OGH 5Ob540/87

OGH5Ob540/878.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz M***, Geschäftsführer, Wels, Saarstraße 24, vertreten durch Dr. Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Ferdinand B***, Landwirt, Wolfern, Dietachstraße 13, vertreten durch den Sachwalter Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen 1,375.000,-- S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1986, GZ 1 R 171/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 30. Dezember 1985, GZ 1 Cg 144/85-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 18.052,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.641,15 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Aussteller, der Beklagte Bezogener und Annehmer des laut Ausstellungsdatum am 5. April 1982 in Wels ausgestellten und am 15. April 1983 an eigene Order zahlbaren Wechsels über 2,6 Mill. S.

Der Kläger beantragte aufgrund dieses Wechsels gegen den Beklagten die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über 1,375.000 S samt Anhang. Das Erstgericht erließ den Wechselzahlungsauftrag antragsgemäß.

Dagegen erhob der Beklagte rechtzeitig Einwendungen. Er beantragte, den Wechselzahlungsauftrag aufzuheben, und brachte vor:

Der Wechsel sei verfälscht; er habe ihn nicht am 5. April 1982, sondern im April 1983 blanko unterfertigt. Seine Unterschrift sei unwirksam, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits entmündigt gewesen bzw. seine Unterschrift weder vom Gericht noch vom einstweiligen Sachwalter genehmigt worden sei.

Der Kläger gestand zu, daß der Wechsel vom Beklagten am 2. April 1983 blanko unterfertigt worden sei. Die Verfügungen im Sachwalterverfahren hätten jedoch keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Beklagten gehabt, weil sie noch nicht rechtskräftig gewesen seien.

Das Erstgericht erklärte den Wechselzahlungsauftrag für rechtsunwirksam, wies das Klagebegehren ab und stellte fest:

Am 24. März 1983 erfolgte die beschränkte Entmündigung des Beklagten. Er ist der Ehemann der geschiedenen Frau des Klägers. Im April 1983 gab diese vor, den Beklagten auch kirchlich ehelichen zu wollen. Zu diesem Zweck sollten ihre Kinder, die sie gemeinsam mit dem Kläger hat, neu eingekleidet werden. Da weder sie noch der Kläger Geld bei sich hatten, sollte zur Finanzierung der Garderobe der Beklagte herhalten. Mangels Barmittel wurde ihm ein Blankoscheck (richtig: Blankowechsel) präsentiert, den er am 2. April 1983 als Akzeptant unterfertigte. In der Folge füllte der Kläger auf Anraten des Notars Dr. F*** den Wechsel aus, indem er den Betrag von 2,6 Mill. S einsetzte und als Datum den 5. April 1982 angab. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, wer beschränkt entmündigt sei, stehe hinsichtlich seiner Handlungsfähigkeit einem mündigen Minderjährigen gleich (§ 4 Abs 1 EntmO). Da die gemäß § 865 ABGB erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des Gerichtes nicht vorliege, sei das Wechselakzept für den Beklagten unwirksam.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Klägers wegen Nichtigkeit und gab dessen Berufung im übrigen nicht Folge. Es traf folgende Feststellungen:

Am 20. Jänner 1983 beantragte Franz B***, der Bruder des Beklagten, diesen beschränkt zu entmündigen und ihn zum vorläufigen Beistand zu bestellen. Für den Fall der Bestellung zum vorläufigen Beistand leistete Franz B*** gleichzeitig die Angelobung. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom selben Tag wurde Franz B*** zum vorläufigen Beistand des Beklagten bestellt. Dieser Beschluß wurde am 24. Jänner 1983 dem Beklagten und dem vorläufigen Beistand zugestellt und nicht angefochten. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 24. März 1983, L 1/83-22, wurde der Beklagte gemäß § 1 Abs 2 EntmO wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt (und ausgesprochen, daß die Wirksamkeit dieses Beschlusses erst mit seiner Rechtskraft eintrete). Dieser Beschluß erwuchs nicht in Rechtskraft. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 12. Oktober 1984, SW 242/84-108, wurde für den Beklagten ein Sachwalter (in der Person des Rechtsanwaltes Dr. Maximilian Ganzert) bestellt, der folgenden Kreis von Angelegenheiten zu besorgen hat:

Jede Art von Verfügung über die Rechte an der Liegenschaft EZ 29 KG Grassing, einschließlich deren Nutzung oder Verwertung; Kreditgeschäfte jeder Art; Einleitung und Durchführung von Verfahren jeder Art vor Gericht oder Verwaltungsbehörden; Eingehen und Auflösung von Bestandverträgen, Änderung, Nutzung oder Verwertung der Rechte an der Liegenschaft EZ 28 KG Aschet; desgleichen Erteilen oder Auflösen von Vollmachten oder Aufträgen aller Art. Weiter wurde ausgesprochen, daß der Betroffene, soweit ihm der Sachwalter Geldbeträge überläßt oder er durch eigene Arbeit Entgelt erzielt, darüber frei verfügen und sich in diesem Umfang verpflichten kann. Er kann nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell wirksam eine letztwillige Anordnung treffen. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Betroffenen gab das Kreisgericht Wels als Rekursgericht mit Beschluß vom 20. Mai 1985 nicht Folge. Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 11. Dezember 1985, 8 Ob 645/85, zurück.

Sodann nahm das Berufungsgericht zu den Berufungsausführungen des Klägers wie folgt Stellung:

Unter den Berufungsgründen der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringe der Kläger vor, die Feststellung der beschränkten Entmündigung des Beklagten mit 24. März 1983 sei aktenwidrig. Die Wirksamkeit des Entmündigungsbeschlusses trete erst mit Rechtskraft ein. Am 2. April 1983 sei der Beschluß weder zugestellt noch rechtskräftig gewesen. Der Beklagte habe daher am 2. April 1983 rechtswirksam einen Wechsel unterfertigen können.

Unbestritten sei, daß der Beklagte den Wechsel am 2. April 1983 als Annehmer unterfertigte. Seine Handlungsfähigkeit sei daher nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen BGBl. 1983/136 am 1. Juli 1984 zu beurteilen, sodaß noch die Bestimmungen der Entmündigungsordnung anzuwenden seien.

Die Einleitung des Entmündigungsverfahrens habe an sich noch keine Beschränkung der Handlungsfähigkeit zur Folge gehabt. Gemäß § 8 Abs 1 EntmO habe aber nach der Einleitung des Entmündigungsverfahrens ein vorläufiger Beistand bestellt werden können, wenn es zum Schutz einer eigenberechtigten Person dringend notwendig gewesen sei. Sei bei Einleitung des Verfahrens ein vorläufiger Beistand bestellt worden, so sei hiedurch die Handlungsfähigkeit beschränkt worden und die schutzbedürftige Person habe hiedurch die Stellung eines mündigen Minderjährigen erhalten. Damit sei ihre unbeschränkte Handlungsfähigkeit beendet gewesen (Wentzel, Piegler in Klang2 I/2, 510; SZ 19/202, EvBl 1958/311).

§ 11 Abs 2 EntmO habe nur insofern eine Ausnahme geschaffen, als rechtsgeschäftliche Handlungen, welche die unter Schutz gestellte Person ohne den Beistand vorgenommen hat, unter der Voraussetzung, daß das Entmündigungsverfahren eingestellt wird und daß ihre Handlungen mit denen des Beistandes nicht im Widerspruch stehen, so angesehen werden sollten, als ob sie von einer nicht unter Schutz gestellten Person vorgenommen worden wären. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes sei diese Bestimmung so zu verstehen, daß Rechtsgeschäfte des Betroffenen, soweit sie vom Wirkungskreis des später bestellten Sachwalters nicht erfaßt sind, grundsätzlich wirksam seien. Dem Beklagten wurde aber für seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere auch für Kreditgeschäfte jeder Art, schließlich rechtskräftig ein Sachwalter bestellt. In den Bereich der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten gehöre zweifellos die Unterfertigung eines Wechsels als Annehmer, sei es - wie das Erstgericht feststellte - zum beabsichtigten Ankauf von Kleidern für die Kinder, sei es - wie der Kläger vorbrachte - für die Finanzierung eines Liegenschaftskaufes. Damit sei der Beklagte zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Wechsels einem mündigen Minderjährigen gleichgestellt und in dem Umfang, als die Besorgung seiner Angelegenheiten dem Sachwalter übertragen wurde, nur beschränkt geschäftsfähig gewesen.

Auch die Wechselgeschäftsfähigkeit setze Handlungsfähigkeit nach allgemeinem Zivilrecht voraus. Gemäß § 865 Satz 2 ABGB habe der Beklagte ohne Mitwirkung des vorläufigen Beistandes und allenfalls des Gerichtes grundsätzlich keine Verpflichtung eingehen können. Daß die Wechselannahme des Beklagten durch den Sachwalter oder das Gericht genehmigt worden wäre, sei weder vorgebracht worden noch aus den Akten hervorgekommen. Dem Beklagten habe also, da die Wechselannahme durch ihn nicht im Rahmen seiner Geschäftsfähigkeit erfolgt sei, insoweit auch die Wechselgeschäftsfähigkeit gefehlt, sodaß seine Wechselunterschrift ungültig sei (vgl. Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz 57 f; SZ 39/142).

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrages abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht, gestützt auf die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO, zusammengefaßt geltend, daß der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 20. Jänner 1983, mit welchem Franz B*** zum vorläufigen Beistand des Beklagten bestellt wurde, dem Beklagten am 24. Jänner 1983 nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Daraus folge, daß der genannte Beschluß im Zeitpunkt der Wechselannahme durch den Beklagten noch nicht rechtswirksam gewesen sei, weshalb die Geschäftsfähigkeit des Beklagten in diesem Zeitpunkt noch nicht beschränkt gewesen sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre daher von der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit des Beklagten und von der Gültigkeit der Wechselannahme durch den Beklagten auszugehen gewesen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wie der Beklagte in der Revisionsbeantwortung zutreffend hervorhebt, hat der Oberste Gerichtshof in SZ 34/26 unter Berufung auf § 12 AußStrG in Verbindung mit § 56 EntmO ausgesprochen, daß zur Wirksamkeit der im § 8 EntmO vorgesehenen Maßnahme die Zustellung des Bestellungsdekretes an den vorläufigen Beistand genügt, ohne daß es einer besonderen Anordnung bedürfte, wonach die Verfügung sogleich in Vollzug gesetzt werde (ebenso Knell, die Kuratoren im österreichischen Recht 27; Weiss, Das Anhaltungsverfahren nach der Entmündigungsordnung 31). Im vorliegenden Fall wurde Franz B*** die Bestellung zum vorläufigen Beistand des Beklagten, wonach er die Rechte und Pflichten eines Vormundes hat, unbestrittenermaßen am 24. Jänner 1983 zugestellt. Damit ist die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Beklagten bereits vor der Wechselannahme am 2. April 1983 unabhängig davon eingetreten gewesen, ob auch die Zustellung des Bestellungsdekretes an ihn vor diesem Zeitpunkt rechtswirksam erfolgt ist. Es liegt demnach weder die geltend gemachte Aktenwidrigkeit (Zugrundelegung einer tatsächlichen Voraussetzung in einem wesentlichen Punkt) noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache vor, wobei in letzterer Beziehung auf die vom Kläger nicht weiter bekämpften, zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte