OGH 8Ob606/84

OGH8Ob606/848.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache des mj Gregor D*****, infolge Revisionsrekurses der Erika D*****, und des Hubert D*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 6. August 1984, GZ 13 R 577/84‑47, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 22. Juni 1984, GZ 2 P 610/82‑43, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00606.840.1108.000

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der 4‑jährige Gregor D***** ist der eheliche Sohn der Elisabeth und des Hubert D*****, deren Ehe im Jahr 1982 geschieden wurde. Die elterlichen Rechte und Pflichten wurden Hubert D***** zuerkannt und ausgesprochen, dass Pflege und Erziehung durch die väterlichen Großeltern Erika und Hubert D***** auszuüben sind.

Die Mutter beantragte, ihr ein Besuchsrecht am ersten und dritten Samstag eines jeden Monats zwischen 9:00 und 18:00 Uhr einzuräumen.

Das Erstgericht legte das Besuchsrecht dergestalt fest, dass der Mutter am ersten Samstag in jedem Monat von 14:00 bis 18:00 Uhr der Besuch des Kindes in der Wohnung Erika D*****s bewilligt wurde, wobei letztere die Berechtigung erhielt, dabei anwesend zu sein.

Das Erstgericht gründete seine Entscheidung darauf, dass zwischen den Kindeseltern enorme Spannungen bestehen und die Mutter nicht in der Lage sei, mit ihrer Kränkung und ihrem Zorn über den Vater das Kind unbehelligt zu lassen. Das Zusammensein von Mutter und Kind führe zu einer außergewöhnlichen emotionalen Belastung des Kindes. Die Eigeninteressen der Eltern hätten jedoch gegenüber dem Wohl des Kindes in den Hintergrund zu treten. Da erfahrungsgemäß jeder Besuchskontakt eine gewisse Irritation des Kindes infolge Unterbrechung des normalen Lebensrhythmusses mit sich bringe, sei eine über das normale Ausmaß nicht hinausgehende Belastung des Kindes in Kauf zu nehmen. Im vorliegenden Fall stehe aufgrund des psychologischen Gutachtens fest, dass das Ausmaß dieser psychischen Belastung derzeit noch überschritten werde. Es sei daher im Interesse des Kindes geboten, das Besuchsrecht der Mutter auf das im Beschluss festgesetzte Ausmaß zu beschränken.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es zwar auch das Besuchsrecht nur am ersten Samstag eines jeden Monats zwischen 14:00 und 18:00 Uhr einräumte, jedoch die übrigen Beschränkungen, wie sie im oben dargestellten erstgerichtlichen Beschluss enthalten waren, fallen ließ. Nach Ansicht des Rekursgerichts reichten die bestehenden Spannungen zwischen den Eltern nicht aus, um der Mutter bloß ein Besuchsrecht im vom Erstgericht beschränkten Umfang einzuräumen. Es sei ein beide Elternteile treffendes wesentliches Verhaltensgebot, die Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Eltern in gleicher Weise zu fördern. Das Kind sei so einfühlend auf die Besuchstage vorzubereiten, dass der Besuch des anderen Elternteils für das Kind ein positives und zu befürwortendes Ereignis wird. Die Konfliktsituation, die als Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern auftritt, habe regelmäßig nachteilige Auswirkungen auf das Kind. In gewissem Ausmaß müssten diese wegen des Grundrechts der Eltern auf Besuch in Kauf genommen werden, doch sei bei der Festlegung des Ausmaßes und der Intensität des persönlichen Verkehrs mit dem nicht erziehungsberechtigten Elternteil darauf Bedacht zu nehmen, dass die Belastung des Kindes möglichst gering gehalten wird.

Zu Recht empfinde jedoch die Mutter des Kindes die Beschränkung der Besuche auf die Wohnung der Großmutter in deren Anwesenheit als unnotwendig. Eine derartige Regelung sei nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht geboten, weil sich dieser ausdrücklich ein Besuchsrecht der Mutter auch in der Form, dass diese das Kind bei der Großmutter abholt, als zweckdienlich vorstellt. Diese Regelung erscheine vor allem deswegen sachgerecht, weil die Großmutter offenbar gegen die Mutter eingestellt sei, sodass auch in diesem Verhältnis gewisse Spannungen bestünden. Es sei unvermeidlich, dass sich die Spannungen bei Anwesenheit der Großmutter anlässlich der Besuche der Mutter auf das Kind übertragen und so die Entwicklung eines unbefangenen Naheverhältnisses zwischen Kind und Mutter hemmen. Wenn die Mutter das Kind allein sehen kann, werde der Effekt ausgeschaltet, dass sich die bestehende Verunsicherung des Kindes gegenüber seiner Mutter perpetuiert.

In ihren Revisionsrekursen streben der Vater und die pflegeberechtigte Großmutter des Kindes die Wiederherstellung der Besuchsregelung des Erstgerichts an. Ihre Rekursberechtigung ist zwar gegeben (EvBl 1974/284; 7 Ob 737/77 ua), ihre Ausführungen sind jedoch nicht stichhältig.

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass das Recht auf persönlichen Verkehr zwischen Eltern und Kindern ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht ist. Darüber hinaus ist ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und wird zur gesunden Entwicklung des Kindes allgemein gefordert. Den Eltern steht das Recht auf persönlichen Verkehr nur insoweit nicht zu, als die Ausübung dieses Rechts das Wohl des Kindes gefährdet (EvBl 1974/284; 7 Ob 737/77 ua). Im Konfliktfall hat das Besuchsrecht gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzustehen (EFSlg 26.601; 5 Ob 708/81; 5 Ob 668/82 ua). Der Konflikt muss jedoch in seinen nachteiligen Auswirkungen auf das Kind jenes Maß überschreiten, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muss (EFSlg 26.601; 5 Ob 668/82 ua). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht die Rede sein. Wie das Rekursgericht anhand der Verfahrensergebnisse zutreffend darstellte, handelt es sich um eine solche Konfliktsituation, wie sie sich aus der Aufhebung der familiären Zusammengehörigkeit des erst 4‑jährigen Gregor und seiner nicht mehr im Familienverband lebenden Mutter nahezu zwangsläufig entwickelte. Die Besuche der Mutter könnten sogar dazu beitragen, dass eine Besserung bzw allmähliche Heilung der von den Vorinstanzen angenommenen Irritation des Kindes erfolgt. Das Rekursgericht hielt sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach es in der Regel auch erforderlich ist, zur Erreichung des Ziels des Besuchsrechts den Umgang des besuchsberechtigten Elternteils mit dem Kind nicht zu überwachen und das Kind während der Besuchsdauer diesem Elternteil allein anzuvertrauen (EFSlg 8010, 11.321, 17.309, 22.034, 26.603 ua). Eine andere Regelung wäre nur dort zu treffen, wo das Wohl des Kindes dies erheischt, insbesondere, wenn eine missbräuchliche Ausübung des Besuchsrechts zu befürchten ist (EFSlg 33.487 ua). Für die Annahme einer missbräuchlichen Ausübung des Besuchsrechts bestehen aber weder konkrete Anhaltspunkte noch können die Revisionsrekurswerber stichhältige Gründe anführen, die einen derartigen Missbrauch mütterlicher Pflichten befürchten ließen: Eine terminmäßige Unzuverlässigkeit, wie sie vom Jugendamt der Stadt Linz der Mutter des Kindes angelastet wird (AS 111), hat mit Befürchtungen im dargelegten Sinn nichts zu tun; die Ansicht (AS 119), dass das Verhalten der Mutter nicht genug sicher und verantwortungsbewusst sei, entbehrt der Konkretisierung insoweit, als sie weder durch festgestellte Tatsachen noch durch substantiierte Prognosen gestützt wird. Zutreffend ließ daher das Rekursgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung und unter eingehender Berücksichtigung der festgestellten Umstände des Falls die Beschränkungen, wie sie das Erstgericht den Besuchen der Mutter des Kindes auferlegte, fallen.

Beiden Rekursen war daher der Erfolg zu versagen.

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