OGH 5Ob27/61

OGH5Ob27/6122.2.1961

SZ 34/26

Normen

Außerstreitgesetz §12
Entmündigungsordnung §8
Entmündigungsordnung §11
Entmündigungsordnung §56
Außerstreitgesetz §12
Entmündigungsordnung §8
Entmündigungsordnung §11
Entmündigungsordnung §56

 

Spruch:

Die Bestellung zum vorläufigen Beistand wird mit der Zustellung des Bestellungsdekretes an diesen wirksam. Die Gültigkeit der vom vorläufigen Beistand vorgenommenen Rechtshandlungen wird dadurch nicht berührt, daß die Bestellung nicht rechtskräftig und das Entmündigungsverfahren schließlich eingestellt wurde.

Entscheidung vom 22. Februar 1961, 5 Ob 27/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 26. September 1960, 5 C 151/60-97, wurden von der beklagten Partei zwei Rechtsmittelschriften eingebracht. Am 15. Oktober 1960 überreichte der vorläufige Beistand des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. S., eine Berufung, und am gleichen Tag gab der Vertreter des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. T., eine Berufung zur Post, die am 17. Oktober 1960 beim Prozeßgericht einlangte. Dieses ließ dem Vertreter der Gegnerin die Gleichschriften beider Rechtsmittel zustellen, worauf gegen jedes Rechtsmittel gesonderte Berufungsmitteilungen erstattet wurden.

Das Berufungsgericht wies mit den angefochtenen Beschluß die von Rechtsanwalt Dr. T. eingebrachte Berufung als unzulässig zurück. Die Berufung könne nur mittels eines Schriftsatzes erhoben werden. Zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels sei Rechtsanwalt Dr. S. zum vorläufigen Beistand des Beklagten bestellt und als dessen gesetzlicher Vertreter zum Einschreiten für den Beklagten befugt gewesen. Daran werde dadurch nichts geändert, daß die Bestellung noch nicht rechtskräftig war und nachträglich aufgehoben wurde, weil in Außerstreitsachen Entscheidungen sofort wirksam würden und den dagegen eingebrachten Rechtsmitteln nur in bestimmten, hier nicht vorgelegenen Fällen aufschiebende Wirkung zukomme.

Der Beklagte macht in seinem Rekurs geltend, es liege kein richterlicher Beschluß auf Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. S. zu seinem vorläufigen Beistand vor, die Bestellung sei nie im Rechtskraft erwachsen, sondern aufgehoben worden, und sein Rekurs gegen die Bestellung habe aufschiebende Wirkung gehabt, weil in dem Beschluß des Entmündigungsgerichtes vom 7. Juni 1960 nicht enthalten gewesen sei, daß er sofort in Vollzug gesetzt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die der Urschrift des Beschlusses vom 7. Juni 1960, mit dem die beschränkte Entmündigung des Beklagten wegen Geisteskrankheit ausgesprochen wurde, beigefügte und vom Richter unterfertigte Verfügung: "Dr. Peter S. mit Formblatt 89 b" (Bestellung zum vorläufigen Beistand gemäß § 8 EntmO.) ist als ein Bewilligungsvermerk im Sinne des § 112 Geo. anzusehen.

Die Erledigung mit Bewilligungsvermerk war zulässig, weil es sich um einen Beschluß häufig wiederkehrender Art handelt, für den ein eigenes Formblatt aufliegt. Die Frage, wann die Bestellung des vorläufigen Beistandes in Kraft tritt, ist in der Entmündigungsordnung nicht ausdrücklich geregelt (Sternberg, Entmündigungsordnung, II S. 44). Da, wie die Erläuterungen (S. 254) ausführen, die Dringlichkeit der notwendigen Vorkehrung mitunter ein sofortiges Einschreiten notwendig macht, der vorläufige Beistand auch von Amts wegen bestellt werden kann und, wenn der Zweck, der mit dieser vorläufigen Obsorge verfolgt wird, beeinträchtigt würde, auch die Einvernahme des Schutzbedürftigen unterbleiben kann, muß zur Wirksamkeit der Maßnahme die Zustellung des Bestellungsdekretes an den vorläufigen Beistand genügen (§ 12 AußStrG. in Verbindung mit § 56 EntmO.). Einer besonderen Anordnung, daß die Verfügung sogleich in Vollzug gesetzt wird, bedurfte es nicht; maßgebend ist, daß das Gericht seine Verfügung sofort vollzog, indem es den vorläufigen Beistand bestellte und die Pflichtangelobung entgegennahm. Nach dem Vollzug der Verfügung kam denn gegen die Bestellung erhobenen Rekurs keine aufschiebende Wirkung mehr zu.

Am 15. Oktober 1960, dem Tag, an dem die Rechtsmittel eingebracht wurden, konnte für den Beklagten nur mehr der vorläufige Beistand als gesetzlicher Vertreter einschreiten. Dem Beklagten selbst mangelte die Prozeßfähigkeit, soweit sie über den Rahmen des § 2 ZPO. und des § 4 Abs. 3 EntmO. hinausging (RiZ. 1937 S. 300). Die Gültigkeit der vom vorläufigen Beistand vorgenommenen Rechtshandlungen wird dadurch nicht berührt, daß die Bestellung nicht in Rechtskraft erwuchs und das Verfahren zur Entmündigung schließlich rechtskräftig eingestellt wurde (§ 11 Abs. 1 EntmO.). Der von Rechtsanwalt Dr. T. eingebrachte Schriftsatz ist daher mit Recht als unzulässig zurückgewiesen worden, und es hätte folgerichtig auch die dagegen erstattete Berufungsmitteilung als unzulässig zurückgestellt werden müssen.

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