OGH 8Ob507/87

OGH8Ob507/8712.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Caroline Gabriele I***, geboren 31. Oktober 1980, wohnhaft bei der Mutter Gabriele N***, geborene I***, 5110 Oberndorf, Alte Landstraße 22, infolge Rekurses der Mutter gegen den Beschl ß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 4. Dezember 1986, GZ 33 Nc 50/86-45, womit der Übertragung der beim Bezirksgericht Neumarkt anhängigen Vormundschaftssache GZ P 150/81, an das Bezirksgericht Oberndorf die Genehmigung versagt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 17. Jänner 1985 beantragte der in Seekirchen wohnhafte uneheliche Vater der mj. Caroline Gabriele I***, Hartmut S***, die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt unter Ersetzung der Einwilligung der Mutter durch Gerichtsbeschluß. Zum Zeitpunkt der Antragstellung lebte das Kind, das einer von 1979 bis Oktober 1984 bestandenen Lebensgemeinschaft des Hartmut S*** mit der Mutter der Minderjährigen, Gabriele I***, nunmehr verehelichte N*** entstammt, beim Vater Hartmut S***. Das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg als Vormundschaftsgericht führte über den Antrag des Vaters umfangreiche Erhebungen und Beweisaufnahmen durch, eine Entscheidung über den Antrag ist noch nicht erfolgt. Am 17. Mai 1986 nahm die Mutter, die mit Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 5. November 1981 zur Vormünderin bestellt worden war, das Kind zu sich nach Oberndorf, wo es seither bei der Mutter lebt. Mit Beschluß vom 15. Oktober 1986 übertrug das Bezirksgericht Neumarkt gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN die Zuständigkeit zur Besorgung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte dem Bezirksgericht Oberndorf bei Salzburg, da das Kind nunmehr bei seiner Mutter in Oberndorf seinen ständigen Aufenthalt habe.

Das Bezirksgericht Oberndorf verweigerte die Übernahme der Vormundschaftssache, weil noch offene Anträge zu erledigen seien und die örtlichen Kenntnisse keine bessere Handhabung des vormundschaftsbehördlichen Schutzes für die Minderjährige bewirkten, zumal Informationen über die Mutter und das von dieser betriebene Lokal in Salzburg nicht vorhanden seien.

Am 18. November 1986 stellte Hartmut S*** den Antrag auf Einräumung eines Besuchsrechtes hinsichtlich seiner unehelichen Tochter, über den ebenfalls noch nicht entschieden ist. Das Landesgericht Salzburg versagte mit Beschluß vom 4. Dezember 1986 der Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte vom Bezirksgericht Neumarkt an das Bezirksgericht Oberndorf die Genehmigung. Es führte aus, daß nach der Rechtsprechung eine Übertragung in der Regel dann zu genehmigen sei, wenn sich der Mittelpunkt der Lebensführung eines Minderjährigen in den Sprengel eines anderen als des bisher zuständig gewesenen Bezirksgerichtes verlagert habe, wobei offene Anträge in der Regel einer Übertragung nicht entgegenstünden, außer wenn etwa ein umfangreiches Verfahren bereits durchgeführt worden und das Verfahren bis zur Entscheidungsreife gediehen sei. Insbesondere offene Anträge über die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten würden als ein solches Übertragungshindernis angesehen. Im vorliegenden Fall könne ein Interesse an der Übertragung derzeit nicht gesehen werden. Der Erstrichter habe bereits eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und dabei sowohl den Vater als auch die Mutter (teils) persönlich vernommen. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit der Schutz des Minderjährigen konkret durch die Übertragung der Zuständigkeit hinsichtlich der beantragten Adoption besser gewährleistet sei. Die ebenfalls vom Bezirksgericht Neumarkt angeführte Möglichkeit, Mutter und Kind relativ rasch vernehmen zu können, falle nicht ins Gewicht, da beim Bezirksgericht Neumarkt diese Möglichkeit hinsichtlich des Vaters und Antragstellers bestehe. Aus allen diesen Erwägungen erscheine es zweckmäßig - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die nahezu zwei Jahre zurückliegende Antragstellung -, daß das Bezirksgericht Neumarkt noch die Entscheidung über den Adoptionsantrag treffe.

Gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg wendet sich der Rekurs der Mutter mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Genehmigung der Übertragung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte vom Bezirksgericht Neumarkt an das Bezirksgericht Oberndorf.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (vgl. NZ 1985, 228 ua), er ist aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin führt aus, daß derzeit noch nicht abzusehen sei, wann die Entscheidung über den Adoptionsantrag erfolgen könne, weil noch umfangreiche Beweisaufnahmen, etwa die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erforderlich sein werde. Das Kind befinde sich bereits acht Monate bei ihr in Oberndorf und habe sich dort eingelebt. Es würden voraussichtlich auch in Salzburg wohnhafte Zeugen zu vernehmen sein, die Entfernung von Salzburg nach Oberndorf betrage nur 10 Kilometer, nach Neumarkt hingegen 24 Kilometer. Auch eine Beendigung des Verfahrens über das beantragte Besuchsrecht des Vaters sei noch nicht abzusehen. Der Mittelpunkt der Lebensführung der Minderjährigen habe sich nach Oberndorf verlagert, beim Bezirksgericht Oberndorf sei die nach den Umständen wirksamste Handhabung des vormundschaftsbehördlichen Schutzes für die Minderjährige gewährleistet. Offene Anträge könnten die Übertragung der Zuständigkeit nur in Ausnahmsfällen hindern, wie etwa dann, wenn ein umfangreiches Verfahren bis zur Entscheidungsreife gediehen sei, was hier aber nicht der Fall sei. Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß auch bei Fortfall der zuständigkeitsbegründenden Umstände eine Anpassung der gemäß § 29 JN grundsätzlich aufrecht bleibenden Zuständigkeit an die geänderten Verhältnisse nur unter der Voraussetzung zu erfolgen hat, daß "dies im Interesse eines Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint" (6 Ob 630/86 ua). Es trifft auch zu, daß in der Regel die Übertragung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte an jenes Gericht, in dessen Sprengel ein Minderjähriger seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, zu genehmigen sein wird, auch wenn noch unerledigte Anträge vorliegen. Wurde aber, wie im vorliegenden Fall vom zuständigen Vormundschaftsgericht ein umfangreiches, schon über zwei Jahre dauerndes Verfahren über den Adoptionsantrag des unehelichen Vaters durchgeführt, erscheint es doch im Interesse des Kindes gelegen, wenn dieses Gericht auch die Entscheidung über diesen Antrag fällt, zumal das Kind nunmehr im benachbarten Gerichtssprengel seinen ständigen Aufenthalt hat und die Entfernung zum derzeitigen Vormundschaftsgericht relativ gering ist. Dem Landesgericht Salzburg ist daher beizupflichten, daß unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles derzeit eine Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Neumarkt an das Bezirksgericht Oberndorf nicht im Interesse der Minderjährigen gelegen erscheint.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte