OGH 1Ob37/86

OGH1Ob37/8614.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang M***, Handelsreisender, Innsbruck, Pacherstraße 21, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 62.167,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1986, GZ. 3 R 82/86-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Jänner 1986, GZ. 1 Cg 240/85-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichts werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird gleichen weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen sein.

Text

Begründung

Der Kläger wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. Februar 1982, 29 Hv 17/81, des Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 zweiter Fall SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt; der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe wurde gemäß § 43 Abs. 2 StGB für die Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Strafgericht legte dem Kläger zur Last, daß er am 5. Juli 1979 in Gesellschaft einer Mittäterin versucht habe, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider 2 kg Haschischöl in solchen Mengen aus Jamaica nach Toronto einzuführen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte. Den Gründen der Entscheidung ist zu entnehmen, daß dem Kläger für den Transport ein Entgelt von 2.000 kanadischen Dollar zugesagt wurde. Das Oberlandesgericht Linz gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers mit Urteil vom 29. Juni 1982, 8 Bs 159/82, keine Folge. Mit Mandatsbescheid vom 30. April 1982 entzog die Bundespolizeidirektion Linz dem Kläger gemäß § 73 KFG 1967 iVm § 57 AVG 1950 "vorübergehend auf die Dauer von 36 Monaten ab 5. Juli 1979/ab Zustellung des Bescheides" die Lenkerberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die vom Landesgericht Linz am 16. Februar 1982 über den Kläger wegen Verbrechens nach § 12 SGG verhängte bedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten rechtfertige die Annahme, daß er die zur Führung eines Kraftfahrzeuges erforderliche Verkehrszuverlässigkeit nicht besitze. Diese Maßnahme erscheine unaufschiebbar, da die Weiterbelassung der Lenkerberechtigung auf Grund des Verhaltens des Klägers eine Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer bedeuten würde. Die Behörde sei daher in Anwendung des § 57 AVG 1950 berechtigt, den Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Die Verkehrszuverlässigkeit sei frühestens nach Ablauf der festgesetzten Entzugsdauer gegeben. Auf Grund der dagegen vom Kläger erhobenen Vorstellung leitete die Bundespolizeidirektion Linz das Ermittlungsverfahren ein, trat den Akt aber wegen Wohnsitzwechsels an die Bundespolizeidirektion Innsbruck ab. Mit Bescheid vom 3. September 1982 entzog die Bundespolizeidirektion Innsbruck dem Kläger "gemäß §§ 73/1, 66/2 lit. c KFG 1967" die Lenkerberechtigung auf Dauer und sprach aus, daß dem Kläger auf die Dauer von 36 Monaten (gerechnet ab 5. Juli 1979) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Klägers wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 28. Oktober 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 11. April 1984, Zl. 82/11/0358 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil die Bundespolizeidirektion Innsbruck nach Erlassung eines Mandatsbescheides durch die Bundespolizeidirektion Linz für die Erledigung der Vorstellung örtlich nicht zuständig war. Der Verwaltungsgerichtshof verwies in der Begründung auch auf seine neuere Rechtsprechung, wonach eine rückwirkende Entziehung der Lenkerberechtigung nicht zulässig sei. Der Landeshauptmann von Tirol gab mit Bescheid vom 4. Juni 1984 der Berufung des Klägers teilweise Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Bundespolizeidirektion Linz zurück. Diese entzog dem Kläger mit Bescheid vom 3. Juli 1984 die Lenkerberechtigung auf die Dauer von 12 Monaten. Einer gegen den Bescheid erhobenen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung versagt. Zur Begründung führte die Bundespolizeidirektion Linz aus, die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers wegen Verbrechens nach § 12 SGG erweise, daß es der Kläger zumindest für möglich gehalten und sich damit abgefunden habe, daß Suchtgift in die Hände eines größeren, für ihn nicht überschaubaren Personenkreises gelange, dessen Leben und Gesundheit damit gefährdet werden konnte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger auch in Zukunft der Versuchung, durch kriminelle Delikte einen finanziellen Vorteil zu erlangen, erliegen und versuchen werde, Rauschgiftschmuggel unter den erleichterten Umständen der Benützung eines Kraftfahrzeuges zu betreiben. Es sei daher erforderlich, diese Möglichkeit noch für die Dauer von 12 Monaten zu unterbinden. Es sei auch die Annahme gerechtfertigt, daß die verloren gegangene charakterliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges bis dahin wieder erlangt werde. Was den Zeitpunkt des Entzuges betreffe, sei der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes folgend auf die Bescheidzustellung abzustellen. Da die Verkehrszuverlässigkeit fehle und die Weiterbelassung der Lenkerberechtigung eine Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer bedeuten würde, sei aus Gründen des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen. Über Berufung des Klägers hob der Landeshauptmann von Oberösterreich den angefochtenen Bescheid mit Bescheid vom 7. September 1984 auf. Es vertrat die Ansicht, der Entzug der Lenkerberechtigung für die Dauer von 36 Monaten sei zu Recht erfolgt, weil eine vom Gesetz in § 66 Abs. 2 lit. c KFG normierte bestimmte Tatsache vorgelegen sei und eine Wertung dieser Tatsache iS des § 66 Abs. 3 KFG die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Klägers rechtfertige. Es genüge nämlich, daß die erwiesene Tatsache, im vorliegenden Fall der Schmuggel von Rauschgift, ein weiteres Verhalten dieser Art befürchten lasse. Die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht sei für die Verwaltungsbehörde nicht bindend, weil die Zielsetzungen eines strafgerichtlichen Verfahrens andere seien als eines Verfahrens zum Entzug der Lenkerberechtigung. In letzterem Verfahren stehe allein die Frage zur Beurteilung, wie sich eine Person künftig im Verkehr verhalten werde. Es gehe dabei um die allfällige Änderung einer bestimmten, dem Grad der Verwerflichkeit entsprechend zu wertenden Sinnesart. Zu berücksichtigen sei dabei die besondere Verantwortungslosigkeit, Brutalität oder Rücksichtslosigkeit der Tat, die eine baldige Änderung der Sinnesart nicht erwarten lasse. Da der Berufungswerber aber weder vor der Verurteilung noch auch seither durch immerhin fünf Jahre nachteilig in Erscheinung getreten sei, sei selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich bei der strafbaren Handlung um ein besonders verwerfliches Delikt gehandelt habe, die Annahme der nunmehr gegebenen Verkehrszuverlässigkeit gerechtfertigt.

Mit der am 12. August 1985 eingebrachten Amtshaftungsklage begehrt der Kläger den Ersatz seines Schadens von S 62.167,--, davon S 3.867,-- an Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheins und S 58.300,--, die er Bekannten dafür geleistet habe, daß sie ihn in ihrem PKW befördert hätten, was zur Wahrnehmung seiner Tätigkeit als Handelsreisender erforderlich gewesen sei. Der Kläger stützt sein Begehren darauf, daß Organe der beklagten Partei insofern rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hätten, als sie seine Verkehrszuverlässigkeit verneint und damit die Voraussetzungen für die Entziehung der Lenkerberechtigung als gegeben angenommen hätten. Sowohl der Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. Juni 1982 als auch alle weiteren im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide seien rechtswidrig.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Rechtsauffassung der Organe des Bundes sei vertretbar gewesen. Der Mandatsbescheid sei wegen Gefahr im Verzug zu Recht erlassen worden. Selbst wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Mandatsbescheides nicht vorgelegen wären, bestünde der Anspruch nicht zu Recht, weil ein Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht gegeben sei. Der Kläger habe auch im Aufforderungsverfahren zum Nachweis der Berechtigung seines Anspruchs nur Belege aus der Zeit vom 24. Mai bis 29. Mai 1982 vorgelegt, so daß auch nur die Rechtswidrigkeit der im Jahre 1982 erlassenen Bescheide zu prüfen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verurteilung des Klägers wegen Verbrechens nach § 12 SGG sei eine bestimmte Tatsache iS des § 66 Abs. 2 lit. c KFG, die die Verkehrszuverlässigkeit ausschließe. Da bedingt aufgeschobene Freiheitsstrafen erst mit der endgültigen Nachsicht als vollzogen gelten, hätte die Lenkerberechtigung noch bis 29. Juni 1986 entzogen werden können. Auf eine rasche Besserung des zur Tatzeit nicht mehr jugendlichen Klägers habe man nicht vertrauen dürfen. Insgesamt könne im Entzug der Lenkerberechtigung keine unvertretbare Fehleinschätzung der Behörde erblickt werden. Die Erlassung eines Mandatsbescheides sei nicht schadenskausal, weil auch ein durchgeführtes Ermittlungsverfahren zum selben Ergebnis geführt habe. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht keine Folge. Die Revision ließ es zu. In seinem Aufforderungsschreiben vom 24. April 1985 habe der Kläger nur die unberechtigte Verneinung seiner Verkehrszuverlässigkeit und die Unzulässigkeit der Erlassung eines Mandatsbescheides geltend gemacht. Soweit die Berufung daher Begründungsmängel oder den Mißbrauch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln releviere, verlasse sie den vom Aufforderungsschreiben abgesteckten Verfahrensgegenstand. Im übrigen sei der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beizupflichten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist im Ergebnis gerechtfertigt.

Gemäß § 73 Abs. 1 KFG ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr iS des § 66 KFG verkehrszuverlässig sind, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen. Gemäß § 73 Abs. 2 KFG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Zeit ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen und darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, nicht kürzer sein als drei Monate. Als verkehrszuverlässig gilt gemäß § 66 Abs. 1 KFG eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (§ 66 Abs. 2 KFG) und ihrer Wertung (§ 66 Abs. 3 KFG) angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird oder b) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Als bestimmte Tatsache iS des § 66 Abs. 1 KFG hat insbesondere zu gelten, wenn jemand (lit. c) eine strafbare Handlung gemäß § 12 SGG begangen hat. Für die Wertung der im Abs. 1 des § 66 KFG angeführten Tatsachen sind gemäß § 66 Abs. 3 KFG bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. § 66 Abs. 2 KFG führt demonstrativ bestimmte Tatbestände des Strafgesetzbuches und des Verwaltungsrechtes an, die, sofern nicht die Voraussetzungen zum § 66 Abs. 3 lit. a oder b KFG gegeben sind, unwiderleglich als bestimmte Tatsachen iS des § 66 Abs. 1 KFG gelten, die demnach ihrer Art nach geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen. Das Vorliegen einer solchen bestimmten Tatsache genügt aber noch nicht, um deshalb allein die Verkehrszuverlässigkeit einer Person annehmen zu dürfen. Die erwiesene bestimmte Tatsache bedarf vielmehr der Wertung nach den Grundsätzen des § 66 Abs. 3 KFG. Diese Bewertung hat zum Ziel, die konkrete Annahme zu begründen, eine Person, die eine bestimmte Tatsache iS des § 66 Abs. 2 KFG gesetzt hat, lasse nach der Art der bestimmten Tatsache und ihrer Wertung auch noch im Zeitpunkt der Setzung einer der Maßnahmen nach § 73 KFG eine Sinnesart erkennen, die ein künftiges Verhalten nach § 66 Abs. 1 lit. a oder b KFG befürchten läßt (ZVR 1984/295 u.a.). Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Kraftfahrgesetz 1967 (186 BlgNR XI. GP 107) führen aus, daß die Beantwortung der Frage, ob die Verkehrszuverlässigkeit gegeben sei, nie über vermutende Annahmen hinausgehen könne, doch lasse das bisherige Verhalten des zu Beurteilenden doch ziemlich weitgehende Schlüsse zu. Der nichtverkehrszuverlässige Lenker sei in erster Linie eine Gefahr für die andern Straßenbenützer, so daß Rücksichten auf die Person des Lenkers stets nur in zweiter Linie in Betracht kämen. Die Behörde müsse vor allem trachten, die Gefährdung der übrigen Straßenbenützer auszuschalten. Andererseits soll die Behörde nicht an eine starre Automatik gebunden sein bzw. schablonenhaft auf Grund von Straferkenntnissen oder Strafurteilen ihre Schlüsse ziehen. Sie müsse vielmehr stets einen gewissen Ermessensspielraum haben, um die Verkehrszuverlässigkeit einer Person vom Standpunkt der allgemeinen Verkehrssicherheit aus beurteilen zu können.

Der Revisionswerber räumt ein, daß die ihm zur Last gelegte Straftat eine Tatsache darstellt, die gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG gegen die Verkehrszuverlässigkeit spricht. Beizupflichten ist den Ausführungen des Revisionswerbers nach dem Vorgesagten darin, daß die Begehung einer Straftat nach § 12 SGG nicht automatisch zur Entziehung der Lenkerberechtigung führen darf, sondern daß dieses Verhalten noch einer Wertung bedarf. Es kann jedoch entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht gesagt werden, daß die Wertung, die der Erlassung des Mandatsbescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. April 1982 zugrundelag, unvertretbar wäre. Nur unter dieser Voraussetzung wäre aber ein Amtshaftungsanspruch anzuerkennen, weil auch eine unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung keinen Amtshaftungsanspruch zu begründen vermag. Sind Bestimmungen nicht vollkommen eindeutig, hat die Behörde, wie im vorliegenden Fall, eine Wertung eines Verhaltens zu treffen und auf Grund des festgestellten Verhaltens eine Zukunftsprognose vorzunehmen, die immer mit Unsicherheitsfaktoren belastet sein muß, so kommt es dabei darauf an, ob die getroffene Entscheidung bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als vertretbar bezeichnet werden kann (vgl. SZ 56/93; SZ 53/83; SZ 52/56 u.a.). Eine vertretbare Rechtsanwendung mag rechtswidrig sein, sie stellt aber kein Verschulden iS des § 1 Abs. 1 AHG dar (JBl. 1985, 171). Bei der Wertung iS des § 66 Abs. 3 KFG war die besondere Verwerflichkeit der Tat und die durch die Straftat manifestierte Neigung des Klägers, ohne Rücksichtnahme auf das Leben und die Gesundheit der Mitmenschen Profit zu machen, als besonders gravierend in Betracht zu ziehen. Ein derartiges Verhalten rechtfertigte die Annahme einer ungünstigen Zukunftsprognose, weil es eine baldige Änderung der Sinnesart des Täters im allgemeinen nicht erwarten läßt (VwGH ZVR 1984/277). Was den seit der Straftat verflossenen Zeitraum betrifft, so konnte die Behörde die Ergebnisse des Strafverfahrens abwarten, zumal der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung die Annahme mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nicht rechtfertigte (VwGH ZVR 1971/176). Wenn die Behörde gemäß § 38 AVG 1950 auch berechtigt gewesen wäre, das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung als Vorfrage selbst zu beurteilen (VwGH ZVR 1971/176), so kann sich der Kläger doch darüber, daß die Behörde dies nicht getan hat und somit nicht schon früher zur Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit gelangte, nicht beschwert erachten. Es kommt auch dem Wohlverhalten während eines Strafverfahrens und des Entzugsverfahrens geringere Bedeutung zu (ZVR 1984/277). Die Behörde mußte auch in Betracht ziehen, daß es sich beim Entzug der Lenkerberechtigung um eine Schutzmaßnahme im Interesse anderer Personen handelt (ZVR 1984/277), so daß noch so gravierende Auswirkungen auf die berufliche und wirtschaftliche Existenz des Täters unbeachtet bleiben mußten (VwSlg. 11.203/A = ZVR 1984/295).

Da die Behörde nicht die Strafwürdigkeit, sondern die Verkehrszuverlässigkeit zu beurteilen hatte, mußten sie die Umstände, die das Strafgericht veranlaßten, von der bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB) Gebrauch zu machen, nicht veranlassen, die Verkehrszuverlässigkeit zu bejahen (Terlitza-Gerhard, Kraftfahrgesetz § 66 E. 17). Im Hinblick auf die Art des dem Kläger zur Last gefallenen Delikts war auch die Auffassung der Behörde, daß der Entzug der Lenkerberechtigung im Interesse des öffentlichen Wohles eine unaufschiebbare Maßnahme darstellte und damit die Voraussetzungen für die Erlassung eines Mandatsbescheides ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren gegeben sind, vertretbar. Sie wurde auch noch im Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich für den Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides geteilt. Es kann nur zweifelhaft sein, ob der Entzug der Lenkerberechtigung mit Mandatsbescheid vom 30. April 1982 bis 5. Juli 1982, somit praktisch für wenige Monate, dem vom Gesetz verfolgten Zweck entsprach, doch kann sich der Kläger dagegen, daß der Entzug zunächst nicht für einen längeren Zeitraum ausgesprochen wurde, nicht beschwert erachten.

Ob obige Erwägungen auch für die Erlassung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Juli 1984 zu gelten haben, kann noch nicht geprüft werden, weil es an erforderlichen Feststellungen fehlt. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz nur ganz generell behauptet, daß sämtliche im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide rechtswidrig seien, er hat jedoch nicht dargetan, inwieweit dies auch für den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Juli 1984 zutreffen soll. Es wurde auch nicht zum Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung (S 9 d.A.) Stellung bezogen, wonach sich der Kläger im Aufforderungsverfahren zum Nachweis seines Schadens nur auf Belege aus der Zeit zwischen dem 24. Mai und dem 29. September 1982 berufen habe, woraus die beklagte Partei mit Recht ableitete, daß unter dieser Voraussetzung nur die im Jahre 1982 erlassenen Bescheide schadenskausal sein können. Träfe es zu, daß der vom Kläger behauptete Schaden (Aufwendungen für die Wiedererlangung des Führerscheins und Bezahlung von Beförderungsleistungen) im Jahre 1982 eingetreten ist, wäre der Anspruch des Klägers nicht gerechtfertigt. Zur weiteren Klärung des Sachverhaltes sind das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichts aufzuheben; die Rechtssache ist an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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