OGH 14Ob200/86

OGH14Ob200/862.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** A*** V***-AG, Wien 1.,

Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Stefan W***, Kraftfahrer, Großkrut, Poysdorfer Straße, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 116.069,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 23. Juni 1986, GZ. 44 Cg 80/86-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 26. Juni 1985, GZ. 7 Cr 662/83-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei S 116.069,-- samt 4 % Zinsen seit 20. September 1983 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 45.398,80 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (davon S 3.750,80 Umsatzsteuer und S 4.140,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verschuldete am 26. September 1980 mit dem von ihm gelenkten LKW Sattelzug Volvo seines damaligen Dienstgebers, der W*** Transport- und Obsthandels Gesellschaft mbH in Wien 23., auf jugoslawischem Staatsgebiet einen Unfall, bei dem der Lenker eines entgegenkommenden PKW getötet wurde und an dem bei der klagenden Partei kaskoversicherten LKW Sattelzug ein Schaden von S 116.069 entstand, den sie dem Dienstgeber des Beklagten ersetzte. Der Beklagte wartete das Eintreffen der jugoslawischen Polizei am Unfallort nicht ab, sondern begab sich unter Zurücklassung des Fahrzeuges nach Österreich, wo er am Tage nach dem Unfall Selbstanzeige erstattete. Der Beklagte wurde mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 29. April 1983 wegen dieses Unfalles des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die klagende Partei begehrt mit der am 14. September 1983 eingebrachten Klage Zahlung von S 116.069 sA mit der Behauptung, der Beklagte habe Fahrerflucht begangen und außerdem in Österreich eine unrichtige Schadensmeldung erstattet. Sie sei daher wegen vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit der Aufklärungspflicht durch den Beklagten gemäß § 6 VersVG iVm Art. 6 AKIB von der Verpflichtung zur Leistung frei und mache die ihrem Versicherungsnehmer erbrachten Aufwendungen im Wege der Legalzession nach § 67 VersVG geltend. Der Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, weil die Bremsen des Fahrzeuges nicht in Ordnung gewesen seien und er mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geraten sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe sich nur deshalb sofort vom Unfallort wegbegeben, weil in Jugoslawien die Garantien eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht gegeben seien. Er habe deshalb befürchten müssen, in eine nach der österreichischen Rechtsordnung nicht gerechtfertigte Untersuchungshaft zu geraten. Der Strafverfolgung in Österreich habe er sich nicht entzogen. Den entgegenkommenden PKW-Lenker treffe ein gleichteiliges Mitverschulden am Unfall, weil er die Kurve geschnitten habe. Die Bremsanlage des Fahrzeuges sei in Ordnung gewesen. Der Beklagte habe daher nur einen minderen Grad des Versehens zu vertreten. Der dem DHG unterliegende Regreßanspruch gegen den Beklagten sei daher verfristet. Die Leistungsfreiheit sei mit 100.000 S begrenzt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger befuhr am 26. September 1980 auf der Straße nach Varazdin gegen 17 Uhr 20 bei regennasser Fahrbahn und Dämmerung eine langgezogene flache Rechtskurve, die ein Gefälle von 9 % hat, mit ganz knapp über 60 km/h Geschwindigkeit. Die Bremsanlage des nahezu neuwertigen Sattelzuges war in gutem Zustand. In der Fahrtrichtung des Beklagten war nur ein Fahrstreifen, in der Gegenrichtung waren zwei Fahrstreifen vorhanden und vom Fahrstreifen des Beklagten durch eine Sperrlinie abgegrenzt. Als dem Beklagten der von Ante G*** gelenkte PKW BMW 2002 entgegenkam, hielt der Beklagte eine Fahrlinie ein, bei der der Sattelzug die Sperrlinie geringfügig überragte, während der PKW "äußerstenfalls" den (seinen) linken Fahrstreifen befahren haben kann. Bei Ansichtigwerden des PKW bremste der Beklagte den Sattelzug stark ab. Dieser geriet dadurch in gerader Verlängerung der Fahrtrichtung in die Gegenfahrbahn und stieß dort mit etwa 48 km/h mit dem PKW des Ante G*** zusammen. Die Kollision erfolgte zwischen den linken vorderen Ecken der beiden Fahrzeuge. Sie fand "zumindest" auf dem linken Fahrstreifen der Gegenfahrbahn, sehr wahrscheinlich aber im Bereich der Leitlinie zwischen den beiden Fahrstreifen der Gegenfahrbahn statt. Grund für das sofortige Verlassen der Unfallstelle durch den Beklagten war, daß in Massenmedien öfters über die Verhaftung ausländischer Kraftfahrer, die an Unfällen in Jugoslawien beteiligt waren, und über die Verhängung hoher Strafen über solche Kraftfahrer berichtet worden war, und der Beklagte solche Folgen befürchtete. In der Unfallmeldung für die Kaskoversicherung behauptete der Beklagte, der entgegenkommende PKW sei etwa zur Hälfte über die Sperrlinie gefahren. Der Sattelzug sei bei blockierender Bremsung in den PKW gerutscht. In einem später von einem Angestellten der klagenden Partei aufgenommenen Aktenvermerk behauptete der Beklagte, der jugoslawische PKW-Lenker habe die Kurve geschnitten. Im eingangs erwähnten Strafverfahren wurde dem Beklagten die Außerachtlassung der erforderlichen Aufmerksamkeit insbesondere durch Nichteinhalten des Rechtsfahrgebotes angelastet und ein nicht ausschließbares Mitverschulden des entgegenkommenden PKW-Lenkers als mildernd zugrunde gelegt. Eine Übermüdung (oder Alkoholisierung) des Beklagten ist nicht erwiesen.

Die klagende Partei zahlte dem Dienstgeber des Klägers den Fahrzeugschaden in mehreren Teilbeträgen, und zwar die letzten Teilbeträge am 26. Jänner 1981.

Das Erstgericht war der Ansicht, gemäß § 48 Abs. 1 IPRG komme für die Beurteilung der "außervertraglichen" Schadenersatzansprüche das Recht des Staates zur Anwendung, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden sei. Bestehe jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so sei dieses Recht maßgebend. Demnach sei österreichisches Recht anzuwenden, weil sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und zwischen diesen und dem Arbeitgeber des Beklagten auf Österreich verwiesen und auch der Schaden im Inland (?) entstanden sei. Im übrigen sei es trotz eingehender Erhebungen nicht möglich gewesen, die einschlägigen jugoslawischen Bestimmungen über Schadenersatz, Regreßrechte von Versicherungsanstalten und Haftung von Dienstnehmern innerhalb angemessener Frist zu ermitteln (§ 4 Abs 2 IPRG).

Die Pflicht zur Erfüllung der in den Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (im folgenden: AKIB) enthaltenen Obliegenheiten treffe nicht nur den Versicherungsnehmer selbst, sondern auch mitversicherte Personen, zu denen der Beklagte als Fahrer des LKW zähle. Der Beklagte habe gegen die Obliegenheiten nach § 6 AKIB dadurch verstoßen, daß er bei der Darstellung des Unfallsherganges verschwiegen habe, die "Fahrbahnmitte" überfahren zu haben, und sich vor dem Eintreffen der jugoslawischen Polizei vom Unfallort entfernt habe. Er habe damit seiner Verpflichtung, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, zuwidergehandelt. Die Furcht vor harter Bestrafung durch die jugoslawischen Behörden könne den Beklagten nicht entschuldigen. Die klagende Partei sei daher gemäß § 6 Abs 3 VersVG leistungsfrei, weil die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgt und auf die vom Versicherer zu erbringenden Leistungen von Einfluß gewesen sei. Infolge Leistungsfreiheit sei der Schadenersatzanspruch des Dienstgebers gegen den Beklagten gemäß § 67 Abs 1 VersVG insoweit auf die klagende Partei übergegangen, als diese den Schaden ersetzt habe. Auf den abgeleiteten Anspruch des Versicherers seien die Regeln des DHG idF vor der DHG-Novelle 1983 anzuwenden, die eine richterliche Mäßigung der Ersatzleistung bei grober Fahrlässigkeit des Dienstnehmers ausschließen. Das Überfahren der durch eine Sperrlinie gekennzeichneten "Fahrbahnmitte" und die blockierende Bremsung, die auf der regennassen Straße zur Unlenkbarkeit des Fahrzeuges geführt habe, bilde eine grobe Fahrlässigkeit.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und bestätigte das Ersturteil.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß die Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherten (Fahrzeugeigentümer) sowie zwischen diesem und dem beklagten Dienstnehmer nach österreichischem Recht zu beurteilen seien, weil es sich im ersteren Verhältnis um vertragliche Schadenersatzansprüche handle und der Dienstvertrag im Bereich des österreichischen Rechts geschlossen worden und der Lohn in Österreich zu zahlen sei, so daß auch die Beurteilung der aus diesem Dienstvertrag bestehenden Sorgfaltspflichten dem österreichischen Recht unterliege. Auch die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers sei nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Die schärferen Strafdrohungen in Jugoslawien könnten das Entfernen des Beklagten von der Unfallstelle nicht entschuldigen. Es handle sich hiebei nicht um Deliktsfolgen, sondern um vertragliche Folgen aus dem Verhalten des "Versicherungsnehmers", bei dem es auf ein Verschulden oder eine Interessenabwägung nicht ankomme. Die "Fahrerflucht" sei im gegenständlichen Fall atypisch gewesen, weil sie ohne Fahrzeug erfolgt sei. Die technische Aufklärung des Unfalles sei durch das Entfernen des Beklagten vom Unfallsort nicht erschwert worden. Zur vollständigen Aufklärung gehöre aber auch die Ermittlung der den Unfall auslösenden Ursachen. Wesentliche Komponente hiefür sei die Fahrtüchtigkeit des Beklagten, die nicht mehr überprüft werden könne. Mit einer Übermüdung des Beklagten sei zwar nicht unbedingt zu rechnen, doch könne eine Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden.

Unabhängig davon treffe den Beklagten ein grobes Verschulden. Er habe damit rechnen müssen, bei einer plötzlichen Bremsung auf die Gegenfahrbahn zu rutschen. Die Notbremsung stelle ein schweres Fehlverhalten dar. Eine Mäßigung der Schadenersatzpflicht des Beklagten komme daher nicht in Betracht. § 6 DHG sei nicht anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt.

Im Ergebnis zutreffend beurteilten die Vorinstanzen die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kaskoversicherer und dem Versicherungsnehmer (Dienstgeber des Beklagten) sowie zwischen diesem und dem Beklagten nach österreichischem Recht. Was das Verhältnis zwischen dem Beklagten und seinem Dienstgeber betrifft, ergibt sich die Beurteilung nach österreichischem Recht aus § 44 Abs 1 oder 2 IPRG. Gemäß § 44 Abs 1 IPRG sind Arbeitsverträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dieses Recht bleibt auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt wird. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in mehr als einem Staat oder hat er keinen gewöhnlichen Arbeitsort, so ist gemäß § 44 Abs 2 IPRG das Recht des Staates maßgebend, in dem der Arbeitgeber seinen gewöhnlichen Aufenthalt (seine Niederlassung, § 36 zweiter Satz) hat. Sollte der Beklagte als Fernfahrer (vgl. dazu Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 44 IPRG) infolge der Verwendung für Auslandsfahrten seine Arbeit gewöhnlich in mehr als einem Staat verrichten oder keinen gewöhnlichen Arbeitsort in einem bestimmten Staat haben, wäre sein Arbeitsvertrag - ebenso wie bei einem Schwerpunkt der Arbeitsleistung in Österreich - nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil der Arbeitgeber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Das nach § 44 IPRG maßgebliche Arbeitsvertragsstatut gilt für alle (privatrechtlichen) Fragen des Arbeitsverhältnisses (Schwimann aaO Rz 1, ders, Grundriß des IPR 137). Damit richten sich auch allfällige Beschränkungen der Dienstnehmerhaftung trotz Verursachung des Schadens im Ausland - wieso das Erstgericht einen im Inland entstandenen Schaden annimmt, ist unerfindlich - nach den österreichischen Vorschriften (so schon vor Inkrafttreten des IPRG auf Grund anderer Anknüpfungsmerkmale RdA 1973, 74 [dazu Dirschmied, RdA 1973, 46 f]; SZ 42/79 = RDA 1970, 171 [Geppert] = ZAS 1970, 65 [Schnorr] = ZfRV 1970, 59 [Selb]; auch Dirschmied, DHG 2 3 f; RdW 1986, 184). Die Beziehungen zwischen der klagenden Partei und der Dienstgeberin des Beklagten als ihrer Versicherungsnehmerin aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag richten sich gemäß § 38 Abs 2 IPRG nach dem Recht des Staates, in dem der Versicherer seine Niederlassung hat, also ebenfalls nach österreichischem Recht. Für die Voraussetzungen und den Umfang der Legalzession einer Forderung kraft Befriedigung des Gläubigers ist die das Innenverhältnis zwischen dem bisherigen Gläubiger und dem ihn befriedigenden Dritten beherrschende Rechtsordnung (Duchek-Schwind IPR 97 f mwN), also gemäß § 38 Abs 2 IPRG wiederum österreichisches Recht maßgebend. Art 4 AKIB bestimmt, daß für die Erfüllung der Obliegenheiten neben dem Versicherungsnehmer auch die Versicherten und die Personen, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen, verantwortlich sind. Art 6 AKIB setzt verschiedene Obliegenheiten fest, deren Verletzung die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt. Dazu gehört unter anderem die Pflicht, dem Versicherer den Versicherungsfall unter möglichst genauer Angabe des Sachverhalts längstens innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen (Abs 2 Z 1 lit a) und nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen (Abs 2 Z 2). Die sich aus einer Verletzung dieser Bestimmungen für den Versicherungsnehmer, den Versicherten und sonstige anspruchsberechtigte Personen ergebenden Folgen sind aber hier ohne Bedeutung, weil der (berechtigte) Lenker in der Kaskoversicherung - anders als in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (SZ 46/89 = Arb 9143; RZ 1979/10) - nicht mitversichert, sondern Dritter im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG ist, so daß die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen ihn nach Maßgabe dieser Bestimmung auf den Versicherer übergehen (SZ 46/89 = Arb 9143; Stiefel-Hofmann, Kraftfahrtversicherung 13 Rz 2 zu § 12 AKB 527; Prölss-Martin, Versicherungsvertragsgesetz 23 Rz 3 zu § 67, 408; Petrasch, Probleme der Kaskoversicherung, ZVR 1979, 321 ff, bes bei FN 19, 22;

Grubmann, Versicherungsvertragsgesetz 2 Entscheidung Nr. 29 zu § 67 VersVG, 121; SZ 46/89 = Arb 9143 mwN; Arb 9467; Arb 10.064;

Arb 10.359; 4 Ob 63/80). Die Frage einer Leistungsfreiheit der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten infolge Obliegenheitsverletzung kann sich daher gar nicht stellen. Gewiß können Obliegenheiten nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern auch Dritte (insbesondere Personen, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen können oder sonst kraft eines Interesses in einer Sonderrechtsbeziehung zum Versicherer stehen [vgl. Bruck-Möller VVG 8 zu § 6 VersVG Rz 55, 206 und Rz 71, 209) belasten. Im vorliegenden Fall besteht aber gegenüber dem Lenker keine Leistungs- oder Deckungspflicht des Versicherers, so daß auch keine "Leistungsfreiheit" im Sinne des § 6 VersVG eintreten und aus diesem Rechtsgrund auch kein Regreßanspruch entstehen kann. Es ist auch bedeutungslos, ob der Beklagte in Wahrung der Interessen seines Dienstgebers (und Versicherungsnehmers) neben diesem für die Erfüllung fremder Obliegenheiten verantwortlich war, weil die klagende Partei aus einer etwaigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers keine Konsequenzen gezogen, sondern diesem den Schaden ersetzt hat, und der Übergang nach § 67 VersVG auch nicht vom Bestehen einer Leistungspflicht abhängt (Prölss-Martin aaO 410); durch § 67 VersVG tritt nämlich nur eine Schadensverlagerung ein, durch die eine Begünstigung des Ersatzpflichtigen einerseits und eine Bereicherung des Versicherten andererseits verhindert werden soll (EvBl 1976/195; ZVR 1978/14; Prölss-Martin aaO 464). Ist der berechtigte Lenker Dienstnehmer des kaskoversicherten Versicherungsnehmers, so unterliegt der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch den Beschränkungen nach § 2 DHG (Petrasch aaO 323 f mwN; weiters Arb 10.064; 4 Ob 63/80, 4 Ob 65/85 ua). Zur Geltendmachung des übergegangenen Schadenersatzanspruches läuft für den Versicherer keine eigene Verfallfrist (Dirschmied, DHG 2 121; Arb 7488; JBl 1970, 527, Arb 10.064). Für die auf einem minderen Grad des Versehens beruhenden Schadenersatzansprüche läuft also die 6-Monatsfrist des § 6 DHG zur gerichtlichen Geltendmachung auch für den Versicherer vom Ablauf des Tages an, "an dem sie erhoben werden können", dh sobald dem Beschädigten die Person des Schädigers und der Schaden dem Grunde nach bekannt wurde (Arb 9168; SZ 48/39 = Arb 9381; SZ 54/33 = Arb 10.021; Arb 10.183 ua). Diese Frist war bei Klagseinbringung durch den klagenden Kaskoversicherer längst abgelaufen, so daß ihm Ersatz nur zusteht, wenn die Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten auf einer auffallenden Sorglosigkeit beruhen. In diesem Fall käme auch eine Mäßigung des Ersatzes aus Gründen der Billigkeit nicht in Betracht, weil auf Schadensfälle, die vor dem 23. März 1983 eingetreten sind, gemäß Art II DHG-Novelle BGBl. 1983/169 die bisherigen Bestimmungen anzuwenden sind und erst durch diese Novelle die Möglichkeit der richterlichen Mäßigung des Ersatzes auch im Falle grober Fahrlässigkeit des Schädigenden geschaffen wurde (Neufassung des § 2 Abs 1 DHG).

Eine auffallende Sorglosigkeit des Beklagten bei der Zufügung des Schadens ist aber entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht erwiesen. Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn der Schädiger die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und darum auffallender Weise vernachlässigt. Es muß sich um ein Versehen handeln, das sich aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens auffallend heraushebt und den Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar macht (Arb 9702 mwN uva) und auch subjektiv schwer vorzuwerfen ist (ZVR 1984/326 ua). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Befahren der langgezogenen Kurve mit einer Geschwindigkeit von ca 60 km/h stellte trotz regennasser Fahrbahn mit einem Gefälle von 9 % im Hinblick auf die gute Bremsanlage des Sattelschleppers für sich noch keine ungewöhnliche und auffallende Fahrlässigkeit dar (nach dem im Strafakt S 60 erliegenden Gutachten eines jugoslawischen Verkehrssachverständigen war diese Geschwindigkeit am Beginn der Kurve zwar ziemlich groß, aber noch nicht exzessiv, und bei einer entsprechenden Handlungsweise die Durchfahrt durch die Kurve möglich). Auch die Verletzung des Rechtsfahrgebotes - der Sattelschlepper überragte die Sperrlinie geringfügig - war im Hinblick auf die Breite der Straße (für den Gegenverkehr standen zwei Fahrspuren zur Verfügung) keine besonders ins Gewicht fallende Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Auch war dieser Verstoß wegen der Länge des Sattelschleppers in der Kurve möglicherweise nicht leicht zu vermeiden. Daß der Beklagte bei Ansichtigwerden des PKW ohne jeden rechtfertigenden oder zumindest entschuldigenden Grund stark bremste - erst dadurch geriet der Sattelschlepper weit in die Gegenfahrbahn - steht nicht fest; es ist möglich, daß der jugoslawische PKW-Lenker zunächst seinen linken Fahrstreifen befuhr, ohne daß hiefür eine Notwendigkeit bestand, und der Beklagte eine Kollision mit dem die Sperrlinie geringfügig überragenden Sattelschlepper befürchtete. Diesbezügliche Zweifel gehen aber zum Nachteil des Geschädigten und seines Legalzessionars, der das Vorliegen grober Fahrlässigkeit zu beweisen hat.

Die Verurteilung des Beklagten durch das Strafgericht, das ihm ein nicht ausschließbares Mitverschulden des Entgegenkommenden als mildernd zubillige, enthält keinen bindenden Ausspruch über das Vorhandensein eines groben Verschuldens. Auch die Übertretung von Schutzvorschriften ist nicht schon für sich grobe Fahrlässigkeit (Arb 9485 uva). Mangels Beweises einer groben Fahrlässigkeit des Beklagten ist demnach der auf die klagende Partei übergegangene Schadenersatzanspruch des Dienstgebers gemäß § 6 DHG verfallen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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