Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Ust) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die berufstätige 45jährige Klägerin begehrt die Scheidung ihrer am 21.11.1964 mit dem gleichaltrigen Beklagten geschlossenen Ehe aus dessen Verschulden mit der Begründung, dieser sei seit längerer Zeit Alkoholiker, leiste trotz seiner Arbeitslosigkeit keinen tätigen Beitrag zur Haushaltsführung und stehe auch zu den drei ehelichen Kindern in keinem guten Verhältnis. Die Ehe sei tiefgreifend und unheilbar zerrüttet.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und hilfsweise die Feststellung einer Mitschuld der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe, weil sie "teilweise spät in die Ehewohnung zurückkehre". Das Erstgericht, vor welchem die Streitteile nicht anwaltlich vertreten waren, gab der Scheidungsklage statt; sein Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte eine auf § 503 Abs 2 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung, hilfsweise auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen ist der Beklagte schon seit längerer Zeit Alkoholiker und trinkt derzeit 4 bis 6 Viertelliter Wein pro Tag. Meist verläßt er, obwohl seit drei Jahren arbeitslos, schon um 6 Uhr 30 die Ehewohnung und hält sich dann in Gasthäusern auf. Bei seiner Rückkehr in betrunkenem Zustand brüllt er die Kinder in der Ehewohnung an, sodaß sie sich vor ihm fürchten. Die Klägerin arbeitet ganztägig, davon dreimal in der Woche bis 21 Uhr. Wegen dieser späten Heimkehr machte ihr der Beklagte unberechtigte Vorhaltungen. Infolge der Trunksucht des Beklagten ist es zwischen den Streitteilen "schon früher zu Problemen gekommen". Die Ehe der Streitteile ist nunmehr auf Grund des Verhaltens des Beklagten so tiefgreifend zerrüttet, daß bei rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht mehr erwartet werden kann.
Das Berufungsgericht hielt weder die vom Beklagten erhobene Verfahrens- noch seine Rechtsrüge für gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers lägen die ihm vom Erstgericht angelasteten Verfehlungen nicht länger als 6 Monate zurück, sodaß die von ihm behauptete Verfristung der Scheidungsgründe nicht eingetreten sei. Auch die Zerrüttung der Ehe der Streitteile könne nicht bezweifelt werden, weil hiefür die Zerstörung jeglicher ehelicher Gesinnung bei einem der Ehegatten hinreiche. Im Hinblick auf die im jahrelangen übermäßigen Alkoholkonsum des Beklagten und seine fortgesetzte Verletzung der Unterhaltspflicht gelegenen schweren Eheverfehlungen sei bei der Klägerin zweifellos eine solche Wirkung eingetreten. Von einer Mitschuld ihrerseits an der Ehezerrüttung könne nicht ausgegangen werden, weil der Umstand, daß die Klägerin mehrmals wöchentlich spät nach Hause komme, festgestelltermaßen berufsbedingt sei.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (offenbar irrtümlich als Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 1 ZPO bezeichnet) werden angebliche erstgerichtliche Verfahrensmängel gerügt, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde. Nach ständiger Judikatur ist eine solche neuerliche Rüge in dritter Instanz unzulässig. Dies gilt nunmehr auch für Scheidungsverfahren, weil in diesen seit der Zivilprozeß-Novelle BGBl.1983/566 nach dem Inhalt des § 460 Abs 1 Z 4 ZPO das Prinzip der amtswegigen Untersuchung nicht mehr zur Anwendung kommt (1 Ob 669, 670/85 ua, zuletzt 2 Ob 691/86). In der Rechtsrüge bringt der Beklagte vor, aus den als erwiesen angenommenen Vorwürfen der Klägerin über sein ehewidriges Verhalten folge noch nicht, daß die Ehe unheilbar zerrüttet sei, dies insbesondere, wenn man das Milieu bedenke, in welchem sich die ehelichen Auseinandersetzungen abspielten. Ebensowenig stehe fest, daß seine Eheverfehlungen von der Klägerin als ehezerstörend empfunden worden seien.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Die Klägerin hat schon in der Klage vorgebracht, die Ehe sei wegen des Verhaltens des Klägers tiefgreifend und unheilbar zerrüttet. In ihrer Parteienvernehmung verwies sie darauf (AS 9 f), daß sie wegen der Trunksucht des Beklagten schon einmal eine Scheidungsklage eingebracht, nach seinem Versprechen, sich zu bessern, aber zurückgezogen habe. Seit der Beklagte nunmehr arbeitslos sei - festgestelltermaßen ist er dies seit 3 Jahren - sei die Ehe aber noch weiter zerrüttet worden. Der Beklagte seinerseits gab zu (AS 8 f), daß ihn die Klägerin ersucht habe, "das Trinken einzustellen, dann hätten wir ein anderes Leben".
Auf Grund des vorgebrachten und festgestellten Sachverhaltes insgesamt haben die Unterinstanzen somit aber zu Recht angenommen, die Klägerin habe im Hinblick auf das ehewidrige Verhalten des Beklagten nunmehr jegliche eheliche Gesinnung verloren. Ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, muß nach objektiven Maßstäben beurteilt werden und stellt auf der Grundlage des für erwiesen erachteten Sachverhaltes eine rechtliche Schlußfolgerung dar (vgl. EvBl 1975/91; 1 Ob 644/83; EFSlg 12.315; 2 Ob 525/83 ua). Eine unheilbare Zerrüttung ist, worauf das Berufungsgericht zutreffend verwies, auch schon dann gegeben, wenn die eheliche Gesinnung bei einem der Ehegatten zerstört ist (EvBl 1959/34 uva; zuletzt 2 Ob 617/85). Dabei muß die Zerrüttungswirkung einer Eheverfehlung nicht sofort eintreten, sondern kann sich erst allmählich ergeben (6 Ob 276/63 ua; zuletzt 2 Ob 615/86). Daß ein Ehegatte durch mehrere Jahre die Tatsache des Trinkens des anderen Gatten und die aus diesem Zustand hervorgehenden Auseinandersetzungen hingenommen hat, ohne die Scheidungsklage einzubringen, benimmt ihm nicht das Recht, die Scheidung der Ehe zu begehren. Die Behauptung, diese Verfehlungen seien nicht als schwere Störung der Ehe empfunden worden, muß vom schuldigen Gatten bewiesen werden (6 Ob 254/68 ua, zuletzt 7 Ob 571/84). Dessen eigene Bereitwilligkeit zur Fortsetzung der Ehe ist für die Beurteilung der Ehezerrüttung unerheblich (EvBl 1959/34 uva, zuletzt 2 Ob 615/86).
Somit erweisen sich aber die in der Revision vorgetragenen Argumente nicht als stichhältig. Es konnte ihr daher kein Erfolg zuteil werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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