seit 12.August 1982 getrennt; ihre Ehe wurde am 2.April 1984 geschieden. Der Ehe entstammen vier Kinder, darunter die mj. Roswitha, geboren am 3.Dezember 1976. Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Werfen vom 15.September 1983 wurden die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der mj. Roswitha der Mutter zugesprochen. Dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt.

Das Erstgericht erkannte aufgrund verschiedentlicher Anträge der Eltern u.a. wie folgt:

1.) Das dem ehelichen Vater Alexander H*** zustehende Recht auf persönlichen Verkehr zur mj. Roswitha wird bis 31.Juli 1987 vorläufig ausgesetzt.

2.) Die weitere Regelung des persönlichen Verkehrs ab 1.August 1987 bleibt vorbehalten.

3.) Der Antrag des Vaters, ihm die elterlichen Rechte, insbesondere die Pflege und Erziehung der mj. Roswitha zu übertragen, wird abgewiesen.

Das Erstgericht traf - zusammengefaßt dargestellt - nachstehende Feststellungen:

Hauptbezugsperson der Minderjährigen ist die Mutter. Roswitha fühlt sich als ihr geliebtes "Einzelkind". Die von der Mutter bewußt und noch stärker unbewußt vorgelebte Abwehrhaltung gegen den Vater und die Geschwister hat die mj. Roswitha übernommen und folgt dem Modell der Mutter, die jede Verbindung mit dem anderen Familienteil abgebrochen hat. Die ablehnende Haltung der übrigen, beim Vater befindlichen Geschwister gegen die Mutter bedeutet für die mj. Roswitha eine große psychische Belastung. Roswitha wagt es aus Angst, die Mutter zu verletzen, nicht, sich dem Vater emotional zuzuwenden. Sie hat zwar ein positives Vaterbild und auch keine Angsthaltung ihm gegenüber, sieht jedoch die Elternteile als Parteien an und wendet sich eindeutig der Mutter zu. Roswitha hat die stärkste Geschwisterbeziehung zu ihrem Bruder Alexander. Gegenüber den beiden älteren Schwestern hat Roswitha gleichfalls eine ablehnende Haltung, es ist bereits deutlich die eingetretene innere Distanz zu den Schwestern zu spüren. Die Mutter befindet sich in Spannungen mit dem geschiedenen Ehegatten und den restlichen drei Kindern, die eine positive Besuchsvorbereitung für die mj. Roswitha unmöglich machen. Roswitha übernimmt diese Stimmungen und Ängste der Mutter. Dadurch gerät sie bei Besuchskontakten unter eine große psychische Belastung. Sie entzieht sich dem dadurch, daß sie die Besuchskontakte verweigert. Durch einen gerichtlich festgesetzten Besuchszwang gegen den Willen des Kindes, der auf unbewußten Ängsten basiert, können keine positiven Kontakte gefunden werden. Aus psychologischer Sicht ist zum Wohle des Kindes eine Besuchspause bis zur Stabilisierung und Beruhigung der Verhältnisse von Vorteil. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß eine Besuchspause dringend notwendig sei. Für eine Änderung der übrigen familiären Verhältnisse bestünde kein Anlaß, weshalb die diesbezüglichen Anträge des Vaters abzuweisen waren.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Eine Einschränkung des Besuchsrechtes sei deshalb erforderlich, weil die psychische Entwicklung des Kindes durch den persönlichen Verkehr mit dem Vater gefährdet erscheint. Die seelische Belastung der mj. Roswitha gehe weit über das übliche Maß hinaus, die als natürliche Folge der Aufhebung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern entsteht. Im Vordergrund stehe die starke psychische Belastung, die durch das rivalisierende Verhalten der Kindeseltern und die abwerbende Haltung des Vaters und der übrigen Geschwister entsteht. Für eine Änderung der bestehenden Regelung hinsichtlich der Pflege und Erziehung der mj. Roswitha durch die Mutter bestehe kein Grund. Eine Gefährdung des Kindeswohles bei der Mutter sei nicht gegeben. Die Behauptung des Vaters, daß die Mutter zur Erziehung ungeeignet wäre, stehe im Widerspruch zum positiven Befund des Sachverständigen. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, in welchem er offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend macht und beantragt, die vorläufige Aussetzung des Besuchsrechtes aufzuheben und ihm die elterlichen Rechte und Pflichten über die mj. Roswitha zu übertragen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

In ausführlicher Darstellung der gesamten Probleme, die sich daraus ergeben, daß sich zwei Familiengruppen gegenüberstehen - auf der einen Seite der Vater mit drei Kindern, auf der anderen Seite die angeblich alle Konflikte auslösende Mutter mit der mj. Roswitha - stellt sich der Rechtsmittelwerber auf den Standpunkt, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen, durch die diese Zustände aufrecht erhalten werden, offenbar gesetzwidrig seien. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG wird mit den Rechtsmittelausführungen des Vaters jedoch nicht aufgezeigt. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103; 8 Ob 564/85 uva).

Gemäß § 148 Abs. 1 ABGB hat das Gericht die Ausübung des Besuchsrechtes des nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteiles in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln oder sie nötigenfalls, besonders wenn die Beziehungen des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwächst, unerträglich gestört würden, ganz zu untersagen. Es müssen allerdings gewichtige konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen, daß das Besuchsrecht mißbraucht oder in einer dem Kind nachteiligen Weise ausgeübt werden könnte (EFSlg. 31.254; EvBl. 1975/42; 1 Ob 509/83; 2 Ob 563/84; 8 Ob 609/84; 8 Ob 564/85 ua). Solche Umstände haben die Vorinstanzen aufgrund der getroffenen Feststellungen in ihrer Gesamtheit insoweit angenommen, als sie es für dringend geboten erachteten, in die gegenseitigen Beziehungen etwas Ruhe einkehren zu lassen. Sämtliche Ausführungen des Rechtsmittelwerbers, wonach die getroffene Maßnahme offenbar gesetzwidrig sei, weil die Umstände des Einzelfalles von den Vorinstanzen nicht beachtet wurden, ist entgegenzuhalten, daß dies nach ständiger Judikatur die im § 16 AußStrG angeführte Rechtsmittelvoraussetzung der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht herzustellen vermag (SZ 27/159; EvBl. 1968/48; JBl. 1969, 37; 7 Ob 21/70, 8 Ob 560/82; 8 Ob 584/83 uza).

Nach ständiger Rechtsprechung kommt bei der Entscheidung über Pflege und Erziehung der Stetigkeit und Dauer maßgebliche Bedeutung zu, sodaß Maßnahmen, die eine Änderung der Pflege- und Erziehungsverhältnisse mit sich bringen, nur in Betracht zu ziehen sind, wenn sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit derart geändert haben, daß eine Neuregelung im Interesse des Kindes dringend geboten ist (1 Ob 736/82; RZ 1978/7; EFSlg. 33.602; 1 Ob 546/83; 8 Ob 584/83 ua). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Es mag richtig sei, daß es Einzelkinder manchmal schwerer haben, sich an gesellschaftlichen Zwängen zu orientieren; bei der mj. Roswitha ist dies aber nicht der Fall. Das Mädchen wird als altersmäßig entwickeltes Kind mit gepflegtem Äußeren beschrieben, das sich im Kontaktverhalten unschwierig zeigt, wohlerzogen wirkt und sich dem fremden Erwachsenen gegenüber angepaßt verhält (S. 12, 13 des rekursgerichtlichen Beschlusses). Von besonders wichtigen Gründen, die allein eine Übertragung der elterlichen Rechte rechtfertigten (SZ 51/136; EFSlg. 33.600 ua), kann daher nicht gesprochen werden. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

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