OGH 2Ob675/86

OGH2Ob675/8628.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Winkelschreibereisache gegen Cornelius T***, 6710 Nenzing, Heimat 8, vertreten durch Dr. Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Rekurses des Cornelius T*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 11. September 1986, GZ 1 a R 352/86-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 20. August 1986, GZ 1 Nc 1/86-28, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer stellte mit dem am 7. Jänner 1986 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz den Antrag auf Einleitung des Verfahrens gegen Cornelius T*** wegen Winkelschreiberei, da T*** 34 Grundbuchssachen verfaßt und eingereicht habe. Cornelius T*** mache es zu seinem Geschäftsbetrieb, Rechtsurkunden und gerichtliche Eingaben für Parteien - ohne hiezu befugt zu sein - zu verfassen. Cornelius T*** bekannte sich der Winkelschreiberei nicht schuldig. Mit Beschluß vom 20. August 1986 stellte das Erstgericht das mit Beschluß vom 9. Jänner 1986 gegen Cornelius T*** wegen des Verdachtes der Winkelschreiberei eingeleitete Verfahren ein. Der Beschuldigte habe insgesamt fünf Grundbuchseingaben (TZ 5740/85, 6908/85, 6984/85, 7699/85 und 9280/85) innerhalb eines halben Jahres verfaßt. Zwei Eingaben seien unentgeltlich erfolgt und hinsichtlich der weiteren drei sei es zweifelhaft, ob der Beschuldigte hiefür ein Entgelt bezogen habe.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß aus den drei Grundbuchseingaben, hinsichtlich derer zweifelhaft sei, ob der Beschuldigte hiefür ein Entgelt bezogen hat, noch nicht auf eine gewinnsüchtige Absicht des Beschuldigten geschlossen werden könne; dies auch unter Bedachtnahme darauf, daß Cornelius T*** im Jahre 1983 als Winkelschreiber verurteilt worden sei. Das Gericht zweiter Instanz gab dem von der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Ein Rechtskraftvorbehalt wurde nicht beigesetzt. Das Rekursgericht führte aus, Cornelius T*** sei mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 25. September 1984 schuldig erkannt worden, es im Jahre 1983 in mehreren Fällen zu seinem Geschäftsbetrieb gemacht zu haben, für Parteien Verträge, Urkunden und Eingaben gegen Annahme eines Entgeltes zu verfassen. Er habe hiedurch das Vergehen nach § 1 lit b der Justizministerialverordnung vom 8. Juni 1857, RGBl. Nr. 114, begangen; es sei über ihn eine Geldstrafe von S 7.000,-- verhängt worden. In der Begründung dieses Beschlusses sei unter anderem darauf hingewiesen worden, daß gegen Cornelius T*** schon früher einmal ein Verfahren wegen Winkelschreiberei anhängig war, das nur wegen Verjährung eingestellt worden sei. Das Erstgericht habe zutreffend ausgeführt, daß dann, wenn der Bezug eines Entgeltes nicht erwiesen sei, "gewinnsüchtige Absicht" des Winkelschreibers für eine Verurteilung im Sinne der Winkelschreibereiverordnung genüge. Bereits aus der Häufigkeit des Einschreitens könne diese gewinnsüchtige Absicht erschlossen werden. Dem Belangten stehe es frei, den Gegenbeweis zu erbringen, daß er für seine Tätigkeit niemals Entgelt bezogen und daher niemals in gewinnsüchtiger Absicht gehandelt habe. Das Rekursgericht könne sich der Ansicht des Erstgerichtes nicht anschließen, daß für die Beurteilung der gewinnsüchtigen Absicht die Verfassung von lediglich drei Eingaben maßgebend sei. Vielmehr seien hiefür auch die zwei weiteren Eingaben bedeutsam, hinsichtlich derer dem Beschuldigten der Beweis der unentgeltlichen Tätigkeit gelungen sei. Auch in den zwei letztangeführten Fällen sei der Beschuldigte als Einschreiter tätig geworden, wenngleich diesbezüglich Strafbarkeit nicht vorliege. Diese fünf vom Erstgericht festgestellten Tathandlungen des Beschuldigten rechtfertigten im Zusammenhang mit seinem einschlägigen Vorgehen in der Vergangenheit den Schluß, daß der Beschuldigte hinsichtlich der drei Eingaben zu TZ 6908/85, 6984/85 und 7699/85 in gewinnsüchtiger Absicht gehandelt habe. Er habe daher gegen die Bestimmungen des § 1 lit b der angeführten Verordnung betreffend die Behandlung der Winkelschreiber verstoßen, sodaß über ihn eine Geldstrafe zu verhängen sei (§ 3 der Winkelschreibereiverordnung). Das Erstgericht habe jedoch, ausgehend von seiner Rechtsansicht, keine Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten getroffen, sodaß sich das Rekursgericht nicht in der Lage sehe, eine angemessene Geldstrafe zu verhängen. Der angefochtene Beschluß habe vielmehr zwecks Verfahrensergänzung hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten aufgehoben werden müssen. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs des Cornelius T*** aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes; überdies wird eine Überprüfung der Bestimmungen des Art. IV Z 5 EGZPO und des Art. IX Z 4 EGVG auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch den Verfassungsgerichtshof angeregt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl 1965/368, 551; AnwBl. 1975, 451; 6 Ob 564/84 ua.) gelten im Verfahren wegen Winkelschreiberei für Rekurse gegen Beschlüsse jeder Art die Bestimmungen der §§ 514 bis 528 ZPO. Nach § 527 Abs 2 ZPO ist der Rekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes, mit der ein Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, nur dann zulässig, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung ausgesprochen hat, daß erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft mit dem Vollzug des der ersten Instanz erteilten Auftrages vorzugehen sei. Diese Vorschrift kommt allerdings dann nicht zur Anwendung, wenn die Entscheidung des Rekursgerichtes inhaltlich als ein abändernder Beschluß zu qualifizieren ist. Auf die Gründe der Aufhebung kommt es dabei nicht an. Wesentlich für die Anwendung des § 527 Abs 2 ZPO ist lediglich, daß eine neuerliche, dieselbe Frage betreffende Entscheidung aufgetragen wird, das Rekursgericht also selbst nicht sachlich entscheidet (SZ 51/94 mit weiteren Hinweisen u.v.a.). Ob die Ergänzung des Verfahrens (nur) wegen ungenügender Klärung des Sachverhaltes in tatsächlicher Beziehung oder (auch) infolge einer abweichenden Rechtsansicht des Rekursgerichtes verfügt wurde, ist ohne Bedeutung (SZ 7/304 u.v.a., zuletzt etwa 2 Ob 572/79, 5 Ob 751,752/79). Wesentlich ist für die Anwendbarkeit des § 527 Abs 2 ZPO nicht eine mehr oder weniger weitgehende Bindung des Erstgerichtes an Rechtsansichten des Rechtsmittelgerichtes, sondern ausschließlich der Umstand, ob nach der zweitinstanzlichen Beschlußfassung über den Entscheidungsgegensgand im anhängigen Verfahren eine neue Entscheidung des Erstgerichtes zu erfolgen hat oder nicht (6 Ob 661/82 ua.).

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht, ausgehend von einer anderen Rechtsansicht als jener des Erstgerichtes hinsichtlich der gewinnsüchtigen Absicht des Beschuldigten Feststellungen über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse für erforderlich erachtet und deshalb den Beschluß des Erstgerichtes zur neuerlichen Entscheidung nach in dieser Richtung vorzunehmenden Verfahrensergänzung aufgehoben.

Unter diesen Umständen liegt ein "echter" Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes im Sinn des § 527 Abs 2 ZPO vor, der nur im Falle eines vom Rekursgericht angeordneten Rechtskraftvorbehaltes angefochten werden könnte (JBl 1983, 607, 8 Ob 650/84 ua.). Da das Rekursgericht einen solchen Rechtskraftvorbehalt nicht beigesetzt hat, war der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Der Anregung des Rekurswerbers, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der anzuwendenden Bestimmungen zu beantragen, sieht sich der erkennende Senat zu folgen nicht veranlaßt.

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