OGH 4Ob35/69

OGH4Ob35/6920.5.1969

SZ 42/79

Normen

DHG §1
DHG §1

 

Spruch:

Die Durchsetzbarkeit von Schadenersatzansprüchen aus dem Dienstverhältnis gegen den Dienstnehmer ist auch dann nach inländischem Recht zu beurteilen, wenn die Dienstleistungen zum Teil im Ausland erbracht wurden.

Entscheidung vom 20. Mai 1969, 4 Ob 35/69.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Transportunternehmer Heribert M. schloß mit der klagenden Partei hinsichtlich des LKW-Tankwagens Mercedes G ..., eine Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherung ab. Am 8. Juli 1963 gegen 10 Uhr vormittag ereignete sich in Jugoslawien auf der Straße zwischen K. und C. ein Verkehrsunfall, bei dem dieses Kraftfahrzeug einen Totalschaden erlitt. Die klagende Partei hat die daraus gegen sie entstandenen Ansprüche des Heribert M. am 17. Dezember 1964 mit einem Betrag von 77.900 S liquidiert.

Die klagende Partei begehrt unter Berufung auf § 67 VersVG. den Ersatz des Betrages von 77.900 S vom Beklagten. Aus den Akten der Kreisstaatsanwaltschaft C. gehe hervor, daß unmittelbar vor dem Unfall der gegenständliche Tankwagen hinter einem anderen, der gleichfalls dem Heribert M. gehörte, gefahren sei. Der voranfahrende LKW-Zug habe wegen eines Gespannes plötzlich gebremst werden müssen, der Beklagte sei hierauf mit dem bei der klagenden Partei versicherten LKW auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren. Das Verschulden des Beklagten bestehe in der Einhaltung eines zu kurzen Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug und in Unachtsamkeit. Der Beklagte sei auch leicht alkoholisiert gewesen (0.52 Promille). Er habe aber auch schon vor der Abfahrt in Graz festgestellt, daß sich die Bremsanlage in verkehrswidrigem Zustand befunden habe. Diese hätte in dem Augenblick, in dem eine Notbremsung vorzunehmen gewesen wäre, nicht ausgereicht.

Das Berufungsgericht bestätigte im zweiten Rechtsgang das Versäumungsurteil des Erstgerichtes, mit dem der Beklagte im Sinne des Klagebegehrens verurteilt worden war.

Es nahm einen Sachverhalt erwiesen an, aus dem sich ergebe, daß der Beklagte den Unfall schuldhaft verursacht habe und führte aus, daß die Haftung des Beklagten gegenüber seinem Dienstgeber für den durch den Verkehrsunfall verursachten Schaden aus den Bestimmungen des hier anzuwendenden österreichischen Gesetzes vom 9. August 1908, RGBl. Nr. 162/1908 folge. Es seien nur die beanstandete Handlung (Unterlassung des Beklagten nach den einschlägigen Normen des jugoslawischen Rechts) zu beurteilen. Für das Verhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer sowie hinsichtlich der Voraussetzungen und des Inhalts der Zession des Schadenersatzanspruches und dessen Verjährung sei inländisches Recht anzuwenden, da diesbezüglich der wirtschaftliche Schwerpunkt im Inland liege (SZ. XXXIII 43, Fenzl, Rechtsfragen um einen Kraftfahrzeugunfall im Ausland, ZVR. 1961 S. 103 f., Bydlinski, JBl. 1960 S. 605, Schwimann, JBl. 1960 S. 555, Schwind, Der Verkehrsunfall im österreichischen internationalen Privatrecht, ZVR. 1965 S. 293 f.)

Bei der Kaskoversicherung sei der Fahrzeuglenker nicht mitversichert. Die Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen seinen Lenker gingen auf den Versicherer über (§ 67 (1) VersVG.). Nach den zur Zeit des Verkehrsunfalles am 8. Juli 1963 geltenden Rechtsvorschriften setze der Rückgriffsanspruch gemäß § 67 VersVG. nicht ein grobes Verschulden voraus. Es genüge ein leichtes Versehen. Von einer entschuldbaren Fehlleistung könne im vorliegenden Falle nicht die Rede sein. Die Verjährungsfrist betrage im vorliegenden Fall sowohl nach jugoslawischem als auch nach österreichischem Recht drei Jahre. Sie sei gewahrt, weil sich der Verkehrsunfall am 8. Juli 1963 ereignet habe und die Klage schon am 17. Juni 1966 bei Gericht eingebracht worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes, weil darin von der vom Obersten Gerichtshof im Beschluß vom 31. Oktober 1967, 4 Ob 72/67, geäußerten Rechtsansicht, eine verbotene Handlung sei nach den Gesetzen des Ortes, an dem sie begangen wurde, zu beurteilen, abgegangen worden sei. Das Berufungsgericht hätte die einschlägigen Normen des jugoslawischen Rechts über die Heranziehung eines Dienstnehmers zur Schadensgutmachung nicht beachtet, Zweifel über das anzuwendende Recht ergeben sich hinsichtlich folgender Rechtsfragen: 1. Die Frage nach der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Dienstnehmers und seinem Verschulden. 2. Die Frage, ob der Dienstgeber gegen den Dienstnehmer einen Schadenersatzanspruch aus diesem Verhalten geltend machen kann, oder ob und in welchem Umfang eine solche Geltendmachung ausgeschlossen ist. 3. Die Frage der Legalzession.

Daß die erste Frage nach der lex loci delicti commissi, also hier nach jugoslawischem Recht zu beurteilen ist, ist nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten. Nach diesem Recht wurde die Frage auch im zweiten Rechtsgang richtig beurteilt. Daß die dritte Frage auch dem Rechte zu beurteilen ist, dem das Versicherungsverhältnis unterliegt, also im vorliegenden Fall nach österreichischem Recht, folgt aus der Regel des § 36 ABGB. Ebenso wurde vom Obersten Gerichtshof schon wiederholt entschieden (JBl. 1960 S. 604, Arb. 8249) im Falle der Legalzession nach § 332 ASVG., wo das Vertragsstatut nicht unmittelbar anwendbar ist.

Fraglich kann nur sein, nach welchem Rechte die zweite Frage zu beurteilen ist, nämlich die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Frage nach der Haftung des Dienstnehmers gegenüber dem Dienstgeber. Sie muß dahin beantwortet werden, daß das Recht des Ortes im Inland, in welchem zwischen Inländern der Dienstvertrag abgeschlossen wurde, maßgebend ist, wenn man den überzeugenden Ausführungen Schwimanns in den JBl. 1960 S. 556 folgt, wonach sich die Ausnahmen von der Anwendung der lex loci delicti commissi aus den besonderen zwischen den beteiligten Personen bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen ergeben (in diesem Sinne auch Schwind, ZVR. 1965, 291 ff.). Hier ist davon auszugehen, daß die aus dem im Inland zwischen Inländern abgeschlossenen Dienstvertrag sich ergebenden Ansprüche auch dann nach inländischem Recht zu beurteilen sind, wenn die Dienstleistungen zum Teil im Ausland erbracht wurden (JBl. 1958 S. 186 und die Bemerkungen Schwinds hiezu, Arb. 8425 u. a.). Daraus folgt aber, daß auch die Frage, ob der Dienstgeber nach den für das Arbeitsverhältnis bestehenden besonderen Normen gehindert ist, seinen Schadenersatzanspruch gegen den Dienstnehmer wegen einer von diesem schuldhaft im Dienst begangenen rechtswidrigen Handlung geltend zu machen, nach inländischem Recht zu beurteilen ist.

Diese Ausführungen stehen auch mit dem in diesem Verfahren ergangenen Aufhebungsbeschluß 4 Ob 72/67 nicht im Widerspruch. Zwar heißt es darin, daß ein unzweideutiger Hinweis gegeben sei, daß für den Schadenersatzanspruch des Dienstgebers M. gegen den Beklagten jugoslawisches Recht anzuwenden sei. Aus den folgenden Ausführungen ergibt sich aber, daß damit nur die Entscheidung über die oben im Punkt 1 umrissene Frage gemeint war.

Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz vom 31. März 1965, BGBl. Nr. 80 kann aus zeitlichen Gründen nicht angewendet werden. Ein Schadenersatzanspruch des Dienstgebers könnte nur dann nicht entstanden sein, wenn der Schaden durch eine entschuldbare Fehlleistung des Beklagten verursacht worden wäre, wenn also diese Fehlleistung nicht mehr als nennenswertes Verschulden des Dienstnehmers gewertet werden könnte (Arb. 7488, 8522). Dafür bieten aber die Feststellungen des Berufungsgerichtes keinen Anhaltspunkt. Das Auffahren auf ein anderes Fahrzeug, dessen Lenker zu einer Schnellbremsung genötigt ist, beruht hier entweder auf einem Aufmerksamkeitsfehler oder auf einer im Verhältnis zum Abstand zum vorderen Fahrzeug zu hohen Geschwindigkeit, also durchwegs auf nicht geringfügigen Verstößen gegen die im Straßenverkehr erforderliche Aufmerksamkeit.

Es kann auch im Gegensatz zu den in den Entscheidungen Arb. 8190, 8522 behandelten Fällen hier kein Mitverschulden des Dienstnehmers wegen Unterlassung einer Kaskomitversicherung des Beklagten angenommen werden, weil nicht die erhöhte Feuer- und Explosionsgefahr eines Tankwagenzuges die Ursache des Verkehrsunfalles gewesen ist. Es handelte sich ja um eine Leerfahrt.

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