OGH 8Ob692/86

OGH8Ob692/8623.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga B***, Angestellte Freiheitssiedlung, 6130 Schwaz, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander und Dr. Harald Vill, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Waltraud H***, Hausfrau, Mühlbachl Statz 40, 6143 Matrei am Brenner, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Firma I*** A***, Josef O***, Bundesstraße 16, 6060 Mils, vertreten durch Dr. Ekkehard Beer und Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 20.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16. September 1986, GZ 3 a R 349/86-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3. Jänner 1986, GZ 13 C 388/85-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.691,04 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 244,64, keine Barauslagen) und die mit S 2.991,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 271,92, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 20.000 s.A. Zug um Zug gegen Übergabe des PKW VW Golf mit der Fahrgestellnummer 1763191280 im wesentlichen mit der Begründung, sie habe dieses Fahrzeug am 21. Juni 1984 von der Beklagten um einen Kaufpreis von S 20.000,- gekauft. Anläßlich dieses Kaufes seien von der Beklagten, abgesehen von einem erforderlichen Nachstellen von Bremse und Kupplung, keinerlei Mängel des Fahrzeuges aufgezeigt worden. Davon abgesehen sei der tadellose und einwandfreie Zustand des Fahrzeuges zugesichert und ein Gutachten der Firma O*** vom Februar 1984 vorgelegt worden, mit dem die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges bestätigt worden sei. Anläßlich einer nach den ersten Fahrten der Klägerin vorgenommenen Fahrzeugüberprüfung durch den Ö*** sei am 5. Juli 1984 festgestellt worden, daß das Fahrzeug nicht verkehrstauglich gewesen sei. Da die Klägerin anläßlich des Kaufes in den Glauben versetzt worden sei, ein einwandfreies, fahrbereites und tadelloses Fahrzeug zu einem angemessenen Preis von S 20.000,- erhalten zu haben, stütze sie ihr Begehren auf Irrtum und auf laesio enormis, zumal der PKW einen Zeitwert von lediglich S 8.000,- bis unter S 10.000,- gehabt habe und zur Mängelbehebung ein Betrag von S 15.000,- erforderlich gewesen wäre. Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, sie habe das Fahrzeug ca. ein halbes Jahr vor dem Verkauf an die Klägerin von der Firma I*** A*** Josef O*** zum Preis von S 29.000,- erworben, wobei ihr die Zusage erteilt worden sei, daß das Fahrzeug betriebs- und verkehrssicher im Sinne des § 57a KFG sei. Darüber hinaus seien Ende Jänner 1984 an diesem Fahrzeug Reparaturen im Gegenwert von S 6.978,- durchgeführt worden. Diese Umstände seien der Klägerin bzw. der anläßlich der Fahrzeugbesichtigung für diese auftretenden Person mitgeteilt worden. Irgendeine Garantieerklärung über den Zustand des Fahrzeuges sei gegenüber der Klägerin nicht abgegeben worden. Anläßlich der Besichtigung und der Probefahrt sei das Auto von der Klägerin für gut befunden worden. Da mit diesem Fahrzeug seit der Reparatur Ende Jänner 1984 bis zur Besichtigung durch den Ö*** vom 5. Juli 1984 lediglich ca. 4000 km zurückgelegt worden seien, könne auch der Zeitwert nicht unter den Betrag von S 10.000,-

abgesunken sein.

Der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten wendete im wesentlichen ein, daß das Fahrzeug, als es die Beklagte von ihm gekauft habe, nach Durchführung einer umfangreichen Reparatur betriebs- und verkehrssicher gewesen sei. Allerdings sei der Beklagten bekannt gewesen, daß das Fahrzeug sowohl hinsichtlich des mechanischen Zustandes als auch des Zustandes der Karosserie und des Rahmens der Gebrauchtfahrzeugbewertungsskala Klasse 4 zu unterstellen gewesen sei, wonach das Fahrzeug zwar überprüft und instandgesetzt gewesen sei, jedoch Beulen, Kratzer und Roststellen vorhanden sein konnten und diverse Unfall- oder Blechschäden nicht nach den Kriterien des Fachgewerbes behoben worden seien. Der von der Beklagten entrichtete Kaufpreis von S 29.000,- sei zum Zeitpunkt der Übergabe durchaus angemessen gewesen. Eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes sei damals und auch zum Zeitpunkt des Verkaufes des Fahrzeuges durch die Beklagte an die Klägerin nicht vorgelegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der unbekämpft gebliebenen Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens - statt.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Mit Kaufvertrag vom 29. November 1983 kaufte der Nebenintervenient den hier in Frage stehenden PKW der Marke Golf L, erstmals zugelassen am 18. Februar 1976, mit einem Kilometerstand von 106.000 von Georg A***, der der vierte oder fünfte Besitzer dieses Kraftfahrzeuges war.

Mit Kaufvertrag vom 9. Dezember 1983 erwarb die Beklagte das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 106.076 um den Kaufpreis von S 29.000,- vom Nebenintervenienten.

Nach Durchführung verschiedener im einzelnen aufgezählter Reparaturarbeiten an dem Fahrzeug durch den Nebenintervenienten wurde von ihm am 3. Februar 1984 gemäß § 57a Abs 4 KFG das Gutachten abgegeben, daß das Fahrzeug den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspreche und erhielt das Fahrzeug die Begutachtungsplakette Nr. Y 130136. In diesem Gutachten wurden keinerlei festgestellte Mängel angeführt.

Von Jahresbeginn bis zum 22. Juni 1984 wurde das Fahrzeug sowohl von der Beklagten als auch von ihrem Gatten gefahren. Beiden fielen dabei keinerlei Mängel auf. Das Fahrzeug wurde in dieser Zeit stets im Freien abgestellt und war an keinem Unfall beteiligt. Mit Kaufvertrag vom 22. Juni 1984 erwarb die Klägerin das Fahrzeug von der Beklagten, wobei an den Verkaufsgesprächen die Beklagte und deren Gatte einerseits sowie die Klägerin und deren Mutter andererseits beteiligt waren. Zudem wurde eine Probefahrt und Besichtigung des Fahrzeuges durchgeführt. Bei der Probefahrt lenkte der Gatte der Beklagten das Fahrzeug, während der Onkel der Klägerin Ferdinand H*** mitfuhr. Bei der Besichtigung waren die Klägerin sowie deren Mutter und deren Onkel zugegen. Dabei wurde das Fahrzeug äußerlich besichtigt.

Die Klägerin sowie deren Mutter und deren Onkel wurden anläßlich der Fahrzeugbesichtigung seitens der Beklagten bzw. ihres Gatten nicht darauf hingewiesen, daß im Jänner 1984 eine Reparatur des Fahrzeuges durch den Nebenintervenienten erfolgt war. Eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Fahrzeuges erfolgte abgesehen von der erwähnten Probefahrt nicht. Der Ehegatte der Beklagten erwähnte, daß sich das Auto in einem guten Zustand befinde und verkehrssicher sei. Darüber hinaus wurde der Klägerin und ihren Begleitpersonen vor Unterfertigung des Kaufvertrages vom Gatten der Beklagten das Gutachten des Nebenintervenienten vom 3. Februar 1984 gemäß § 57a Abs 4 KFG vorgezeigt. Sowohl die Beklagte als auch deren Ehegatte waren bei Abschluß des Kaufvertrages mit der Klägerin der Überzeugung, daß das verkaufte Fahrzeug verkehrssicher sei. Auf irgendwelche Mängel wurden die Klägerin und ihre Begleitpersonen von der Beklagten und ihrem Ehegatten nicht hingewiesen. Auch fielen weder der Klägerin noch ihren Begleitpersonen anläßlich der Besichtigung und der Probefahrt, abgesehen von einer Delle an der rechten Tür, die durch die Mutter der Klägerin festgestellt wurde, irgendwelche Mängel auf. Die Klägerin vermutete keinerlei Mängel. Am 22. Juni 1984 wurde ein Kaufvertrag unterzeichnet, nach welchem das Fahrzeug in gebrauchtem Zustand, wie besichtigt und probegefahren, ohne jede Gewährleistung verkauft wurde. Das Fahrzeug wurde übergeben und der Kaufpreis von S 20.000,- von der Klägerin an die Beklagte bezahlt.

In der Folge legte die Klägerin mit dem Fahrzeug bis zum 5. Juli 1984 ca. 300 km zurück.

Wenige Tage nach Abschluß des Kaufvertrages hatte die Klägerin einen Überprüfungstermin beim Ö*** vereinbart, stellte jedoch bereits vor diesem Zeitpunkt fest, daß das Auto beim Stehen Öl verlor.

Anläßlich dieser Gesamtüberprüfung durch den Ö*** wurde festgestellt, daß das Fahrzeug nicht den Erfordernissen des § 57a KFG entsprach.

Seither wurde das Fahrzeug von der Klägerin nicht mehr benützt. Anläßlich der Überprüfung durch den Ö*** wurden (bei einem Kilometerstand von 114.774) an folgenden Fahrzeugteilen Mängel festgestellt:

Rahmen, tragende Teile (Korrosion und Reparatur), Auspuffsystem, Belastungsweg der Betriebsbremse, ungleiche Wirkung der Feststellbremse, Motorgeräusch, am Luftfilter, an der Starterfunktion, der zusätzlichen Fernlichtfunktion, am vorderen Stoßdämpfer, am Betätigungsweg der Feststellbremse, am Bremssystem, am Rückspiegel, am Lenkrad, den Sicherheitsgurten, an der Karosserie (teilweise stark rostig, teilweise repariert), der Stoßbelastung der Batterie, ein Geräusch im Differential, Ölverlust des Motors und Durchrostung der Heckklappe.

Am 3. Oktober 1984 wurden durch den Sachverständigen F*** (bei einem Kilometerstand von 115.141) folgende Mängel festgestellt:

Durchrostung des rechten Einstiegbalkens, der Heckklappe, des Kofferbodens, des linken Einstiegbalkens, eine Beschädigung der rechten Türe, eine Roststelle an der Motorhaube, eine starke Verrostung des Karosseriebodens sowie eine nicht sachgerecht durchgeführte Reparatur in diesem Bereich, nicht feststellbarer Ölverlust am Motor, Verschmutzung des Luftfilters und Fehlen des Ansaugschlauches, Fehlen der Batterieflüssigkeit, sehr schlechter Zustand der vorderen Stoßdämpfer und die Notwendigkeit, die vorderen Bremsen zu erneuern.

Sowohl vom Ö*** als auch vom Sachverständigen F*** wurde festgestellt, daß die schwarze Lackierung des Fahrzeuges eine Nachlackierung darstellte.

Auch der Sachverständige F*** stellte fest, daß das Fahrzeug mit den angeführten Mängeln nicht verkehrssicher sei. Das Fahrzeug war bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwischen den Streitteilen am 22. Juni 1984 nicht verkehrssicher, obwohl auch die Klägerin von der Verkehrssicherheit überzeugt war. Hätte die Klägerin gewußt, daß das Fahrzeug nicht verkehrssicher war, hätte sie es von der Beklagten nicht gekauft. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Zeitwert des Fahrzeuges am 21. Juni 1984 unter dem Betrag von S 10.000,- gelegen ist.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß eine Anfechtung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes nach den getroffenen Feststellungen nicht möglich sei.

Die Klägerin sei bei Abschluß des Kaufvertrages der Meinung gewesen, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu erwerben. Sie habe sich über den Gegenstand des Kaufvertrages in einem Irrtum befunden; es liege ein Geschäftsirrtum vor. Da die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache, daß es nicht verkehrssicher war, nicht gekauft hätte, stelle dieser Irrtum einen wesentlichen dar. Aber auch die Beklagte und deren Ehegatte hätten sich in einem Irrtum über die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges befunden. Ein gemeinsamer Irrtum der Parteien stehe den Fällen des § 871 ABGB gleich. Die Klägerin sei somit zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt, die zur Aufhebung des Vertrages ex tunc führe. Deshalb hätten die Parteien die auf Grund des Vertrages erhaltenen Leistungen gemäß § 877 ABGB wieder zurückzustellen. Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es ändere die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der vollinhaltlichen Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm - abgesehen von der Feststellung der Höhe des von der Beklagten an den Nebenintervenienten bezahlten Kaufpreises - die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, es handle sich um den Kauf eines gebrauchten Fahrzeuges, das zum Zeitpunkt des Verkaufes an die Klägerin älter als acht Jahre gewesen sei. Laut Kaufvertrag sei dieses Fahrzeug "in gebrauchtem Zustand, wie besichtigt und probegefahren, ohne jede Gewährleistung" verkauft worden, sodaß besondere Qualitätszusagen nicht gemacht worden seien. Beide Parteien seien davon ausgegangen, daß das Fahrzeug verkehrstauglich sei, was durch die Plakette gemäß § 57a KFG erhärtet worden sei. Auch der Beklagten sei nicht bekannt gewesen, daß das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe in tatsächlicher Hinsicht nicht verkehrstauglich gewesen sei.

Gemäß § 929 ABGB sei ein Verzicht auf Gewährleistungsansprüche welcher Art immer, sohin auch wegen verborgener Mängel, zulässig. Die Klägerin habe auch nicht Gewährleistungsrecht als Grundlage ihres Anspruches herangezogen, sondern laesio enormis und Irrtum. Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes liege nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.

Die Verkehrstauglichkeit eines Gebrauchtwagens sei eine wesentliche Beschaffenheit der Hauptsache im Sinne des § 871 Abs 1 ABGB; die falsche Vorstellung hierüber sei somit als Irrtum (beachtlicher Geschäftsirrtum) anzusehen, da dieser Umstand erfahrungsgemäß wesentliche Bedeutung für die Preisbildung und für den Kaufentschluß des Käufers eines Gebrauchtwagens habe. Für den Verkehrswert eines Gebrauchtwagens sei seine Verkehrstauglichkeit von maßgeblicher Bedeutung. Der Irrtum darüber sei daher ein wesentlicher im Sinne des § 871 ABGB.

Fraglich sei allerdings, ob dieser Irrtum auch von der Beklagten veranlaßt worden sei. Sowohl die Beklagte als auch ihr Ehegatte hätten erwähnt, daß sich das Auto in einem guten Zustand befinde und verkehrssicher sei, wobei sie auch der Überzeugung gewesen seien, daß diese Angaben den Tatsachen entsprochen hätten. Darüber hinaus sei der Klägerin auch vor Unterfertigung des Kaufvertrages das Gutachten des Nebenintervenienten vom 3. Februar 1984 gemäß § 57a KFG vorgezeigt worden, aus welchem sich die Verkehrstauglichkeit im Sinne der zitierten Vorschrift ergeben habe. Die Beklagte habe der Richtigkeit dieser Begutachtung vertraut. Daß das Fahrzeug zwar in rechtlicher Hinsicht somit als verkehrstauglich anzusehen gewesen sei, in tatsächlicher Hinsicht jedoch nicht, sei auch der Beklagten nicht bekannt gewesen. Die Beklagte habe somit bei der Klägerin keinen Irrtum durch Unterlassen (Nichtaufklärung) oder durch arglistige Täuschung hervorgerufen. Sie sei vielmehr der Ansicht gewesen, daß die rechtliche Begutachtung dem tatsächlichen Zustand des Fahrzeuges entsprochen habe. Auf Grund dieser Überlegungen sei weder ein Irrtum gegeben gewesen noch ein solcher von der Beklagten veranlaßt worden.

Der Rechtsprechung, daß die Irrtumsanfechtung auch im Falle eines gemeinsamen Irrtums stattfinde, sei nicht zu folgen, da sich eine geringere Schutzwürdigkeit des Erklärungsgegners mit dessen eigenem Irrtum nicht begründen lasse. Wenn man etwa wegen eigenen Irrtums des Verkäufers über eine Sacheigenschaft ausnahmsweise nicht Veranlassung bejahen könne, wäre es völlig wertungswidersprüchlich, Anfechtung wegen gemeinsamen Irrtums zuzulassen. Gerade der Fall des Veranlassens zeige deutlich, daß nach der Wertung des Gesetzes der Gegner "näher daran" sein müsse, das Risiko enttäuschter Erwartung zu tragen. Auch der Fall des "offenbar Auffallen-Müssens" treffe zumeist gerade die umgekehrte Situation in der Vorstellung des Gegners, insbesondere bei Eigenschaftsirrtümern: Der Gegner kenne die wahre Sachlage und Grund für den fehlenden Vertrauensschutz sei die Tatsache, daß ihm der Irrtum des anderen hätte auffallen müssen. Sei ihm hingegen die wahre Sachlage selbst nicht bekannt, werde auch dieses "Auffallen-Müssen" zumeist nicht vorliegen. Der gemeinsame Irrtum passe daher überhaupt nicht in das System der Risikoabwägung des § 871 ABGB, sodaß eine Anfechtung des Rechtsgeschäftes nach dieser Gesetzesstelle nicht möglich sein könne.

Nach der Vertrauenstheorie gelte eine Erklärung primär so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte. Die Irrtumsregelung des ABGB beruhe unstreitig auf der Vertrauenstheorie. Danach könne ein Irrtum nur dann beachtlich sein, wenn das Vertrauen des Gegners auf die Geltung des Erklärten ausnahmsweise nicht schutzwürdig sei. Das sei der Fall, wenn es sich um einen Irrtum über den Inhalt eines Geschäftes handle und wenn eine der zusätzlichen (die Anfechtung sehr einschränkenden) Voraussetzungen des § 871 ABGB gegeben sei. Da im vorliegenden Fall die Klägerin nicht schutzwürdiger sei als die Beklagte selbst und somit beide Parteien in gleichem Maße einer falschen Begutachtung des Fahrzeuges nach § 57a KFG zum Opfer gefallen seien, sei eine Anfechtung des vorliegenden Geschäftes nach § 871 ABGB nicht möglich. Der Ausgleich des gestörten Leistungsverhältnisses hätte vielmehr im Rahmen von Gewährleistungsansprüchen zu erfolgen, was jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei.

Das Urteil des Erstgerichtes sei daher im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß Rechtsfragen aufgeworfen worden seien, denen eine über den vorliegenden Rechtsfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukomme und zu denen eine einheitliche Rechtsprechung nicht vorliege. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Die Beklagte und der Nebenintervenient haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Gemäß § 871 Abs 1 ABGB entsteht für den Vertragspartner, der über den Inhalt der angegebenen Erklärung in einem Irrtum befangen war, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, unter anderem dann keine Verbindlichkeit, wenn der Irrtum durch den anderen veranlaßt wurde. Nach Lehre und einhelliger Rechtsprechung ist eine Veranlassung im Sinne dieser Gesetzesstelle dann gegeben, wenn der Irrtum durch irgendein Verhalten des Geschäftspartners verursacht wurde. Es genügt jedes für das Entstehen des Irrtums ursächliche Verhalten, ohne daß Vorsatz oder auch nur Fahrlässigkeit vorliegen müßte (SZ 55/51 mwN uva.). "Durch den anderen veranlaßt" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist ein Irrtum auch dann, wenn dieser andere nicht der Vertragspartner selbst oder dessen Vertreter, wohl aber eine Person ist, die für den Vertragspartner beim Vertragsabschluß oder bei dessen Vorbereitung tätig war (MietSlg 33.096 mwN ua.).

Die Anwendung dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:

Es ist nicht zweifelhaft, daß der Käufer eines Gebrauchtwagens - nicht etwa eines zur Ausschlachtung bestimmten Autowracks - ein verkehrstüchtiges Fahrzeug erwerben will, daß also eine Absicht vorzüglich darauf gerichtet und - wenn diese Absicht dem Verkäufer etwa durch die Vereinbarung einer Probefahrt erkennbar sein muß - auch als stillschweigend erklärt anzusehen ist (SZ 46/84). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war das von der Klägerin gekaufte Fahrzeug zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages mit der Beklagten insbesondere infolge der schon damals bestehenden massiven Rostschäden auch an tragenden Teilen nicht mehr verkehrs- und betriebssicher im Sinne des § 57a KFG. Die Klägerin war von der Verkehrssicherheit dieses Fahrzeuges aber überzeugt; sie hätte es nicht von der Beklagten gekauft, wenn sie gewußt hätte, daß das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher war. Die Klägerin befand sich somit bei Abschluß des Kaufvertrages über dieses Fahrzeug in einem wesentlichen den Vertragsgegenstand betreffenden Irrtum (vgl. JBl 1984, 200) und kann daher den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag mit Erfolg wegen Irrtums anfechten, wenn dieser Irrtum von der Beklagten veranlaßt wurde. Wenn nun nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Gatte der Beklagten, dessen Verhalten sich diese im Sinne der einleitenden Rechtsausführungen zurechnen lassen muß, vor Abschluß des Kaufvertrages mit der Klägerin dieser und ihren Begleitern gegenüber erklärte, daß sich das Auto in einem guten Zustand befinde und verkehrssicher sei und diesen Personen das im Sinne des § 57a Abs 4 KFG erstattete Gutachten des Nebenintervenienten vom 3. Februar 1984 zeigte, kann kein ernstlicher Zweifel daran bestehen, daß dieses Verhalten des Ehegatten der Beklagten ursächlich für den dargestellten Irrtum der Klägerin war. Auf ein allfälliges Verschulden der Beklagten oder ihres Ehegatten kommt es, wie bereits oben ausgeführt, in diesem Zusammenhang nicht an. Der Irrtum der Klägerin war daher im Sinne des § 871 Abs 1 ABGB "durch den anderen veranlaßt", sodaß die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen für die Anfechtung des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrages durch die Klägerin wegen Irrtums vorliegen.

Selbst dann aber, wenn man davon ausginge, daß der Irrtum der Klägerin über die Verkehrs- und Betriebssicherheit des gekauften Fahrzeuges nicht durch die Beklagte bzw. ihren Ehegatten veranlaßt war (daß also das Verhalten dieser Personen für die Überzeugung der Klägerin von der Verkehrs- und Betriebssicherheit des gekauften Fahrzeuges nicht ursächlich war), wäre damit für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, weil dann nach den Feststellungen der Vorinstanzen ein gemeinsamer Irrtum der Streitteile vorgelegen wäre, der nach herrschender Auffassung ohne Vorliegen der sonstigen im § 871 Abs 1 ABGB normierten Voraussetzungen zur Anfechtung der getroffenen Vereinbarung berechtigt (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 133 f; Mayer-Maly in Klang 2 IV/2, 218; Ehrenzweig, System 2 I/1, 238 f; SZ 36/22; SZ 44/59; JBl 1976, 646 uva.). Den in der Lehre vertretenen gegenteiligen Meinungen (Rummel in Rummel, ABGB, Rz.18 zu § 871; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 119) wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht gefolgt (in letzter Zeit etwa SZ 56/96; 6 Ob 878/82; JBl 1985, 677; 7 Ob 526/85 ua.) und es bestünde auch im vorliegenden Fall kein Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in dieser Frage abzugehen. Es war daher in Stattgebung der Revision der Klägerin das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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