OGH 7Ob729/86 (7Ob730/86)

OGH7Ob729/86 (7Ob730/86)29.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Ing. Istvan H***, geboren am 8. Mai 1944, Kaufmann, Wien 4., Argentinierstraße 41 a, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 20. Februar 1986, GZ. 43 R 896/85-247, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Oktober 1985, GZ. 4 SW 10/85-192, teilweise bestätigt und teilweise behoben wurde und infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 20. Februar 1986, GZ. 43 R 897/85-248, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Oktober 1985, GZ. 4 SW 10/85-203, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Rechtsmittelwerber wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. Dezember 1975, GZ. 3 L 46/75-44, wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt. Ein Ausspruch im Sinne des § 67 Abs. 1 letzter Satz EntmO, daß die Wirksamkeit des Beschlusses bis zu seiner Rechtskraft aufgeschoben werde, erfolgte nicht. Das Gericht zweiter Instanz wies den vom Entmündigten gegen die erstgerichtliche Entscheidung erhobenen Rekurs zurück und gab seinem Widerspruch nicht Folge (44 R 26/78-288).

Nach Eröffnung des Pflegschaftsverfahrens sprach das Erstgericht mit Beschluß vom 19. Juli 1984 aus, daß der Entmündigte aufgrund des Art. X Z 3 Abs. 1 des BG 2.2.1983 über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl. Nr. 136, mit 1. Juli 1984 einer Person gleichsteht, der ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB bestellt wurde und der bisherige Beistand Dr. Olaf B*** Sachwalter ist (ON 101).

Mit Beschluß vom 16. Oktober 1985 (ON 192) genehmigte das Erstgericht den Antrag auf Kraftloserklärung von Sparbüchern des Betroffenen, sprach jedoch für die Durchführung des Verfahrens seine Unzuständigkeit aus und überwies den Antrag gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses). Es verhängte über den Betroffenen eine Ordnungsstrafe von S 500 (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) und wies den Antrag des Betroffenen auf Widerruf der öffentlichen Bekanntmachung der Entmündigung ab (Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses). Dieser Beschluß wurde dem Betroffenen am 22. Oktober 1985 zugestellt. Am 28. Oktober 1985 beantragte er, ihm die Verfahrenshilfe im vollen Umfang, insbesondere auch durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung eines Rekurses gegen die obgenannte Entscheidung des Erstgerichtes zu bewilligen. Mit Beschluß vom 29. Oktober 1985 (ON 203) wies das Erstgericht diesen Antrag ab.

Gegen beide Beschlüsse des Erstgerichtes (ON 192 und 203) erhob der Betroffene durch seinen frei gewählten Vertreter Rekurs. Das Rekursgericht hob den Punkt 2 des Beschlusses vom 16. Oktober 1985 (ON 192) ersatzlos auf und bestätigte im übrigen die Entscheidung des Erstgerichtes (ON 247). Dem Rekurs gegen den Beschluß vom 29. Oktober 1985 (ON 203) gab das Rekursgericht nicht Folge (ON 248). Gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung der zweiten Instanz ON 247 richtet sich der Revisionsrekurs des Betroffenen (ON 261), in dem er geltend macht, daß weder der der Entscheidung der zweiten Instanz zugrunde gelegte Ausspruch über die beschränkte Entmündigung noch die Entscheidung über die Befangenheit des Erstrichters rechtskräftig seien.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes ON 248 betreffend die Verfahrenshilfe bekämpft der Betroffene mit Revisionsrekurs (ON 262) mit der Begründung, daß das Rekursgericht in Wahrheit über seinen Antrag auf Verfahrenshilfe gar nicht entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind unzulässig.

I. Zum Revisionsrekurs ON 261:

Eine Regelung der verfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit des Pflegebefohlenen fehlt im Außerstreitgesetz. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war es anerkannt, daß dem beschränkt Entmündigten in dem ihn selbst betreffenden Pflegschaftsverfahren eine selbständige, von seinem gesetzlichen Vertreter unabhängige verfahrensrechtliche Stellung zuzubilligen sei, wenn dies nach dem Entscheidungsgegenstand geboten erscheine. Um sich gegen Maßnahmen ihrer gesetzlichen Vertreter oder des Pflegschaftsgerichtes zur Wehr setzen zu können, wurde beschränkt Geschäftsfähigen das Recht zuerkannt, selbständig Anträge zu stellen und Rekurse zu erheben; insoweit konnten sie auch Rechtsanwälte bevollmächtigen (SZ 43/36; JBl. 1970, 206; EvBl. 1969/127; SZ 38/216; 1 Ob 175/75; 1 Ob 781, 785/76). Nach Steinbauer (Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht in ÖJZ 1985, 430) soll sich die bisherige Praxis nicht ohne Modifikation auf das Sachwalterrecht übertragen lassen. Fest stehe, daß vollkommen Handlungsunfähige nicht in der Lage seien, in einem gerichtlichen Verfahren, in dem ihnen Parteistellung zukomme, selbständig handelnd aufzutreten. Vollkommen Handlungsunfähige könnten daher, gleich ob sie unter Sachwalterschaft stünden, auch im Verfahren außer Streitsachen nur durch ihre gesetzlichen Vertreter in das Verfahren eingreifen. Zu diesem im Verfahren außer Streitsachen Handlungsunfähigen müsse man auch die Personen zählen, denen gemäß § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt worden sei. Die Sachwalterbestellung, und zwar auch die nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB sagt jedoch in der Regel darüber nichts aus, ob der Kurand des Gebrauches der Vernunft gänzlich beraubt ist (Pichler, Probleme, Erfreuliches und gesetzgeberische Fehlleistungen im neuen Sachwalterrecht in JBl. 1984, 225). Im Vordergrund der Bestimmungen über die Sachwalterschaft stand auch nicht die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen, sondern die Bestellung eines "Betreuers" (Ent-Hopf, Sachwalterrecht 34). Im vorliegenden Fall besteht die Sachwalterschaft nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB jedoch auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. X Z 3 Abs. 1 des Sachwaltergesetzes, in der ausdrücklich klargestellt ist, daß ein beschränkt Entmündigter die Handlungsfähigkeit eines mündigen Minderjährigen behält. Für diesen Fall kommen die Argumente Steinbauers daher nicht zum Tragen. Bei einer einen ehemals beschränkt Entmündigten betreffenden Sachwalterschaft nach § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB auf Grund der Übergangsregelung des Art. X Z 3 Abs. 1 SachwalterG ist daher an der bisherigen Rechtsprechung über die selbständige Antrags- und Rekurslegitimation des Kuranden festzuhalten. Nach den oben dargelegten Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist dem Betroffenen ein Antrags- und Rekursrecht in Fragen der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und der Besetzung des Pflegschaftsgerichtes zuzuerkennen (6 Ob 697/80). Darum geht es aber hier nach dem Inhalt des Antrages des Betroffenen. Da eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz vorliegt, ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof aber nur aus den Gründen des § 16 AußStrG zulässig. Solche liegen jedoch nicht vor. Den Antrag auf Ablehnung des geschäftsverteilungsgemäß mit der Führung der Pflegschaftssache betrauten Richters wies der Vorsteher des Erstgerichtes zurück. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Ablehnungsverfahren ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig. Das gilt auch im Verfahren außer Streitsachen (JBl. 1972, 327; NZ 1970, 76; 8 Ob 554/86 ua.). In diesem Sinne hat auch bereits der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall entschieden (6 Ob 565/86). Es ist daher unzutreffend, daß über die Ablehnung des Erstrichters noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.

Nach dem zur Zeit des Ausspruches der beschränkten Entmündigung des Rechtsmittelwerbers in Geltung gestandenen § 67 EntmO trat der Beschluß, mit dem die Entmündigung ausgesprochen wurde, mit dem Tag in Wirksamkeit, an dem die Entscheidung dem Entmündigten zugestellt wurde, soferne das Gericht nicht die Wirksamkeit bis zum Eintritt der Rechtskraft aufschob. Wurde die Wirksamkeit der Entscheidung nicht aufgeschoben, so war das Pflegschaftsverfahren sofort zu eröffnen und der Beistand zugleich mit der öffentlichen Bekanntmachung der Entmündigung zu bestellen (SZ 33/27). Ein solcher Aufschub der Wirksamkeit wurde im vorliegenden Fall nicht ausgesprochen und der Beschluß, mit dem die beschränkte Entmündigung des Rechtsmittelwerbers ausgesprochen wurde, diesem und seinem Vertreter am 23. Dezember 1975 zugestellt (ON 44 und AS 137 des Entmündigungsaktes). Auf den Eintritt der Rechtskraft kam es demnach für die Einleitung des Pflegschaftsverfahrens für die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung nicht an. Es könnte daher auch ein allfälliger Mangel der Rechtskraft des Entmündigungsbeschlusses weder Nichtigkeit noch offenbare Gesetzwidrigkeit weder dieser Verfügungen noch der darauf beruhenden weiteren Verfügungen des Pflegschaftsgerichtes bewirken. Im übrigen ist dem Standpunkt des Rechtsmittelwerbers, die Entscheidung der zweiten Instanz über seinen gegen die Entmündigung erhobenen Rekurs und Widerspruch sei ihm nicht zugestellt worden, zu entgegnen, daß er die Annahme der Sendung verweigerte und diese daher im Sinne des § 109 ZPO in der damals geltenden Fassung am Ort der Zustellung mit der Wirkung einer solchen zurückgelassen wurde (ON 296 des Entmündigungsaktes).

II. Zum Revisionsrekurs ON 262:

Richtig ist, daß die Bestimmungen über die Verfahrenshilfe sinngemäß auch für das Außerstreitverfahren gelten. Es gilt jedoch auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs. 1 Z 3 ZPO, wonach Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe unzulässig sind (Art. VIII § 3 Abs. 1 im Zusammenhalt mit Art. II des Verfahrenshilfegesetzes). Die Entscheidung der zweiten Instanz vom 20. Februar 1986, ON 248, betraf die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Verfahrenshilfe, sodaß der dagegen erhobene Revisionsrekurs unzulässig ist. Demgemäß sind beide Revisionsrekurse zurückzuweisen.

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