OGH 8Ob652/86

OGH8Ob652/8619.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Vormundschaftssache des mj. Markus M***, geboren 2. September 1978, infolge Revisionsrekurse des Vaters Ewald G***, Fotograph, Krehbachgasse 7, 6410 Telfs, und der Mutter Monika M***, Egart 6, 6410 Telfs gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 11. September 1986, GZ. 3 b R 172/86-62, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 8. Juli 1986, GZ. P 172/84-59, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der mj. Markus ist das uneheliche Kind des Ewald G*** und der Monika M***. Er befindet sich in Pflege und Erziehung bei Erna H*** in Telfs.

Der Vater beantragte, ihm ein Besuchsrecht dahingehend einzuräumen, daß er berechtigt sei, den mj. Markus jede Woche für einen Tag zu sich zu nehmen.

Die Pflegemutter und die Kindesmutter sprachen sich dagegen aus, weil der mj. Markus Angst vor dem Vater habe und ihn nicht sehen wolle.

Die Bezirkshauptmannschaft Imst, Abteilung Jugendfürsorge, stimmte als Amtsvormund des Minderjährigen dem Besuchsregelungsantrag des Vaters nicht zu; ein diesem eingeräumtes Besuchsrecht würde das Wohl des mj. Markus gefährden.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Minderjährige hat sich damit, daß er bei der Mutter des Lebensgefährten seiner Mutter untergebracht ist, zu Recht gefunden. Markus fühlt sich im jetzigen Familienverband geborgen. Er will seinen Vater nicht sehen und distanziert sich von diesem völlig. Nach Ansicht des psychologischen Gutachters würde sich die Einräumung eines Besuchsrechtes nicht zum Wohl des Kindes auswirken. Der Minderjährige wird von seiner derzeitigen Pflegemutter gut betreut; er ist in der Schule leistungsmäßig willig und arbeitet ordentlich und sauber. Die Einräumung eines Besuchsrechtes würde derzeit negative Folgen mit sich bringen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der ein wöchentliches, ganztägiges Besuchsrecht anstrebte, teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es ihm einräumte, seinen Sohn Markus an jedem dritten Samstag im Monat in der Zeit von 15 Uhr bis 18 Uhr bei der Pflegemutter Erna H***, Hausfrau, Telfs, Weißenbachgasse 14, unter deren Aufsicht oder unter Aufsicht einer von der Kindesmutter oder von der Pflegemutter namhaft gemachten Vertrauensperson zu besuchen. Eine Entziehung oder Einschränkung des Besuchsrechtes könne grundsätzlich nur aus solchen triftigen Gründen erfolgen, die eine Bedrohung der physischen oder psychischen Integrität des Kindes darstellten. Eine ängstliche oder neurotische Reaktion des Kindes auf den Besuch des Elternteiles oder dessen Ablehnung durch das Kind reiche nicht aus, um den Kontakt zu dem Kind zur Gänze zu unterbinden. Die vom Kindesvater angestrebte Besuchsregelung wäre derzeit nicht dem Wohl und den Interessen des mj. Markus dienlich. Zu berücksichtigen sei nämlich, daß Markus nach den Berichten des psychologischen Dienstes und des Amtsvormundes wegen einiger dramatischer Erlebnisse, auch wenn diese nicht konkretisiert wurden, Angst vor seinem Vater habe, wobei er sich vor allem davor fürchte, daß er von seinem Vater abgeholt würde und dann an den Besuchstagen die Zeit mit ihm in Gasthäusern verbringen müßte. Im Hinblick darauf, daß der Vater den mj. Markus seit zwei Jahren nicht mehr besuchen konnte, erscheine es dem Wohl des mj. Markus jedoch förderlich, wenn es wieder zu einer Kontaktaufnahme kommt, wobei diese jedoch vorerst nur auf wenige Stunden pro Monat beschränkt bleiben müsse. Dadurch werde es möglich sein, eine vorsichtige Annäherung des Vaters zu seinem Sohn herbeizuführen. Die inzwischen eingetretene Entfremdung lasse es nur zu, daß sich der Vater und sein Kind langsam Schritt für Schritt wieder näher kennenlernten. Nur durch eine solche Vorgangsweise sei gewährleistet, daß die beim mj. Markus vorhandene Abwehrhaltung gegen seinen Vater allmählich abgebaut und der mj. Markus allenfalls nach einiger Zeit von sich aus den Wunsch äußern wird, die Kontakte zu seinem Vater zu intensivieren. Wegen der Abwehrhaltung und Angst des mj. Markus gegenüber seinem Vater erscheine es derzeit auch noch zweckmäßig, daß der Vater den Sohn an den Besuchstagen nicht zu sich nimmt, sondern die Kontaktaufnahmen im Beisein der Pflegemutter oder einer von dieser oder der Mutter zu benennenden Vertrauensperson stattfinden.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihm das Besuchsrecht während der vom Rekursgericht eingeräumten Zeit in der Weise bewilligt wird, daß er den mj. Markus holen könne und wieder zurückbringen müsse. Auch die Mutter erhebt Revisionsrekurs und beantragt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind nicht berechtigt.

1) Zum Revisionsrekurs des Vaters:

Als einzige Begründung für seinen Wunsch, den mj. Markus abzuholen und wieder zurückbringen zu können, führt der Revisionsrekurswerber aus, "daß es mit der Mutter und der Pflegemutter Probleme gibt". Eine Konkretisierung dieser Behauptungen nimmt er nicht vor. Das Rekursgericht hat jedoch zum Ausdruck gebracht, daß zunächst eine vorsichtige Annäherung zwischen Vater und Kind zu erfolgen habe, weil beide seit zwei Jahren einander nicht gesehen haben und die dadurch eingetretene Entfremdung zunächst bloß eine langsame Annäherung ratsam erscheinen lasse. Es gelte, die Abwehrhaltung des Minderjährigen gegenüber seinem Vater allmählich abzubauen. Auch müsse Bedacht darauf genommen werden, daß der mj. Markus noch Angst vor dem Vater habe, sodaß es besser sei, die vorsichtige Kontaktaufnahme im Beisein einer Person stattfinden zu lassen, zu der das Kind Vertrauen habe.

Unter den gegebenen Umständen erscheint die vom Rekursgericht angeordnete Vorgangsweise durchaus geeignet, das Vater-Kind-Verhältnis nach einer Phase des Wiederkennenlernens zu verbessern und schließlich so zu gestalten, daß der Vater den mj. Markus zu den Besuchstagen auch zu sich nehmen kann. Derzeit ist im Interesse des Kindeswohles nur ein Besuch in Gegenwart einer Vertrauensperson ratsam; die gegenteilige Ansicht des Revisionsrekurswerbers vermag er nicht mit stichhältigen Argumenten zu stützen.

2) Zum Revisionsrekurs der Mutter:

Die Mutter weist in ihrem Rechtsmittel darauf hin, daß ihr Verhältnis zum Vater des mj. Markus sehr schlecht sei und er sich ihr gegenüber äußerst ausfällig benommen habe. Dem Minderjährigen habe der Vater einmal, als er ihn bei offenem Fenster in ihrem Auto sitzen sah, eine brennende Zigarette zugeworfen. Von einem Besuchsrecht des Vaters möge daher Abstand genommen werden. Demgegenüber hat aber das Rekursgericht zutreffend erkannt, daß das Recht auf persönlichen Verkehr zwischen Eltern und Kindern ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht ist. Darüber hinaus ist ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und wird zur gesunden Entwicklung des Kindes allgemein gefordert. Den Eltern steht das Recht auf persönlichen Verkehr nur insoweit nicht zu, als die Ausübung dieses Rechtes das Wohl des Kindes gefährdet (EvBl 1974/284; 7 Ob 737/77; 8 Ob 606/84 ua). Es muß sich hiebei jedoch um gewichtige Umstände handeln. Eine ängstliche Reaktion des Kindes auf den Besuch des anderen Elternteiles oder dessen Ablehnung durch das Kind reichen nicht aus, den Kontakt mit dem Kind zu unterbinden. Es müssen vielmehr konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen, daß das Besuchsrecht mißbraucht oder in einer dem Kind nachteiligen Weise ausgeübt wird (EFSlg 31.254; EvBl 1975/42; 1 Ob 509/83; 2 Ob 563/84; 8 Ob 609/84 ua).

Im vorliegenden Fall vermag die Rechtsmittelwerberin keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, daß der Vater, dem der Besuch des Kindes ohnedies nur einmal im Monat in Gegenwart einer Vertrauensperson gestattet wurde, dieses Recht in mißbräuchlicher Weise ausüben wollte oder könnte. Ein gutes und den Gegebenheiten angepaßtes Verhältnis zwischen Eltern und Kind ist ein wesentliches und wichtiges Element der Erziehung eines jungen Menschen; es dient dem Wohl des Kindes in für seine gesamte Entwicklung bedeutsamer Weise. Daher erachtete es das Rekursgericht mit Recht als wichtig, die Tür zu diesem erstrebenswerten Ziel offenzuhalten und den Kontakt des Kindes zu seinem leiblichen Vater auf die vorgesehene Weise sicherzustellen.

Beiden Revisionsrekursen war somit der Erfolg zu versagen.

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