Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 29. November 1984 verstorbene Helga K*** war Konzessionsträgerin und Eigentümerin des Hauses "A*** B***" in Velden. Der Kläger verbrachte Ende Juli 1984 in diesem Haus seinen Urlaub.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Verlassenschaft nach Helga K*** aus dem Titel des Schadenersatzes den Zuspruch von 90.000 S Schmerzengeld, 2.000 S Unkostenpauschale für Behandlungsfahrten, einen Verdienstentgang, weitere Auslagen (insgesamt Zahlung von 320.201 S) sowie die Feststellung, daß die Beklagte für sämtliche Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Badeunfall vom 21.Juli 1984 hafte. Der Kläger habe sich an einem Nagel verletzt, der aus einem von Helga K*** den Gästen zur Verfügung gestellten Badesteg herausgestanden sei.
Das Erstgericht hat mit Zeischenurteil den Anspruch des Klägers auf Bezahlung eines Verdienstentganges und diverser Arzt- und Krankenhausrechnungen als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und mit Teilurteil die Beklagte verpflichtet, dem Kläger 92.000 S (90.000 S Schmerzengeld und 2.000 S Unkostenpauschale) zu zahlen. Schließlich hat es dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Bei ihren Entscheidungen sind die Vorinstanzen von folgendem wesentlichen Sachverhalt ausgegangen:
Im Jahre 1978 oder 1979 wurde das Seebad der P*** B*** neu errichtet, wobei neue Piloten gesetzt und die Arbeiten durch ein konzessioniertes Unternehmen erbracht wurden. Am 21.Juli 1984 verletzte sich der Kläger beim Schwimmen an einem unter der Wasseroberfläche aus einem Piloten herausstehenden Nagel. Nachdem er in der darauffolgenden Nacht starke Schmerzen hatte und am folgenden Tage hohes Fieber bekam, wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Die festgestellte Stichverletzung erforderte eine Operation, die am 25. Juli 1984 durchgeführt wurde. Die Stichverletzung hatte eine tiefe Beinvenenthrombose des Klägers zur Folge. Der Kläger befand sich insgesamt 24 Tage in Spitalsbehandlung. Dabei mußte er auch vorübergehend Bettruhe einhalten. In der Folge kam es zum Auftreten einer thrombosierenden Venenentzündung, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Folge der durch die Zellgewebsentzündung nach der Stichverletzung am linken Unterschenkel nötigen vorübergehenden Bettruhe war. Wegen dieser Venenentzündung am linken Unterschenkel befand sich der Kläger in der Zeit vom 10.August bis 25.August 1984 in stationärer Krankenhausbehandlung. Das absehbare körperliche Schmerzgeschehen des Klägers auf Grund der kausalen Thrombose beträgt komprimiert 10 bis 12 Tage mittlere und 70 bis 80 Tage leichte Schmerzen. Wegen der Schwellneigung des linken Beines im Rahmen eines postthrombotischen Syndroms wird dem Kläger auch weiterhin das Tragen eines langen Gummistrumpfes empfohlen. Trotz medikamentöser Vorsorge und Behandlung könnte es wieder zu einem Aufflackern der Thrombose kommen. Seit Sommer 1984 steht der Kläger wegen der gegenständlichen Verletzung regelmäßig in ärztlicher Behandlung (im übrigen kann auf die eingehenden Feststellungen des Erstgerichtes auf den Seiten 115 bis 123 dA verwiesen werden).
Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, daß es sich bei dem Badesteg um ein Bauwerk im Sinne des § 1319 ABGB handle, das sich in einem mangelhaften Zustand befunden habe. Die Beklagte habe den Beweis für die Schuldlosigkeit der Helga K*** nicht erbracht. Demnach hafte die Beklagte für die Unfallfolgen. Da das Auftreten weiterer Verletzungsfolgen beim Kläger in Zukunft nicht ausgeschlossen werden könne, erweise sich auch das Feststellungsbegehren als gerechtfertigt. Ferner rechtfertigen die festgestellten Schmerzen den Zuspruch eines Schmerzengeldes von 90.000 S. Nach § 273 ZPO können die geltend gemachten Unkosten mit 2.000 S angenommen werden. Bezüglich der weiters geltend gemachten Forderungen sei bereits jetzt davon auszugehen, daß diese dem Grunde nach zu Recht bestehen. Bezüglich der Höhe müßten sie noch geprüft werden.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Mit der Mängelrüge macht die Beklagte ausschließlich einen angeblichen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens geltend, dessen Vorliegen vomeBarufungsgericht verneint worden ist. Aus diesem Grunde kann der Oberste Gerichtshof auf diese Frage nicht mehr eingehen (SZ 27/4, EvBl 1969/263 ua).
Richtig ist allerdings, daß der Schadenersatzanspruch des Klägers nicht direkt aus der Regelung des § 1319 ABGB abgeleitet werden kann. Für einen Schaden, der zwar durch ein mangelhaftes Werk herbeigeführt wurde, aber weder durch Einsturz oder Ablösung von Teilen noch durch eine von der Höhe des Werkes ausgehende Gefahr entstanden ist, kann nämlich § 1319 ABGB nicht angewendet werden (SZ 53/143 sowie sinngemäß auch Reischauer in Rummel Rz 8 f zu § 1319). Es käme also nur eine analoge Anwendung dieser Bestimmung in Frage. Ob aber eine solche analoge Anwendung wirklich so weit führen könnte, daß praktisch jeder nur denkbare, durch ein Bauwerk oder ein ihm gleichgestelltes Werk verursachter Schaden die Folgen dieser Bestimmung auslösen würde, muß bezweifelt werden. Eine abschließende Beantwortung dieser Frage erübrigt sich aber, weil der Schadenersatzanspruch des Klägers bereits aus anderen Erwägungen gerechtfertigt ist.
Der Kläger wurde als Gast der Helga K*** in deren Pension aufgenommen. Zu der Pension gehörte auch das Seebad mit dem Badesteg. Grundsätzlich gehört es zu den Nebenpflichten eines Pensions- oder Hotelinhabers, der Gäste aufnimmt, für die Sicherheit seiner Gäste Sorge zu tragen. Diese Sicherheit muß sich auf sämtliche den Gästen zur Verfügung gestellten Anlagen beziehen. Wenn daher ein Pensionsinhaber seinen Gästen auch ein Bad samt Badesteg oder Badestiege zur Verfügung stellt, gehört es zu seinen vertraglichen Nebenverbindlichkeiten, dafür Sorge zu tragen, daß die Gäste diese Einrichtungen gefahrlos benützen können. Es handelt daher sorgfaltswidrig auch derjenige, der sich um den Zustand einer Badestiege oder eines von ihm zur Verfügung gestellten Schwimmbades nicht kümmert (Reischauer in Rummel Rz 5 zu § 1297). Derartige Nebenverbindlichkeiten - wie die erwähnten -, fallen aber ebenfalls unter die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB, demzufolge derjenige, der vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert worden sei, dies zu beweisen hat (Reischauer Rz 12 zu § 1298). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen, daß der Kläger durch eine ihm von Helga K*** als seiner Vertragspartnerin zur Verfügung gestellte Anlage Verletzungen erlitten hat und daß diese Verletzungen die von den Vorinstanzen festgestellten Schäden verursacht haben. Demnach haftet die Beklagte für den Ersatz dieser Schäden, falls sie nicht die Schuldlosigkeit der Helga K*** an diesen Verletzungen des Klägers beweist. Einen solchen Beweis haben die Vorinstanzen als nicht erbracht erachtet. Soweit sie hiebei von Tatsachenfeststellungen ausgehen, ist der Oberste Gerichtshof an diese gebunden. Welche festgestellten Umstände jedoch das Fehlen eines Verschuldens der Helga K*** begründen sollten, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte verweist hier lediglich darauf, daß Helga K*** die Anlage vor Jahren durch einen befugten Gewerbsmann errichten hat lassen. Daß dies für sich allein den Nachweis fehlenden Verschuldens nicht begründen konnte, haben die Vorinstanzen zutreffend dargelegt. Sicher dürfen die an einen Hotelier oder Pensionsinhaber gestellten Anforderungen nicht überspannt werden. Von einer Überspannung kann aber keine Rede sein, wenn man von einem solchen Unternehmer verlangt, daß er zumindestens vor dem Beginn jeder Saison die den Gästen zur Verfügung gestellten Anlagen auf ihre Sicherheit hin untersucht und allfällig aufgetretene Mängel beseitigen läßt. Daß Helga K*** in dieser Richtung irgend etwas unternommen hätte, hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Sohin ist ihr der Beweis für das fehlende Verschulden der Helga K*** nicht gelungen.
Richtig gehen also die Vorinstanzen von der grundsätzlichen Haftung der Beklagten für die dem Kläger verursachten Schäden aus. Da fest steht, daß dem Kläger Schäden der von ihm behaupteten Art erwachsen sind, erweist sich das Zwischenurteil als richtig. Was das Feststellungsbegehren anlangt, so steht ebenfalls fest, daß auch in Zukunft das Auftreten weiterer unfallskausaler Schäden möglich ist. Zu diesem Punkt fehlt es an jeglicher konkreter Ausführung in einer der Rechtsmittelschriften der Beklagten. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist auf die Schwere der Verletzung sowie die Art und die Dauer der Schmerzen Bedacht zu nehmen. Geht man von den festgestellten Unfallsfolgen aus, insbesondere von der Langwierigkeit der notwendigen Behandlung und der damit für den Kläger verbundenen Unannehmlichkeiten, erscheint der zugesprochene Schmerzengeldbetrag von 90.000 S nicht überhöht. Auch die Revision läßt nicht erkennen, welche konkreten Umstände gegen die Angemessenheit dieses Betrages sprechen sollen. Die bloße Behauptung, der Betrag sei überhöht, es wäre höchstens ein Betrag von 70.000 S angemessen, läßt jedenfalls nicht erkennen, welche konkreten Umstände gegen die Richtigkeit des zugesprochenen Betrages sprechen sollen.
Was den weiteren Betrag von 2.000 S anlangt, beschränkt sich die Beklagte überhaupt auf die bloße Behauptung, dieser Betrag sei zu hoch. Die von den Vorinstanzen für die Ausmessung nach § 273 ZPO angeführten Gründe sind überzeugend, weshalb der Oberste Gerichtshof darauf verweisen kann.
Die Revision erweist sich also als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 52 Abs 2 sowie 393 Abs 4 ZPO (SZ 23/243).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)