Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 26. Oktober 1903 geborene Berta R*** befindet sich seit 1981 im St. Josefsheim der Kreuzschwestern in Rein, Selenz 10. Sie bezieht eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft; weiters steht ihr auf Grund des Übergabsvertrages vom 18. April 1985 ein Anspruch auf Bezahlung eines monatlichen Leibrentenbetrages von S 5.000 gegen Rupert S*** zu. Im Abhandlungsverfahren nach ihrem am 25. Februar 1980 verstorbenen Ehegatten Johann R*** (A 55/80 des Bezirksgerichtes Frohnleiten), teilte Berta R*** dem Abhandlungsgericht am 16. Februar 1981 mit, daß sie von zwei Sparkonten des Erblassers bei der Steiermärkischen Sparkasse erfahren habe, die Sparbücher jedoch nicht auffindbar seien. Es wurde erhoben, daß Johann R*** Eigentümer dieser Sparbücher mit einem Einlagenstand (zum 25. Februar 1980) von S 1,568.075,43 und S 1,572.764,46 war. Da die Sparbücher nicht aufgefunden werden konnten, beauftragte Berta R*** den öffentlichen Notar Dr. Alfred G***, die Kraftloserklärung der Sparbücher zu veranlassen, was auch geschehen ist. Im Zuge von Abbrucharbeiten auf der übergebenen Liegenschaft kamen die beiden Sparbücher im Mai 1985 zum Vorschein.
Anläßlich eines wegen Verdachtes der Unterschlagung eingeleiteten Strafverfahrens regte das Landesgericht für Strafsachen Graz an, die Bestellung eines Sachwalters für Berta R*** zu überprüfen. Berta R*** hatte bei der Befragung durch die Gendarmeriebeamten angegeben, nicht zu wissen, wie hoch der Einlagenstand bei der Steiermärkischen Sparkasse Graz sei.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 15. Juli 1986 wurde Rechtsanwalt Dr. Gerhard R*** gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB zum Sachwalter der Berta R*** zum Zwecke der Vertretung der Betroffenen bei Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Leibrentenvertrag und der Verwaltung des vorhandenen Sparvermögens bestellt. Der Erstrichter stellte fest, bei Berta R*** liege eine rasche geistige Ermüdbarkeit vor, was zur Folge habe, daß sie Gesprächen über die Anlage ihres Vermögens nicht folgen könne. Sie sei daher nicht in der Lage, Verfügungen über das ihr gehörige Sparguthaben mit dem Ziele, größere Erträgnisse zu erzielen, zu treffen. Zur Verwaltung ihrer monatlichen Pensions- und Leibrentenbezüge sei sie in der Lage. Im Hinblick auf diesen Geisteszustand sei die Bestellung eines Sachwalters zur Verwaltung des Sparguthabens und zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Leibrentenvertrag erforderlich. Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Betroffenen Folge und stellte das Verfahren ein. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, daß Berta R*** für ihr normales tägliches Leben keiner Hilfe bedürfe und die damit zusammenhängenden Dispositionen (Bezahlung der Aufenthaltskosten, Einkäufe von Lebensmitteln etc.) vorzunehmen instande sei. Eine Gefahr eines Nachteils für die Betroffene bestehe nur in der Richtung, daß sie nicht in der Lage sei, Dispositionen über eine günstigere Anlage ihres Vermögens zu treffen und allfällige Wertsicherungsansprüche aus dem Leibrentenvertrag durchzusetzen. Berta R*** sei aber durchaus in der Lage, eine rechtskundige Person mit der Durchführung entsprechender Schritte zu betrauen, wie sie auch einen Bevollmächtigten zur Kraftloserklärung der Sparbücher und zur Errichtung des Leibrentenvertrages bestellt habe. Daß günstigere Möglichkeiten der Vermögensanlage bestehen, rechtfertige nicht die Bestellung eines Sachwalters. Demzufolge sei das Verfahren einzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Sachwalters, der in erster Linie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt, ist unzulässig.
Gemäß § 236 AußStrG ist das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person nach § 273 ABGB nur einzuleiten, wenn sie selbst die Bestellung eines Sachwalters beantragt, oder von Amts wegen dann, wenn begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Bestellung vorliegen. Gelangt das Gericht zum Ergebnis, daß ein Sachwalter nicht zu bestellen ist, so hat es das Verfahren einzustellen (§ 243 AußStrG). Wem dagegen ein Rechtsmittel zusteht, ist im Gesetz nicht besonders geregelt; da die Bestellung eines Sachwalters aber nur von der behinderten Person selbst beantragt werden kann, kann auch nur ihr ein Rechtsmittel zustehen; gemäß § 246 Abs 1 AußStrG ist der Beschluß über die Einstellung des Verfahrens auch nur dem Betroffenen und seinem Vertreter zuzustellen. Ein Dritter hat keinen Anspruch auf Entscheidung des Gerichtes (2 Ob 604/85). Gegen den Beschluß über die Bestellung eines Sachwalters steht das Rechtsmittel des Rekurses dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter zu (§ 249 Abs 2 AußStrG). Diese Bestimmung steht in einem gewissen Widerspruch zu der des § 247 AußStrG, wonach der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt wird, erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam wird; der Sachwalter hat sein Amt also erst mit der Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses anzutreten, hat demnach grundsätzlich vorher weder Rechte noch Pflichten; der § 249 Abs 2 AußStrG kann aber nur den noch nicht rechtswirksam bestellten Sachwalter meinen. Worüber sich dieser noch nicht rechtswirksam bestellte Sachwalter beschweren kann, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen; da aber dem Betroffenen und seinem Vertreter ohnehin Rechtsmittel zustehen, kann dem bestellten Sachwalter nur insoweit eine eigene Rechtsmittelbefugnis zukommen, als es sich um seine eigenen Rechte und Pflichten handelt und er persönlich durch die Bestellung beschwert sein kann. Er kann also etwa geltend machen, daß er nicht zum Sachwalter zu bestellen gewesen wäre oder daß der Umfang der ihm eingeräumten Rechte und Pflichten zu wenig deutlich beschrieben worden sei. Nicht kann er hingegen geltend machen, daß kein Grund zur Bestellung eines Sachwalters bestünde, da die Frage, ob es der Bestellung eines Sachwalters bedarf, nicht von ihm zu beurteilen ist. Für diesen Zweck bestellte der Betroffene gerade einen selbst gewählten Vertreter oder wurde ihm hiefür ein einstweiliger Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG beigegeben. Dies entspricht auch der ständigen, vor dem Sachwaltergesetz ergangenen Judikatur über die Anfechtungsmöglichkeiten eines Vormundes, Kurators oder Beistandes. Diesen Personen wurde zwar bereits in den Entscheidungen GlUNF 5424 und 6298 sowie ZBl. 1923/33, die alle keine Begründung hiefür enthielten, ein Beschwerderecht zuerkannt; es handelte sich aber stets um Rechtsmittel gegen die Enthebung bereits rechtskräftig bestellt gewesener Personen bei aufrecht bleibender Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen, also um die Frage der Berechtigung eines Wechsels (so auch RZ 1971, 84; RZ 1968, 111; 6 Ob 703/81; 5 Ob 606/79; 6 Ob 171/74; 6 Ob 256/73; 1 Ob 304/70; 5 Ob 77/68; 5 Ob 329/65; 2 Ob 287/65). Einem nicht rechtskräftig bestellten Beistand wurde das Rechtsmittelrecht aberkannt (2 Ob 262/65). Die Entscheidung SZ 34/89 sagte zwar ganz allgemein, ein Vormund werde mit dem Augenblick seiner Bestellung Beteiligter im Sinne des § 9 AußStrG, als solchem stehe ihm gegen jede Verfügung des Vormundschaftsgerichtes ein Beschwerderecht offen; tatsächlich ging es aber auch hier (nur) um die Ersetzung eines Vormundes durch einen anderen. Ausführlich mit der Rechtsmittelbefugnis eines vorläufigen Beistandes befaßte sich die Entscheidung SZ 48/57; sie referierte, daß es seit jeher unzweifelhaft und in der neueren Rechtsprechung wiederholt bestätigt worden sei, daß ein rechtskräftig bestellter Vormund, Kurator oder Beistand im Verfahren über seine Enthebung Beteiligter sei, weil es zu seinem Pflichtenkreis gehöre, den Vertretenen vor möglichen Rechtsnachteilen zu schützen. Der Oberste Gerichtshof anerkannte das Revisionsrekursrecht des vorläufigen Beistandes gegen einen Beschluß, der einer Enthebung gleichkam, mit der Begründung, daß die Bestellung des vorläufigen Beistandes gemäß § 12 AußStrG sofort wirksam geworden sei, so daß der abändernde Beschluß des Rekursgerichtes einer Enthebung des bestellten Beistandes gleichkam. Es handelte sich also um eine Bestellung, die der nunmehr im § 238 Abs 2 AußStrG geregelten Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens entspricht und zur sofortigen Wirksamkeit der Bestellung vor ihrer Rechtskraft führte. Auch im Falle der Entscheidung SZ 48/57 ging es aber nicht darum, ob es der Bestellung eines Beistandes bedurfte, sondern darum, ob ein naher Angehöriger berechtigt war, die Bestellung eines bestimmten vorläufigen Beistandes zu bekämpfen; mit seinem Revisionsrekurs erreichte der vorläufige Beistand lediglich die Ablehnung der Rekursberechtigung des nahen Angehörigen. Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß bis zum Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes eine Rechtsmittelbefugnis eines noch nicht rechtswirksam bestellten Vormundes, Kurators oder Beistandes niemals anerkannt wurde; es ging auch immer nur um die Abberufung bei Fortbestand der Notwendigkeit der Bestellung eines Vormundes, Kurators oder Beistandes. Hingegen ist nicht erkennbar, daß einer solchen Person jemals das Recht zuerkannt wurde, die Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Kurators oder Beistandes anzuschneiden, geschweige dann, dagegen anzukämpfen, daß eine (beschränkte) Entmündigung nicht ausgesprochen wurde. Im vorliegenden Fall wurde der Revisionsrekurswerber nicht zum vorläufigen Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG bestellt. Seine Bestellung wurde daher nicht, wie nach § 238 Abs 2 AußStrG (vgl. Maurer, Sachwalterrecht 123 Anm. 12), sofort wirksam, sondern wäre erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam geworden ( 247 AußStrG). Er hatte also bis zur Entscheidung durch das Rekursgericht oder gar darüber hinaus nicht als Sachwalter oder vorläufiger Sachwalter tätig zu werden; die Entscheidung des Rekursgerichtes kam damit nicht der Enthebung eines im Amt befindlichen Sachwalters gleich. Ebensowenig wie einem potentiellen Sachwalter gegen einen Einstellungsbeschluß des Bezirksgerichtes nach § 243 AußStrG ein Rechtsmittel zustehen kann, kann sich aber auch ein bloß in Aussicht genommener, weil noch nicht rechtswirksam bestellter Sachwalter gegen einen auf Einstellung des Verfahrens lautenden Beschluß des Rekursgerichtes beschweren. Es wäre nicht einzusehen, warum sich zwar niemand außer dem Betroffenen und seinem Vertreter gegen einen Einstellungsbeschluß des Bezirksgerichtes beschweren kann, aber allein dadurch, daß dieses Gericht ohne Rechtswirksamkeit einen Sachwalter bestellte, nun gegen einen Einstellungsbeschluß auch dieser Sachwalter berechtigt wäre, Interessen des Betroffenen zu wahren; eigene Interessen können aber schon nach dem Wesen des Sachwalterrechtes, allein dem Betroffenen zu helfen, nicht anerkannt werden. Die Anfechtungsmöglichkeit eines Einstellungsbeschlusses muß also gleich sein, ob er in erster oder in zweiter Instanz gefaßt wurde. Daß § 251 AußStrG auch auf § 249 AußStrG verweist, ändert daran nichts, weil der Fall einer Beendigung, Einstellung oder Erweiterung einer Sachwalterschaft nicht vorliegt. Welche Rechte dem rechtswirksam bestellten Sachwalter zustehen (vgl. nunmehr RZ 1985/71; EvBl 1986/25), ist im vorliegenden Fall nicht zu erörtern. Dem noch nicht rechtswirksam bestellten Sachwalter kann jedenfalls kein Recht zustehen, die Einstellung des Verfahrens auf Bestellung eines Sachwalters durch ein Gericht erster oder zweiter Instanz mit der Begründung, es wäre doch ein Sachwalter zu bestellen, anzufechten.
Der unzulässige Revisionsrekurs ist demnach zurückzuweisen.
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